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PLANET/334: Naher Vorbeiflug am rätselhaften Saturnmond Enceladus (DLR)


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - 14.03.2008

Naher Vorbeiflug am rätselhaften Saturnmond Enceladus


Bis auf 50 Kilometer hat sich die Raumsonde Cassini am 12. März 2008 bei einem Vorbeiflug dem Saturnmond Enceladus angenähert. Der im Durchmesser nur 500 Kilometer große Eismond ist durch seine geheinmissvollen Fontänen und flüssiges Wasser, das unter seiner Eiskruste existiert, in den Brennpunkt der Forscher gerückt. Aus den Daten des Vorbeiflugs wird das Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) Karten erstellen.

"Ich bin begeistert! Die Daten sehen ganz phantastisch aus", sagt Prof. Dr. Ralf Jaumann vom Berliner DLR-Institut für Planetenforschung nach einer ersten Durchsicht der Daten, die die Raumsonde Cassini am Donnerstag (13.03.08) zur Erde gefunkt hat. Die Kameras der Saturnsonde haben bei diesem dritten, nur 100 Sekunden dauernden Vorbeiflug, Bilder von noch völlig unerforschten Bereichen der nördlichen Halbkugel des Eismondes gemacht. Auf diese Daten wartete Jaumann gespannt: "Um den Mond und die Prozesse, die sich in seinem Inneren abspielen, zu verstehen, ist es wichtig, dass wir nach und nach seine gesamte Oberfläche kennen lernen."

Bei früheren Vorbeiflügen an Enceladus, der den Gasriesen Saturn in einer Entfernung von fast 240.000 Kilometern umkreist, entdeckten die Forscher am Südpol des Mondes Eisvulkane, die gewaltige Fontänen aus Wasserdampf, kleinen Eispartikeln und Staub ins All spucken. So aktiv scheint der Mond im Norden nicht zu sein. Jaumann: "Auch im Norden befinden sich Regionen mit ganz frischem Eis, aber hier gibt es vorwiegend ältere Eisflächen, auf denen wir Meteoriteneinschlagkrater finden." Am Südpol des Mondes schleudern Eisgeysire immer wieder Eispartikel in die Atmosphäre, die dann nach und nach wieder auf die Oberfläche des Mondes rieseln und die Einschlagkrater überdecken. Außerdem bewegen sich die Eisschollen am Südpol stärker, vergleichbar mit den Fließbewegungen von Gletschern auf der Erde. Dadurch verschwinden die Einschlagkrater nach und nach.

Warum das Wärmezentrum des Eismondes im Süden liegt, wissen die Forscher derzeit noch nicht. "Offensichtlich gab es Eisvulkanismus in der Vergangenheit auch auf der nördlichen Hemisphäre des Mondes. Möglich ist, dass das Wärmezentrum ganz langsam nach Süden gewandert ist. Es kann aber auch sein, dass es schrumpft und es Eisgeysire in der geologischen Vergangenheit des Mondes flächendeckend gab, während sie sich heute vorwiegend auf den Südpol begrenzen", beschreibt DLR-Wissenschaftler Jaumann die Thesen der Forscher.

Unklar ist auch, woher der Mond seine Energie nimmt. Immerhin erhitzt sich der Mond, fast 1,5 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt, so sehr, dass Wasser in flüssiger Form und als Wasserdampf vorkommt. Während die Temperatur an seiner Oberfläche bei minus 200 Grad Celsius liegt, müssen in seinem Inneren stellenweise Temperaturen über 0 Grad Celsius herrschen. Dass der kleine Mond nach vier Milliarden Jahren, seit der Entstehung des Sonnensystems, immer noch einen heißen, flüssigen Gesteinskern wie die Erde hat, schließen die Forscher aus. "Wir vermuten, dass die große Gravitationskraft des Riesenplaneten Saturn den Eismond regelrecht durchknetet", sagt Jaumann. So wie Mond und Sonne durch ihre Schwerkraft die Wassermassen der Ozeane auf der Erde mit in Bewegung setzen, bewegt Saturn durch seine gewaltige Masse das Wasser im Inneren des relativ nahen Eismondes. Durch diese Bewegung entsteht Reibung, die so genannte Gezeitenreibung, die ein Aufheizen des Mondes zur Folge hat. Allerdings räumt Jaumann ein, dass die bisherigen Modelle über das mögliche Innenleben des Eismondes zeigen, dass die Energie, die durch die Gezeitenreibung entsteht, nicht ausreicht um den Mond derart aufzuheizen.

Für Schlagzeilen sorgte der Eismond bereits 2005, als die Forscher die Eisgeysire entdeckten und damit erstmals einen Nachweis für Kryovulkanismus (Eisvulkanismus) im Saturnsystem erbracht hatten. Voraussetzung für diese Prozesse ist flüssiges Wasser, das bis dahin in den Außenbereichen des Sonnensystems nicht vermutet worden war. Jaumann: "Wir gehen ja davon aus, dass flüssiges Wasser eine Grundvoraussetzung für die Entstehung von Leben ist. Damit haben wir weit draußen im Sonnensystem eine mögliche biologische Nische entdeckt. Die Lebensfrage in unserem Sonnensystem muss also neu gestellt werden." Ob es unter der Eisoberfläche von Enceladus tatsächlich Leben gibt, sei dabei eine ganz andere Frage und die, so vermutet Jaumann, werden die Forscher so schnell nicht beantworten können.

Die Staubpartikel, die Enceladus ins All schleudert, werden unter anderem von dem beim Max-Planck-Institut (MPI) für Kernphysik in Heidelberg entwickelten Staubanalysegerät CDA (Cosmic Dust Analyser) auf der Raumsonde Cassini untersucht. Dr. Ralf Srama, Hauptwissenschaftler des Instruments (PI, Principle Investigator) geht davon aus, dass die Partikel, die den Eismond umkreisen und sogar den äußersten Ring des Saturn, den so genannten E-Ring speisen, zwei unterschiedliche Quellen haben. Die Partikel aus nahezu reinem Wassereis könnten durch Meteoriteneinschläge aus der Oberfläche des Eismondes herausgelöst werden. Die Eispartikel mit Gesteinsmaterial stammen, so Srama, wahrscheinlich aus den Fontänen und damit aus dem Inneren von Enceladus. "Wir gehen davon aus, dass die Eisteilchen aus der Oberfläche zu 90 Prozent aus reinem Wassereis bestehen. Die Partikel, die aus den Fontänen geschleudert werden, dagegen bestehen zu 20 bis 40 Prozent aus mineralischem Material und nur zu 60 Prozent aus reinem Wassereis."

Artikel mit Bildmaterial unter:
http://www.dlr.de/desktopdefault.aspx/tabid-667/7411_read-11964/


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Quelle:
Pressemitteilung vom 14.03.2008
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Unternehmenskommunikation, Linder Höhe, 51147 Köln
http://www.dlr.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2008