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FORSCHUNG/503: Kräfte, die in Galaxien walten (MaxPlanckForschung)


MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftsmagazin der Max-Planck-Gesellschaft 4/2014

Kräfte, die in Galaxien walten

von Thomas Bührke


Magnetfelder durchziehen auf Größenskalen von 100 000 Lichtjahren ganze Galaxien und umgeben deren zentrale Schwarze Löcher. Forscherinnen und Forscher um Rainer Beck, Silke Britzen und Sui Ann Mao am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn entlocken den unsichtbaren Kraftfeldern ihre Geheimnisse.


Kaum jemand wird sich der Faszination des riesigen Radioteleskops in Effelsberg entziehen können. Mit einem Durchmesser von 100 Metern ist es das weltweit zweitgrößte frei schwenkbare Beobachtungsgerät seiner Art. Mit diesem gigantischen Ohr wollte Rainer Beck schon als Student ins Universum hinaushorchen. Das war der Beginn einer Forscherkarriere. Heute, fast 40 Jahre später, ist der Wissenschaftler längst etabliert. Kaum ein anderer kennt sich mit Magnetfeldern in Galaxien so gut aus wie er. Allerdings stand am Anfang ein Rückschlag.

Sein Doktorvater, der damalige Max-Planck-Direktor Richard Wielebinski, hatte im Jahr 1973 zusammen mit seiner Mitarbeiterin Elly Berkhuijsen in der benachbarten, rund zweieinhalb Millionen Lichtjahre entfernten Andromedagalaxie erstaunlich intensive Radiostrahlung gefunden. Die musste von schnellen Elektronen stammen, die sich in verhältnismäßig starken Magnetfeldern bewegen. "Damit hatte damals niemand gerechnet", erinnert sich Beck. Daher war das Ergebnis spektakulär. Es wurde seitdem von Beck und seinen Studenten mehrfach bestätigt und verbessert. Und im Jahr 1999 gelangte es auf einer Sonderbriefmarke der Deutschen Bundespost sogar zu ungeahnter Ehre.

Rainer Beck sollte nun im Rahmen seiner Doktorarbeit in einer anderen Spiralgalaxie namens Messier 51 ebenfalls nach Radiostrahlung suchen. "Das ging aber völlig daneben, weil das Sternsystem für die damalige Detektortechnik zu weit entfernt war", sagt der Wissenschaftler. Doch davon ließ er sich nicht abschrecken.


Die Feldlinien folgen den Spiralarmen

Bis heute hat die Gruppe um Beck und Marita Krause viele Galaxien im Radiobereich studiert - inzwischen auch erfolgreich M 51. Magnetkarten zeigen, dass die Linien des geordneten Feldes dem Verlauf der Spiralarme folgen, sich an deren Krümmung gleichsam anschmiegen. Auf den genauesten Karten ist zu sehen, dass die Magnetfeldstärke häufig an den Innenkanten der Arme am größten ist, aber auch zwischen ihnen existieren geordnete Felder.

M 51 - auch Whirlpool- oder Strudelgalaxie genannt - ist zudem ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Magnetfelder von außen beeinflusst werden. Eine nahe Begleitgalaxie verursacht mit ihrer Schwerkraft im Gas von M 51 starke Dichtewellen mit der Folge, dass die Spiralarme besonders ausgeprägt sind und deutlich hervortreten. Gleichzeitig komprimieren die Wellen auch das Magnetfeld an den Innenkanten der Spiralarme.

"Wir sehen hier einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Gasdichte und der Stärke des Magnetfeldes", erläutert Beck. Das ist auch insofern interessant, als in solchen verdichteten Regionen neue Sterne entstehen können. Welchen Einfluss die Magnetfelder auf die Gaswolken und Sterngeburten darin haben, diskutieren Astronomen schon seit Jahrzehnten.

Neue Sterne entstehen im Innern von dichten rotierenden Wolken, die sich unter dem Einfluss der eigenen Schwerkraft langsam zusammenziehen. Während eine solche Wolke kleiner wird, rotiert sie immer schneller. Dadurch nimmt die nach außen wirkende Zentrifugalkraft zu, die dem Kollaps entgegenwirkt und ihn womöglich gänzlich aufhalten könnte.

Das Gas erhitzt sich hierbei und wird teilweise ionisiert: Es wird zu einem Plasma, in dem elektrisch geladene Teilchen - vornehmlich Protonen und Elektronen - umherschwirren. Diese reagieren auf das Magnetfeld, zerren an ihm wie Teig an einem Mixer und bremsen die Rotationsbewegung der gesamten Wolke. Die Zentrifugalkraft nimmt ab, und die Wolke kann weiter kontrahieren. Auf diese Weise könnten Magnetfeldbremsen die Sternentstehung unterstützen.

