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GALAXIS/187: Genaue Ortsbestimmung für die produktivsten Galaxien im Universum (idw)


Max-Planck-Institut für Astronomie - 17.04.2013

Genaue Ortsbestimmung für die produktivsten Galaxien im Universum



Mithilfe des Teleskopverbunds ALMA ist es einer Astronomengruppe gelungen, die Positionen von mehr als 100 der produktivsten sternenbildenden Galaxien im Universum mit unerreichter Genauigkeit zu bestimmen. Die genauen Positionen konnten dazu beitragen, ein die ungeheure Stern-Produktivität dieser Galaxien betreffendes Rätsel zu lösen. Sie zeigen auch, dass frühere Studien beträchtliche Probleme damit hatten, die solche Galaxien überhaupt zuverlässig zu identifizieren - und wie sich diese Probleme durch präzise Messungen vermeiden lassen.

Bild: © ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), APEX (MPIfR/ESO/OSO), J. Hodge (MPIA) et al., A. Weiss et al., NASA Spitzer Science Center

Ein Astronomenteam unter Beteiligung von MPIA-Forschern hat mit dem neuen Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) die Positionen von über 100 Galaxien im frühen Universum genau bestimmt, in denen besonders viele Sterne entstanden sind. Diese Zusammenstellung zeigt Nahaufnahmen einer Auswahl dieser Galaxien. Die ALMA-Aufnahmen im Submillimeterbereich (rot und orange dargestellt) wurden dabei über eine Infrarotaufnahme (in blau dargestellt) der IRAC-Kamera des Spitzer-Weltraumteleskops gelegt. Vorangehende Beobachtungen waren nicht detailscharf genug gewesen, um diese Galaxien eindeutig in Aufnahmen aus anderen Wellenlängenbereichen zu identifizieren.
Bild: © ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), APEX (MPIfR/ESO/OSO), J. Hodge (MPIA) et al., A. Weiss et al., NASA Spitzer Science Center

Submillimetergalaxien wurden in den späten 1990er Jahren entdeckt. Darin entstehen derart viele neue Sterne, dass diese Galaxien für einen nicht unbeträchtlichen Bruchteil der gesamten Energiefreisetzung aller Galaxien in der Geschichte des Universums verantwortlich sind. Ein Nebeneffekt der Entstehung vieler, und darunter auch vieler massereicher Sterne ist freilich die Produktion beträchtlicher Mengen an Staub. Tatsächlich sind Submillimetergalaxien im Extremfall so hinter Staubwolken verborgen, dass sie bei Beobachtungen mit sichtbarem Licht komplett unsichtbar bleiben. Erst bei Beobachtungen mithilfe von Submillimeterstrahlung - elekromagnetischer Strahlung mit Wellenlängen zwischen einigen Zehntel Millimetern und einem Millimeter - lassen sich diese Objekte und ihre Sternentstehungsaktivität vollständig erfassen. Weitere hilfreiche Daten liefern Infrarot- und Radiobeobachtungen.

Bisherige Submillimeter-Durchmusterungen dieser entfernten Objekte hatten mit mangelnder Detailschärfe zu kämpfen. Jetzt allerdings hat eine Forschergruppe unter der Leitung von Ian Smail (Universität Durham, GB) eine große und trotzdem detaillierte Durchmusterung von mehr als hundert Submillimetergalaxien veröffentlicht. Die Beobachtungen dafür wurden mit dem Teleskopverbund ALMA (Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array) in Chile durchgeführt - mit einem Auflösungsvermögen, welches das früherer Durchmusterungen um einen Faktor von mehr als 10 übersteigt. Für die Beobachtungen in einer Himmelsregion, die Extended Chandra Deep Field South heißt, wurden 15 der ALMA-Antennen so zusammengeschaltet, dass sie als ein einziges, sehr großes Teleskop agieren.

Das hohe Auflösungsvermögen der Durchmusterung hat bereits bei der Lösung eines Rätsels um die Submillimetergalaxien helfen können. Alexander Karim (Argelander-Institut für Astronomie, Bonn und Universität Durham, GB) erklärt: »Vorher sah es so aus, als würden sich in den hellsten dieser Galaxien mehr als tausend Mal schneller neue Sterne bilden als in unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße. Bei solchen Sternentstehungsraten wären die betreffenden Galaxien Gefahr gelaufen, sich regelrecht auseinander zu sprengen. Jetzt haben die ALMA-Bilder dort, wo wir einzelne, hyperaktive Galaxien vermutet hatten, jeweils gleich mehrere kleinere Galaxien gezeigt - jeweils mit merklich moderaterer Sternentstehungsaktivität.« Karim, ehemals Doktorand am Max-Planck-Institut für Astronomie, ist ein Mitglied des Durchmusterungs-Teams und Erstautor eines Fachartikels, in dem dieses Ergebnis der Durchmusterung präsentiert wird. Die jetzt veröffentlichte Durchmusterung liefert eine solide Basis, auf der weitere Untersuchungen von Submillimetergalaxien werden aufbauen können. Jacqueline Hodge vom Max-Planck-Institut für Astronomie, Erstautorin der Veröffentlichung, erklärt: »Astronomen nutzen verschiedene Arten von Strahlung, um Himmelsobjekte zu untersuchen. Aber das funktionier nur, wenn man Objekte präzise lokalisieren kann - nur dann kann man sagen 'Ja, bei dieser Struktur hier in meinem Infrarotbild handelt es sich um das gleiche Objekt wie bei jener anderen Struktur dort in meinen Submillimeterdaten'. Unsere Durchmusterung zeigt, das bisherige Versuche, Submillimetergalaxien auch in Infrarot- und Radiobildern zu identifizieren, mit größeren Problemen zu kämpfen hatten. In etwa einem Drittel der Fälle kam dabei eine falsche Zuordnung heraus. Mit unseren genauen Submillimeter-Messungen können solche Fehler vermieden werden.«

Die Arbeit von Smail, Hodge, Karim und ihren Kollegen hat den Weg frei gemacht für die nächste Art von Untersuchungen: Beobachtungen bei noch höherer Auflösung, bei denen dann sämtliche 66 Antennen des inzwischen fertiggestellten ALMA-Antennenfeldes zum Einsatz kommen. Solche Beobachtungen versprechen Antworten auf die Frage, wie Submillimetergalaxien eigentlich entstehen: In dem aus heutiger Sicht plausibelsten Szenario sind sie das Ergebnis der Kollision großer Galaxien. Die gegenseitige Gravitationsanziehung während der Kollision führt dabei zu einer Phase intensiver Sternentstehung. Hochauflösende Aufnahmen könnten Aufschlüsse über die Form der Galaxien geben und damit Spuren solcher Galaxienkollisionen sichtbar machen.

Weitere Informationen unter:
http://www.mpia.de/Public/menu_q2.php?Aktuelles/PR/2013/PR_2013_04/PR_2013_04_de.html
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Max-Planck-Institut für Astronomie, Dr. Markus Pössel, 17.04.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. April 2013