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FORSCHUNG/465: Sternfabriken am Ende der Welt (MaxPlanckForschung)


MaxPlanckForschung - 4.2012
Das Wissenschaftsmagazin der Max-Planck-Gesellschaft

Sternfabriken am Ende der Welt

von Alexander Stirn



Als das All vor 13,7 Milliarden Jahren auf die Welt kam, gab es zunächst nur Strahlung. Doch wenige Hundert Millionen Jahre später war der Raum erfüllt mit Galaxien - ungemein produktiven Sternfabriken, die nicht so recht ins Bild einer allmählichen kosmischen Evolution passen. Forscher wie Fabian Walter vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie versuchen, Licht in die dunkle Epoche des Universums zu bringen.


Griffige Bezeichnungen für eigentlich unbegreifliche Vorgänge zu finden hat Astronomen noch nie vor ein Problem gestellt: Dark Ages, das dunkle Zeitalter, nennen sie etwa jene Ära, die knapp 380 000 Jahre nach der Geburt des Universums beginnt. Zu dieser Zeit machen sich die positiv geladenen Ionen aus dem Urknall gerade daran, frei umherschwirrende Elektronen einzufangen - das Nachleuchten des Big Bangs verfliegt. Noch haben sich allerdings keine Sterne gebildet, die Licht in die plötzliche Dunkelheit bringen könnten.

Nicht nur kosmologisch ist das ferne Zeitalter eine dunkle Periode. Auch die Wissenschaft tut sich bisher schwer, die damaligen Vorgänge zu erhellen: Beobachtungen rund um die Geburt der ersten Sterne gibt es so gut wie keine. Die Forscher sind daher auf Simulationen und theoretische Überlegungen angewiesen.

Langsam ändert sich das jedoch. "Da unsere Teleskope immer besser und immer empfindlicher werden, sehen wir heute Dinge, die wir vor zehn Jahren nicht hätten beobachten können", sagt Fabian Walter, Astronom am Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie. Dort untersucht der 41-Jährige, wie und wann die ersten Sterne entstanden sind, wie produktiv die frühen Galaxien waren und wo genau die stellaren Kinderstuben lagen.

Ein ums andere Mal stellen er und seine Kollegen die Theoretiker dabei vor ungeahnte Probleme - und das dürfte so weitergehen. Walter sagt: "Das Studium von Galaxien in der Frühphase des Universums wird sich in den kommenden Jahren zu einem zentralen Forschungsgebiet für Astronomen entwickeln."

Noch ist es eine Detektivarbeit - eine mühsame Suche, die so gar nichts mit den bunten Bildern zu tun hat, welche die Astronomie sonst produziert. Im Treppenhaus des Heidelberger Instituts, ein Betonbau auf dem Königstuhl hoch über der Stadt, hängen viele dieser typischen, farbenfrohen Aufnahmen. Sie zeigen planetarische Nebel, Sternhaufen, Spiralgalaxien. Zwischen all den Hinguckern hängt auch eine unscheinbare Aufnahme, hauptsächlich schwarz, mit vielen pixeligen Farbklecksen. Hubble Ultra Deep Field steht darunter.

Es ist ein Blick in die tiefsten Tiefen des Alls. Viele Hundert Stunden lang hat das Weltraumteleskop Hubble seine Augen auf eine Region des Himmels gerichtet, die auf einem Daumennagel am ausgestreckten Arm nur einen Quadratmillimeter groß wäre. Selbst extrem alte, extrem schwach leuchtende Objekte sind darauf noch auszumachen. "Manche dieser Galaxienbilder setzen sich lediglich aus ein paar Hundert Photonen zusammen", sagt Walter und deutet auf einen rötlich schimmernden Fleck.

Die Farbe ist kein Zufall: Seit dem Urknall hat sich das Universum immer weiter ausgedehnt. Dabei wurden auch die Photonen, die Teilchen des Lichts, gestreckt. Ihre Wellenlänge hat sich zwangsläufig vergrößert - und zwar umso mehr, je weiter das Objekt, das sie einst ausgesandt hat, von der Erde entfernt war.

