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PLANET/510: Kepler 62 - Zwei Supererden in der lebensfreundlichen Zone? (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 6/13 - Juni 2013
Zeitschrift für Astronomie

Blick in die Forschung: Kurzbericht
Kepler 62: Zwei Supererden in der lebensfreundlichen Zone?

Von Tilmann Althaus, Axel M. Quetz



Der Stern Kepler 62 im Sternbild Leier wird von fünf Exoplaneten umrundet. Zwei von ihnen - mit dem 1,4- und 1,6-fachen Durchmesser der Erde - umkreisen ihr Zentralgestirn in der lebensfreundlichen Zone. Damit sind sie die bislang kleinsten Himmelskörper, die in einem für Leben geeigneten Abstand zu ihrem Stern aufgespürt wurden.


Mit dem Weltraumteleskop Kepler wies ein internationales Forscherteam unter der Leitung von William K. Borucki am Ames Research Center der NASA fünf Exoplaneten um den Stern Kepler 62 nach. Die Entdeckung eines Exoplanetensystems mit mehreren Planeten ist an sich kaum noch etwas Besonderes, wenn nicht zwei der Himmelskörper besondere Eigenschaften aufweisen würden, die sie für die Astronomen hervorheben: Kepler 62 e und 62 f umrunden ihr Zentralgestirn in einem Abstand, der flüssiges Wasser auf ihren Oberflächen ermöglichen könnte. Zudem sind sie mit dem 1,4- und 1,6-fachen Erdradius die bislang kleinsten Himmelskörper, die in der lebensfreundlichen Zone um einen Stern aufgespürt wurden. Ihrer Größe nach werden sie zu den Supererden gerechnet.

Vier der fünf Begleiter gehören dieser Klasse an, ihre Radien betragen das 1,3-bis 2-fache des Erdradius. Einer von ihnen, Kepler 62 c, ist nur etwa so groß wie Mars und damit sogar kleiner als die Erde. Das Planetensystem von Kepler 62 ist im Vergleich zu unserem deutlich kompakter aufgebaut (siehe Grafik in der Druckausgabe). Der vom Zentralgestirn am weitesten entfernte Planet Kepler 62 f umkreist dieses in einem Abstand von 0,72 Astronomischen Einheiten, was etwa dem Abstand der Venus zur Sonne entspricht (eine Astronomische Einheit, AE, entspricht dem mittleren Abstand zwischen Erde und Sonne und beträgt rund 150 Millionen Kilometer).


Nachweis durch Bedeckung
Entdeckt wurden die Begleiter von Kepler 62 mit Hilfe des Transitverfahrens. Dabei sind die Bahnen der Planeten um ihren Stern zufälligerweise so ausgerichtet, dass sie bei ihrem Umlauf von der Erde aus gesehen vor ihrem Mutterstern vorüberziehen. Während des Transits schwächen sie dessen Licht geringfügig ab. Diese Helligkeitsschwankungen erfasst dann das Weltraumteleskop Kepler mit hoher Präzision. In der Folge lassen sich daraus die Umlaufperioden und die Bahnen berechnen sowie die Größen der Planeten ermitteln. Das Zentralgestirn Kepler 62 ist ein massearmer Stern des Spektraltyps K in rund 1200 Lichtjahren Distanz zur Erde. Mit seiner Oberflächentemperatur von 4925 Kelvin (4650 Grad Celsius) ist er deutlich kühler und dadurch leuchtschwächer als unsere Sonne. Die Astronomen geben für ihn 0,69 Sonnenmassen, den 0,63-fachen Sonnenradius und rund 21 Prozent der solaren Leuchtkraft an.

Während die beiden äußersten Planeten Kepler 62 e und 62 f ihren Mutterstern in der lebensfreundlichen oder habitablen Zone umrunden (siehe Grafik in der Druckausgabe) sind die drei weiter innen umlaufenden Begleiter Kepler 62 b, c und d dem Stern so nahe, dass ihre mittleren Oberflächentemperaturen 240 bis 480 Grad Celsius betragen (siehe Tabelle unten). Diese unter der Annahme eines Temperaturgleichgewichts berechneten Werte berücksichtigen jedoch nicht den Treibhauseffekt einer eventuellen Atmosphäre. Sollten diese Welten von einer venusähnlichen, fast vollständig aus Kohlendioxid bestehenden Gashülle umgeben sein, so könnten die Oberflächentemperaturen noch beträchtlich höher liegen. Die drei inneren Welten von Kepler-62 sind für Leben, wie wir es kennen, auf jeden Fall ungeeignet.

