Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → ASTRONOMIE

FORSCHUNG/378: Zustand und Perspektiven der Gravitationswellenastronomie (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 1/09 - Januar 2009
Zeitschrift für Astronomie

Warten auf die Welle
Zustand und Perspektiven der Gravitationswellenastronomie

Von Peter Aufmuth


Gravitationswellen liefern völlig neue Informationen über das All. Sie erlauben die Beobachtung Dunkler Materie und des Urknalls. Ein weltweites Netz von Gravitationswellendetektoren steht kurz vor dem Empfang der ersten Signale.


*


In Kürze

Gravitationswellen sind Verformungen der Raumzeit. Sie entstehen, wenn Massen bewegt werden, und pflanzen sich praktisch ungestört mit Lichtgeschwindigkeit fort.
Ihre Existenz folgt theoretisch aus der allgemeinen Relativitätstheorie und ist durch astronomische Beobachtungen indirekt nachgewiesen.
Für den direkten Nachweis steht nun - nach jahrzehntelanger Entwicklung - ein weltumspannendes Netz von Detektoren bereit. Erste Erfolge sind jeden Moment zu erwarten!

*


Die heutigen Vorstellungen vom Ursprung und Aufbau des Universums beruhen auf der allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein (1879 - 1955). Diese Theorie liefert eine neue Erklärung der Gravitation. Anders als bei Isaac Newton (1643 - 1727) erscheint sie nicht als Kraft zwischen zwei Körpern, sondern als eine Eigenschaft des Raums, in dem diese Körper enthalten sind. Einstein erkannte, dass Massen den Raum und die Zeit in ihrer Umgebung verformen. Die dadurch hervorgerufene Krümmung der Raumzeit ruft die Gravitationswirkungen hervor: Eine Masse erzeugt eine »Delle« in der Struktur der Raumzeit, und andere Massen laufen in diese Delle hinein oder werden durch sie in ihrer Bewegung abgelenkt [1].

Während für Newton der Raum die unveränderliche Bühne, den starren Hintergrund für alle physikalischen Vorgänge bildet, erscheint er nach Einstein als Mitspieler im Geschehen: Massen verformen den Raum, und die Form des Raums wirkt zurück auf die Bewegung der Massen. Da sich alle Massen im Universum bewegen, ist die Struktur des Raums in ständiger Veränderung begriffen. Man hat es also mit einer dynamischen Geometrie des Raums zu tun. Der amerikanische Physiker John A. Wheeler (1911 - 2008) hat deswegen als präzisere Bezeichnung für die allgemeine Relativitätstheorie den Namen »Geometrodynamik« vorgeschlagen. Unmittelbare Auswirkungen der Wechselbeziehung von Raum, Zeit und Materie sind die Ablenkung von Lichtstrahlen in der Nähe großer Massen, die Expansion des Alls und die Existenz von Gravitationswellen. Diese Effekte der Geometrodynamik sind heute mit großer Genauigkeit nachgewiesen.


Der dynamische Teil der Gravitation

Newtons Theorie der Schwerkraft ist eine Fernwirkungstheorie: Änderungen der Massenverteilung wirken sich instantan im gesamten Universum aus. In einer solchen Theorie kann es keine Gravitationswellen geben. Als Einstein 1905 zeigte, dass sich jegliche Wirkung höchstens mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten kann, folgerte der französische Mathematiker Henri Poincaré (1854 - 1912) sofort, dass sich Störungen im Gravitationsfeld mit endlicher Geschwindigkeit in Form einer Welle ausbreiten müssen - so wie ein in einen Teich geworfener Stein eine Wasserwelle auslöst. Er nannte dieses Phänomen »Gravitationswelle«.

Erst zehn Jahre später, im November 1915, legte Einstein die allgemeine Relativitätstheorie vor. Im März 1916 veröffentlichte er eine Arbeit, in der als eine der ersten Lösungen seiner Feldgleichungen Gravitationswellen abgeleitet wurden. Es handelt sich dabei um durch beschleunigte Massen erzeugte Transversalwellen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit in der Geometrie der Raumzeit ausbreiten (siehe Bild unter Zusatzinformation 1). Einstein erkannte allerdings auch, dass es sich um einen üblicherweise vernachlässigbaren Effekt handelt: »Gravitationswellen sind eine notwendige Folgerung aus der Relativitätstheorie, aber ihr Effekt ist so klein, dass man sie wohl nie nachweisen wird.« [2]

Im Jahr 1918 folgte eine zweite Arbeit, die eine Korrektur zur ersten enthielt (Einstein verrechnete sich gern) und angab, wovon die Amplitude der Gravitationswelle abhängt, nämlich von der zeitlichen Änderung des Massenquadrupolmoments der Quelle. Darunter versteht man die Abweichung der Massenverteilung von der Kugelgestalt, zum Beispiel eines durch Rotation abgeplatteten Sterns oder eines Systems aus zwei sich umkreisenden Massen. Die Amplitude der erzeugten Gravitationswelle ist umso größer, je schneller sich dieses Quadrupolmoment ändert, und ist ferner umgekehrt proportional zur Entfernung, welche die Welle zurückgelegt hat.


Kosmische Tänze

Auch beim Umlauf der Planeten um die Sonne werden Gravitationswellen erzeugt, allerdings so schwach, dass sie nicht nachweisbar sind. Als beobachtbare Quellen von Gravitationswellen kommen nur energiereiche astrophysikalische Ereignisse wie eine Supernova oder der Urknall beziehungsweise Ereignisse, an denen kompakte Objekte wie Neutronensterne oder Schwarze Löcher beteiligt sind, in Frage. Da solche Quellen aber weit von uns entfernt sind, ist die Amplitude der ausgelösten Gravitationswellen am Ort der Erde sehr klein. Die Detektoren dieser Wellen müssen in der Lage sein, Ausschläge zu messen, die kleiner sind als der Durchmesser eines Atomkerns.

