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FORSCHUNG/451: Sonnensystemforschung - Asteroid Lutetia, ein Urgestein im All (MPG)


Max-Planck-Gesellschaft - 27. Oktober 2011

Urgestein im All

Der Asteroid Lutetia könnte ein Überbleibsel aus der frühen Phase des Sonnensystems sein


Lutetia ist ein wahres Fossil: Einige Bereiche der Oberfläche des Asteroiden gehören mit einem Alter von etwa 3,6 Milliarden Jahren zu den ältesten des Planetensystems. Wegen seiner hohen Dichte ist Lutetia zudem ein Planetesimal, die erste Entwicklungsstufe auf dem Weg zu einem Planeten. Zu diesen Ergebnissen kommen Wissenschaftler unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung. Das Team hat Bilder ausgewertet, welche die Raumsonde Rosetta während ihres Vorbeiflugs an Lutetia im Juli 2010 aufgenommen hatte.

Der Asteroid Lutetia sieht wie eine zerklüftete, überdimensionale Kartoffel aus. - Foto: © ESA 2010 MPS for OSIRIS Team, MPS/UPD/LAM/IAA/RSSD/INTA/UPM/DASP/IDA

Einer überdimensionalen Kartoffel gleicht der Asteroid Lutetia auf dem Bild A, das Rosetta während des Vorbeiflugs im Juli 2010 gewonnen hatte. Die Aufnahme B zeigt einen Krater mit einem Durchmesser von 21 Kilometern in der Region Baetica; die Pfeile a, b und c deuten auf Erdrutsche hin. Auf dem Bild C verdeutlichen die drei Pfeile a die gut sichtbare Grenze zwischen den Regionen Baetica und Noricum, die Pfeile b und c zeigen auf Rillenstrukturen. Im Teilbild D weisen die Pfeile auf weitere Rillen.
Foto: © ESA 2010 MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/RSSD/INTA/UPM/DASP/IDA

Vor etwa 4,5 Milliarden Jahren sah das Sonnensystem völlig anders aus als heute: Statt der acht großen Planeten drehte sich erst eine Wolke, später eine Scheibe aus Gas und Staub um die gerade entstandene Sonne. Nach und nach ballte sich diese Materie zu unregelmäßig geformten Klumpen zusammen, sogenannten Planetesimalen. Einige von ihnen verschmolzen zu noch größeren Brocken, den Protoplaneten - zwar noch kleiner als heutige Planeten, aber bereits kugelförmig und mit einer inneren Schichtstruktur. Doch das Weltall ist ein dynamischer Ort: Die meisten Planetesimale und Protoplaneten, die sich nicht zu echten Planeten weiterentwickelten, zerbrachen als Folge heftiger Zusammenstöße wieder.

"Lutetia ist für uns ein Glücksfall", sagt Holger Sierks, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, Leiter des OSIRIS-Kamerateams und Erstautor der jetzt in Science veröffentlichten Studie. "Denn es gibt nur wenige Himmelskörper, die aus einer solch frühen Entwicklungsphase erhalten geblieben sind. Sie erlauben uns, einen Blick zurück in die Vergangenheit zu werfen."

Ein weiteres Beispiel ist der Asteroid Vesta, den die NASA-Raumsonde Dawn seit Juli dieses Jahres umkreist. Forscher vermuten, dass auch Vesta einer der wenigen verbleibenden Protoplaneten ist. Lutetia könnte nun einen noch weiteren Blick ermöglichen - bis zu den Wurzeln des Sonnensystems. Ihre geringere Größe, unregelmäßige Form und vor allem ihre hohe Dichte deuten darauf hin, dass es sich hier um einen Planetesimal handelt. "Aus den Aufnahmen konnten wir jetzt sehr genau das Volumen von Lutetia und dann in einem zweiten Schritt ihre Dichte bestimmen", erklärt Sierks. Mit 3,4 Gramm pro Kubikzentimeter ist diese deutlich höher als jene von Granit.

"Die meisten anderen Kleinplaneten, die wir genauer kennen, haben eine viel geringere Dichte", so Sierks. "Wir halten diese Asteroiden für eine Art kosmische Bruchstücke - also relativ lose, poröse Ansammlungen von Körpern aus jüngeren Zusammenstößen." Lutetia hingegen scheint deutlich kompakter - und somit älter - zu sein.

Originalveröffentlichung
H. Sierks et al.
Images of Asteroid 21 Lutetia: A Remnant Planetesimal from the Early Solar System
Science, 28 October 2011

Ansprechpartner

Dr. Holger Sierks
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, Katlenburg-Lindau
E-Mail: sierks@mps.mpg.de

Dr. Birgit Krummheuer
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, Katlenburg-Lindau
E-Mail: Krummheuer@mps.mpg.de


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Quelle:
MPG - Presseinformation vom 27. Oktober 2011
Herausgeber:
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Oktober 2011