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FORSCHUNG/388: Schwarze Löcher als Geburtshelfer der Galaxien (MaxPlanckForschung)


MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftsmagazin der Max-Planck-Gesellschaft 1/2009

Schwarze Löcher als Geburtshelfer der Galaxien

Von Thomas Bührke


Bis vor einigen Jahren galten sie eher als faszinierende Kuriositäten oder Stoff für Science-Fiction: schwarze Löcher. Forscher der drei Max-Planck-Institute für Astrophysik und extraterrestrische Physik in Garching sowie für Astronomie in Heidelberg haben Licht ins Dunkel dieser Gravitationsfallen gebracht. Demnach spielten sie offenbar eine wichtige Rolle bei Entstehung und Entwicklung der Galaxien.


Astronomen stießen in den 1960er-Jahren auf sternähnliche Himmelskörper, die wesentlich leuchtkräftiger waren als alle bis dahin bekannten Objekte. Diese sogenannten Quasare (Kurzwort für Quasistellare Radioquellen) strahlten in einem Gebiet, das nicht größer als unser Sonnensystem ist, bis zu zehntausendmal mehr Energie ab als sämtliche hundert Milliarden Sterne unserer Milchstraße zusammen. Später wurde klar, dass die Quasare ungewöhnlich helle und kompakte Zentralregionen von Galaxien sind, die sich wegen ihrer unübertroffenen Leuchtkraft über Milliarden von Lichtjahren hinweg beobachten lassen.

Auch eine Theorie zur Erklärung dieses enormen Energieausstoßes ließ nicht lange auf sich warten. Und sie gilt im Großen und Ganzen noch heute: Demnach ruht im Zentrum des Quasars ein gigantisches schwarzes Loch. Dieses zieht aus der Umgebung Materie an, die sich zunächst in einer Scheibe ansammelt und es umkreist. Aufgrund von Reibung heizt sich das Gas auf, verliert an Energie und nähert sich auf spiralförmigen Bahnen dem schwarzen Loch, bis es schließlich darin verschwindet wie Wasser in einem Abfluss. Diese heiße Gasscheibe ist für das Quasar-Leuchten verantwortlich und sie "füttert" das schwarze Loch und lässt es wachsen.

In den folgenden Jahrzehnten wurde dann immer deutlicher, dass schwarze Löcher nicht nur in den Zentren von Quasaren sitzen, sondern vermutlich in jeder Galaxie. Auch in unserer Heimatgalaxie befindet sich eine solche Schwerkraftfalle (siehe Artikel "Tanz um das schwarze Loch" in dieser Ausgabe und MaxPlanckForschung 4/2002, Seite 56 ff.). Die zentralen schwarzen Löcher sind zwischen etwa einer Million und mehreren Milliarden Sonnenmassen schwer. Und die sie umgebenden Gasscheiben können unterschiedlich stark strahlen, wobei die aktuelle Wachstumsrate die Helligkeit bestimmt: Je mehr Materie das schwarze Loch aufnimmt, desto heller leuchtet die Scheibe.


Strenger Zusammenhang zwischen den Massen

Die Erkenntnis, dass jede Galaxie ein schwarzes Loch besitzt, war zwar sehr bemerkenswert. Doch die Astronomen rätselten, auf welche Weise diese Giganten die Entwicklung oder gar die Entstehung der Galaxien beeinflusst haben könnten. Sie blieben mehr oder weniger ein Kuriosum - wenngleich auch ein sehr faszinierendes.

Bewegung in diese Sache brachte dann eine Entdeckung vor knapp zehn Jahren. Mehrere Forscherteams hatten eine strenge Korrelation zwischen den Massen der zentralen schwarzen Löcher und der sie umgebenden Sterne gefunden. Demnach steckt in dem Sternhaufen etwa tausendmal mehr Masse als im schwarzen Loch. Das gilt für unterschiedliche Galaxientypen und erstreckt sich im Massenbereich über etwa drei Größenordnungen. "Diese Entdeckung schlug ein wie eine Bombe", erinnert sich Fabian Walter vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie.