Trotzdem konnte bereits der Nachweis erbracht werden, dass Gravitationswellen tatsächlich existieren. Im Jahre 1974 entdeckten die amerikanischen Astronomen Russell Hulse und Joseph Taylor ein Doppelsystem (PSR J1913 + 16), in dem ein Pulsar und ein Neutronenstern einander in knapp acht Stunden umkreisen [3]. Nach der Geometrodynamik sollte ein solches System Gravitationswellen abstrahlen und dadurch Energie verlieren. Deshalb rücken die beiden Sterne näher zusammen und müssen sich dann wegen der Erhaltung des Drehimpulses schneller umkreisen. Im Laufe der Jahre sollte sich also die Bahnperiode stetig verringern. Genau diesen Effekt haben Hulse und Taylor gemessen; er beträgt nach 30 Jahren etwa 40 Sekunden und stimmt innerhalb von 0,2 Prozent mit den Voraussagen der Geometrodynamik überein [4].

Ein kleineres Schwarzes Loch umkreist ein extrem massereiches Schwarzes Loch, das von einer Akkretionsscheibe aus heißer Materie umgeben ist. Beim Durchstoßen dieser Scheibe erzeugt das kleine Schwarze Loch einen heftigen Energieausbruch.

Ein kleineres Schwarzes Loch umkreist ein extrem massereiches Schwarzes Loch, das von einer Akkretionsscheibe aus heißer Materie umgeben ist. Beim Durchstoßen dieser Scheibe erzeugt das kleine Schwarze Loch einen heftigen Energieausbruch.
Quelle: Valtonen/SuW-Grafik


Inzwischen hat man dieses Verhalten an vielen weiteren kompakten Doppelsystemen beobachtet. Das spektakulärste System heißt OJ 287 - hier umkreist ein Schwarzes Loch mit 100 Millionen Sonnenmassen ein weiteres mit 18 Milliarden Sonnenmassen (Bild oben). Das massereichere Schwarze Loch ist von einer Akkretionsscheibe aus Materie umgeben. Alle zwölf Jahre durchstößt das kleinere diese Akkretionsscheibe, was pro Umlauf zu zwei heftigen Energieausbrüchen führt, die übrigens schon seit hundert Jahren beobachtet werden. Aus den Bahndaten kann man den Zeitpunkt des nächsten Ausbruchs vorhersagen. Nur wenn man berücksichtigt, dass dieses System auch Gravitationswellen abstrahlt, stimmt die Vorhersage, sonst liegt man mittlerweile um 20 Tage daneben [5].


Gravitationswellenastronomie tut not!

Es besteht also kein Anlass, an der Existenz von Gravitationswellen zu zweifeln. Warum sollte man sich dann noch die Mühe machen, technisch aufwändige Detektoren zu bauen, um die Wellen direkt beim Durchgang durch die jeweilige Anlage nachzuweisen? Die Antwort ist einfach: Wir benötigen dringend neue Informationen über das Universum. Die Fülle von Daten, die in der elektromagnetischen Astronomie in den letzten zehn Jahren gesammelt worden sind, hat unser Bild vom All nicht erhellt, sondern eher »verdunkelt «: Nach heutiger Ansicht besteht das Universum zu 73 Prozent aus einer unbekannten Energieform (»Dunkle Energie«), zu 22 Prozent aus einer unbekannten Art von Materie (»Dunkle Materie«) und nur zu fünf Prozent aus der vertrauten Materie des Periodensystems. Von dieser wiederum leuchtet nur ein Fünftel, so dass wir mit der üblichen Astronomie nur ein Prozent des Inhalts des Universums beobachten können [6].

Gravitationswellen dagegen erlauben uns auch Einblicke in die dunklen Teile des Alls. Das hängt mit einer ihrer speziellen Eigenschaften zusammen: Paradoxerweise haben Gravitationswellen praktisch keine Wechselwirkung mit Materie, sondern durchlaufen sie fast ungeschwächt. Eben das macht es so schwierig, sie nachzuweisen. Andererseits bedeutet dies aber, dass das gesamte Universum für Gravitationswellen transparent ist, bis zurück zum Urknall! Außerdem verändert sich die Form der Wellen auf dem Weg durchs All nicht (bis auf die abnehmende Amplitude) - es handelt sich also um ideale Informationsträger.

Gravitationswellen liefern astrophysikalische Informationen, die uns keine andere Beobachtungsmethode bieten kann. Sie machen uns bisher verschlossene Teile des Universums zugänglich, in denen zum Beispiel Dunkelwolken elektromagnetische Strahlung abschirmen. Das Licht eines Sterns liefert ein Bild seiner Oberfläche, mit Gravitationswellen dagegen kann man in das Innere des Sterns blicken. Bei einer Supernova zum Beispiel beobachtet man im »Licht« der Gravitationswellen den Kollaps des Eisenkerns, den anschließenden Rückstoß und die Oszillationen des entstehenden Neutronensterns. Die elektromagnetische Information erreicht uns erst einige Stunden später, nach dem Durchlässigwerden der Staubhülle, und zeigt nicht mehr das Bild des originalen Supernova-Ereignisses. Auch innere Schwingungen von schnell rotierenden Neutronensternen produzieren nachweisbare Gravitationswellen. Zusammenstöße extrem massereicher Schwarzer Löcher werden im ganzen Universum beobachtbar sein. Da die Dunkle Materie Masse besitzt, sollte sie auch Gravitationswellen aussenden, wenn sie sich bewegt. Astronomie ist immer ein Blick in die Vergangenheit: Das früheste Licht, das man sehen kann (die Mikrowellenhintergrundstrahlung), stammt aus einer Zeit, als das Universum 380 000 Jahre alt war; mit Gravitationswellen kommt man dem Urknall bis auf 10-24 Sekunden nahe - die einzige Methode, der Entstehung des Universums beizuwohnen [7].


