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FORSCHUNG/377: Ist das Universum ein Torus? (Spektrum der Wissenschaft)


Spektrum der Wissenschaft 1/09 - Januar 2009

Ist das Universum ein Torus?

Von Georg Wolschin


Die präzise Vermessung der kosmischen Hintergrundstrahlung eröffnet Forschern neue Wege, um zwischen endlichen und unendlichen Modellen des Kosmos zu unterscheiden. Wie Frank Steiner und sein Team von der Universität Ulm zeigen konnten, ist derzeit auch ein endliches Universum von der Form eines Torus mit den Beobachtungsdaten verträglich.


Vielleicht nähern wir uns allmählich der Antwort auf die uralte Frage, ob das Universum endlich oder unendlich groß ist. Und wenn der Ulmer Forscher Frank Steiner Recht hat, dann könnte es eine Lösung geben, an die bisher nur wenige gedacht haben.

Kosmologische Räume werden gewöhnlich nach ihrer so genannten Krümmung unterschieden: Sind sie positiv gekrümmt wie etwa die zweidimensionale Oberfläche einer Kugel, haben sie stets ein endliches Volumen. Räume mit negativer Krümmung - wie etwa eine zweidimensionale Satteloberfläche - heißen »hyperbolisch« und können endlich oder unendlich sein. Entsprechendes gilt für flache Gebilde wie etwa die euklidische Ebene. Was diese drei Raumtypen unterscheidet, ist ihre Krümmung: positiv für die Kugeloberfläche, negativ für den hyperbolischen Raum, null für den euklidischen Raum.

Da die globale Geometrie eines Raums (fachlich: seine Topologie, die Lehre von den Orten) durch seine Krümmung nicht vollständig festgelegt wird, ist diese Dreitypenlehre jedoch nur die halbe Story. So kann auch ein flacher Raum endlich sein. Ein Beispiel für einen flachen, aber endlichen Raum bildet die Oberfläche eines Torus. Ringe beziehungsweise Donuts sind Torusbeispiele in zwei Dimensionen, fachlich ein »Zwei-Torus«. Dass sie geometrisch flache Objekte sind, lässt sich mit einem kleinen Gedankenexperiment zeigen: Schneidet man einen Papiertorus einmal durch den kleinen und einmal quer durch den großen Ring, dann erhält man ein flaches, rechteckiges Stück Papier - einen flachen, endlichen Raum von zwei Dimensionen. Eine Kugeloberfläche lässt sich verzerrungsfrei nicht in eine Ebene abwickeln. Heute favorisieren die meisten Wissenschaftler ein flaches unendliches Universum. Dabei unterstellen sie jedoch, dass die Welt die einfachste mögliche Geometrie verwirklicht.

Doch um Fragen zur globalen Geometrie des Alls wirklich beantworten zu können, müssen wir auch die Topologie kennen. Die Frage ist, ob und wie sich die globalen geometrischen Eigenschaften des Weltraums durch Beobachtungen feststellen lassen. Die Mathematik von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie als Grundlage aller modernen Kosmologie macht über die Topologie selbst keine Aussage. Die Theorie beschreibt mittels mathematischer Gleichungen lediglich die lokalen Eigenschaften der Raumzeit, verknüpft also an jedem gegebenen Punkt die Krümmung der Raumzeit mit der Materiedichte.

Zur Untersuchung der Topologie und damit der großräumigen Gestalt des Universums untersuchen die Kosmologen vielmehr, wie unterschiedliche Raumpunkte zueinander in Beziehung stehen. Die Antwort ist dann nicht nur für die Frage nach der Endlichkeit des Raumes von Bedeutung, sondern eröffnet auch Einblicke in die Physik jenseits der allgemeinen Relativitätstheorie. Dabei wird in der Regel die Annahme gemacht, dass Raumkrümmung und Topologie Unveränderliche sind, sich also nicht zeitlich ändern. Durch die präzise Untersuchung der kosmischen Hintergrundstrahlung mit dem WMAP-Satelliten bekam die Idee eines endlichen Universums 2003 überraschenderweise neuen Auftrieb.