Die wichtigsten Eigenschaften der Planeten von Kepler-62
Parameter
Kepler-62b
Kepler-62c
Kepler-62d
Kepler-62e
Kepler-62f
Umlaufperiode in Tagen
5,72
12,44
18,16
122,4
267,3
Mittlerer Abstand in AE
0,055
0,093
0,120
0,427
0,718
Radius in Erdradien
1,31 ± 0,04
0,54 ± 0,03
1,95 ± 0,07
1,61 ± 0,05
1,41 ± 0,07
Mittlere Oberflächen-
temperatur in °C
480 ± 41

308 ± 31

240 ± 28

0 ± 15

-62 ± 11

Stellarer Strahlungsfluss
(Erde = 1)
70 ± 9

25 ± 3

15 ± 2

1,2 ± 0,2

0,41 ± 0,05


Die gleiche Berechnung ergibt für die Planeten Kepler 62 e und Kepler 62 f Oberflächentemperaturen um 0 Grad Celsius beziehungsweise -62 Grad Celsius. Sollten diese Welten über Atmosphären verfügen, so könnte auf ihren Oberflächen flüssiges Wasser vorkommen und über lange geologische Zeiträume hinweg verbleiben. Allerdings sind ihre Massen und damit auch ihre chemische Zusammensetzungen nicht bekannt, da das Transitverfahren hierüber keine Informationen liefern kann. Auch nachfolgende Beobachtungen mit erdgebundenen Teleskopen konnten die Massen der Planeten mit Hilfe der Radialgeschwindigkeitsmethode bislang nicht ermitteln. Dieses Verfahren macht sich den Umstand zu nutze, dass die Planeten und der Stern ihren gemeinsamen Schwerpunkt umrunden. Dadurch bewegt sich der Stern periodisch geringfügig auf uns zu und wieder von uns weg. Sein Spektrum verschiebt sich dann durch den Dopplereffekt geringfügig ins Blaue, wenn er auf uns zukommt und danach ins Rote, wenn er sich wieder von uns entfernt. Diese feinen Schwankungen lassen sich mit Präzisionsspektrografen erfassen und erlauben im Endeffekt die Bestimmung der Planetenmassen.

Kepler 62 ist jedoch rund 1200 Lichtjahre von uns entfernt und leuchtet somit nur recht schwach. Zudem ist seine Helligkeit geringfügig veränderlich, was die Erfassung der Radialgeschwindigkeiten stark erschwert. Offenbar sind die Massen der Planeten von Kepler 62 so gering, dass sie die Empfindlichkeit der Radialgeschwindigkeitsmethode unter diesen Umständen unterschreiten. Daher sind die Astronomen unter Borucki, zu denen auch die Exoplaneten-Spezialistin Lisa Kaltenegger vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg angehört, dazu übergegangen, die Planeten von Kepler 62 mit ähnlichen Welten zu vergleichen, die in anderen Sternsystemen nachgewiesen wurden. Die Forscher gehen in der Folge davon aus, dass alle Planeten des Systems felsige Körper mit silikatischer Kruste, silikatischem Mantel sowie einem Eisenkern sind. In der Grafik unten lassen sich die möglichen Zusammensetzungen der Exoplaneten sowie diejenigen von Venus und Erde ablesen.

Danach ging es vor allem darum, festzustellen, ob sich die Planeten Kepler 62 e und 62 f wirklich in der lebensfreundlichen Zone um ihren Stern befinden und welchem Strahlungsniveau sie ausgesetzt sind (siehe Tabelle oben). Die von den Autoren der Veröffentlichung als konservativ bezeichnete lebensfreundliche Zone wird als derjenige Abstandsbereich um einen Stern definiert, an dem sich auf einem felsigen Planeten mit einer Atmosphäre aus Kohlendioxid, Wasserdampf und Stickstoff flüssiges Wasser an der Oberfläche halten kann. Diese Definition bezieht sich nur auf den Strahlungsfluss, der vom Abstand zum Stern abhängt, und berücksichtigt nicht besondere mögliche Eigenschaften einer Atmosphäre, die den für flüssiges Oberflächenwasser geeigneten Abstandsbereich beträchtlich erweitern kann. Der entsprechende Entfernungsbereich wird als »empirische habitable Zone« bezeichnet. Für den Planeten Kepler 62 e folgt daraus, dass seine Atmosphäre analog zur Venus eine permanent geschlossene Wolkendecke aufweisen müsste, damit sich die Oberflächentemperaturen in einem erträglichen Rahmen hielten. Die Wolkendecke würde nämlich einen beträchtlichen Teil des auftreffenden Sonnenlichts zurück ins All werfen. Die Atmosphäre von Kepler 62 f hingegen müsste einen bedeutenden Anteil an Kohlendioxid enthalten, damit durch den Treibhauseffekt Temperaturen auf seiner Oberfläche herrschten, die flüssiges Wasser erlauben.