Unsicheres Neuland

Der amerikanische Physiker Joseph Weber (1919 - 2000) war der Erste, der sich in den 1960er Jahren an den direkten Nachweis von Gravitationswellen herantraute. Nach sorgfältigen Vorstudien baute er in Maryland (USA) den ersten Zylinderdetektor auf und hoffte, damit Supernovae in der Milchstraße nachweisen zu können (siehe Bildunterschrift 2). Um 1970 herum meldete Weber die Aufnahme des ersten Signals: Er hatte Koinzidenzen mit einem weiteren in Chicago stationierten Detektor beobachtet. Die Signale kamen offenbar aus dem galaktischen Zentrum und traten fast täglich auf. Diese Nachricht erregte großes Aufsehen unter den Astrophysikern und führte zum Aufbau von mindestens 19 ähnlichen Detektoren in acht Ländern, die sich an der Gravitationswellensuche beteiligen wollten. Leider konnten Webers Ergebnisse von keiner anderen Station bestätigt werden [8].

Webers Misserfolg zeigt die Tücken beim Betreten eines neuen Forschungsgebiets. Man muss die Kriterien für einen Erfolg vorher sehr genau definieren und die Erfolgsaussichten abschätzen. Dabei hängt man natürlich vom aktuellen Stand der theoretischen Vorhersagen ab. Heute verlangt man etwa, dass ein Signal mindestens fünfmal so groß sein muss wie der Rauschpegel des Detektors, um anerkannt zu werden. Bei zeitlichen Koinzidenzen bestimmt man zunächst die Zahl der immer vorhandenen zufälligen Übereinstimmungen zwischen zwei Messreihen, ehe man Folgerungen zieht.

Immerhin gaben Webers Behauptungen den Anstoß zu einer weltweiten Beschäftigung mit Gravitationswellendetektoren. Zum einen wurden die Zylinderantennen so weit verbessert, dass ein Nachweis wenigstens in den Bereich des Möglichen gerückt ist, zum andern wurden alternative Detektoren mit einer größeren Bandbreite entwickelt, die Laserinterferometer. Webers Verdienst bleibt es, aus dem Nichts ein völlig neues Forschungsgebiet entwickelt zu haben, auf dem heute hunderte von Experimentalphysikern, Theoretikern, Mathematikern, Technikern und Ingenieuren arbeiten.


Schwingende Zylinder

Wenn Gravitationswellen einen Körper passieren, dessen Eigenfrequenz ungefähr mit ihrer eigenen Frequenz übereinstimmt, geben sie doch einen winzigen Energiebetrag an diesen Körper ab. Bei einem Zylinder führt dies zur Anregung seiner longitudinalen Eigenschwingungen. Diese Änderung im Schwingungsverhalten eines Aluminiumzylinders von 1,5 Tonnen Masse beim Durchgang einer Gravitationswelle wollte Joseph Weber beobachten. Dazu beklebte er den Zylinder mit Piezokristallen, die bei Verformung eine elektrische Spannung erzeugen. Das Signal wurde auf Papierrollen aufgezeichnet. Heute weiß man, dass die damalige Technologie bei Weitem nicht ausreichte, um die benötigte Empfindlichkeit zu erreichen.



So ist eine moderne Zylinderantenne wie NIOBE aufgebaut: Der Zylinder wurde in die Länge gestreckt, um die Dauer der Wechselwirkung mit der Gravitationswelle zu verlängern. Wesentlich sind die pendelartige Aufhängung des Zylinders, um Störungen durch Erschütterungen zu minimieren, und der Einschluss des Zylinders in einen Kryostaten, der auf die Temperatur von flüssigem Helium herabgekühlt wird.
Quelle: UWA/SuW-Grafik


Ein besseres Verständnis der Rauschquellen, die ein Signal überlagern können, ging mit der technischen Fortentwicklung einher. Seismische und akustische Störungen bringen den Zylinder zum Schwingen und täuschen ein Signal vor, ebenso die brownsche Molekularbewegung. Die Entwicklung einer effektiven Schwingungsisolierung (Aufhängung des Zylinders als Pendel), Tiefkühlung der Anlage (bis auf Temperaturen unter einem Kelvin) und Betrieb im Vakuum sind unabdingbar. Für die Auslesung des Signals werden extrem rauscharme Resonatoren und supraleitende Verstärker (so genannte SQUIDs) eingesetzt. Als Zylindermaterial hat sich Aluminium bewährt; einer der Detektoren benutzt stattdessen Niob, ebenfalls ein Material hoher mechanischer Güte (Bild oben).

In den 1990er Jahren gab es noch fünf weitere Zylinderantennen zur Suche nach Impulsen von Gravitationswellen im Bereich um 980 Hertz: ALLEGRO in Baton Rouge (USA), betrieben von der Louisiana State University; AURIGA in Legnaro bei Padua und NAUTILUS in Frascati bei Rom, beide betrieben von der Universität Rom; EXPLORER auf dem CERN-Gelände bei Genf, ebenfalls unter Leitung der Rom-Gruppe; und NIOBE in Perth (Australien), betrieben von der University of Western Australia. Leider wurde die Finanzierung von NIOBE im Jahre 2002 eingestellt, die von ALLEGRO 2007. Dies hängt mit der Entwicklung von Kugeldetektoren und Laserinterferometern zusammen, die gegenüber Zylinderantennen beträchtliche Vorteile besitzen. Für den Nachweis von Supernovae in der Milchstraße und in ihrer Umgebung können Letztere aber durchaus einen wertvollen Beitrag liefern [9].


Vibrierende Kugeln

Der Nachteil der Zylinderantennen besteht in ihrer Richtungsabhängigkeit und darin, dass praktisch nur eine longitudinale Schwingungsmode mit der Gravitationswelle in Wechselwirkung tritt. Bei einer Kugel werden dagegen fünf Schwingungsformen angeregt, und das erlaubt es, sowohl die beiden Schwingungsrichtungen der Gravitationswelle als auch die Richtung zur Quelle zu bestimmen. Seit einigen Jahren erprobt man deshalb kugelförmige Empfänger.

MiniGRAIL verwendet eine Kugel von 68 Zentimetern Durchmesser aus einer Kupfer-Aluminium-Legierung mit einer Masse von 1300 Kilogramm (siehe Bildunterschrift 3). Sie besitzt zwei Resonanzfrequenzen bei 2940 und 3030 Hertz. Die Kugel ist in einer siebenstufigen Schwingungsisolierung aufgehängt und soll bis auf eine effektive Temperatur von zwanzig Millikelvin abgekühlt werden. Die Anlage wird von der Universität Leiden (Niederlande) betrieben. Ein identischer Detektor namens Mario Schenberg wird zurzeit in Brasilien aufgebaut.