Auf den ersten Blick erscheint es völlig logisch, dass massereiche schwarze Löcher mehr Sterne um sich scharen als massearme. Doch die Sache ist komplizierter. Die zentralen Sternansammlungen in einer Spiralgalaxie, auch Bulge (englisch für Bauch oder Wulst) genannt, weisen Radien von mehreren tausend Lichtjahren auf. Die Schwerkraftwirkung eines schwarzen Lochs erstreckt sich jedoch nur auf eine Umgebung von wenigen Lichtjahren. Sie ist also viel zu klein, um auf alle Mitglieder des umgebenden Sternhaufens einwirken zu können. Salopp gesagt: Die allermeisten Sterne im Bulge "spüren" den Giganten in ihrer Mitte überhaupt nicht. Wie aber kommt dann diese Massenrelation zustande?

"Wir sehen darin ein Anzeichen für eine gemeinsame Entwicklung der schwarzen Löcher und der Muttergalaxien, in denen sie sich befinden", sagt Guinevere Kauffmann vom Max-Planck-Institut für Astrophysik. Viele Fragen drängten sich auf: Kontrolliert das schwarze Loch das Wachstum der Galaxie? Oder begrenzt die Galaxie irgendwie die Masse ihres Zentralobjekts? Wachsen schwarze Löcher und Galaxien gemeinsam in einer Art symbiotischer Beziehung? "Diese Fragen konnten nur durch eine genaue Untersuchung des Wachstumsprozesses von schwarzen Löchern und Galaxien beantwortet werden", sagt Kauffmann.


Kompliziertes Modell mit vielen Unbekannten

Theoretische Modelle waren dafür anfangs das Mittel der Wahl für die junge Forscherin, die an der Universität Cambridge (USA) in Angewandter Mathematik ihren Bachelor gemacht hatte. Tatsächlich gelang es ihr, mit Computern das Wachstum von schwarzen Löchern und ihren Muttergalaxien im jungen Universum zu simulieren. "Dann merkte ich aber, dass man nicht alles von Grund auf rein theoretisch beschreiben kann", erklärt die Max-Planck-Forscherin. Es gab zu viele unbekannte Größen in dem komplizierten Modell. Deshalb wandte sie sich Beobachtungen zu.

Gemeinsam mit einem Kollegen der amerikanischen Johns-Hopkins-Universität in Baltimore entwickelte Kauffmann eine neue Methode, mit der sich aus Galaxienspektren Informationen über die Wachstumsrate eines schwarzen Lochs und das Alter der Sterne in der Galaxie ermitteln ließen. Die Daten, auf die sie ihr Verfahren anwandte, waren bereits vorhanden: Sie stammten aus einer der aufwendigsten Himmeldurchmusterungen, die jemals durchgeführt wurden: dem Sloan Digital Sky Survey (SDSS).

Rund 33 000 Galaxien nahm Guinevere Kauffmann unter die Lupe und kam zu einem erstaunlichen Ergebnis: Schwarze Löcher, die gegenwärtig sehr hell sind - also viel Materie aufnehmen und wachsen - existieren überwiegend in Galaxien, in denen sich in jüngerer Vergangenheit viele neue Sterne gebildet haben. "Je größer die Wachstumsrate, desto höher war die vorhergehende Sternentstehungsrate", so Kauffmann. In Extremfällen entwickelt sich das schwarze Loch so schnell wie in hellen Quasaren. Und die Galaxie besteht zu einem Großteil aus jungen Sternen.

In Spiralgalaxien wie der Milchstraße entstehen ständig Sterne. Doch die Rate ist gering und liegt pro Jahr bei etwa einer Sonnenmasse. Die von Kauffmann und Kollegen gefundenen Galaxien mit einem stark wachsenden schwarzen Loch hingegen müssen in der Vergangenheit einen wahren Boom der Sternentstehung erlebt haben. Ausgelöst wird dieser wahrscheinlich, wenn sich zwei Galaxien sehr nahe kommen oder miteinander verschmelzen.