Auch für unsere Erde ist der Treibhauseffekt extrem wichtig, denn nur durch die Treibhausgase Wasserdampf und Kohlendioxid liegt die mittlere Temperatur bei rund +15 Grad Celsius. Im klassischen Temperaturgleichgewicht läge das Mittel bei -17 Grad Celsius und der Blaue Planet wäre längst zu einem Eisball erstarrt (siehe auch »Zum Nachdenken« in SuW 12/2005, S. 100).

Bei all ihren Interpretationen mahnen die Astronomen um Borucki jedoch zur Vorsicht: Man wisse nicht definitiv, ob die beiden Welten tatsächlich felsige Planeten seien, eine Atmosphäre und/oder Wasser besäßen. So lange es keine Spektren ihrer Atmosphären gäbe, ließe sich nicht bestimmen, ob sie bewohnbar sein könnten.



Literaturhinweis

Borucki, W.J. et al.: Kepler-62: A five-planet system with planets of 1.4 and 1.6 earth radii in the habitable zone. In: Science Express, 18. April 2013, doi: 10.1126/science.1234702

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w i s - wissenschaft in die schulen

Didaktische Materialien zu diesem Beitrag

Was ist WIS?
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WiS in Sterne und Weltraum

Zum Artikel »Kepler 62: Zwei Supererden in der lebensfreundlichen Zone?« auf S. 22 sind zwei WIS-Beiträge besonders empfehlenswert:

»Die Suche nach der zweiten Erde«: In den letzten Jahren haben die beiden Weltraumteleskope CoRoT und Kepler zahlreiche neue Planeten bei anderen Sternen entdeckt. Welche Schwierigkeiten bei der Suche nach Planeten zu bewältigen sind, können Schüler der Mittelstufe erarbeiten. Mit kleinen Versuchen werden astronomische Begriffe wie Helligkeit und Helligkeitsschwankung und andere für das Verständnis der Transitmethode wichtige Grundlagen verdeutlicht.
(ID-Nummer: 1156155)

»Wie man Exoplaneten entdecken kann«: Das Aufspüren der extrasolaren Planeten basiert auf Begriffen und Zusammenhängen, die sich im Rahmen der Schulphysik gut vermitteln lassen. Im WiS-Material werden die indirekten Methoden des Planetennachweises mit Hilfe von kleinen Experimenten und Modellen vorgestellt. Die anschließenden Aufgaben eignen sich dazu, das erworbene Wissen anzuwenden.
(ID-Nummer: 1051519)

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 22:
Das Planetensystem von Kepler-62 ist kompakter als unser eigenes. Die Grafik zeigt beide Systeme im gleichen Maßstab. Die lebensfreundliche Zone ist jeweils durch den blauen Bereich dargestellt. Dort kann auf den Planeten flüssiges Wasser vorkommen. Kepler 62 e und 62 f sind die bislang besten Kandidaten für lebensfreundliche Planeten.

Abb. S. 23 oben:
Nur wenige Exoplaneten sind bislang bekannt, die in der lebensfreundlichen Zone (blau) ihren Stern umrunden. In der »empirischen habitablen Zone« kann auf der Planetenoberfläche flüssiges Wasser vorkommen, sofern er eine passende Wolkendecke hat. In der »konservativen habitablen Zone« mag es flüssiges Wasser auch ohne Wolkendecke geben.

Abb. S. 23 unten:
Für unterschiedliche Zusammensetzungen zeigen die durchgezogenen Linien den Zusammenhang zwischen Masse und Radius an und geben so Aufschluss über den möglichen Aufbau der Exoplaneten. Die blaue Kurve steht für Wasserplaneten mit 25 Prozent Felsanteil, vertreten durch das Erdmantelmineral Enstatit (MgSiO3). Auf der schwarzen Linie lägen überwiegend aus Fels bestehende Planeten wie die Erde. Die blauen Flächen zeigen den möglichen Bereich von Kepler 62 e und 62 f. Gemäß einer Abschätzung ihrer Massen kann es sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit um erdähnliche Planeten mit hohem Fels- und geringem Wasseranteil handeln.

© 2013 Tilmann Althaus, Axel M. Quetz, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 6/13 - Juni 2013, Seite 22 - 24
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
Königstuhl 17, 69117 Heidelberg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2013