"Trotz jahrzehntelanger Forschung wissen wir aber immer noch verhältnismäßig wenig über den Einfluss von Magnetfeldern auf die Vorgänge im Innern von Galaxien, wie etwa die Bildung von Spiralarmen oder aktiver galaktischer Zentren", sagt der Max-Planck-Forscher. Zu vernachlässigen sind sie keinesfalls, wie die meisten Astronomen in Becks Anfangsjahren noch meinten.

Während man das Gas und die Sterne in einer Galaxie sehen kann, bleiben Magnetfelder unsichtbar. Wie können wir sie überhaupt erkennen? "Sie müssen beleuchtet werden", sagt Rainer Beck, "und das übernehmen Elektronen."

Diese im Raum zwischen den Sternen vorhandenen Teilchen werden in einem Magnetfeld auf schraubenförmige Bahnen gezwungen und senden dabei wie winzige Scheinwerfer in Bewegungsrichtung Radiostrahlung aus. Außerdem sind die Radiowellen linear polarisiert: Sie schwingen bevorzugt in einer Ebene, und zwar senkrecht zur Magnetfeldorientierung. So lassen sich aus der Intensität und der Polarisation der Radiostrahlung die Stärke und die Struktur des Magnetfeldes ermitteln.


Astronomen nutzen einen Effekt aus der Natur

Hierfür eignet sich das Effelsberger Radioteleskop in einzigartiger Weise: Trotz seines stattlichen Alters von 42 Jahren ist es dank ständiger technischer Verbesserung noch heute das weltweit empfindlichste Instrument zum Nachweis polarisierter Radiostrahlung.

Auch unser Milchstraßensystem ist eine Spiralgalaxie. Da sich unser Sonnensystem mittendrin befindet, empfangen Radioteleskope die Strahlung aus allen Bereichen. Das erschwert einerseits das Erkennen der räumlichen Struktur. Andererseits ist die Milchstraße die uns am nächsten gelegene Spiralgalaxie und offenbart daher eine Fülle von Details.

Um die räumliche Struktur des Magnetfeldes herauszufinden, wenden die Astronomen hier eine weitere Methode an. Sie beobachten Pulsare und auch ferne Galaxien, die Radiostrahlung aussenden. Durchläuft diese Strahlung ein Magnetfeld, so dreht sich die Polarisationsebene. Dieser Effekt ist nach Michael Faraday benannt, der ihn schon im Jahr 1845 bei Laborexperimenten entdeckte.

Aus dem Grad der Faraday-Drehung schließen die Forscher auf Stärke und Richtung des durchquerten Magnetfeldes. Aus der Entfernung eines Pulsars ergibt sich zudem die mittlere Stärke des dazwischen befindlichen Feldes. "Die Faraday-Rotation ist für uns wie ein kosmischer Kompass", sagt Beck. Allerdings funktioniert dieser nicht ganz so einfach wie sein Pendant auf der Erde.

Ein Problem besteht darin, dass man zwar eine bestimmte Polarisationsebene der Radiowellen misst, aber nicht weiß, in welcher Ebene der Pulsar die Wellen ursprünglich ausgesandt hat. Hier kommt den Astronomen zu Hilfe, dass die Welle desto stärker gedreht wird, je größer die Wellenlänge der Radiostrahlung und die Feldstärke sind. Beobachtungen bei mehreren Wellenlängen liefern deshalb Stärke und Richtung des Feldes.

An der bisher genauesten Magnetfeldkarte der Milchstraße hat Sui Ann Mao mitgearbeitet. Die aus Hongkong stammende Radioastronomin forschte einige Jahre an der Universität Harvard in Cambridge (USA), seit Anfang 2014 arbeitet sie am Bonner Max-Planck-Institut. Hier hat sie im Rahmen des Minerva-Programms eine auf fünf Jahre befristete Stelle erhalten.

Für Mao war dieses Programm, das die Karriere von Wissenschaftlerinnen fördert, mitentscheidend für ihren Umzug nach Deutschland. "Außerdem ist das wissenschaftliche Umfeld hier in Bonn sehr gut, und ich kann eine eigene Arbeitsgruppe aufbauen", sagt sie.

Zusammen mit Kollegen vermaß Mao die Faraday-Drehung der Radiostrahlung mithilfe von Pulsaren und fernen Radiogalaxien. Hierfür verwendete sie das Very Large Array (VLA), eine aus 27 Radioantennen bestehende Anlage in New Mexico.