Rotverschiebung nennen Astronomen diesen Effekt. Sein Ausmaß wird durch den "z-Wert" beschrieben: Bei z = 1 ist die Wellenlänge doppelt so groß wie bei einem ruhenden Objekt, bei einem Wert von zwei hat sie sich verdreifacht und so weiter. Da Astronomen ferne Objekte stets zu jenem Zeitpunkt sehen, an dem sich das Licht auf den Weg gemacht hat, dient die Rotverschiebung zudem als Maß für das Alter einer Galaxie. Das Licht eines Objekts mit z = 10 etwa ging auf die Reise, als das Universum gerade einmal 500 Millionen Jahre alt war. Bei einem angenommenen Weltalter von rund 13,7 Milliarden Jahren war es also 13,2 Milliarden Jahre lang unterwegs.

"Durch die Rotverschiebung werden weit entfernte Objekte schnell dramatisch dunkel - ganz besonders im Bereich des sichtbaren Lichts", sagt Fabian Walter. Für das Licht der Galaxien, wie es im Hubble Deep Field (HDF) zu sehen ist, interessiert sich der Heidelberger Astronom aber ohnehin nur am Rande. Es stammt größtenteils von fertigen Sternen. Die Geburt neuer Sonnen geschieht woanders - im Innern dichter Wolken aus Staub und Gas. "Ohne Gas keine Sterne", sagt Walter.

Vor allem molekularer Wasserstoff ist nötig, damit der stellare Nachwuchs geboren werden kann. Er lässt sich allerdings nicht direkt beobachten. Das geht nur über den Umweg eines anderen, eng mit dem Wasserstoffvorrat verbundenen Gases: Kohlenmonoxid. Sein Molekül sendet ein charakteristisches Signal aus, das normalerweise im infraroten Bereich des Spektrums liegt.

Wegen der Rotverschiebung kommt es auf der Erde mit Wellenlängen von einigen Millimetern an - also knapp unterhalb des Bereichs der Mikrowellen. Zumindest die hellsten dieser uralten Sternentstehungsgebiete können somit von modernen Millimeterteleskopen wie dem Observatorium des Institut de Radioastronomie Millimétrique (IRAM) in den französischen Alpen ausfindig gemacht werden (siehe Kasten "DAS IRAM-INTERFEROMETER").


Ein schwarzer Fleck auf schwarzem Hintergrund

Mit ihrer Hilfe haben Astronomen in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe solcher Quellen entdeckt. Eine der wichtigsten heißt schlicht HDF850.1. Im klassischen Hubble Deep Field ist die Galaxie nicht mehr als ein schwarzer Fleck auf schwarzem Hintergrund. Im Submillimeterlicht leuchtet sie jedoch stark auf. Besonders deutlich sind dabei Kohlenmonoxid-Moleküle auszumachen, die einst Strahlung absorbiert, in Rotationsschwingungen umgesetzt und schließlich bei klar definierten Frequenzen (Spektrallinien) abgegeben haben.

Damit ist es Fabian Walter im Jahr 2012 zusammen mit Forschern des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn und weiteren Kollegen gelungen, die Rotverschiebung von HDF850.1 zu bestimmen. Sie liegt bei einem z-Wert von 5,2. Das Licht der Galaxie war demnach 12,5 Milliarden Jahre zur Erde unterwegs und erlaubt Einblick in eine Zeit, als das Universum gerade einmal 1,2 Milliarden Jahre alt war.

Die Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift NATURE , offenbart aber noch mehr: Charakteristische Spektrallinien des Kohlenstoffs - insbesondere von Atomen, denen ein Elektron fehlt - deuten auf eine hohe stellare Aktivität hin. Sie verraten dabei nicht nur, dass tief in der fernen Milchstraße, versteckt hinter dicken Wolken aus Staub und Gas, neue Sterne produziert werden; sie geben auch Anhaltspunkte für den Ablauf dieses Prozesses.


