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FORSCHUNG/512: Nachweis mehrerer Supernova-Explosionen in Erdnähe (idw)


Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf - 06.04.2016

Nachweis mehrerer Supernova-Explosionen in Erdnähe


Einem internationalen Forscherteam unter Federführung der Australian National University (ANU) ist es gelungen, die interstellaren Überreste mehrerer Supernova-Explosionen am Meeresgrund von gleich drei Ozeanen nachzuweisen. Die neuen Daten zeigen, dass das Material von massereichen Sternen außerhalb unseres Sonnensystems kommen muss. Das Team konnte zudem belegen, dass nicht eine, sondern mehrere Supernovae in den letzten zehn Millionen Jahren ihre Spuren auf der Erde hinterlassen haben. Arbeiten am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) haben maßgeblich zur Altersbestimmung der Proben beigetragen. Die Ergebnisse wurden heute im Fachmagazin Nature veröffentlicht.


NASA, ESA, R. Sankrit and W. Blair (Johns Hopkins University) / CC BY 3.0

Beispiel für die expandierenden Überreste einer Supernova: Keplers Supernova explodierte vor 400 Jahren in 13.000 Lichtjahren Entfernung im Sternbild Schlangenträger (Ophiuchus).
NASA, ESA, R. Sankrit and W. Blair (Johns Hopkins University) / CC BY 3.0


Am Ende ihres Lebens produzieren massereiche Sterne viele neue Elemente, unter anderem auch langlebige, radioaktive Atome, die mit Halbwertzeiten von bis zu einigen Millionen von Jahren sehr langsam zerfallen. Dazu gehört auch das Eisenisotop Fe-60 mit einer Halbwertszeit von 2,6 Millionen Jahren, das auf der Erde praktisch nicht natürlich vorkommt. Massereiche Sterne enden ihr Dasein mit einer sogenannten Supernova-Explosion. Explodiert ein Stern, wird das frisch produzierte Fe-60 in großen Mengen ins Weltall geschleudert. Geschieht dies nahe genug an unserem Sonnensystem, dann besteht die Möglichkeit, dass ein Teil davon auf die Erde gelangt.

Einen ersten Hinweis darauf, dass extraterrestrisches Fe-60 auf unserem Planeten zu finden ist, erbrachten Wissenschaftler bereits vor mehr als zehn Jahren. Eine Forschergruppe der TU München konnte das Isotop in geringen Konzentrationen in Mangankrusten am Grund des Pazifischen Ozeans nachweisen. Doch erst jetzt hat ein internationales Forscherteam aus Australien, Deutschland, Österreich, Israel und Japan herausgefunden, dass eine Serie von Sternenexplosionen für den Eisenstaub auf unserer Erde verantwortlich ist.

Forscher der ANU, der Universität Wien, des HZDR, der Hebräische Universität Jerusalem und der Universität Tokio untersuchten dazu den Isotopengehalt und das Alter von mehreren Tiefseeproben aus dem Pazifik, Südatlantik und dem Indischen Ozean. Als Proben dienten Sedimente, Manganknollen und Mangankrusten. Sie entstehen, indem sich Materialschichten nach und nach ablagern. Dabei konservieren sie die Zusammensetzung ihrer Umgebung über Millionen von Jahren hinweg und gelten deshalb als geologische Archive.

Unter Leitung des Physikers Dr. Anton Wallner von der ANU konnte das Team nachweisen, dass Fe-60-Isotope in bestimmten Altersschichten in all diesen Tiefseearchiven steckt. Außerdem fand sich in allen Archiven ein ähnliches Zeitmuster. Das Alter der Schichten wurde mit Hilfe von terrestrischen Radioisotopen, des Berylliumisotops Be-10 und des Aluminiumisotops Al-26, bestimmt: Fe-60-Atome hatten sich in gleich mehreren Altersschichten eingelagert - in solchen mit einem Alter von 1,7 bis 3,2 sowie in einem früheren Zeitbereich zwischen 6,5 bis 8,7 Millionen Jahren. Überraschenderweise waren die Signale über einen viel längeren Zeitbereich hinweg nachzuweisen als ursprünglich erwartet. Das bedeutet, dass unsere Erde in den letzten Millionen Jahren Zeuge nicht einer einzigen - wie lange vermutet -, sondern gleich mehrerer Supernova-Explosionen war.