Das Ergebnis der galaktischen Magnetfeldkartierung lässt sich nicht so einfach interpretieren. Doch die Daten passen am besten zu einem Modell, in dem die Magnetfelder im inneren Bereich der Milchstraße - wie bei Messier 51 - den Spiralarmen folgen und symmetrisch zur Mittelebene sind. Hier besitzen sie Stärken bis zu zwei Mikrogauß. Zum Vergleich: Das Erdmagnetfeld ist in mittleren Breiten rund hunderttausendmal stärker.

Je weiter man sich vom Milchstraßenzentrum entfernt, desto mehr verändert sich das Feld. Im Außenbereich ist es fast azimutal, das heißt, die Feldlinien verlaufen nahezu kreisförmig. Lange haben Astronomen gerätselt, wie eine solche Struktur, die sich in ganz ähnlicher Weise in fast jeder Spiralgalaxie findet, entstehen kann.

"Wir stellen uns das heute in einem mehrstufigen Prozess vor", sagt Rainer Beck. In einem Elektromagneten erzeugt ein stromdurchflossener Draht ein Magnetfeld. Im Weltall übernehmen turbulent verwirbelte Plasmen diese Aufgabe. Sie entstehen etwa, wenn Sterne explodieren. Dann stoßen sie heiße Gashüllen ab, die sich mit hohen Geschwindigkeiten ausbreiten. In diesen entstehen zunächst chaotische Magnetfelder. Sie werden dann von der Rotation der Galaxie erfasst und mitgezogen.

Bei diesem Vorgang ordnen sich die Feldlinien nach und nach neu an, bis sie das heute beobachtete Muster ergeben, das den Spiralarmen folgt. "Dieser galaktische Dynamo erzeugt Ordnung aus dem Chaos", fasst Becks Kollegin Mao diesen auf Skalen von Zehntausenden von Lichtjahren ablaufenden Prozess zusammen. "Dynamo" deswegen, weil hier Bewegungsenergie in magnetische Energie umgewandelt wird - entfernt vergleichbar mit einem Fahrraddynamo.

Bei den meisten untersuchten Galaxien handelt es sich um ungestörte Einzelgänger. Doch Astronomen wissen, dass die Sternsysteme sich auch gefährlich nahe kommen oder gar zusammenstoßen können. Dann verwirbeln die Gas- und Staubwolken, verdichten sich lokal und werden zu Geburtsstätten vieler neuer Sterne. Was passiert in solchen Fällen mit den Magnetfeldern?

Das prominenteste Beispiel von zwei verschmelzenden Sternsystemen, die 90 Millionen Lichtjahre entfernte Antennengalaxie, untersuchten Beck und Kollegen mit dem VLA. Hierbei kam ihnen eine besondere Eigenschaft dieser Anlage zu Hilfe. Deren Gesamtausdehnung lässt sich nämlich variieren, indem man die 27 auf Schienen gelagerten Teleskope hin und her fährt. "Auf diese Weise realisiert man eine Art Zoomobjektiv für den Radiobereich", erklärt Beck.

Tatsächlich stellte er damit fest, dass die Magnetfelder stärker als in normalen Spiralgalaxien sind, insbesondere in der "Knautschzone" des kosmischen Crashs. Ursachen sind wahrscheinlich die verstärkte Turbulenz im Gas und eine intensive Sternentstehung. Dort ist die geordnete Magnetfeldstruktur zerstört und einer chaotischen gewichen. Mit dem inzwischen erheblich verbesserten VLA hat Sui Ann Mao vor Kurzem neue Messungen vorgenommen, die das magnetische Chaos erklären sollen.

Spannend wäre es, diese Felder lokal mit größerer Detailauflösung zu untersuchen. Doch die heutigen Teleskope stoßen dabei an ihre Grenzen. Große Hoffnungen setzen die Radioastronomen auf das zukünftige Square Kilometre Array (SKA). Das ist ein internationales Projekt, bei dem in Australien und Südafrika Tausende von Radioantennen mit einer gesamten Sammelfläche von einem Quadratkilometer errichtet werden. Ein gigantisches Gerät, das im kommenden Jahrzehnt fertig werden soll und diese Forschung auf lange Zeit dominieren dürfte.


Schwarze Löcher in den Herzen der Galaxien

"Mit dem SKA würde etwa die Zahl der Pulsare, die wir für die Magnetfeldkartierung der Milchstraße verwenden, auf 10 000 steigen", schwärmt Mao. Doch zur großen Überraschung und zum Unmut aller deutschen Radioastronomen hat Bundesforschungsministerin Johanna Wanka im Juni 2014 Deutschlands Ausstieg aus diesem Zukunftsprojekt angekündigt.