Deutlicher Babyboom nach kosmischer Hochzeit

Dann verwirbelt das darin befindliche Gas, große Wolken stoßen zusammen und verdichten sich zu Sternen; einer solchen kosmischen Hochzeit folgt dann gewissermaßen ein Babyboom junger Sterne. Bei einem Crash kann auch vermehrt Materie in die Zentralgebiete der Galaxien strömen und dort das schwarze Loch stark anwachsen lassen. Letztlich können die beiden zentralen schwarzen Löcher der beiden kollidierenden Galaxien sogar miteinander verschmelzen.

Eine Aufsehen erregende Entdeckung ist in diesem Zusammenhang jüngst einer internationalen Forschergruppe um den Max-Planck-Wissenschaftler Fabian Walter gelungen. Die Forscher beobachteten den entferntesten bekannten Quasar mit der Bezeichnung J1148+5251. Er sandte das heute empfangene Licht aus, als das Universum erst 870 Millionen Jahre alt war. Im Zentralbereich dieses Objekts machten die Astronomen ein Gebiet mit etwa 5000 Lichtjahren Durchmesser aus, in dem pro Jahr Sterne mit einer Gesamtmasse von mehr als tausend Sonnenmassen entstehen.

Einen derart hohen Wert hat man noch nirgends anders beobachtet. "Was wir gefunden haben, entspricht einer Ansammlung von hundert Millionen Orion-Regionen", sagt Fabian Walter, wobei die Orion-Region eines der größten bekannten Sternentstehungsgebiete in der Milchstraße ist. Der Nebel zeigt sich dem bloßem Auge als verschwommener Fleck im Schwert des Sternbilds Orion. Walters Beobachtungen belegen, dass die Sternansammlung in diesem Quasar von innen heraus entsteht: Anfangs gibt es nur eine Kernregion, in der sich besonders viele Sterne bilden; erst im Lauf der Zeit wächst der mit Sternen gefüllte Zentralbereich und erreicht die ungleich größere Ausdehnung, wie man sie in älteren Galaxien wie der Milchstraße findet. Zwar sieht man auf Walters Aufnahmen nicht, ob der Babyboom der Sterne durch den Zusammenstoß mit einer anderen Galaxie ausgelöst wurde. Die Forscher halten dies aber für sehr wahrscheinlich.


Beschleunigtes Wachstum

Das Wachstum schwarzer Löcher und deren Helligkeitsentwicklung hängen mit der Wechselwirkung von Galaxien zusammen. Sie beschleunigt sowohl das Wachstum der schwarzen Löcher als auch das der umgebenden Sternansammlung im Bulge der Galaxie. Dennoch ist es sehr erstaunlich, dass die Massen dieser beiden Komponenten stets im selben Maße wachsen, denn genau das besagt die beschriebene Relation.

Doch das ist nicht die einzige interessante Erkenntnis der vergangenen Jahre. Im heutigen Universum wachsen überwiegend nur schwarze Löcher mit relativ geringen Massen von weniger als 30 Millionen Sonnenmassen. Diese schwarzen Löcher befinden sich in Galaxien ähnlich unserer Milchstraße. Die abgeleiteten Wachstumsraten deuten darauf hin, dass diese massearmen schwarzen Löcher sich auf einer Zeitskala gebildet haben, die vergleichbar ist mit dem Alter des Universums: Sie sind also langsam und gemächlich größer geworden. Demgegenüber wachsen schwarze Löcher mit Milliarden von Sonnenmassen heute nur noch wenig.

Die Forscher sehen sich also mit der scheinbar paradoxen Erkenntnis konfrontiert, dass die größten schwarzen Löcher sehr schnell nach dem Urknall fertig ausgewachsen waren, während die kleinen noch heute zunehmen. Nach diesem Konzept des kosmischen "Downsizing" (Verkleinerung) haben sich die aktive Sternentstehung und das Wachstum schwarzer Löcher im Lauf der Zeit zu kleineren und weniger massereichen Galaxien verschoben. Unsere Milchstraße zählt zu der zweiten Gruppe.