Der Nachweis der radioaktiven Isotope gelang mit der Beschleunigermassenspektrometrie (AMS, Englisch für Accelerator Mass Spectrometry). Mit dieser Methode sind Forscher in der Lage, extrem niedrige Isotopenkonzentrationen zu bestimmen. Sie ist so empfindlich, dass unter einer Billiarde (1.000.000.000.000.000) stabiler Eisenatome von der Erde ein einziges extraterrestrisches Fe-60-Atom identifiziert werden kann.

Für die Analyse der Proben nutzte die Gruppe unterschiedliche Beschleunigeranlagen, die für die jeweilige Aufgabe am besten geeignet waren. Dazu gehört die HIAF-Anlage (Heavy Ion Accelerator Facility) am Institut für Nuklearphysik der ANU. Dort wurden die Tiefseearchive auf das Isotop Fe-60 untersucht. Der Beschleuniger ist so groß, dass Ionen auf viel höhere Energien beschleunigt werden können als an typischen AMS-Anlagen. Dies ist notwendig, um störende Atome ähnlicher Masse abzutrennen. "Die Supernova-Explosionen selbst haben wohl zu einer erhöhten Intensität von kosmischer Strahlung geführt. Sie waren glücklicherweise weit genug entfernt, so dass es keine direkten Auswirkungen auf das organische Leben auf der Erde gab", erklärt der Erstautor Dr. Anton Wallner.

Das DREAMS-Labor am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf nutzte das internationale Forscherteam, um in monatelanger Vorarbeit die chemische Aufbereitung von Sedimenten und Manganknollen durchzuführen. DREAMS ist ein Beschleunigerlabor und steht für DREsden Accelerator Mass Spectrometry. Unter der Leitung von Dr. Silke Merchel vom Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF) am HZDR konnten hier die Isotope Fe-60, Be-10 und Al-26 aus dem Probenmaterial extrahiert und später an den unterschiedlichen Standorten nachgewiesen werden. Im Anschluss daran erfolgte an der DREAMS-Anlage, unter Koordination des HIF-Wissenschaftlers Dr. Georg Rugel, die Altersbestimmung der Proben mittels des Berylliumisotops Be-10.

Auch an der Fakultät für Physik, Isotopenforschung und Kernphysik der Universität Wien bestimmten die Forscher das Probenalter. "Der Beschleunigermassenspektrometer VERA (Vienna Environmental Research Accelerator) musste dafür fast fünf Monate lang Be-10 und Al-26 Atome zählen, um die nötige Genauigkeit zu erreichen", ergänzt Dr. Jenny Feige, Co-Autorin und Gastwissenschaftlerin am HZDR.

Mit einer geschätzten Entfernung von rund 300 Lichtjahren waren diese Supernova-Explosionen so hell, dass sie auch bei Tageslicht sichtbar waren und eine Helligkeit vergleichbar mit unserem Mond erreichten.

Publikation:
A. Wallner, J. Feige, N. Kinoshita, M. Paul, L.K. Fifield, R. Golser, M. Honda, U. Linnemann, H. Matsuzaki, S. Merchel, G. Rugel, S.G. Tims, P. Steier, T. Yamagata, S.R. Winkler:
"Recent near-Earth supernovae probed by global deposition of interstellar radioactive 60Fe"
(DOI: 10.1038/nature17196)


Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
• Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
• Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
• Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
Das HZDR ist seit 2011 Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Es hat vier Standorte in Dresden, Leipzig, Freiberg und Grenoble und beschäftigt rund 1.100 Mitarbeiter - davon etwa 500 Wissenschaftler inklusive 150 Doktoranden.

Das Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF) hat das Ziel, innovative Technologien für die Wirtschaft zu entwickeln, um mineralische und metallhaltige Rohstoffe effizienter bereitzustellen und zu nutzen sowie umweltfreundlich zu recyceln. Es wurde 2011 gegründet, gehört zum Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf und kooperiert eng mit der TU Bergakademie Freiberg.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, Dr. Christine Bohnet, 06.04.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2016

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