Das SKA wäre auch ideal, um einen weiteren Aspekt von Galaxien zu studieren: die Aktivität supermassereicher Schwarzer Löcher in deren Zentren. Nach heutigem Kenntnisstand besitzt fast jede Galaxie in ihrem Herzen ein Schwarzes Loch, das Materie von einigen Millionen bis Milliarden von Sonnenmassen in sich vereint. Wohl jeder dieser unsichtbaren Körper ist von einer heißen, rotierenden Gasscheibe umgeben, die je nach Bedingungen sehr hell leuchten kann.

In einigen Fällen löst sich Materie aus der Scheibe und strömt auf das Schwarze Loch zu. Während ein großer Teil davon in dem kosmischen Mahlstrom auf Nimmerwiedersehen verschwindet, wird ein anderer Teil umgelenkt und schießt in zwei entgegengesetzten Richtungen senkrecht zu der Scheibenebene mit nahezu Lichtgeschwindigkeit ins All hinaus. Ein solcher Jet kann mehrere Millionen Lichtjahre weit reichen; vermutlich halten ihn Magnetfelder zusammen. Auf welche Weise diese Plasmaströme entstehen, versucht Silke Britzen herauszufinden.

"Es besteht kaum noch ein Zweifel daran, dass Magnetfelder hierbei eine wichtige, vielleicht sogar die entscheidende Rolle spielen", sagt die Astrophysikerin. Sie könnten das Gas in der Scheibe abbremsen - was essenziell wichtig ist, damit es sich auf einer Spiralbahn dem Schwarzen Loch nähern und schließlich in das Massemonster hineinstürzen kann. Doch was in dessen unmittelbarer Umgebung wirklich passiert, ist noch weitgehend unklar.

So wissen die Forscher nicht, ob in der Gasscheibe auf viel kleineren Skalen ein ähnlicher Dynamo arbeitet wie in der Spiralgalaxie. Denkbar wäre auch, dass sich entgegengesetzt gepolte Magnetfeldlinien plötzlich verbinden und Energie freisetzen, die in die Beschleunigung der Jet-Teilchen fließt. Forscher kennen solche magnetischen Kurzschlüsse von der Sonne, wo sie Strahlungsausbrüche auslösen.

Auch Einsteins allgemeine Relativitätstheorie dürfte Auswirkungen auf die Jet-Entstehung haben. Sie sagt voraus, dass der Raum von einem schnell rotierenden Schwarzen Loch mitgerissen wird und wie ein Wasserstrudel im Abfluss eines Waschbeckens um den Zentralkörper herumwirbelt. Diese Rotation des Raumes erfasst alles, auch den Innenbereich der Gasscheibe.

Was also löst die Beschleunigung des Jets aus? Die Rotation des Schwarzen Lochs oder die Rotation der Scheibe? "Diese Frage lässt sich mit Computermodellen nur angehen, indem man die Physik der allgemeinen Relativitätstheorie und der Magnetohydrodynamik gemeinsam löst", erläutert Silke Britzen. Ein extrem kompliziertes Unterfangen - tatsächlich konnte dieses Problem von der Wissenschaft bis heute nicht gelöst werden.

"Wir würden aber natürlich am liebsten die Region in der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Lochs mit Radioteleskopen direkt beobachten", sagt die Bonner Forscherin. Vielleicht wird dies einmal mit der Very Long Baseline Interferometry (VLBI) bei kleinen Wellenlängen möglich. Bei dieser Technik beobachtet man einen Himmelskörper gleichzeitig mit mehreren Radioteleskopen weltweit und führt die Daten auf bestimmte Weise zusammen. So erzielt man eine Auflösung, die ein Einzelteleskop mit den Ausmaßen der Erde hätte.


Die meisten Jets verlaufen nicht geradlinig

VLBI ist eine seit Langem etablierte Technik bei Radiowellenlängen von einigen Millimetern bis Zentimetern. Wenn man sie in den Submillimeterbereich erweitern könnte, würde auch die räumliche Auflösung steigen. Dieses nächste große Projekt, an dem das Bonner Max-Planck-Institut führend beteiligt ist, läuft unter dem Projektnamen Event Horizon Telescope.

Seit Kurzem ist Silke Britzen einem weiteren Phänomen auf der Spur, das bedeutender sein könnte als bisher angenommen: doppelte Schwarze Löcher. Wenn zwei Galaxien zusammenstoßen und schließlich miteinander verschmelzen, muss die neu entstehende Galaxie im Zentrum eigentlich zwei Schwarze Löcher besitzen, die sich gegenseitig umkreisen. In einigen wenigen Fällen hat man solche Doppelsysteme tatsächlich nachweisen können. "Wahrscheinlich gibt es viel mehr Paare als vermutet", sagt Britzen.