Galaxie mit erstaunlich hoher Geburtenrate

Demnach produziert eine Galaxie wie HDF850.1 eine Billion Mal so viel Energie wie unsere Sonne. Das ist nur möglich, wenn dort Jahr für Jahr Sterne im Ausmaß von etwa tausend Sonnenmassen entstehen. Eine normale Galaxie wie unsere Milchstraße dagegen bringt es lediglich auf ein Tausendstel dieser Menge. "Bereits kurz nach dem Urknall müssen somit Galaxien existiert haben, die irrsinnig viele Sterne produzieren konnten", sagt Fabian Walter.

Das widerspricht allerdings gängigen Modellen, nach denen die ersten Sterne und Galaxien eher gemächlich entstanden sein sollen: So waren Theoretiker bisher davon ausgegangen, dass die Elemente, die im Urknall gebildet wurden, viele Hunderttausend Jahre brauchten, um sich langsam zusammenzuballen - unterstützt von einer Kraft, die Astronomen Dunkle Materie nennen und über deren Natur sie noch kaum etwas sagen können. Die gasförmigen Elemente - vor allem Wasserstoff, Helium und Lithium - sammelten sich in den Scheiben der ersten Galaxien, verdichteten sich unter dem Einfluss der gegenseitigen Schwerkraft und begannen zu kollabieren. Irgendwann waren die Molekülwolken schließlich dicht genug, um das Feuer der Kernfusion zu zünden.

Diese ersten Sonnen, Theoretiker sprechen von Population-III-Sternen, müssen gewaltig gewesen sein. Sie brannten aus, explodierten und schleuderten dabei die schwereren Elemente, die sie während der Kernfusion produziert hatten, hinaus ins All. Nach und nach entstanden auf diese Weise die Bausteine, aus denen die heutigen Sterne und Galaxien bestehen. Eigentlich ein langsamer, kontinuierlicher Prozess.

Dass eine Milliarde Jahre nach dem Urknall bereits riesige Sternfabriken wie in HDF850.1 existiert haben müssen, passt nicht so recht in dieses Bild. "In vielen Bereichen der Astronomie kommt man heute dahinter, dass am Anfang des Universums einige Dinge sehr viel schneller abgelaufen sein müssen als gedacht", sagt Walter zu diesem Dilemma zwischen Theorie und Praxis.

Noch reichen die Beobachtungsdaten nicht für ein abschließendes Urteil. Gut möglich, dass Fabian Walter bei seiner Suche nach besonders weit entfernten Galaxien ausgerechnet jene erwischt hat, die am hellsten und aktivsten sind - und deshalb auch am einfachsten zu beobachten. Vielleicht handelt es sich bei ihnen um Ausreißer, vielleicht um Glückstreffer. Möglicherweise erlauben sie keinen Rückschluss auf die wahren Verhältnisse in den Jugendjahren des Universums. "Wenn wir ehrlich sind, dann haben wir keine Ahnung, wie viele derartige Objekte es gibt, wir haben ja bisher nur eines genauer untersucht", so Fabian Walter. "Sollten davon allerdings Tausende existieren, dann haben die Theoretiker mit ihren Simulationen ein Problem."

Galaxien wie HDF850.1 sind nicht die einzige Gefahr für die derzeitigen Modelle des frühen Universums. Überraschende Daten kommen auch von Quasaren - aktiven schwarzen Löchern, die im Zentrum der meisten Galaxien sitzen und fortwährend Materie anziehen. Gas und Staub werden von ihnen auf Spiralbahnen gezwungen, beschleunigt und stark erhitzt. Kurz bevor die Materie in dem kosmischen Schlund verschwindet, leuchtet sie hell auf.

Quasare gehören damit zu den lichtstärksten Objekten im All. "Das macht sie zu einem idealen Forschungsgegenstand, um physikalische Prozesse und die chemische Zusammensetzung in weit entfernten Regionen zu studieren", sagt Walter. Selbst mit IRAM reicht eine Beobachtungszeit von einigen Stunden, um den Quasaren ihre Geheimnisse zu entlocken.