Licht plus Licht

Der wesentliche Nachteil der Weber-Zylinder war das zu schmale Nachweisfenster: Nur im Bereich von einigen Hertz um seine Resonanzfrequenz von rund 1000 Hertz herum würde der Detektor ansprechen (heute erreicht man mit dieser Technik maximal 100 Hertz Bandbreite). Die auf der Erde beobachtbaren Gravitationswellen erstrecken sich aber über einen Frequenzbereich von etwa 10 Hertz bis 5000 Hertz. Deshalb begann man schon Anfang der 1970er Jahre, über Alternativen nachzudenken. Beim Nachweis von Gravitationswellen kommt es im Wesentlichen auf die Messung kleiner Längenänderungen an. Dafür ist ein Michelson-Interferometer das geeignete Instrument (siehe Zusatzinformation 2); zugleich deckt es alle gewünschten Frequenzen ab. Die Empfindlichkeit einer solchen Anlage hängt von der Armlänge des Interferometers (der Länge der Messstrecke) und von der umlaufenden Lichtleistung ab.

Das Messprinzip ist denkbar einfach: Ein halbdurchlässiger Spiegel teilt einen einfallenden Laserstrahl in zwei gleich helle Teilstrahlen auf. Beide Strahlen durchlaufen jeweils eine der senkrecht zueinander stehenden Messstrecken und werden am Ende reflektiert. Nach dem erneuten Passieren des Strahlteilers werden die beiden Strahlen überlagert. Sind die beiden Strecken gleich lang, so schwingen die Teilwellen im Gleichtakt und verstärken sich; unterscheiden sich die Strecken so, dass die Wellen im Gegentakt schwingen, so löschen sie sich aus. Die durch eine Gravitationswelle erzeugte Längenänderung äußert sich als eine Helligkeitsschwankung am Ausgang des Interferometers.

An Prototypen von einigen zehn Metern Länge erforschten Gruppen in Deutschland, Schottland und den USA, welche Störungen ein Signal überdecken und wie sie reduziert werden können. Als wichtigste Störung erwiesen sich Bodenerschütterungen aller Art, die durch eine Aufhängung der optischen Komponenten als mehrstufige Pendel um einen Faktor 109 reduziert werden konnten. Frequenz- und Amplitudenschwankungen des verwendeten Lasers täuschen ein Signal vor; hier mussten völlig neue Stabilisierungen entwickelt werden, bei gleichzeitig möglichst hoher Ausgangsleistung. Auch Auswirkungen des Strahlungsdrucks auf die Spiegel oder das Rauschen beim Umwandeln des Ausgangssignals in einen Fotostrom mussten minimiert werden. Die thermischen Anregungen des Spiegelmaterials konnten durch die Wahl der Spiegelform in einen unschädlichen Bereich verschoben werden. Im Jahr 1995 war das Verständnis der Rauschquellen und die Möglichkeit ihrer technischen Unterdrückung so weit gediehen, dass nun mit dem Aufbau großer Detektoren begonnen wurde [10].

Heute sind fünf Anlagen in Betrieb, die sich in ihren Armlängen unterscheiden. Der kleinste Detektor mit 300 Meter Armlänge ist TAMA 300 in Tokio (Japan), betrieben vom National Astronomical Observatory; er nimmt seit 1999 Daten auf. GEO 600 ist ein Gemeinschaftsprojekt deutscher und britischer Forschergruppen; der 600 Meter lange Detektor steht in der Nähe von Hannover und wird seit 2002 vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik und der Leibniz Universität Hannover betrieben. Seit 2007 nimmt der drei Kilometer lange Detektor VIRGO nahe Cascina (Italien) Daten auf, eine französisch-italienische Zusammenarbeit. Die größten Detektoren stehen in den USA: LIGO umfasst zwei vier Kilometer lange Interferometer, eines in Hanford (Washington) und eines in Livingston (Louisiana); die Anlage in Hanford enthält zusätzlich einen zwei Kilometer langen Detektor im selben Vakuumsystem (siehe Bildunterschrift 4). LIGO nimmt seit 2002 Daten auf [9].


Ein weltweites Netz

Der Nachweis von Gravitationswellen kann nicht von einer Arbeitsgruppe allein erbracht werden. Um sicher zu gehen, dass man keiner lokalen Störung aufgesessen ist, muss man die Daten mehrerer Detektoren vergleichen. Für die Bestimmung der Richtung, aus der die Wellen kommen, sind mindestens drei auf der Welt verteilte Stationen nötig. Aus den Unterschieden in der Ankunftszeit der Signale kann man die Lage der Quelle am Himmel ermitteln. Mit einer vierten Anlage lässt sich die Wellenform besser bestimmen. Die vorhandenen Detektoren sind also aufeinander angewiesen und zur Zusammenarbeit gezwungen.

In Perth (Australien) wurde 1997 das erste weltweite Netzwerk von Gravitationswellendetektoren gegründet: die »International Gravitational Event Collaboration« (IGEC), ein Zusammenschluss der fünf damaligen Zylinderantennen. Die erste gemeinsame Messperiode umfasste die Jahre 1997 bis 2000 und resultierte in 26 Tagen, an denen vier Detektoren gleichzeitig Daten aufnahmen, 173 Tagen mit drei und 707 Tagen mit zwei Detektoren gleichzeitig. Nach einer Reihe technischer Verbesserungen zur Steigerung der Empfindlichkeit und Bandbreite der Detektoren wurde 2005 mit den verbliebenen vier Zylinderantennen der gemeinsame Messbetrieb fortgesetzt (IGEC-2). An 130 Tagen produzierten drei Detektoren gemeinsam Daten, die gegenwärtig ausgewertet werden.

Seit 2002 arbeiten die Interferometer im Rahmen der »LIGO Scientific Collaboration« (LSC) zusammen, eines Zusammenschlusses von heute mehr als fünfhundert Forschern aus elf Ländern. Zunächst haben LIGO und GEO 600 gemeinsame Messperioden vereinbart, deren letzte seit November 2005 fast zwei Jahre lang mit der anfangs geplanten Empfindlichkeit Messdaten erbrachte. Die Daten werden ausgetauscht, gemeinsam ausgewertet und gemeinsam veröffentlicht. Seit Mai 2008 nimmt auch VIRGO an diesem Programm teil.

Die Gravitationswellengemeinschaft trifft sich alle zwei Jahre zur »Edoardo Amaldi Conference«, um die neuesten Erkenntnisse auszutauschen, das nächste Mal im Juni 2009 in New York City.


Die Nadel im Heuhaufen

Die empfangsbereiten Gravitationswellen-Detektoren produzieren täglich eine gigantische Menge Daten. Man muss außer dem Signalkanal auch alle Regel- und Kalibrationssignale, alle Störungen, auch durch Seismik, Wind und Wetter aufzeichnen, um sie später vom Ausgangssignal abzuziehen. Für die einzelnen Detektoren bedeutet dies eine Datenrate zwischen 50 und 100 Gigabyte pro Tag. Diese Datenflut muss gespeichert, weitergegeben und ausgewertet werden. Da die Detektoren für Gravitationswellen aus praktisch allen Richtungen empfindlich sind, stellt das bereinigte Ausgangssignal eine Überlagerung aller möglichen empfangenen Gravitationswellensignale dar und muss sorgfältig analysiert werden. Auch heute noch arbeiten die Mathematiker an effektiveren Algorithmen, die eine noch schnellere Auswertung der Daten ermöglichen sollen.

Berechnetes Gravitationswellensignal für eine Supernova. Quelle: MPA/SuW-Grafik

Berechnetes Gravitationswellensignal für eine Supernova. Der durch Rotation abgeplattete Stern kollabiert in polarer Richtung schneller als in äquatorialer; das ergibt die ersten beiden Ausschläge nach unten. Die extrem hohe Massenverdichtung sorgt für einen Rückstoß der Materie; das ergibt den Ausschlag nach oben. Anschließend oszilliert der entstandene Neutronenstern um seine Ruhelage, wobei sich jedesmal die beiden charakteristischen Ausschläge zeigen.
Quelle: MPA/SuW-Grafik


Man erwartet zum einen Signale vom Kollaps eines Sterns bei einer Supernova (Bild oben). Der Nachweis eines solchen Ereignisses ließe sich anhand anderer astronomischer Beobachtungen sofort kontrollieren. Ferner gehen von kompakten Doppelsternsystemen in allen Phasen ihrer Entwicklung Signale aus: die letzten Minuten vor dem Zusammenstoß, die Verschmelzung der beiden Sterne oder Schwarzen Löcher und die Oszillationen des entstandenen Objekts. Schließlich emittieren Pulsare kontinuierliche Signale, und es ist mit einem stochastischen Gravitationswellenhintergrund zu rechnen. Die Suche nach den jeweiligen Signalen kann weitgehend unabhängig voneinander durchgeführt werden; dementsprechend haben sich vier international besetzte Arbeitsgruppen gebildet, die sich intensiv mit jeweils einem Signaltyp befassen.

Es ist jedoch auch mit völlig unbekannten und unerwarteten Signalen zu rechnen. Denn wie die bisherige Erfahrung zeigt, werden jedesmal, wenn man das Universum in einem anderen Licht betrachtet, neuartige Quellen und Phänomene entdeckt.

Die Struktur von kurzfristigen Signalen, wie sie bei katastrophenartigen Ereignissen auftreten, lässt sich nur schlecht vorhersagen. Man erwartet einen Impuls von einigen hundertstel Sekunden Dauer, dessen Form von den Begleitumständen abhängt. Von der Form der Signale von Doppelsternsystemen in der letzten Phase vor der Verschmelzung dagegen haben wir recht genaue Vorstellungen: Die Frequenz hängt von den Massen der beteiligten Objekte ab und nimmt mit der Zeit kontinuierlich zu. Hier wurden tausende möglicher Muster berechnet, die es mit den Enddaten zu vergleichen gilt. Ergibt sich eine Übereinstimmung, so kommt es darauf an, ob sich das gleiche Signal auch im Datenstrom der anderen Detektoren findet.

Bei kontinuierlichen Signalen lässt sich das Signal-Rausch-Verhältnis durch lange Messzeiten wesentlich verbessern. In diesem Fall lässt sich die Technik der Fourier-Analyse anwenden, mit der sich im Rauschen verborgene sinusförmige Signale finden lassen. Stochastische Signale sind naturgemäß nicht vorhersagbar, aber sie geben sich beim Vergleich der Ergebnisse zweier nahe beieinander gelegener Detektoren zu erkennen [11].


An der Grenze zur Gravitationswellenastronomie

Die großen Laserinterferometer haben ihre geplante Empfindlichkeit erreicht und sind heute in der Lage, Längenänderungen von einigen 10-19 Metern zu messen. Wo bleiben die erwarteten Signale? Leider hängt der Nachweis immer noch vom Zufall ab. Innerhalb des Milchstraßensystems ereignen sich kataklysmische Ereignisse wie Supernovae oder die Verschmelzung eines Doppelsternsystems nur alle dreißig bis fünfzig Jahre. Mit den jetzigen Detektoren erreicht man den Rand des Virgo-Galaxienhaufens, so dass bereits einige Nachbargalaxien in die Suche einbezogen werden. Dies erhöht die Chance für die Beobachtung vielleicht auf das Zehnfache, so dass man alle vier bis fünf Jahre ein Signal erwarten kann. Noch gehört also einiges Glück dazu.

Immerhin lassen sich aufgrund der bisherigen Auswertungen auch jetzt schon interessante Aussagen treffen. Der Pulsar im Krebsnebel (der Überrest der dortigen Supernova von 1054) befindet sich bereits im Empfindlichkeitsbereich von LIGO, man hat aber von ihm noch kein Signal empfangen. Das bedeutet, dass die Elliptizität (die Abweichung von der Kugelgestalt) dieses Neutronensterns kleiner als 10-6 sein muss, eine Aussage, die man mit keiner anderen Beobachtungsmethode gewinnen kann. Und die Auswertung des Gravitationswellenhintergrunds liefert jetzt schon eine obere Grenze, die für dessen theoretische Beschreibung relevant ist.

