Schattenblick → INFOPOOL → NATURWISSENSCHAFTEN → ASTRONOMIE


STERN/300: Die Säulen der Schöpfung in 3D (idw)


Max-Planck-Institut für Astronomie, ESO Science Outreach Network - 30.04.2015

Die Säulen der Schöpfung in 3D


Pressemitteilung der Europäischen Südsternwarte (Garching) - Astronomen haben mit MUSE am Very Large Telescope (VLT) der ESO die erste vollständige dreidimensionale Ansicht der berühmten "Säulen der Schöpfung" erstellt. Die Beobachtungen zeigen, wie sich die staubhaltigen Strukturen im Raum verteilen und machen viele neue Details sichtbar - darunter auch ein bislang unbeobachteter Materiestrahl, der von einem jungen Stern ausgestoßen wird. Intensive Strahlung und starke Sternwinde, die von den hellen Sternen des Sternhaufens im Adlernebel ausgehen, haben die bizarren Formen der Säulen im Laufe der Zeit geschaffen - und werden sie in etwa drei Millionen Jahren völlig verdampft haben.


Grafik: © ESO/M. Kornmesser

Dreidimensionale Visualisierung der Säulen der Schöpfung
Grafik: © ESO/M. Kornmesser

Die bekannteste Aufnahme der berühmten Säulen der Schöpfung vom NASA/ESA Hubble Space Telescope wurde vor 20 Jahren aufgenommen und wurde auch aufgrund seines hohen Wiedererkennungswerts schnell eines seiner bekanntesten Bilder. Seitdem fesseln diese wabernden Staubwolken, die sich über mehrere Lichtjahre erstrecken [1], sowohl Wissenschaftler als auch Laien.

Zusammen mit dem nahegelegenen Sternhaufen NGC 6611 bilden die aus dem Nebel hinausragenden Formationen die Sternentsehungsregion des Adlernebels Messier 16 oder kurz M16. Der Nebel und die dazugehörigen Objekte befinden sich in einer Entfernung von etwa 7000 Lichtjahren im Sternbild Serpens (die Schlange).

Die Säulen der Schöpfung sind ein klassisches Beispiel für langgestreckte Strukturen, die sich in großen Gas- und Staubwolken herausbilden, in denen neue Sterne entstehen. Säulenartige Gebilde entstehen durch die intensive Ultraviolettstrahlung und den starken Sternwind, den junge und heiße blauweiße O- und B-Sterne aussenden. Beides treibt das dünne Material in der Umgebung auseinander.

Dichtere Bereiche aus Gas und Staub können die Verdampfung dagegen länger widerstehen und hinter solchen Staubansammlungen ist die Materie vor der starken Strahlung der O- und B-Sterne geschützt. Sozusagen wie hinter einem Schutzschild bilden sich Ausläufer, die man auch als Elefantenrüssel bezeichnet. Wir sehen sie als staubige, säulenartige Gebilde, die von den hellen Sternen wegzeigen.

Das MUSE-Instrument der ESO am Very Large Telescope hat mit seiner unerreichten Detailschärfe den Astronomen jetzt durch die Betrachtung ihrer räumlichen Anordnung zu neuen Erkenntnissen über die fortschreitende Auflösung der Säulen der Schöpfung verholfen.

MUSE hat gezeigt, dass das Ende der linken Säule auf die Erde gerichtet ist und auf einer weiteren Säule sitzt, die sich im Gegensatz zu den anderen Säulen in Wirklichkeit hinter NGC 6611 befindet. Diese Spitze ist es, die die meiste Strahlung von NGC 6611abbekommt und sie erscheint uns daher heller als die Säulen unten links, in der Mitte und rechts, deren Enden nicht in unsere Richtung weisen.

Die Astronomen würden gerne besser verstehen, wie die jungen O- und B-Sterne in NGC 6611 die Entstehung weiterer Sterne beeinflussen. Unzählige Studien haben nämlich Protosterne in diesen Staubwolken entdeckt, die sich gerade erst bilden - sie sind also wirklich Säulen der Schöpfung. Die Untersuchung mit MUSE hat beispielsweise auch neue Hinweise auf zwei im werden befindliche Sterne in der linken und in der mittleren Säule sowie auf einen Materiestrom geliefert, der von einem jungen Stern ausgestoßen wird und den vorangegangenen Untersuchungen entgangen ist.

Ob sich in einer Umgebung wie den Säulen der Schöpfung überhaupt noch neue Sterne bilden können, ist fraglich, Da die intensive Strahlung der hellen Sterne, die es bereits gibt, das Säulenmaterial langsam aber sicher abtragen, ist es ein Wettlauf gegen die Zeit.

Mit der Messung der Auflösungsrate der Säulen der Schöpfung hat MUSE den Astronomen einen Zeitrahmen vorgegeben, ab dem die Säulen nicht mehr existieren werden, In einer Million Jahre gehen etwa 70 Sonnenmassen verloren. Basierend auf ihrer gegenwärtigen Masse von etwa 200 Sonnenmassen haben die Säulen der Schöpfung noch eine Lebenserwartung von weiteren 3 Millionen Jahren - auf kosmischen Zeitskalen nur ein kurzer Augenblick. Es scheint also, als wäre "Säulen der Zerstörung" ein ebenso passender Name für dieses bekannte kosmische Gebilde.


Endnote

[1] Nimmt man die linke Säule als Ganzes von oben bis unten, ergibt sich eine Länge von ca. vier Lichtjahren. Sie ist die längste der Säulen und hat etwa die doppelte Höhe der rechten Säule.


Weitere Informationen unter:

http://www.eso.org/public/germany/news/eso1518/?nolang
- Webversion der Pressemitteilung mit weiteren Bildern

http://www.eso.org/public/archives/releases/sciencepapers/eso1518/eso1518a.pdf
- Fachartikel

http://www.eso.org/public/germany/images/archive/category/paranal/
- Fotos vom Very Large Telescope der ESO

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1413

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Max-Planck-Institut für Astronomie, ESO Science Outreach Network
(Dr. Carolin Liefke), 30.04.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang