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PLANET/310: Das Geheimnis des Marsmagnetismus (FTE info)


FTE info - Sonderausgabe EIROforum - Februar 2007
Magazin über europäische Forschung

Das Geheimnis des Marsmagnetismus


Auf dem Mars wurde ein ganz anderes Problem, das Materie und Energie verbindet, dank der Neutronenquelle des ILL aufgeklärt. Als die amerikanische Marssonde Mars Global Surveyor 1997 zum ersten Mal die Oberfläche dieses Planeten in einer Höhe von 400 km überflog, haben die auffälligen magnetischen Anomalien auf dem Roten Planeten die Neugier der Forscher geweckt. In Grenobel gelang den Forschern der Nachweis, dass die fossilen Spuren des Marsmagnetismus sich durch das Vorhandensein des Sulfid-Minerals Pyrrhotin erklären lassen.


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Vor rund 4 Mrd. Jahren besaß der Mars ein Magnetfeld, das dem der Erde wahrscheinlich ziemlich ähnlich war. Als der Planet sich abkühlte, ließen auch die Magmabewegungen nach. Diese Bewegung des eisenhaltigen Fusionsmaterials erzeugt das Magnetfeld wie ein Dynamo im Herzen der Planeten.

Ein Blick in die Vergangenheit erklärt, warum die nördliche Marshemisphäre kein Magnetfeld besitzt: Ihre Kruste verhärtete sich erst, nachdem die magnetische Aktivität des Kerns ausgeklungen war. Dagegen behält die südliche Hemisphäre, die älter ist, eine fossile Spur dieser Aktivität bei.

Dieser globalen magnetischen Kartografie widersprachen allerdings zwei Anomalien, die der Mars Global Surveyor entdeckte: die vollständige Abwesenheit des Magnetismus rund um die riesigen Tiefbecken Argyre und Hellas, zwei alten Kratern mit einem Durchmesser von über 200 km, die durch riesige Meteoriteneinschläge entstanden sind. Da der Anstieg der Temperatur nach dem Aufschlagen dieser Meteoriten jedenfalls nicht die Ausdehnung der entmagnetisierten Zone erklären konnte, fragten sich die Geophysiker, ob die Ursache vielleicht dem Druckanstieg im Zentrum des für den fossilen Magnetismus verantwortlichen Gesteins im Moment des Aufpralls zuzuschreiben sei.


Der Beweis durch Pyrrhotin

Zur Untermauerung dieser Annahme musste man zunächst eine Hypothese zur Natur dieses Gesteins aufstellen, das für den Magnetismus verantwortlich war, und die Schwelle der Phasentransition messen, d. h. den Druck, bei dem sich das Gestein entmagnetisiert. Unter den ganzen Möglichkeiten konzentrierten sich die Vermutungen auf die magnetischen Eigenschaften eines Eisensulfids, das man unter dem Namen Pyrrhotin kennt.

Am ILL wurden Forschungen zur Schwelle der magnetischen Transition des Pyrrhotins mit Hilfe von Neutronendiffraktometern durchgeführt. "Wenn die Neutronen auf eine Mineralprobe gelenkt werden, werden sie gebeugt und von einem Detektor eingesammelt, der nicht nur Spitzen in der für die atomare Struktur charakteristischen Beugung erkennen lässt, sondern er macht auch die magnetische Anordnung des Atoms zu einem bestimmten Augenblick sichtbar", erklärt Bachir Ouladdiaf, Spezialist für Magnetismus am ILL. Nachdem man den Druck in einer Spanne zwischen 2,6 und 3,1 Gigapascal (1) hat ansteigen lassen, stellten die Forscher das Verschwinden dieser an den Magnetismus gebundenen Spitzen fest.

Dies musste nun auf den Mars übertragen werden. Dank der von den Sonden und durch Simulationen gesammelten Daten um die Aufprallstellen herum, konnten die Forscher die Zonen abgrenzen, die Drücken ausgesetzt waren, die den Schwellenwert überschritten. Sie stimmten mit den von der Marssonde Global Surveyor festgestellten entmagnetisierten Zonen genau überein.

"Durch die Messung des Phasenübergangs von Pyrrhotin konnten nicht nur die Anomalien der magnetischen Remanenz der Marskruste erklärt werden - Ausgangspunkt der Untersuchung. Wir können jetzt auch das Pyrrhotin als das Hauptmineral ausweisen, das für diese Remanenz verantwortlich ist. Manchmal hilft das unendlich Kleine, das Neutron, bei der Erhellung der Geschichte des Magnetismus eines Planeten, wenn es in das tiefste Innere eines Minerals vordringt."


Das Ende einer Illusion...

Der Magnetismus von Meteoriten, die ursprünglich vom Mars stammen und auf die Erde gefallen sind, wurde unzählige Male im Licht der Forschungen zum Marsmagnetismus des Roten Planeten untersucht. Durch die neuen Erkenntnisse, die durch die Arbeiten zur Schwelle der magnetischen Transition des Pyrrhotins erlangt wurden, sind vorangegangene Studien veraltet. Bei ihrem Abstoß standen alle Marsmeteoriten unter einem Druck, der 3 Gigapascal bei weitem überschritt. Die fehlende starke Remanenz im Gestein beweist ein fehlendes Magnetfeld im Augenblick des Aufpralls - und nicht im Augenblick der Kristallisierung des Gesteins.


Mehr Einzelheiten:
P. Rochette, G. Fillion und R. Ballou, F. Brunet, B. Ouladdiaf, L. Hood, Geophysical Research Letters, Bd. 30, Nr. 13, 1683 (2003).

Anmerkung:
(1) Ein Gigapascal entspricht dem 10.000-fachen atmosphärischen Druck auf der Erde.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
> Der Mars: Marskrater Galle, im Osten des Tiefbeckens Argyre.
> Topografische Karte des Mars. In grau: die rechnerisch ermittelten Drucklinien, in ihrer Verteilung um die riesigen Krater Hellas und Argyre nach dem Aufprall. Schwarze Linien: Konturen der Magnetfelder, gemessen von der Marssonde Global Surveyor.


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Quelle:
FTE info - Sonderausgabe EIROforum, Februar 2007, Seite 20
Magazin über europäische Forschung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2007