Gelingt es, die Empfindlichkeit der gegenwärtigen Detektoren um das Zehnfache zu erhöhen, so vergrößert sich das Beobachtungsvolumen um das Tausendfache. Entsprechend erfasst man dann nicht nur den Virgo-Haufen, sondern auch einige Superhaufen von Galaxien. In diesem Fall sollte man täglich Signale erwarten. Deshalb arbeiten alle Gruppen daran, ihre Detektoren weiter zu verbessern [9].


Mehr Licht!

Bei den Interferometern bedeutet dies: Man muss massivere Spiegel und Laser mit höherer Ausgangsleistung einsetzen, oder neuentwickelte Techniken wie das Signal-Recycling und »gequetschtes« (das heißt in seinen Rauscheigenschaften verändertes) Licht verwenden. Bei den LIGO-Detektoren werden in den nächsten Jahren in zwei Stufen buchstäblich alle Teile außer dem Vakuumsystem ausgetauscht. Zunächst (»Enhanced LIGO«) wird das von der GEO 600-Gruppe gestellte Lasersystem (siehe Bildunterschrift 6) eingebaut, das eine Ausgangsleistung von 35 Watt liefert (statt der bisherigen 10 Watt). Ein Filter zur Verbesserung der Signalqualität und eine neue Methode der Datenauslesung sorgen für zusätzliche Empfindlichkeit. Dann (»Advanced LIGO«) werden komplett neue optische Elemente mit geringeren Verlusten eingebaut, die an Quarzglasfasern aufgehängt werden (wie schon bei GEO 600). Das optische System wird auch einen Spiegel zur Signalüberhöhung enthalten, der es erlaubt, die Empfindlichkeit des Detektors auf bestimmte Frequenzen abzustimmen und dort wesentlich zu erhöhen (»Signal-Recycling«). Dieses Verfahren wurde bei GEO 600 entwickelt und dort erfolgreich eingesetzt. All diese Maßnahmen werden dazu führen, dass die LIGO-Detektoren bis 2012 in ihrem empfindlichsten Bereich zehnmal kleinere Längenänderungen registrieren können als heute.

VIRGO hat für die Zukunft ähnliche Pläne. Zunächst soll mit VIRGO+ durch eine Reihe kleinerer Verbesserungen bis Ende 2009 die Empfindlichkeit des heutigen Detektors verdoppelt werden. Danach sollen auch dort fast alle Teilsysteme überholt werden. Größere Spiegel mit absorptionsärmeren Beschichtungen sind vorgesehen. Advanced VIRGO wird ebenfalls ebenfalls den GEO 600-Laser verwenden und die Quarzfaseraufhängung und die Technik des Signal-Recycling einsetzen. Auch diese Maßnahmen sollen insgesamt zu einer Verzehnfachung der heutigen Empfindlichkeit führen.

Einige der für Advanced LIGO und Advanced VIRGO vorgesehenen Neuerungen sind bei GEO 600 entwickelt und dort bereits erfolgreich eingesetzt worden (leistungsstärkere Laser, Signal-Recycling, Quarzfaseraufhängung). Als Nächstes wird dort die Verwendung von gequetschtem Licht erprobt, was einen Faktor drei in der Verbesserung der Empfindlichkeit bringen könnte. Zukünftig wird sich GEO 600 darauf konzentrieren, die Empfindlichkeit bei hohen Frequenzen zwischen ein und fünf Kilohertz zu erhöhen (GEO-HF).

Bei den Resonanzantennen setzt man auf rauschärmere Verstärker, tiefere Temperaturen und gekoppelte Oszillatoren zur Erhöhung der Bandbreite.


Zukünftige Detektoren

Auch wenn mit den jetzigen Gravitationswellenempfängern noch kein Signal detektiert werden konnte, arbeiten Wissenschaftler und Techniker mit Hochdruck an der nächsten Generation von Detektoren.

Die japanische Gruppe, die TAMA 300 gebaut hat, plant erstmals einen tiefgekühlten Detektor, das Large-Scale Cryogenic Gravitational-Wave Telescope (LCGT). Mit CLIO, einem 100 Meter langen Interferometer, wurden bereits Erfahrungen mit der Kühlung optischer Komponenten auf tiefe Temperaturen gesammelt. LCGT soll als Drei-Kilometer-Anlage unterirdisch in der Kamioka-Mine gebaut werden (wo sich auch schon der japanische Neutrinodetektor KAMIOKANDE befindet). Die unterirdische Lage dient der Verringerung seismischer und gravitativer Störungen. Ähnlich wie bei LIGO in Hanford sollen zwei parallele Interferometer im gleichen Vakuumsystem untergebracht werden. Die Anlage enthält ein aufwändiges System zur Abschwächung seismischer Störungen und verwendet das Signal-Recycling-Verfahren.

Die Europäische Kommission hat eine Studie für den Bau des Einstein Gravitational-Wave Telescope (ET) in Auftrag gegeben, eines Interferometers, das Advanced LIGO um einen weiteren Faktor zehn übertreffen soll. Auch diese Anlage wird unterirdisch gebaut und tiefgekühlt werden. Die gegenwärtigen Überlegungen schließen für die Interferometerarme nicht nur die heute übliche L-Form, sondern auch Dreieckskonfigurationen ein. Die Gesamtlänge könnte dreißig Kilometer betragen. Finanzierung, Standort und Baubeginn sind allerdings noch völlig offen.

Dagegen befinden sich die Planungen für ein Interferometer im Weltraum bereits in der Vorbereitungsphase. Wegen der seismischen Störungen wird man mit irdischen Detektoren nie Gravitationswellen im Millihertz-Bereich aufnehmen können. Hier erwartet man aber gerade Signale von Doppelsystemen aus Schwarzen Löchern. LISA (Laser Interferometer Space Antenna) wird aus drei Satelliten bestehen, die über einen Abstand von fünf Millionen Kilometer Laserstrahlen austauschen. Die Satelliten bilden ein gleichseitiges Dreieck, das der Erde in fünfzig Millionen Kilometer Abstand auf ihrer Bahn um die Sonne folgt (Bild unten). Das gemeinsame Projekt von NASA und ESA wird 2019 die Arbeit aufnehmen. Anfang 2010 wird ein Probesatellit gestartet (LISA Pathfinder), mit dem die für LISA vorgesehenen Mess- und Kontrollsysteme getestet werden sollen. An beiden Projekten ist die Hannover-Gruppe federführend beteiligt.