Dass es langsam und schnell wachsende schwarze Löcher gegeben hat, lässt sich nach Ansicht von Kauffmanns Institutskollegen Volker Springel nur durch die Annahme erklären, dass es im jungen Universum, das kleiner war als das heutige und in dem die Galaxien enger zusammenstanden, häufig zu Kollisionen kam. Springel hat die Entwicklung der schwarzen Löcher und ihrer Galaxien mit der sogenannten Millennium Simulation theoretisch erforscht (siehe MaxPlanckForschung 3/2006, Seite 46 ff.).

Diese weltweit detaillierteste kosmologische Simulation diente ursprünglich dazu, die Entwicklung von Galaxien unter dem Einfluss der Dunklen Materie auf großen Skalen von zwei Milliarden Lichtjahren zu untersuchen. Doch wie mit einer digitalen Lupe lassen sich auch die Verhältnisse im Kleinen, sprich auf Skalen von einigen zehntausend Lichtjahren, studieren. Zusätzlich hat Springel einzelne Galaxienkollisionen auf dem Computer im Detail nachgestellt, um die Wirkung aktiver Quasare auf das Gas einer Galaxie zu verstehen.

Hierbei zeigte es sich, dass bei dem Verschmelzen zweier Galaxien die Masse des schwarzen Lochs innerhalb von etwa 200 Millionen Jahren um das Zehn- bis Hundertfache anwachsen kann. Nur auf diese brachiale Art kann es innerhalb relativ kurzer Zeit mehrere Milliarden Sonnenmassen erreichen. In jenen Galaxien jedoch, die solchen kosmischen Verschmelzungen entgehen, wachsen die zentralen schwarzen Löcher langsamer. Und das tun sie bis heute.

Die Massenrelation zwischen zentralen schwarzen Löchern und den umgebenden Sternhaufen und die daraus resultierende gemeinsame Entwicklung dieser beiden Komponenten einer Galaxie lassen sich ziemlich sicher über die vergangenen Milliarden Jahre hinweg zurückverfolgen. (Dabei fungieren Teleskope als Zeitmaschinen, denn wegen der endlichen Laufzeit des Lichts bedeutet die Beobachtung entfernter Galaxien stets auch einen Blick in die Vergangenheit des Universums.) Aber bestand dieser Zusammenhang schon immer?

Es sind heute rund zehn Quasare bekannt, die innerhalb der ersten Milliarde Jahren nach dem Urknall existierten und sehr hell leuchteten. In diesen extrem fernen Objekten die Massen der zentralen schwarzen Löcher und der Sterne zu bestimmen, erfordert äußerstes beobachterisches Geschick, die besten Teleskope der Erde und gute Ideen.


27 Antennen - zu einem einzigen Teleskop gekoppelt

Gelungen ist dies in zwei Fällen der Gruppe um Fabian Walter und seinem Kollegen Dominik Riechers, der seine in Heidelberg begonnenen Studien derzeit mit einem Hubble Fellowship am renommierten California Institute of Technology in Pasadena in den USA fortführt. Die Wissenschaftler beobachteten die Quasare mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile sowie dem Very Large Array, einer im US-Bundesstaat New Mexico stehenden Anlage, in der 27 Radioteleskope zur gleichzeitigen Beobachtung der Himmelskörper gekoppelt werden.

Die Ergebnisse sind naturgemäß wesentlich ungenauer als die bei nahen Galaxien, aber sie gehen in dieselbe Richtung: Die schwarzen Löcher in diesen beiden Quasaren sind zehn- bis hundertfach massereicher, als sie es nach der bekannten Relation sein sollten. Zwei andere Gruppen kamen zu einem ganz ähnlichen Ergebnis.

Sollten sich diese Befunde bestätigen, so müsste man daraus schließen, dass die schwarzen Löcher im jungen Universum schneller gewachsen sind als ihre jeweiligen Muttergalaxien. Schon macht die Frage nach der Henne und dem Ei die Runde: Was war zuerst da, das schwarze Loch oder die Galaxie? Wäre es vielleicht sogar denkbar, dass schwarze Löcher als Kondensationskeime für die späteren Galaxien fungiert haben? Schwarze Löcher gewissermaßen als Geburtshelfer?

