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PLANET/514: Die vier Welten von HR 8799 (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 7/13 - Juli 2013
Zeitschrift für Astronomie

Kurzbericht
Die vier Welten von HR 8799

Von Tilmann Althaus



Die Exoplaneten des Sterns HR 8799 lassen sich direkt beobachten. Erstmals konnten nun Spektren aller vier Himmelskörper aufgenommen werden. Sie enthüllen, dass die Begleiter von HR 8799 eine individuelle chemische Zusammensetzung besitzen.


Der Stern HR 8799 im Sternbild Pegasus ist rund 130 Lichtjahre von uns entfernt. Er wird von vier Planeten umkreist, die sich mit Teleskopen direkt beobachten ließen. Dies wurde dadurch begünstigt, dass sie ihr Zentralgestirn in recht großem Abstand umrunden. Nun gelang es zwei unabhängig voneinander arbeitenden Forschergruppen, Spektren dieser Welten aufzunehmen. Sie enthüllen, dass sich diese vier Planeten in ihren Zusammensetzungen untereinander bei bestimmten Gasen ähneln, bei anderen deutlich voneinander unterscheiden.

Bereits im Jahr 2008 war es mit Hilfe der Riesenteleskope Keck und Gemini gelungen, zunächst drei Planeten um den Stern HR 8799 direkt zu fotografieren. Dazu nutzten die Astronomen eine adaptive Optik und einen Koronografen, der das störende Licht des Sterns abblendet. Ein Jahr später entdeckten sie einen vierten, noch weiter innen umlaufenden Himmelskörper. Bei allen vier Planeten handelt es sich um jupiterähnliche Gasriesen. Sie weisen Massen von fünf bis zehn Jupitermassen auf. Die Begleiter von HR 8799 tragen von außen nach innen die Bezeichnungen HR 8799b, c, d und e und haben Bahnradien von 68, 42,9, 27 und 14,5 Astronomischen Einheiten (1 AE entspricht dem mittleren Abstand zwischen Erde und Sonne von rund 150 Millionen Kilometern).


Infrarotspektren der Exoplaneten
Ein Forscherteam um Ben R. Oppenheimer am American Museum of Natural History in New York setzte das historische Fünf-Meter-Teleskop auf dem Mount Palomar für seine Zwecke ein und beobachtete die vier Planeten im Infraroten bei Wellenlängen zwischen 0,995 und 1,769 Mikrometer. Dafür nutzten sie die erst kürzlich modernisierte adaptive Optik des Teleskops, die unter der Bezeichnung »Project 1640« läuft. So konnten sie das gegenüber dem Zentralgestirn millionenfach schwächere Licht der Planeten auffangen. Als erstes fiel auf, dass die Spektren recht rot erscheinen - das entsprach älteren Messungen. Die Oberflächentemperaturen der Himmelskörper betragen zwischen 600 und 900 Grad Celsius. Wegen des großen Abstands zum Zentralgestirn, einem A5V-Stern mit fünffacher Sonnenleuchtkraft, spielt dessen Einstrahlung praktisch keine Rolle. Die Planeten strahlen somit hauptsächlich Wärme aus ihrem Inneren ab. Diese stammt noch aus ihrer Entstehungsphase in einer Gas- und Staubscheibe um HR 8799.

Nachdem die Forscher um Oppenheimer die Spektren der Exoplaneten aufgenommen hatten, verglichen sie diese mit den Spektren der Gasplaneten in unserem Sonnensystem: Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Sie stellten fest, dass es bis auf den innersten Planeten mit der Bezeichnung HR 8799e kaum Übereinstimmungen gibt und dass alle vier Begleiter von HR 8799 eine individuelle chemische Zusammensetzung aufweisen.

In den Spektren fanden sich die Signaturen von Methan (CH4), Ammoniak (NH3), Azetylen (C2H2, gelegentlich auch Äthin genannt) sowie Spuren von Kohlendioxid (CO2) und Blausäure (HCN). Der Planet HR 8799b enthält Ammoniak, Azetylen und Kohlendioxid, aber offenbar wenig oder gar kein Methan. Trabant c besitzt Ammoniak und vielleicht etwas Azetylen in seiner Atmosphäre, aber weder Kohlendioxid noch Methan. Der Planet d enthält Azetylen, Methan und Kohlendioxid, aber Ammoniak lässt sich nicht sicher nachweisen. Der innerste Sternbegleiter e zeigt Signaturen von Methan und Azetylen, aber weder von Ammoniak noch von Kohlendioxid. Er ähnelt in seiner spektralen Zusammensetzung am ehesten dem Planeten Saturn in unserem Sonnensystem. Der Grund für diese unterschiedlichen Zusammensetzungen der vier Begleiter von HR 8799 ist noch unbekannt.

Der Planet HR 8799c war zudem das Untersuchungsobjekt einer Astronomengruppe um Quinn M. Konopacky an der University of Toronto in Kanada. Die Forscher setzten für ihre Arbeit das Zehn-Meter-Teleskop Keck II und den Spektrografen OSIRIS auf dem Mauna Kea in Hawaii ein. Sie beobachteten den Planeten im Wellenlängenbereich zwischen 1,965 und 2,381 Mikrometer, also bei größeren Wellenlängen als das Team um Oppenheimer. Damit waren ihnen andere Moleküle in den Spektren zugänglich. Die Astronomen stießen auf deutliche Signaturen von Kohlenmonoxid (CO) und Wasserdampf (H2O), konnten aber kein Methan nachweisen. Die Oberflächentemperatur von HR 8799c beträgt ihren Messungen zufolge 800 Grad Celsius, in guter Übereinstimmung mit den Ergebnissen der anderen Forschergruppe.