Teleskop durchleuchtet die Jugend des Alls

Einen großen Nachteil haben die hell leuchtenden Objekte allerdings: Sie kommen - zumindest in den Frühzeiten des Universums - extrem selten vor und sind entsprechend schwer zu finden. Walter und seine Kollegen setzen daher auf eine systematische Durchmusterung des Himmels mithilfe eines Teleskops auf Hawaii: Pan-STARRS (Panoramic Survey Telescope & Rapid Response System) durchforstet das gesamte Firmament über der Pazifikinsel automatisch nach Lichtpunkten, deren Signatur mit Quasaren übereinstimmen könnte. "Auf diese Weise haben wir schon zwei Quasare gefunden", sagt Walter. "Das ist nicht großartig, aber es zeigt, dass die Methode funktioniert und wir guten Gewissens weitermachen können."

Ein seit Längerem bekanntes kosmisches Leuchtfeuer heißt J1148+5251. Es gibt Einblicke in eine Zeit, die weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall liegt. Bereits 2009 konnten die Heidelberger und Bonner Astronomen mithilfe von IRAM zeigen, dass auch in dieser Galaxie extrem viele Sterne gebildet werden. Die Rate liegt sogar an der Obergrenze des physikalisch Machbaren - noch mehr Sterne, und die Energie der vielen Geburten würde die Kinderstube mit ihren 5000 Lichtjahren Durchmesser sprengen.

"Solch extreme Verhältnisse finden sich in unserer Milchstraße nur in viel kleineren Regionen, etwa in Teilen des Orionnebels", sagt Walter. J1148+5251 ist jedoch so groß wie hundert Millionen Orionregionen zusammen - und das nicht einmal eine Milliarde Jahre nach der Geburt des Universums.

Auch eine andere Beobachtung, die Walter und seine Kollegen bei Quasaren kurz nach dem Urknall gemacht haben, gibt Rätsel auf: Obwohl die Objekte äußerst jung sind, ist ihr schwarzes Loch bereits ähnlich massiv wie bei heutigen Galaxien. Die dynamische Masse, die sich rundherum verteilt, ist dagegen vergleichsweise gering. Sie beträgt lediglich das Zwanzig- bis Dreißigfache des Zentrums. Bei aktuellen Galaxien ist dieser Wert deutlich höher, er liegt beim etwa Tausendfachen.

Das könnte darauf hindeuten, dass im jungen Universum zunächst die schwarzen Löcher entstanden sind. Sie saugten immer mehr Staub und Gas ab, was letztlich zur Geburt der ersten Sterne in direkter Umgebung des galaktischen Zentrums führte. "Das ist aber sehr spekulativ", warnt Fabian Walter. Daher konzentriere er sich darauf, die Messungen zu machen. Was das alles bedeutet, darüber müssten sich die Kollegen aus der theoretischen Astronomie die Köpfe zerbrechen.

Es ist nicht die einzige Herausforderung, mit der Walter und seine Kollegen die Theoretiker konfrontieren: Das Licht, das die Astronomen von den uralten Quasaren aufgefangen haben, verteilt sich über die verschiedenen Wellenlängen ganz ähnlich wie das Licht heutiger Galaxien. "Da gibt es kaum einen Unterschied zwischen einem Quasar, wie wir ihn 800 Millionen Jahre nach dem Urknall sehen, und einem im gegenwärtigen Universum", sagt Walter.


Einfache Messungen machen Modelle zunichte

Das bedeutet aber auch, dass bereits bei den frühen Quasaren die charakteristischen Spektrallinien von Metallen wie Eisen oder Magnesium zu finden sind - Elemente, die nicht im Urknall entstanden sein können, sondern erst nach und nach von den Sternen produziert werden mussten. Eines der gängigen Modelle zur Sternentstehung sagt allerdings voraus, dass Eisen als schwerstes Element lediglich in Sternen gebildet werden konnte, die mindestens zwei Milliarden Jahre alt waren. "Mit einfachen Messungen sind solche Modelle über den Haufen geworfen worden", sagt Walter. Enttäuscht ist er deswegen nicht, im Gegenteil: "Das finde ich faszinierend."