 Auf dieser Bahn umkreisen die LISA-Satelliten die Sonne (das Dreieck ist um einen Faktor zehn vergrößert dargestellt). Quelle: AEI/SuW-Grafik

Auf dieser Bahn umkreisen die LISA-Satelliten die Sonne (das Dreieck ist um einen Faktor zehn vergrößert dargestellt).
Quelle: AEI/SuW-Grafik


Die gegenwärtigen Detektoren sind empfindlich genug, um ein Gravitationswellensignal nachzuweisen. Die Zahl der beobachtbaren Quellen ist aber noch zu gering, um auf einen schnellen Erfolg hoffen zu können. Die nächste Ausbaustufe der Interferometer wird in fünf Jahren das Beobachtungsvolumen im Kosmos um das Tausendfache vergrößern. Dann wird man täglich Signale empfangen, und die Astronomie wird um einen neuen Forschungszweig reicher sein.


Peter Aufmuth forscht am Institut für Gravitationsphysik der Gottfried Wilhelm Leibnitz Universität Hannover, das mit dem MPI für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam und Hannover eng zusammenarbeitet. Seit 1991 gehört er zum Team von Karsten Danzmann, das den Gravitationswellendetektor GEO 600 betreibt.


ZUSATZINFORMATIONEN:


Zusatzinformation 1:

Eigenschaften und Wirkung von Gravitationswellen

Die von einem Doppelstern ausgehende Gravitationswelle dehnt und staucht einen Kreis (Radius r) um das Stück Δr. Als Stärke der Welle bezeichnet man die relative Längenänderung Δr/r. Quelle: AEI/SuW-Grafik

Die von einem Doppelstern ausgehende Gravitationswelle dehnt und staucht einen Kreis (Radius r) um das Stück Δr. Als Stärke der Welle bezeichnet man die relative Längenänderung Δr/r.
Quelle: AEI/SuW-Grafik


Gravitationswellen sind eine spezielle Lösung der einsteinschen Feldgleichungen. Es handelt sich um Transversalwellen, die sich mit der Lichtgeschwindigkeit c ausbreiten. Sie wirken auf die Struktur der Raumzeit und führen zu einer geometrischen Abstandsänderung zwischen den im Raum enthaltenen Objekten. Der Abstand ds zwischen zwei Punkten in der Raumzeit wird durch eine verallgemeinerte Pythagoras-Formel gegeben:

ds2 = dx2 + dy2 + dz2 - c2 dt2.

Eine Gravitationswelle, die sich in z-Richtung ausbreitet, verändert die x- und y-Koordinaten, nicht aber die z-Koordinate und die Zeit t:

ds2 = (1 + h) dx2 + (1 - h) dy2 + dz2 - c2 dt2.

Dabei stellt h die Amplitude der Gravitationswelle dar, die sich periodisch ändern kann. Ihr Wert liegt typischerweise bei 10-20 oder nur 10-21. Bei einer einen Kilometer langen Messstrecke bedeutet dies eine absolute Längenänderung von 10-18 Metern, tausendmal kleiner als der Durchmesser eines Atomkerns. Eine Gravitationswelle erzeugt also senkrecht zur Ausbreitungsrichtung periodische Dehnungen und Stauchungen in der Struktur der Raumzeit. Betrachtet man einen Kreis aus »frei fallenden«, kräftefreien Testmassen, so führt eine Abstandsmessung zu dem Ergebnis, dass sich der Kreis zu einer Ellipse verformt zu haben scheint (siehe Bildunterschrift 2). Betrachtet man einen ausgedehnten Festkörper, so wirkt sich der Durchgang der Welle als Gezeitenkraft aus, die den Körper periodisch verzerrt.


Zusatzinformation 2:

Gravitationswellen, Licht und Licht-Recycling

Schema eines Laserinterferometers. Quelle: AEI/SuW-Grafik

Schema eines Laserinterferometers. Ein Laserstrahl wird in zwei gleich helle Strahlen aufgeteilt; die Teilstrahlen werden an den Spiegeln M 1 und M 2 reflektiert. Sie überlagern sich auf dem Weg zur Fotodiode und interferieren. Die Interferenzfigur auf dem Schirm hängt von dem Winkel ab, unter dem die Lichtstrahlen auftreffen. Die Anlage wird so eingestellt, dass das Ausgangssignal dunkel ist. Alles Licht läuft dann zum Laser zurück und wird mit dem Spiegel M 3 erneut ins Interferometer geschickt (»Photonen-Recycling«). Der Spiegel M 4 dient der Signalüberhöhung (»Signal-Recycling«).
Quelle: AEI/SuW-Grafik


Die Wellenlängen des für den interferometrischen Gravitationswellennachweis benutzten Lichts liegen in der Größenordnung von einem Mikrometer. Wie kann man damit Längenänderungen messen, die um viele Größenordnungen kleiner sind? - Das Licht dient in diesem Fall nicht als Lineal. In der Interferometrie misst man die Verschiebung der Wellenberge zweier Lichtwellen gegeneinander als Helligkeitsänderung. Mit hinreichend frequenzstabilem Laserlicht lassen sich auf diese Weise Verschiebungen bestimmen, die winzige Bruchteile des Abstands zweier Wellenberge betragen.

Verändert die Gravitationswelle nicht auch die Wellenlänge des Lichts in den Interferometerarmen, so dass der zu messende Effekt gerade aufgehoben wird? - Spiegel und Strahlteiler sind als »frei fallende« Testmassen aufgehängt, auf die keine Kräfte wirken. Die Gravitationswelle verändert nicht die Lage der optischen Elemente, sondern den Eigenabstand ds zwischen ihnen (siehe Zusatzinformation 1). Auf diese Änderung reagiert das Licht: Da die Lichtgeschwindigkeit konstant ist, benötigt das Licht zum Durchlaufen des Arms in x-Richtung mehr Zeit als für den Arm in y-Richtung. Auf diese Weise verschieben sich die Wellenberge gegeneinander.