Eine faszinierende Idee, doch Guinevere Kauffmann gibt sich zurückhaltend: "Schwarze Löcher und Sterne können nur dort entstehen, wo viel Materie zusammenkommt", sagt sie. Weswegen die Entstehung wohl nur gleichzeitig stattgefunden haben kann. Doch wie genau dieser Geburtsvorgang abgelaufen ist, weiß niemand zu sagen. "Wir sehen die jüngsten Quasare zu einer Zeit, als das Universum 870 Millionen Jahre alt war", erklärt Walter. Angesichts des heutigen Weltalters von 13,7 Milliarden Jahren blieb demnach für ein schwarzes Loch vergleichsweise wenig Zeit, bis auf mehrere Milliarden Sonnenmassen anzuwachsen.


Der unaufhaltsame Kollaps eines Schwergewichts

Nach heutigem Wissen entsteht ein schwarzes Loch, wenn ein sehr massereicher Stern seinen Brennstoff verbraucht hat und der Zentralkörper unaufhaltsam kollabiert. Doch ein solches stellares schwarzes Loch ist vielleicht zehn Sonnenmassen schwer. Kann dieses wirklich in so kurzer Zeit so massereich werden? Auch Volker Springels Simulationen geben darauf keine Antwort. In ihnen werden nämlich die schwarzen Löcher mit einer Anfangsmasse von hunderttausend Sonnenmassen hineingesteckt.

Weltweit zerbrechen sich Theoretiker den Kopf über die Frage, ob schwarze Löcher im jungen Universum auch auf andere Art und Weise entstehen konnten. Eine Möglichkeit wäre, dass massereiche Sterne in dichten Haufen geboren werden und darin auch nach vergleichsweise kurzer Zeit zu schwarzen Löchern werden. Diese könnten dann zu einem einzelnen, superschweren Loch verschmelzen. Nach einer weiteren Theorie könnte vielleicht auch eine große Gaswolke ohne Umweg der Sternentstehung zu einem solchen Massegiganten kollabieren.

Die Astrophysiker kennen die Antwort nicht. Sie hoffen auf leistungsfähigere Computer und auf eine neue Teleskopgeneration, die im nächsten Jahrzehnt zur Verfügung stehen soll. Dazu zählt das internationale Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA), eine Anlage aus etwa 50 Radioteleskopen in den chilenischen Anden. Hinzu werden voraussichtlich zwei optische Großteleskope kommen, deren Spiegel Durchmesser von 30 bis 40 Meter aufweisen.

Auch im Weltraum werden bald neue Späher arbeiten: Im Frühling dieses Jahres soll das europäische Infrarotteleskop Herschel ins All starten. Und im nächsten Jahrzehnt wird der Nachfolger des Observatoriums Hubble, das Weltraumteleskop James Webb, folgen. Diese Instrumente werden den Astronomen einen ganz neuen Blick auf die fernen Galaxien eröffnen - und auf die Rolle der schwarzen Löcher.


GLOSSAR

Dunkle Materie
Etwa 23 Prozent des Universums bestehen aus einem Stoff, der sich nicht beobachten lässt, sich aber durch die gravitative Wechselwirkung mit der sichtbaren Materie bemerkbar macht. Die Zusammensetzung der Dunklen Materie ist unbekannt.

Milchstraße
Populäre Bezeichnung für jene Galaxie, der unsere Sonne mit ihren Planeten angehört. Die Galaxis ähnelt einem Diskus, besitzt einen Durchmesser von rund 100 000 Lichtjahren und umfasst neben Staub- und Gaswolken rund 200 Milliarden Sterne.

Supernova
Das spektakuläre Ende eines massereichen Sterns. Während der Stern durch eine gewaltige Explosion zerstört wird, steigt seine Helligkeit bis zum Milliardenfachen seiner früheren Leuchtkraft an.