Doch wie schon bei den Galaxien im Hubble Deep Field ist die Zahl der untersuchten Quasare noch zu gering, als dass statistisch fundierte Aussagen über die Vorgänge im jungen Universum getroffen werden könnten. Das könnte sich bald ändern: In Chile entsteht derzeit ALMA, ein Millimeterteleskop der Superlative. Statt über sechs Antennen wie IRAM verfügt ALMA über fünfzig; und statt auf einer Höhe von 2550 Metern in den französischen Alpen steht es auf mehr als 5000 Metern Höhe in der Atacama-Wüste - einer der trockensten und klarsten Regionen der Erde.

Beim Gedanken daran kommt Fabian Walter ins Schwärmen: "ALMA ist absolut gigantisch", sagt der Astronom. "Das ist ein Teleskop, das alles Bisherige in den Schatten stellt. Das ist ein Sprung wie vom menschlichen Auge zu Galileos Fernrohr."

Verglichen mit seinen Vorgängern vereint ALMA gleich mehrere Vorzüge: Das Teleskop ist nicht nur deutlich empfindlicher, seine einzelnen Schüsseln können auch bis zu sechzehn Kilometer auseinandergerückt werden. Submillimeter-Quellen aus dem extrem jungen Universum lassen sich dadurch einfacher finden, die Verteilung ihres Lichts und ihrer Massen kann detaillierter beobachtet werden.

Bis es so weit ist, werden fünf bis zehn Jahre vergehen. "Noch sind wir daher auf Modelle und Simulationen angewiesen", sagt Fabian Walter. Mit jeder neuen Beobachtung, egal ob derzeit mit IRAM oder künftig mit ALMA, eröffnet sich den Astronomen aber die Chance, ihre Modelle ein klein wenig besser an die damaligen Realitäten anzupassen - und damit mehr Licht ins dunkle Zeitalter des Universums zu bringen.


KASTEN

DAS IRAM-INTERFEROMETER

In den französischen Alpen, auf dem 2550 Meter hoch gelegenen Plateau de Bure, steht eines der leistungsfähigsten Teleskope für Millimeterstrahlung: das Observatorium des Institut de Radioastronomie Millimétrique, kurz IRAM. In dem deutsch-französisch-spanischen Gemeinschaftsprojekt sind sechs Radioteleskope, die jeweils einen Durchmesser von fünfzehn Metern haben, zu einem sogenannten Interferometer zusammengeschaltet.

Dabei empfängt jede einzelne Teleskopschüssel - aufgrund ihres individuellen Standorts - die Radiowellen aus den Tiefen des Alls zu einem leicht unterschiedlichen Zeitpunkt. Die Signale werden anschließend überlagert, Algorithmen errechnen aus den Differenzen ein hochaufgelöstes Bild des beobachteten Objekts. Astronomen können dadurch tiefer und schärfer ins All blicken, als das mit einem einzelnen Teleskop möglich wäre. Bis zum Jahr 2018 soll das Observatorium auf dem Plateau de Bure, das auf deutscher Seite von der Max-Planck-Gesellschaft getragen wird, modernisiert und auf zwölf Teleskope erweitert werden.


AUF DEN PUNKT GEBRACHT
  • Das Universum wurde vor etwa 13,7 Milliarden Jahren im Urknall geboren. Bereits wenige Hundert Millionen Jahre später gab es Sterne und Galaxien.
  • Einige der ersten Galaxien waren unvorstellbar produktiv: In ihnen entstanden offenbar Jahr für Jahr Sterne im Ausmaß von etwa tausend Sonnenmassen. Eine normale Galaxie wie unsere Milchstraße dagegen bringt es lediglich auf ein Tausendstel dieser Menge.
  • Diese hohe Produktionsrate passt nicht zu theoretischen Modellen. Die Astronomen bemühen sich darum, möglichst viele Daten aus der Frühzeit des Weltalls zu sammeln.
  • Die Beobachtung junger Galaxien und weit entfernter Quasare soll helfen zu verstehen, welche Prozesse im Innern der gigantischen ersten Sternfabriken ablaufen.

GLOSSAR

Rotverschiebung: Sie ist bei Objekten, die sich mit großer Geschwindigkeit von der Erde entfernen, ein Maß für die Verschiebung der Wellenlänge in den roten Bereich des Spektrums und wird durch den Wert z dargestellt.