Etwa 380 000 Jahre nach dem Urknall passierten mehrere Dinge gleichzeitig. Das heiße Universum hatte sich durch die kosmische Expansion so weit abgekühlt, dass sich freie Protonen und Elektronen zu neutralen Wasserstoffatomen vereinen konnten. Strahlung und Materie waren von da an »entkoppelt«: Das Weltall wurde für die Strahlung durchsichtig, da sie nicht mehr an freien Elektronen gestreut wurde. Diese Strahlung dringt seitdem fast ungehindert zu uns. Die Astronomen empfangen sie mit ihren Teleskopen hauptsächlich als Mikrowellen.

Diese Mikrowellenstrahlung leuchtet noch heute, wenn auch stark abgekühlt wie ein Feuerball. Physikalisch hat sie im Mittel das Spektrum eines schwarzen Körpers, das sich durch eine Temperatur - 2,725 Kelvin - kennzeichnen lässt. Dennoch sind bereits mit dem WMAP-Vorgängersatelliten COBE in der Strahlung kleine und kleinste Temperaturschwankungen entdeckt worden - geringfügig heißere und kältere Flecken, verteilt über den Himmel. Sie spiegeln die Dichteschwankungen im frühen Universum wider und protokollieren damit die unregelmäßige Materie- und Energieverteilung zum Zeitpunkt der Entkopplung.


Ein flaches, unendliches Universum, das sich bescheunigt ausdehnt

Die Temperaturschwankungen in der Hintergrundstrahlung kommen unter anderem dadurch zu Stande, dass Photonen, die aus dichteren Materieregionen stammen, gegen die Gravitationsanziehung anlaufen und deshalb »kälter« im Sonnensystem ankommen als andere, die aus weniger dichten Regionen stammen. Detaillierte Modellrechnungen amerikanischer Kosmologen haben gezeigt, wie dreidimensionale Dichtefluktuationen die beobachteten zweidimensionalen Temperaturschwankungen am Mikrowellenhimmel erzeugen können. Die Astronomen rechnen die Größe und Häufigkeit dieser Flecken in so genannte Multipole l um. Diese drücken mathematisch die Winkelverteilung der Temperaturfluktuationen am Himmel aus. Je höher die Multipolzahl, desto kleinräumiger und komplexer die Winkelverteilung: Dipol ( l = 1), Quadrupol ( l = 2), Oktupol ( l = 3) und so weiter.

Ein unendliches Universum enthält, so ergeben es die Berechnungen, alle Wellenlängen in gleicher Stärke. Die Daten zeigten - auch in ihrer neuesten Auswertungsrunde nach fünf Jahren Beobachtungszeit - aber bereits 2003, dass die kleinen Multipolzahlen schwächer ausgeprägt sind als erwartet, und bestätigten damit ältere COBE-Resultate. Abgesehen davon sind diese Daten verträglich mit einem unendlich ausgedehnten flachen Universum, dessen Raum unter dem Einfluss der »Dunklen Energie« weiter beschleunigt expandiert. Die Abstände zwischen den Galaxien wachsen im Mittel entsprechend rascher an als noch vor etwa fünf Milliarden Jahren. Tatsächlich favorisieren heute die meisten Wissenschaftler das Modell eines unendlich ausgedehnten flachen Raums.

Den möglichen Hinweisen auf ein endliches Universum - insbesondere der Unterdrückung der kleinen Multipole - sind inzwischen mehrere Wissenschaftlergruppen nachgegangen, zuletzt 2007/8 die Gruppe um Frank Steiner von der Universität Ulm. Sie hat seit 1999 verschiedene räumliche Formen des Universums untersucht, neuerdings insbesondere einen so genannten Drei-Torus, der dreidimensionalen Version des uns vertrauten zweidimensionalen Rings oder Zwei-Torus. Als Modell unseres Kosmos wäre ein Drei-Torus die einfachste nicht triviale Geometrie eines endlichen flachen Raums.

