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FORSCHUNG/543: Gravitationsstrudel um ein riesiges Schwarzes Loch entdeckt (idw)


Universität zu Köln - 30.11.2018

Gravitationsstrudel um ein riesiges Schwarzes Loch entdeckt

• Astronomen beobachten erstmals die Materialansammlung um ein massereiches Schwarzes Loch im Zentrum eines Quasars
• Forschung verspricht sich neue Erkenntnisse zur Entstehung von Galaxien


Ein internationales Team von Astronomen hat mit dem GRAVITY Instrument in der Europäischen Südsternwarte (ESO) den Quasar 3C 273 im Sternbild Jungfrau mit bisher unerreichter Präzision beobachtet. Dabei entdeckten sie die Struktur einer sich schnell drehenden Gasansammlung um den Quasar. Quasare bestehen in ihrem Innern aus superschweren Schwarzen Löchern. Das ist das erste Mal, dass die sogenannte "broad line region", die Ansammlung von Material um das Schwarze Loch, beobachtet wurde. An der Forschung ist auch ein Team um Professor Dr. Eckart vom I. Physikalischen Institut der Universität zu Köln beteiligt. Die Ergebnisse wurden nun unter dem Titel "Spatially resolved rotation of the broad-line region of a quasar at sub-parsec scale" in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.

Das Forschungsteam konnte die Masse des Schwarzen Lochs mit bisher unerreichter Genauigkeit messen. Diese Vermessung bestätigt die Annahmen, die bei der Vermessung der Masse von Schwarzen Löchern in Quasaren zugrunde gelegt werden. Diese Massen sind wiederum ein essentieller Baustein zum Verständnis der Entwicklung von Galaxien.

Die von einem solchen Quasar abgegebene Energie ist viel größer als in einer normalen Galaxie wie der Milchstraße und kann nicht durch regelmäßige Fusionsprozesse in Sternen erzeugt werden. Stattdessen gehen die Astronomen davon aus, dass Gravitationsenergie in Wärme umgewandelt wird, wenn Material von einem extrem massiven Schwarzen Loch verschluckt wird.

Das Instrument GRAVITY lieferte nun Bilder aus dem Innern des Quasars und beobachtete die Struktur des sich schnell bewegenden Gases um das zentrale Schwarze Loch. Bisher waren solche Beobachtungen aufgrund der geringen Winkelgröße dieser inneren Region, die etwa der Größe unseres Sonnensystems entspricht, aber 2,5 Milliarden Lichtjahre entfernt ist, nicht möglich. GRAVITY kombiniert alle vier ESO VLT-Teleskope in einer Technik namens Interferometrie, die einen enormen Gewinn an Winkelauflösung ermöglicht, was einem Teleskop mit 130 Metern Durchmesser entspricht. So können die Astronomen Strukturen auf der Ebene von 10 Mikrobogensekunden unterscheiden, was etwa 0,1 Lichtjahren in der Entfernung des Quasars (oder eines Objekts von der Größe einer 1-Euro-Münze auf dem Mond) entspricht.

An dem Experiment ist die Infrarotgruppe am I. Physikalischen Institut um Professor Dr. Andreas Eckart und Dr. Christian Straubmeier maßgeblich beteiligt. Der Leiter der Gruppe, Andreas Eckart, sagt: "Dies ist das erste Mal, dass wir in die Herzen von quasistellaren Objekten mit dieser Präzision schauen können." Straubmeier, der den technischen Teil des Projekts in Köln leitet, ergänzt: "Die beiden Spektrometer, die wir in Köln gebaut haben, sind wirklich gut gelungen. Als wir sie hier in unseren Labors zusammenbauten und testeten, hätte ich nie gedacht, dass sie das Licht eines weit entfernten Quasars sammeln könnten, um so interessante Ergebnisse zu erzielen."

"Mit GRAVITY konnten wir erstmals die so genannte 'broad-line region' auflösen und die Bewegung einzelner Gaswolken um das zentrale Schwarze Loch beobachten", sagt der Hauptautor der Studie Eckhard Sturm vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE). "Unsere Beobachtungen zeigen, dass die Gaswolken um das zentrale Schwarze Loch wirbeln."

Während die breiten Atomemissionslinien zuvor beobachtet wurden - und eigentlich ein Beobachtungsmerkmal von Quasaren sind - wird die Größe der "broad-line region" mit einer Methode namens "Reverberation-Mapping" gemessen. Helligkeitsschwankungen des "zentralen Motors" des Quasars verursachen ein Lichtecho, sobald die Strahlung auf äußere Wolken trifft - je größer das System, desto später das Echo. Im besten Fall können auch die Bewegungen des Gases identifiziert werden, was oft eine rotierende Scheibe impliziert. Dieses aus Zeitinformationen abgeleitete Ergebnis kann nun den räumlich aufgelösten Beobachtungen durch GRAVITY gegenübergestellt werden.

"Unsere Ergebnisse unterstützen die grundlegenden Annahmen des Reverberation-Mappings", bestätigt Jason Dexter, der zweite Hauptautor vom MPE. "Informationen über die Bewegung und Größe der Region unmittelbar um das Schwarze Loch sind entscheidend für die Messung seiner Masse."

Erstmals wurde das Verfahren nun experimentell getestet und bestand seinen Test mit Bravour. Das Ergebnis bestätigte bisherige Massenschätzungen von rund 300 Millionen Sonnenmassen für das Schwarze Loch. Somit bietet GRAVITY sowohl eine Bestätigung der vorher verwendeten Hauptmethode zur Bestimmung der Massen von Schwarzen Löchern in Quasaren als auch eine neue und hochgenaue, unabhängige Methode zur Messung solcher Massen. Damit verspricht es, einen Maßstab für die Messung der Massen von Schwarzen Löchern in Tausenden von anderen Quasaren zu liefern.


Publikation:
https://rdcu.be/bb6je

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution19

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität zu Köln, 30.11.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2018

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