Hinweise darauf sieht sie in einigen Jets. "Mittlerweile beobachten wir manche Jets seit Jahrzehnten, sodass wir darin auch Veränderungen feststellen", sagt die Astrophysikerin. Die meisten Jets verlaufen nicht ganz geradlinig, sondern winden sich wie Schlangen, haben Knicke und Biegungen.

Dies könnte seine Ursache in variierenden Bedingungen bei der Entstehung des Gasstrahls haben: "Da wackelt etwas am Fußpunkt des Jets", meint Silke Britzen. Dieses "Wackeln" könnte seine Ursache darin haben, dass sich zwei Schwarze Löcher in geringem Abstand umkreisen und die Gasscheibe des einen Partners am Boden des Jets zum Schwingen bringen.

Um ihre Beobachtungsdaten mit Modellen erklären zu können, arbeitet Britzen mit Theoretikern zusammen. Kürzlich konnten sie die Jet-Strukturen von zwei Galaxien erklären. In dem einen Fall könnten sich zwei Schwarze Löcher im Abstand von eineinhalb, im anderen von neun Lichtjahren umkreisen. Für zwei - schätzungsweise jeweils eine Milliarde Sonnenmassen schwere - Giganten ist diese Strecke geradezu winzig.

Wegen der enormen Entfernungen von einigen Milliarden Lichtjahren wird man die Zentralbereiche dieser beiden Galaxien nicht direkt beobachten können. Aber der leuchtende Fußpunkt der Jets sollte nach dem Modell ebenfalls hin und her wackeln. Nach diesen Schwankungen will Silke Britzen suchen. Dabei setzt sie nicht nur auf immer genauere Radioteleskope, sondern auch auf den kürzlich gestarteten Astrometriesatelliten Gaia der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Auf dessen Ergebnisse muss die Bonner Forscherin allerdings noch ein paar Jahre warten. Aber als Astronomin braucht man ohnehin viel Geduld.


Auf den Punkt gebracht

• In Spiralgalaxien entstehen Magnetfelder vermutlich in turbulenten Gasen, wie sie durch die Energie explodierender Sterne erzeugt werden.

• Durch die Rotation der Galaxien erhalten diese lokal chaotischen Felder eine geordnete Struktur, die den Spiralarmen folgt.

• Pulsare sind ideal zur Vermessung der geordneten Magnetfelder unserer Milchstraße.

• Auch im Zentralbereich einer Galaxie, wo sich in wohl fast allen Fällen ein supermassereiches Schwarzes Loch befindet, existieren Magnetfelder. Sie sorgen für die Fütterung des unsichtbaren Zentralkörpers und die Entstehung von Jets.


Glossar

Charles Messier: Der französische Astronom (1730 bis 1817) erarbeitete einen Katalog mit mehr als 100 Himmelsobjekten wie Galaxien, Gasnebeln oder Sternhaufen. Die Nummern aus diesem Messier-Katalog sind noch heute gebräuchlich.

Gaia: Die Raumsonde Gaia der Europäischen Weltraumorganisation ESA wurde am 19. Dezember 2013 gestartet. Sie soll den gesamten Himmel im optischen Bereich durchmustern und dabei etwa eine Milliarde Sterne astrometrisch, fotometrisch und spektroskopisch kartografieren.

Ionisation: Prozess, bei dem ein Atom oder Molekül ein Elektron oder mehrere verliert. Zurück bleibt ein positiv geladenes Ion.

Michael Faraday: Der englische Naturforscher (1791 bis 1867) war einer der bedeutendsten Experimentalphysiker des 19. Jahrhunderts. Er entdeckte unter anderem die elektromagnetische Induktion. Farad, die Einheit für die elektrische Kapazität, ist nach ihm benannt.

Polarisation: Licht- oder Radiowellen schwingen in der Regel in allen möglichen Richtungen. Polarisiert ist eine Welle dann, wenn sie nur in eine bestimmte Richtung schwingt.


Der Artikel mit Bildern kann als PDF-Datei heruntergeladen werden unter:
http://www.mpg.de/8938632/F002_Fokus_026-033.pdf

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Quelle:
MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftmagazin der Max-Planck-Gesellschaft
Ausgabe 4/2014, Seite 34-41
Herausgeber: Wissenschafts- und Unternehmenskommunikation der
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
Redaktionsanschrift: Hofgartenstraße 8, 80539 München
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2015

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