Ähnlich wie sich die von einem Instrument erzeugten Töne als Überlagerung von harmonischen Grundtönen darstellen lassen, kann man die beobachteten Temperaturfluktuationen der kosmischen Hintergrundstrahlung als Summe vieler Frequenzkomponenten modellieren. Die relative Stärke der tiefsten Frequenzen bestimmen beim Musikinstrument zusammen mit den Obertönen die Tonqualität - deshalb klingt dieselbe Note auf einer Blockflöte auch anders als auf einem Saxofon. Analog bestimmen bei der Mikrowellenkarte des Himmels die Grundfrequenzen und ihre relative Stärke, das so genannte Winkelleistungsspektrum, Physik und Topologie des »Instruments« - in diesem Fall die des ganzen Universums. Das Fluktuationsspektrum ist das grundlegende Werkzeug zum Test theoretischer Modelle.

Das erste Maximum bei Multipolen jenseits von l = 200 entspricht Winkelabständen von etwa einem Grad. Es zeigt, dass im frühen Universum Schallwellen der entsprechenden, relativ kurzen Wellenlänge dominiert haben müssen - ähnlich wie eine Saite bestimmter Länge vor allem eine ganz bestimmte Note erzeugt. Das zweite und dritte Maximum (bei etwa bei l = 510 und l = 800) sind »Obertöne« oder »Harmonische« des ersten. Daraus können Kosmologen ebenfalls wichtige Informationen ableiten (siehe G. Börner »Die Dunkle Energie und ihre Feinde«, SdW 11/2008, S. 38).


Diskrepanz bei großen Winkeln

Probleme mit dem gängigen Modell des unendlichen flachen Universums gibt es bei niedrigen Multipolzahlen, was Winkelskalen von über 60 Grad entspricht. Der niedrigste Multipol nach dem Monopol (l = 0) ist der Dipol mit dem Multipolmoment l = 1. Dieser Winkelanteil lässt sich in der Hintergrundstrahlung nicht beobachten, weil die Bewegung unserer Galaxie im Mikrowellenhintergrund ebenfalls ein Dipolfeld erzeugt, das hundertmal stärker ist als der kosmologische Effekt der Fluktuationen. Daher subtrahieren die Kosmologen diesen Anteil.

Der erste beobachtbare Multipol ist deshalb der bereits erwähnte Quadrupol mit l = 2, entsprechend Winkelabständen von 180/2 Grad = 90 Grad. Im Modell des unendlich ausgedehnten flachen Universums lässt sich seine Stärke exakt berechnen - die WMAP-Beobachtungen zeigen aber nur etwa ein Siebtel dieses Resultats - eine deutliche Diskrepanz. Der nächste Winkelbeitrag vom Oktupoltyp (l = 3) entspricht Winkelspannen von etwa 180/3 = 60 Grad und passt, wie auch die Messkurve belegt, bereits weitaus besser zum theoretisch vorhergesagten Wert des Standardmodells. Die nächsthöheren Multipole mit l = 4 bis l = 9 weichen wieder vom Standardmodell ab. Erst die noch höheren Multipole stimmen damit wieder gut überein. Von allen alternativen theoretischen Modellen, die dagegen ein endliches Universum annehmen, wird deshalb bei kleinen Winkelabständen eine ähnlich gute Übereinstimmung gefordert.


Schon Karl Schwarzschild hatte die Idee eines Torus-Universums

Theoretiker, die kosmologische Modelle mit endlichem Raum bevorzugen, haben also in den detaillierten WMAP-Daten ihren Prüfstein: Ihre Modelle müssen den beobachteten schwachen Quadrupolanteil und die Multipole bis l = 9 möglichst gut wiedergeben. Gleichzeitig dürfen ihre Modelle bei kleineren Winkeln nicht schlechter abschneiden als die unendliche Standardgeometrie.