Urknall
Nach dem kosmologischen Standardmodell der Beginn des Universums vor rund 13,7 Milliarden Jahren. Aus dem Urknall (auch Singularität genannt) entstanden Raum, Zeit und Materie.


ZUSATZINFORMATIONEN:

Schwarze Löcher, die gegenwärtig sehr hell sind - also viel Materie aufnehmen und wachsen - existieren überwiegend in Galaxien, in denen sich in jüngerer Vergangenheit viele neue Sterne gebildet haben.


Sternenschleuder

Die Astronomen hatten es lange vermutet, nun haben sie den Beleg: Kollidieren Galaxien miteinander, bilden sich Paare von schwarzen Löchern, die als Gravitationsschleudern wirken und sehr effektiv Sterne aus den Zentren hinauskatapultieren. Während im Lauf der Zeit die beiden schwarzen Löcher zu einem einzigen verschmelzen, dünnt die Kernregion der neuen Galaxie aus. Beobachtet haben dieses Wechselspiel jüngst Ralf Bender aus dem Max-Planck-Institut für extra-terrestrische Physik und von der Universitäts-Sternwarte München sowie John Kormendy von der University of Texas in Austin. Dieser Zusammenhang gilt nur für die unmittelbare Umgebung des schwarzen Lochs und ändert nichts an der großräumigen Korrelation zwischen den Massen der zentralen schwarzen Löcher und der sie umgebenden Sterne.

Im Herzen der sogenannten elliptischen Galaxien finden sich die größten bekannten schwarzen Löcher mit Massen bis über eine Milliarde Sonnenmassen. Diese Schwerkraftfallen ziehen Sterne besonders stark an. Daher könnte man erwarten, dass in ihrer Umgebung die Sterndichte sehr hoch sein sollte. Tatsächlich aber beobachten die Astronomen das Gegenteil: Die massereichsten elliptischen Galaxien, die wahrscheinlich aus einem kosmischen "Serienunfall" mehrerer kleiner Systeme entstanden, zeigen die geringsten Sterndichten.

Der Theorie zufolge sollte sich während der Verschmelzung zweier Galaxien ein Paar schwarzer Löcher bilden. Diese umtanzen einander und wirken dabei wie eine Art Rührmixer. Kommt ein Stern diesem Paar zu nahe, so wird er aus der Galaxie geschleudert. Dabei gilt: Je massereicher die schwarzen Löcher, desto stärker der Kick. Physikalisch gesehen ähnelt der Prozess der "Fly-by-Methode", die man benutzt, um Raumsonden durch den engen Vorbeiflug an einem Planeten in dessen Schwerefeld zu beschleunigen.

John Kormendy und Ralf Bender haben kürzlich gemeinsam mit ihren Kollegen Mark Cornell und David Fisher beispiellos genaue Messungen der Dichteprofile elliptischer Galaxien publiziert (Astrophysical Journal Supplement 2009, im Druck). In einem begleitenden Beitrag in The Astrophysical Journal Letters (2. Februar 2009), konnten Bender und Kormendy exakt die Gesamtmasse der Sterne berechnen, die in den Zentren der größten elliptischen Galaxien fehlen - und die Theorie in der Praxis bestätigen. Weiteres Ergebnis: Die fehlende Masse steigt streng proportional zur gemessenen Masse des zentralen schwarzen Loches an. "Es war zwar bekannt, dass beide Größen im Zusammenhang stehen", sagt Bender. "Aber es hat uns überrascht, dass die Korrelation so eng ist."

Helmut Hornung


Die Durchsuchung des Himmels

Der Sloan Digital Sky Survey (SDSS) ist eine der aufwendigsten Himmelsdurchmusterungen, die jemals durchgeführt wurde. Im Verlauf von acht Jahren lichtete das automatisch arbeitende 2,5-Meter-Teleskop des Apache-Point-Observatoriums im US-Bundesstaat New Mexico in einem Viertel des gesamten Himmels insgesamt 230 Millionen Himmelskörper ab.