Rückblickzeit: Bei sehr großer Entfernung hängt die Rotverschiebung nicht nur von der Fluchtgeschwindigkeit der Objekte ab (Dopplereffekt). Vielmehr zieht die Ausdehnung des gesamten Raums das Licht in die Länge. Daher lässt sich aus dieser kosmologischen Rotverschiebung auch nicht ohne Weiteres auf die Entfernung des Objekts schließen; diese hängt unter anderem vom jeweils verwendeten kosmologischen Modell ab. Astronomen sprechen lieber von Rückblickzeit - der Zeit, die das Licht von dem Objekt bis zu uns unterwegs war und die angibt, in welchem Weltalter es auf die Reise ging.

Urknall: Das von Kosmologen bevorzugte Modell der Geburt des Universums. Demnach entstand der Kosmos vor 13,7 Milliarden Jahren aus einer unvorstellbar dichten und heißen Anfangssingularität, die sich physikalisch nicht beschreiben lässt. Heute wird das klassische Urknallmodell durch die Inflation erweitert - das schlagartige Aufblähen des extrem jungen Weltalls.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Tiefer Blick ins All: Dieser Ausschnitt aus dem Hubble Ultra Deep Field zeigt Galaxien am Rand von Raum und Zeit. In solchen jungen Milchstraßen werden jede Menge Sterne geboren.

Eine Galaxie taucht auf: Das Objekt HDF850.1 ist auf dem Ausschnitt des Hubble Deep Field (Foto links) gar nicht zu sehen. Im Bereich der Submillimeterwellen dagegen wird die ferne Milchstraße sichtbar (helle Konturlinien, Foto rechts). Das Licht von HDF850.1 war 12,5 Milliarden Jahre zu uns unterwegs und ist extrem schwach. Dennoch gelang es Astronomen um Fabian Walter, die Strahlung der Galaxie zu analysieren. Die Spektren (links) zeigen charakteristische Linien des Kohlenstoffs, die auf eine hohe Geburtenrate von Sternen hindeuten.

Schlüssel zur frühen Entwicklungsphase des Universums: Quasare gehören zu den ersten Objekten, die sich wenige Hundert Millionen Jahre nach dem Urknall gebildet haben. Im Herz dieser jungen Galaxien sitzen gigantische schwarze Löcher, die Materie in Form von Jets ins All blasen (Illustration oben). Die Spektren dieser Objekte verraten viel über deren Innenleben, insbesondere über Prozesse der Sternentstehung. Hier das Spektrum des Rekordhalters (z = 7,1), das genauso aussieht wie das eines Quasars in Erdnähe.

Im Kreißsaal der Sonnen: Der Orionnebel (oben) gehört zu den malerischen Motiven am Firmament. Schon mit bloßem Auge lässt sich im Schwertgehänge der Figur ein blasses Fleckchen erkennen. Das Teleskop enthüllt eine prachtvolle Wolke aus Gas und Staub, in der Sterne geboren werden. In der Region Orion-KL (schwarzes Rechteck) des rund 1350 Lichtjahre entfernten Gebildes ist die Geburtenrate der Sterne ähnlich hoch wie in der Galaxie J1148+5251 (unten) - allerdings bezogen auf ein ungleich größeres Volumen. Denn diese ferne Sternfabrik im jungen All ist so groß wie hundert Millionen Orionregionen zusammengenommen.

Späher über dem Wolkenmeer: Das Teleskop von Pan-STARRS auf Maui (Hawaii) durchforstet das Firmament nach Lichtpunkten und sucht dabei unter anderem nach den Fingerabdrücken von Quasaren.

Unterwegs im Weltall: Der Astronom Fabian Walter hat viele Jahre lang am Very Large Array in Socorro (US-Bundesstaat New Mexico) gearbeitet.


Anmerkung der Schattenblick-Redaktion:
Dieser Text kann als PDF-Datei mit Abbildungen heruntergeladen werden unter:
http://www.mpg.de/6861630/F002_Fokus_026-033.pdf

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Quelle:
MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftmagazin
der Max-Planck-Gesellschaft, 4.2012, S. 26-33
Hrsg.: Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2013