Spektren verraten Entstehung
Die Forscher um Konopacky nutzten ihre Ergebnisse, um einen Blick in die Entstehungsgeschichte der Planeten um HR 8799 zu werfen. Derzeit gibt es zwei konkurrierende Vorstellungen darüber, wie Gasplaneten entstehen können: Eine Theorie geht davon aus, dass sich diese spontan in der Scheibe aus Gas und Staub bilden, die jeden Stern kurz nach seiner Entstehung umgibt. Dabei kommt es zu lokalen Schwerkraftinstabilitäten, wobei sich der Planet ähnlich wie sein Muttergestirn zusammenballt.

Bei der zweiten Variante gehen die Astronomen davon aus, dass sich zunächst ein Kern aus Gestein und Eis bildet, der nach Überschreiten einer kritischen Masse von etwa zehn Erdmassen mit seiner Schwerkraft alles Gas und Staub aus seiner näheren Umgebung an sich zieht und dabei rasch wächst. Diese Vorstellung für die Entstehung der Gasplaneten unseres Sonnensystems wird von den Astronomen derzeit bevorzugt.

Welcher Weg zur Planetenbildung bei HR 8799 geführt hat, lässt sich auch aus den gewonnenen Spektren ableiten. Sollten die Begleiter spontan aus der umgebenden Scheibe des Sterns entstanden sein, so müssten sie auch die gleiche chemische Zusammensetzung wie der Stern aufweisen. Tatsächlich konnten die Astronomen um Konopacky aber zeigen, dass sich das Verhältnis von Kohlenstoff zu Sauerstoff im Planeten von demjenigen des Zentralgestirns unterscheidet: Es ist etwas höher als das des Sterns. Zudem sind die Gehalte von Kohlenstoff und Sauerstoff im Planeten c niedriger als in seinem Mutterkörper.

Die Forscher vermuten daher, dass sich in der Scheibe zunächst Körner aus Wassereis bildeten, die sich schließlich zu größeren Objekten mit mehreren Kilometer Durchmesser zusammenfanden. Diese stießen miteinander zusammen und bildeten schließlich einen Kern, der stetig Materie aufsammelte und dabei an Masse gewann. Er zog später große Mengen an Gas aus der Umgebung an sich und wuchs dadurch rapide. Damit ähnelt die Entstehungsgeschichte der Planeten von HR 8799 wohl derjenigen der Gasriesen unseres Sonnensystems.



Literaturhinweise

Oppenheimer, B.R. et al.: Reconnaissance of the HR 8799 Extrasolar System I: Near IR Spectroscopy. In: Astrophysical Journal 768:24, 2013. arXiv:1303.2627v1

Konopacky, Q. M. et al.: Detection of Carbon Monoxide and Water Absorption Lines in an Exoplanet Atmosphere. In: Science 339, S. 1398-1401, 2013

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Didaktische Materialien zu diesem Beitrag

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Zum Artikel "Die vier Welten von HR 8799" auf stehen zwei WIS-Beiträge zur Verfügung:

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"Mit CoRoT und Kepler auf der Suche nach einer zweiten Erden". Dieser Beitrag stellt die beiden Weltraummissionen vor, die nach Exoplaneten um ferne Sterne suchen. Er reißt kurz die Methoden an, mit denen die beiden Satelliten ihre Daten erfassen. Danach stehen die Eigenschaften der neuentdeckten Welten im Vordergrund und die Frage, in wie weit diese unserer Erde ähnlich sind.
(ID-Nummer: 1051348)


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 24:
Diese Aufnahme der vier Planeten von HR 8799 entstand mit dem Fünf-Meter-Teleskop auf dem Mount Palomar und der adaptiven Optik »Project 1640«. Der Stern in der Bildmitte wurde durch eine Koronografenmaske ausgeblendet, damit sein grelles Licht nicht die schwachen Lichtpunkte der Planeten überstrahlt. Diese umrunden ihr Zentralgestirn in Abständen zwischen 14,5 und 68 Astronomischen Einheiten. Die Feldgröße des Spektrografen OSIRIS, mit dem HR 8799 c beobachtet wurde, ist durch das weiße Rechteck markiert.

Abb. S. 25:
Mit dem Fünf-Meter-Teleskop konnten Infrarotspektren der vier bekannten Exoplaneten um HR 8799 aufgenommen werden. Links ist der relative spektrale Fluss aufgetragen, versetzt um einen Betrag, der die Spektren übereinander positioniert. Die Spektren lassen auf Ammoniak, Methan, Azetylen und Kohlendioxid schließen (siehe blaue Markierung). Die Planeten weisen jeweils individuelle chemische Zusammensetzungen auf.

© 2013 Tilmann Althaus, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 7/13 - Juli 2013, Seite 24 - 25
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Redaktion Sterne und Weltraum:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Oktober 2013