Möglich war dies mit einer 120-Megapixel-Kamera, die das Firmament in mehreren Farbfiltern aufnimmt. Zusätzlich haben zwei Spektrographen das Licht von einem Teil aller Himmelskörper in seine Farben zerlegt. Auf diese Weise ließen sich von mehr als 930 000 Galaxien und mehr als 120 000 Quasaren wichtige physikalische Eigenschaften sowie die Entfernungen bestimmen.

Die Daten eignen sich darüber hinaus für viele weitere Studien, wie die Suche nach explodierenden Sternen (Supernovae), die Erforschung der Struktur der Milchstraße oder die Fahndung nach Asteroiden in unserem Sonnensystem. Derzeit ist eine Fortsetzung der Himmelsdurchmusterung mit neuen Instrumenten bis 2014 geplant. Auf deutscher Seite sind die Max-Planck-Institute für Astrophysik in Garching und für Astronomie in Heidelberg sowie das Astrophysikalische Institut Potsdam am SDSS beteiligt.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Bildunterschrift 1:
Welten im Zusammenstoß: Die Kollision von Galaxien löst nicht nur einen Babyboom unter den Sternen aus. Häufig verschmelzen auch die beiden zentralen schwarzen Löcher zu einem einzigen. Max-Planck-Forscher untersuchen das Wechselspiel von schwarzen Löchern und Galaxien.

Bildunterschrift 2:
Schwarze Löcher sitzen in den Zentren der meisten Sternsysteme. Diese Massemonster ziehen Materie an, die sich zunächst in einer Scheibe ansammelt. Aufgrund von Reibung heizt sich das Gas auf, verliert an Energie und nähert sich auf spiralförmigen Bahnen dem schwarzen Loch, bis es schließlich darin verschwindet wie Wasser in einem Abfluss. Oft liegt das Geschehen hinter einem Staubtorus verborgen. Sichtbar sind aber die Materiestrahlen, die senkrecht zu der Scheibe ins All hinausschießen.

Bildunterschrift 3:
Tanz der Milchstraßen. Diese Sequenz aus der Millennium Simulation zeigt die Verschmelzung zweier Spiralgalaxien zu einer elliptischen Galaxie. Dabei wird eine kurze Phase der Quasaraktivität angeregt und die entstehende Galaxie "rot und tot": Sie bildet kaum noch Sterne, weil der Quasar viel Gas verschluckt oder weggeblasen hat.

Bildunterschrift 4:
Der Crash von Galaxien war in den Kindertagen des Alls an der Tagesordnung. Denn es war kleiner und die Sternsysteme standen enger beisammen. Beim Verschmelzen zweier Galaxien kann die Masse des schwarzen Lochs innerhalb von etwa 200 Millionen Jahren um das Zehn- bis Hundertfache anwachsen - und innerhalb relativ kurzer Zeit mehrere Milliarden Sonnenmassen erreichen.

Bildunterschrift 5:
Ein Meer von Sternen bietet die Spiralgalaxie mit der Bezeichnung M 51.
Sie ähnelt der Form nach unserem eigenen Milchstraßensystem.
Galaxien sind die größten Bausteine im Universum.

Bildunterschrift 6:
Die beiden elliptischen Galaxien NGC 4621 und NGC 4472 im Virgohaufen sehen auf großen Skalen sehr ähnlich aus. Vergrößert man aber die Kerngebiete, so zeigt sich, dass die Sterndichte im Zentrum von NGC 4472 sehr viel geringer ist als im Zentrum von NGC 4621. Im Fall von NGC 4472 wurden die Sterne durch die Wechselwirkung mit einem sich umkreisenden Paar schwarzer Löcher hinausgeschleudert.

Bildunterschrift 7:
Das Herzstück des Sloan Digital Sky Survey (SDSS) ist das automatisch arbeitende 2,5-Meter-Teleskop des Apache-Point-Observatoriums im US-Bundesstaat New Mexico.


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Quelle:
MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftmagazin der Max-Planck-Gesellschaft
Ausgabe 1/2009, Seite 44 - 53
Herausgeber: Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juni 2009