Modelle endlicher Universen lösen das Problem des schwachen Quadrupolanteils, das bereits der COBE-Satellit in den 1990er Jahren entdeckt hatte, auf natürliche Weise. Denn ähnlich wie die Wellenlänge einer schwingenden Saite nicht größer sein kann als die Saite selbst, ist auch durch die endliche Ausdehnung des Raums eine Grenze für die größtmögliche Wellenlänge vorgegeben. Die fehlenden größeren Wellenlängen unterdrücken den Quadrupol.

Die große Mehrzahl theoretisch möglicher räumlicher Topologien eines endlichen Universums lassen sich nicht mit den WMAP-Daten der Temperaturfluktuationen in Übereinstimmung bringen. Dagegen haben Wissenschaftler einige Modelle vorgeschlagen, die sehr gut zu den Daten passen. Ein Beispiel liefert die 2003 von dem französischen Kosmologen Jean-Pierre Luminet und Kollegen vorgestellte Topologie mit der Geometrie eines Dodekaeders mit gekrümmtem endlichem Raum (Bildunterschrift 4). Ein neueres Exempel bietet der von Frank Steiner und seinem Team analysierte Drei-Torus mit flachem endlichem Raum.

In all diesen Fällen wäre das (endliche) Universum - dessen Volumen beschränkt ist - aber grenzenlos. Denn nirgends stößt man an ein Ende. Wie bei einer Reise auf einem Großkreis um einen Globus würde man in jeder beliebigen Richtung irgendwann wieder am Ausgangspunkt anlangen. Im Prinzip könnte man sogar seinen eigenen Hinterkopf sehen. Auch am Himmel könnten entfernte leuchtende Objekte, ähnlich wie in einer Spiegelgalerie in unterschiedlichen Richtungen mehrfach abgebildet erscheinen.

Die Idee eines Torus-Universums ist dabei keineswegs neu. Der Astrophysiker Karl Schwarzschild hat sie bereits im Jahre 1900 vorgeschlagen, der russische Theoretiker Yakov B. Zel'dovich hat sie 1973 näher untersucht, und seitdem ist sie immer wieder von Forschern aufgegriffen worden. Neu an den Ulmer Untersuchungen ist jedoch die vollständige Berechnung mit den ersten 5,5 Millionen Schwingungen und der detaillierte Vergleich mit den aktuellen kosmologischen Beobachtungen, speziell den Fluktuationen der kosmischen Hintergrundstrahlung, und die gute Übereinstimmung der Simulationen mit den WMAP-Beobachtungen.

Das Drei-Torus-Modell gilt zwar unter Experten als mathematisch relativ einfach, ist aber unserem räumlichen Vorstellungsvermögen dennoch nur schwer zugänglich. Deutlicher wird es, wenn wir wieder die Oberfläche eines zweidimensionalen Torus als Analogon zum dreidimensionalen Fall betrachten: Wie bei einem Zylinder können Wellenlängen dort nicht größer sein als die Seitenlänge des entfalteten Torus.

Entsprechend diesem zweidimensionalen Modell setzt man den dreidimensionalen Raum aus so genannten Vielflächnern zusammen, fachlich Polyedern. Als einfachsten Fall kann man Sechsflächner benutzen, besser bekannt als Würfel. Dabei werden die gegenüberliegenden Seiten derart miteinander identifiziert, so dass - wie beim zweidimensionalen Analogon - ein Objekt, welches den Polyeder durch eine Oberfläche verlässt, durch die gegenüberliegende Seite wieder in den Polyeder eintritt. In einem derartigen Raum sind stehende Wellen möglich, deren genaue Gestalt sowohl von der Geometrie des Polyeders als auch von der genauen Art der Identifikation gegenüberliegender Seiten abhängt. Doch auch hier gilt, dass die Wellenlänge nicht größer als die Seitenlänge des Polyeders sein kann. So erreichen Wellenlängen eine bestimmte maximale Größe, genau wie von COBE und WMAP beobachtet.

In der Analyse von Frank Steiner, Ralf Aurich und Mitarbeitern von der Universität Ulm wird in Übereinstimmung mit den WMAP-Daten ein endlicher flacher Raum vorausgesetzt und dann das Drei-Torus- Universum mit den Daten detailliert verglichen. Zunächst betrachten sie bestimmte Eigenschaften der Hintergrundstrahlung, sowie zwei weitere Effekte, die bereits von anderen Forschern vorgeschlagen worden waren und die Topologie des Mikrowellenhimmels auf noch andere Weise testen.


