Max Planck Institut für Extraterrestrische Physik - 16.11.2016
Ein internationales Team von Wissenschaftlern entdeckt einen Superhaufen von Galaxien, der sich hinter dem Band der Milchstraße verbirgt
Ein internationales Team von Astronomen hat eine bisher unbekannte, außergewöhnliche Konzentration von Galaxien im Sternbild Vela entdeckt und sie den "Vela-Superhaufen" getauft. Die gravitative Anziehungskraft dieser großen Massenansammlung in unserer näheren kosmischen Umgebung sollte einen Einfluss auf die Bewegung unserer Lokalen Galaxiengruppe haben, zu der auch die Milchstraße gehört. Dies könnte helfen, die Pekuliargeschwindigkeit der Lokalen Gruppe in Bezug auf den kosmologischen Mikrowellenhintergrund zu erklären.
Superhaufen sind die größten und massereichsten Strukturen in unserem Universum. Sie bestehen aus Galaxienhaufen und ausgedehnten Dichtestrukturen, die sich bis zu 200 Millionen Lichtjahre über den Himmel erstrecken. Der bekannteste Superhaufen ist der Shapley-Superhaufen in einer Entfernung von etwa 650 Millionen Lichtjahre. Er enthält etwa zwei Duzend röntgenleuchtkräftige Galaxienhaufen und Tausende von Galaxien mit bekannter Entfernung. Er ist vermutlich das größte System dieser Art in unserer kosmischen Umgebung.
Das Bild zeigt die Himmels- und Rotverschiebungsverteilung der Galaxien in
der Vela Superhaufenregion und ihrer Umgebung. Die größere Ellipse markiert
den Vela Superhaufen (VSC). Im Zentrum des Bildes sieht man die Region die
von der galaktischen Scheibe mit ihren Sternfeldern und Staubregionen (in
schwarz-weiß dargestellt) verdeckt wird. Die Farbe der Galaxien gibt die
Entfernung an. Die gezeigten Galaxien haben einen Abstand von 500 bis 1000
Millionen Lichtjahren. Die Galaxien um den Vela-Superhaufen erscheinen in
Gelb, nähere (entferntere) Galaxien in grün (orange). Der Vela-Superhaufen
wurde durch spektroskopische Beobachtungen in dieser Region nahe der
galaktischen Scheibe entdeckt. Da der Vela-Superhaufen in der bisherigen
Durchmusterung auf beiden Seiten der Milchstraßenscheibe so deutlich in
Erscheinung tritt, ist es sehr wahrscheinlich, dass eine Verbindung durch
die von der Scheibe abgeschattete Region besteht. Die gesamte Struktur
könnte damit dem Shapley-Superhaufen (SC) sehr ähnlich sein, wohl aber
etwas ausgedehnter. Der sogenannte Große Attraktor (GA), welcher uns
wesentlich näher steht, ist ein weiteres Beispiel für eine großräumige
Struktur, die das Band der Milchstraße am Himmel kreuzt. Er ist jedoch
kleiner als der Vela-Superhaufen. Der innere abgeschattete Bereich des Vela
Superhaufens ist bisher noch nicht erforscht. Das Bild zeigt auch die
beiden Satelliten der Milchstraße, die Große und Kleine Magellansche Wolke
(LMC und SMC).
Image credit: Thomas Jarrett (UCT)
Nun hat ein Team von Forschern aus Südafrika, den Niederlanden, Deutschland und Australien, an dem auch zwei Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching beteiligt sind, einen weiteren sehr prominenten Superhaufen entdeckt, der sich in einer Entfernung von etwa 800 Millionen Lichtjahren über eine größere Region des Himmels erstreckt, etwas weiter entfernt als der Shapley-Superhaufen. Der Vela-Superhaufen war bisher der Aufmerksamkeit der Astronomen entgangen, da er sich hinter der Scheibe der Milchstraße verbirgt, wo Staub und Sterne die Sicht auf die Galaxien im Hintergrund verdecken. Die neuen Beobachtungen des Teams legen nahe, dass der Vela-Superhaufen ebenso massereich sein könnte wie das Shapley-System. Er könnte daher einen wichtigen gravitativen Einfluss auf die Strömungen von Galaxien in unserer Umgebung haben.
Die Entdeckung basiert auf spektroskopischen Beobachtungen von Tausenden von Galaxien, die teilweise vom Band der Milchstraße verdeckt werden. Die 2012 gemachten Beobachtungen mit dem renovierten Spektrographen des South African Large Telescope (SALT) zeigten acht neue Galaxienhaufen in gleicher Entfernung in der Vela-Region. Darauf folgende spektroskopische Beobachtungen mit dem Anglo-Australian Telescope in Australien lieferten weitere Tausende von Galaxienentfernungen und enthüllten die ungewöhnlich große Ausdehnung der neu entdeckten Struktur.
Prof. Reneé Kraan-Korteweg von der Universität von Kapstadt, die diese Untersuchung leitet und die Region bereits seit mehr als einem Jahrzehnt studiert, bemerkte: "Ich hätte nicht geglaubt, dass eine so massereiche Struktur so prominent in Erscheinung treten würde", als sie zusammen mit ihren Kollegen die Galaxienspektren der neuen Beobachtungen analysierte.
Die Wissenschaftler Prof. Hans Böhringer und Dr. Gayoung Chon vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik durchforschten die Vela-Supercluster-Region im Röntgenlicht nach Galaxienhaufen und fanden zwei massereiche Haufen in dem Gebiet der Galaxiendurchmusterung und weitere massereiche Systeme in unmittelbarer Nachbarschaft. Sie bestätigen: "Unsere Entdeckungen zeigen, dass die Materiedichte im Vela-Superhaufen signifikant höher ist als im kosmischen Durchschnitt, was dieses System zu einer prominenten, massereichen Struktur macht."
Aber es gibt jedoch noch viel zu tun. Weitere, umfangreiche Beobachtungen sind nötig, um die ganze Vela Region zu erfassen und vor allem, um die bisher verdeckte Region nahe der Milchstraßenebene zu durchmustern, die vom interstellaren Staub der Galaxie und den dichten Sternfeldern verdeckt wird. Geplante Beobachtungen mit dem neuen Radioobservatorium MeerKAT werden helfen, diese Region zu durchmustern, da Radiostrahlen die Staubwolken der Galaxie durchdringen können. Ebenso sind weitere spektroskopische Beobachtungen mit dem neuen australischen Weitfeld-Spektrographen Taipan vorgesehen.
In der erweiterten Himmelsdurchmusterung nach röntgenhellen Galaxienhaufen des MPE-Teams, Hans Böhringer und Gayoung Chon, erhält die Vela-Region und ihre Umgebung ein besonderes Augenmerk. "Wir haben bereits deutliche Anzeichen dafür, dass der Vela-Superhaufen in eine größere Struktur eingebettet ist, die von den Galaxienhaufen nachgezeichnet wird. Wir hoffen damit den vollen Einfluss des Vela-Superclusters auf unsere nähere Umgebung aufdecken zu können", bemerkt Gayoung Chon.
Die Veröffentlichung mit dem Titel "Discovery of a prospective supercluster in the ZOA in Vela" erscheint in Monthly Notices of the Royal Astronomical Society: Letters 2016, mit den Autoren: Renée C. Kraan-Korteweg, Michelle E. Cluver, Maciej Bilicki, Thomas H. Jarrett, Matthew Colless, Hans Böhringer and Gayoung Chon.
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Quelle:
Pressemitteilung vom 16.11.2016
http://www.mpe.mpg.de/6663161/news161116
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Internet: www.mpe.mpg.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2016
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