Die Interferometer sind auf eine möglichst hohe umlaufende Lichtleistung angewiesen. Die besten für den Gravitationswellenempfang geeigneten Lasersysteme liefern aber nur eine Ausgangsleistung von einigen zehn Watt. Mit einem technischen Trick lässt sich daraus wesentlich mehr machen: Man betreibt das Interferometer so, dass der Ausgang ohne Gravitationswellensignal dunkel ist. Vor einem dunklen Hintergrund lässt sich eine kleine Helligkeitsänderung auch besser beobachten.

In einem Interferometer wird kein Licht vernichtet, sondern nur umverteilt. Ist der Ausgang dunkel, so wird alles Licht zum Eingang (Richtung Laser) zurückgeschickt; hier kann es erneut verwendet werden (siehe Bild). Man bringt zwischen Laser und Interferometereingang einen Spiegel an, der so eingestellt ist, dass er das aus dem Interferometer kommende Licht reflektiert und gleichzeitig das Laserlicht durchlässt (Spiegel und Interferometer bilden einen Resonator). Bei jedem Zyklus verstärkt sich so das im Interferometer umlaufende Licht. Der Verstärkungsfaktor hängt von der Güte des Spiegels ab. Damit ist eine umlaufende Lichtleistung von einigen Kilowatt möglich.


WIS - Wissenschaft in die Schulen!

Zu diesem Beitrag stehen jedem Interessierten auf unserer Internetseite www.wissenschaft-schulen.de didaktische Materialien zur freien Verfügung. Es wird an Hand von Beispielen ein Weg aufgezeigt, wie die spezielle oder auch die allgemeine Relativitätstheorie in der gymnasialen Oberstufe unterrichtet werden kann. Unser Projekt »Wissenschaft in die Schulen!« führen wir in Zusammenarbeit mit der Landesakademie für Lehrerfortbildung in Bad Wildbad durch. Es wird von der Klaus Tschira Stiftung gGmbH großzügig gefördert.


Literaturhinweise

[1] Wheeler, J. A.: Gravitation und Raumzeit. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1992.

[2] Einstein, A.: Näherungsweise Integration der Feldgleichungen der Gravitation. Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften, Berlin, S. 688 - 696, 1916.

[3] Soffel, M. H., Ruder, H.: Der Doppelpulsar PSR 1913+16. In: Physik in unserer Zeit 22/1991, S. 29 - 36.

[4] Schäfer, G., Wex, N.: Binärpulsare testen Einsteins Gravitationstheorie. In: Sterne und Weltraum 11/1993, S. 770 - 777.

[5] Valtonen, L. J. et al.: A massive binary black-hole system in OJ287 and a test of general relativity. In: Nature 452, S. 851 - 853, 2008.

[6] Rix, H.-W.: Perspektiven astronomischer Entdeckungen. In: Sterne und Weltraum 8/2008, S. 32 - 40.

[7] Schutz, B. F.: Beben der Raumzeit. In: Sterne und Weltraum Special 6/2001, »Gravitation«, S. 16 - 24.

[8] Bartusiak, M.: Einsteins Vermächtnis. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2005.

[9] Whitcomb, S. E.: Ground-based gravitational wave detection: now and future. In: Classical and Quantum Gravity 25/2008, 114013.

[10] Aufmuth, P.: An der Schwelle zur Gravitationswellenastronomie. In: Sterne und Weltraum 1/2007, S. 26 - 32.

[11] Papa, M. A.: Progress towards Gravitational Wave Astronomy. In: Classical and Quantum Gravity 25/2008, 114009.

Weblinks zu diesem Artikel:
www. astronomie-heute.de/artikel/975322


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Original-Publikation:

Bildunterschrift 1:
Diese Simulation zeigt Gravitationswellen, die bei der Kollision zweier Schwarzer Löcher entstehen. Solche Modellrechnungen liefern den Experimentatoren Anhaltspunkte, nach welchen Frequenzen sie Ausschau halten müssen und wie stark das erwartete Signal sein könnte.

Bildunterschrift 2:
Joseph Weber, der Pionier der Gravitationswellenforschung, bestückt einen Aluminiumzylinder, der auf Gravitationswellenimpulse reagieren soll, mit piezoelektrischen Sensoren.

Bildunterschrift 3:
Der niederländische Gravitationswellendetektor »MiniGRAIL«. In einer Kugel kann auf kleinem Raum eine große Masse untergebracht werden, wodurch sich die Empfindlichkeit einer Resonanzantenne erhöht.

Bildunterschrift 4:
Dieses Luftbild zeigt den interferometrischen Detektor LIGO mit seinen beiden vier Kilometer langen Messstrecken in Hanford, südlich von Seattle (USA ).

Bildunterschrift 5:
Die erdgebundenen Detektoren bilden ein weltweites Netz von Stationen, die zusammenarbeiten. Die Station AIGO auf der Südhalbkugel befindet sich noch in der Planung.

Bildunterschrift 6:
Die GEO 600-Gruppe hat das stabilste Lasersystem der Welt entwickelt. Es kommt darauf an, bei möglichst großer Ausgangsleistung die Schwankungen in der Helligkeit und der Frequenz des Lasers möglichst klein zu halten.


© 2009 Peter Aufmuth , Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


*


Quelle:
Sterne und Weltraum 1/09 - Januar 2009, Seite 30 - 39
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
Königstuhl 17, 69117 Heidelberg
Telefon: 06221/528-0, Fax: 06221/528-246
Verlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Slevogtstraße 3-5, 69126 Heidelberg
Tel.: 06221/912 66 00, Fax: 06221/912 67 51
Internet: www.astronomie-heute.de

Sterne und Weltraum erscheint monatlich (12 Hefte pro Jahr).
Das Einzelheft kostet 7,90 Euro, das Abonnement 85,20 Euro pro Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. April 2009