Das Ulmer Modell

Das Drei-Torus-Modell eines endlichen flachen Raums stimmt sehr gut mit den WMAPDaten überein, in manchen Teilen passt es sogar besser als das Standardmodell mit unendlichem flachem Raum. Die Seitenlänge der kosmischen Einheitszelle, die den Torus erzeugt, beträgt in dem Ulmer Modell etwa 55,6 Milliarden Lichtjahre. Verdoppelt man die Seitenlänge, unterscheiden sich die Ergebnisse kaum mehr vom unendlichen Raum. Ein derartiges endliches Universum wäre dann aber deutlich größer als der für uns sichtbare Anteil. Dieser für uns beobachtbare Teil des Kosmos ist durch das »Alter des Universums« von 13,7 Milliarden Jahren begrenzt - ein Wert, der ebenfalls aus der Analyse der WMAP-Daten für ein flaches Weltall stammt.

Da sich der Raum ausdehnt, natürlich auch während das Licht zu uns unterwegs ist, hat eine Strahlungsquelle am Rande des sichtbaren Universums eine etwa dreimal größere Entfernung als der Abstand, der sich aus der Reisezeit des Photons ergibt. Im expandierenden Raum nimmt die Fluchtgeschwindigkeit linear mit der Entfernung zu und übersteigt oberhalb der so genannten Hubble-Entfernung die Lichtgeschwindigkeit. Die Lichtgeschwindigkeit ist zwar Grenzgeschwindigkeit für die Signalausbreitung, aber nicht für die Raumdehnung.

Vom Satelliten Planck der europäischen Raumfahrtagentur Esa, der Anfang 2009 starten soll, wird ein wesentlich verbessertes Spektrum der Temperaturfluktuationen bei kleinen Winkelskalen erwartet. Diese Beobachtungen werden eine bessere Entscheidungsgrundlage zur Topologie des Universums liefern. Diese wäre bei großen Winkelskalen (also kleinen Multipolwerten) zu erwarten.

Aber auch eine höhere erwartete Genauigkeit der Planck-Beobachtungen bei kleineren Winkelskalen könnte die Entscheidung über die Topologie des Kosmos voranbringen. Insbesondere würde sie bei der Suche nach den vorhergesagten Kreisen helfen - ein idealer Test der kosmischen Topologie.

Immerhin wird man dann zumindest den älteren Vorschlag eines endlichen Universums mit Dodekaeder-Geometrie besser bewerten können - denn der setzt einen leicht positiv gekrümmten Raum voraus, oder das bereits 1999 von der Ulmer Gruppe eingehend untersuchte »Picard-Universum«, das einen leicht negativ gekrümmten Raum voraussetzt.

Der Satellit Planck hat jedoch das Ziel, den flachen Raum anhand der gemessenen Energiedichte auf weniger als ein Prozent genau zu vermessen - und damit besser als der heutige Raumspäher WMAP. Bestätigt sich der bisher favorisierte Wert, dann bliebe ein Torus-Universum die derzeit einzige bisher solide überprüfte Alternative zum unendlichen Raum. Wie also wird der Wettstreit zwischen der Standardkosmologie und dem etwas ketzerischen Torus-Gegenmodell ausgehen?

Wie der Ulmer Kosmologe Frank Steiner kürzlich sagte: »Die Beobachtungen müssen es entscheiden!«


Georg Wolschin ist theoretischer Physiker und wissenschaftlicher Geschäftsführer des SFB/Transregio Bonn-Heidelberg-München »The Dark Universe« an der Universität Heidelberg.


Literaturhinweise:

Aurich, R., et al.: Do We Live in a 'Small Universe'? In: Classical and Quantum Gravity 25, Nr. 125006, 2008.

Luminet, L. et al.: Dodecahedral Space Topology as an Explanation for Weak Wide-Angle Temperature Correlations in the Cosmic Background Radiation. In: Nature, 425, S. 593-595, 2003.


Weblinks zu diesem Thema finden Sie unter
www.spektrum.de/artikel/974631.

Hören Sie dazu auch den Podcast Spektrum Talk unter
www.spektrum.de/talk


ZUSATZINFORMATIONEN:


Flache endliche Räume - Zylinder und Torus

Auf der Zylinderoberfläche (a) bewegt sich ein zweidimensionales Lebewesen nach Osten und kommt schließlich wieder am Ausgangspunkt an; in (b) ist der zurückgelegte Weg am aufgeschnittenen und geglätteten Zylinder gezeigt. Schneidet man analog einen flachen Torus auf, verläuft der Weg um die geglättete Torusoberfläche wie in (c). In einem torusförmigen Universum können Wellenlängen nicht größer sein als die Seitenlänge des Quadrats (d). Bei einem Drei-Torus in drei Raumdimensionen entspricht dies der Kantenlänge eines Würfels. (Siehe auch Bildunterschrift 3)


Umstrittener Kosmos

Die moderne Kosmologie begann mit Albert Einstein, aus dessen Gravitationstheorie Alexander Friedmann ein Modell des expandierenden Universums ableitete. Erste Beobachtungen von Edwin P. Hubble in den 1920er Jahren bestätigten diese Vorhersage. Die Expansion sollte sich demnach aber stets weiter verlangsamen und vielleicht sogar einmal wieder umkehren.

Heute hat sich die Lage wieder verkompliziert. Vor etwa fünf Milliarden Jahren setzte der Kosmos offenbar zu einer beschleunigten Expansion an, die noch andauert. Die Ursache für dieses erstaunliche Phänomen ist die so genannte Dunkle Energie, deren genauer physikalischer Ursprung bisher unbekannt ist.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Bildunterschrift 1:
Die Temperaturschwankungen der kosmischen Hintergrundstrahlung hat der WMAP-Satellit in mehrjähriger Flugzeit bis 2008 gemessen (oben). Ulmer Forscher haben den Mikrowellenhintergrund simuliert - bei endlichem flachem Raum mit einer so genannten Drei-Torus-Topologie (unten).

Bildunterschrift 2:
Aus fünf Jahren WMAP -Beobachtungen erhielten die Kosmologen dieses Spektrum der Temperaturfluktuationen (oben). Große Winkelabstände entsprechen kleinen Multipolen l. Die rote Kurve ist ein Fit an die Daten im kosmischen Standardmodell mit unendlichem flachem Raum. Die WMAP-Daten sind auch mit einem endlichen Torus-Universum verträglich (unten). Die Simulation (orange, mit Standardabweichung) unterscheidet sich oberhalb von l = 20 nicht mehr vom Standardmodell.

Bildunterschrift 3:
Ein endliches Universum könnte die Topologie eines Drei-Torus haben, dem dreidimensionalen Analogon zum hier gezeigten Zwei-Torus, der wie ein Donut aussieht.

Bildunterschrift 4:
Für ein endliches Universum wurde von Jean-Pierre Luminet und seiner Gruppe auch ein Dodekaeder-Raum vorgeschlagen: Mathematische Modelle eines sphärischen Universums, das durch gekrümmte Fünfecke begrenzt wird, erzeugen ebenfalls die in der kosmischen Hintergrundstrahlung beobachteten Muster. In diesem Modell ist die Raumkrümmung leicht positiv.

Bildunterschrift 5:
Je weiter ein kosmisches Objekt von uns entfernt ist, desto schneller bewegt es sich von uns fort. Schließlich erreicht es einen »Horizont«, jenseits dessen uns sein Licht nicht mehr erreicht: die Grenze des sichtbaren Universums. Jenseits dieses Horizonts kann das Universum unendlich, oder endlich sein.


© 2009 Georg Wolschin, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
Spektrum der Wissenschaft 1/09 - Januar 2009, Seite 24 - 29
Herausgeber: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2009