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FORSCHUNG/665: Erbgut von Bakterien in Wespengenom gefunden (idw)


Westfaelische Wilhelms-Universität Münster - 15.01.2010

"Science": WWU-Forscher haben Erbgut von Bakterien in Wespengenom gefunden


Ein Danaergeschenk ist ein Präsent, das dem Beschenkten Unglück bringt. Das bekannteste Beispiel ist wohl das Trojanische Pferd, mit dessen Hilfe die Griechen - die Danaer - die Stadt Troja zu Fall brachten. Auch die Biologie scheint solche List zu kennen: Im Rahmen einer internationalen Studie, die in der aktuellen Ausgabe des renommierten Forschungsjournals "Science" veröffentlicht wurde, sind münstersche Forscher auf eine Überraschung gestoßen: Erzwespen tragen ein Gen des parasitischen Bakteriums Wolbachia in ihrem Erbgut. Die Forscher fragen sich nun: Ist dieses Gen ein "Danaergeschenk"?

Das internationale Konsortium von Wissenschaftlern hat unter der Leitung von Prof. Dr. Jack Werren von der Universität Rochester und Prof. Dr. Stephen Richards vom Baylor College (USA) das Genom dreier eng verwandter Erzwespenarten der Gattung "Nasonia" umfassend untersucht. Aus den Ergebnissen der Studie können die Forscher grundlegende und eventuell auf andere Arten übertragbare Erkenntnisse gewinnen - beispielsweise in einem wichtigen Bereich der Evolutionsbiologie: dem Wechselspiel zwischen Wirten und Parasiten.

Ein weit verbreiteter Parasit, das Bakterium Wolbachia, lebt im Körper zahlreicher Insektenarten, darunter Erzwespen. Die Nachkommen der Bakterien werden über Eizellen der Wirte weitergegeben und infizieren so deren Nachwuchs. "Wolbachia manipuliert Insekten und andere Gliedertiere im großen Stil", sagt Dr. Arndt Telschow vom Institut für Evolution und Biodiversität der Universität Münster, der gemeinsam mit Prof. Dr. Erich Bornberg-Bauer an der Studie beteiligt ist. "Damit es sich selbst optimal vermehrt, beeinflusst Wolbachia die Fortpflanzung seiner Wirte mit unterschiedlichen Methoden. So tötet es bei vielen Arten gezielt alle männlichen Nachkommen."

Bei Erzwespen verändert Wolbachia die Spermien derart, dass Eizellen, die nicht mit Bakterien infiziert sind, nach der Befruchtung absterben. Forscher haben beobachtet, dass von Wolbachia befallene Wespen sich mit eng verwandten Arten nicht fortpflanzen können. "Tötet man die Bakterien mit einem Antibiotikum ab, klappt die Fortpflanzung dagegen problemlos", so Prof. Bornberg-Bauer. "Hier sehen wir, dass Wolbachia auch die Entstehung von Arten beeinflusst."

Dr. Telschow sagt: "Dass wir nun im Genom von Erzwespen einen DNA-Abschnitt nachgewiesen haben, der aus Wolbachia stammt, ist aus evolutionsbiologischer Sicht hochinteressant. Es ist ein schönes Beispiel dafür, welch verschlungene Pfade die Evolution gehen kann." Bereits zu einem noch früheren Zeitpunkt in der Evolution, so zeigten die münsterschen Wissenschafter, wurde der besagte DNA-Abschnitt zwischen Wolbachia-Bakterien und Pockenviren ausgetauscht. "Wir wissen, dass dieses Gen den Pockenviren hilft, das Immunsystem ihrer Wirte zu ihren Gunsten zu verändern", so Prof. Bornberg-Bauer, "und wir vermuten, dass dieses 'Geschenk' nun dazu beiträgt, dass sich Wolbachia in den Erzwespen optimal vermehren kann." Einen Unterschied zum Trojanischen Pferd gibt es aber: Das evolutionäre Wechselspiel zwischen Wespen und Bakterien ist mit dem Danaergeschenk nicht vorbei - im Gegensatz zum Krieg um Troja.

Literatur: Werren J. H. et al. (2010): Functional and Evolutionary Insights from the Genomes of Three Parasitoid Nasonia Species. Science Vol. 327. no. 5963, pp. 343 - 348; DOI: 10.1126/science.1178028

Weitere Informationen unter:
http://www.sciencemag.org/cgi/content/full/327/5963/343
Quelle / Science


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Friedrich-Schiller-Universität Jena - 14.01.2010

Bauplan einer parasitären Wespe ermittelt

Zoologen der Universität Jena an Entschlüsselung des Genoms von "Nasonia" beteiligt


(Jena) Sie sind in ausgewachsenem Zustand nur 1-2 mm groß: die "Nasonia"-Wespen. Doch auf ihnen ruhen große Hoffnungen. Nasonia sind parasitische Insekten, die Fliegenpuppen befallen und dadurch einen bedeutenden Schädling der Landwirtschaft auf natürliche Weise bekämpfen. Damit ihre Nachkommen Nahrung aus dem befallenen Insekt ziehen können, muss die Wespe, welche rund 40-50 Eier in eine einzige Fliegenpuppe legt, einen zu frühen Tod der Wirts-Fliegen verhindern. Als biologischer Schädlingsbekämpfer ist Nasonia noch nicht perfekt. Das könnte sich in Zukunft gentechnisch ändern lassen, denn jetzt ist das gesamte Genom von Nasonia in einem internationalen Forschungsprojekt entschlüsselt worden, an dem Zoologen der Universität Jena beteiligt waren. Die Ergebnisse werden am Freitag (15.01.) in der renommierten Fachzeitschrift "Science" veröffentlicht. "Das bereits aufgearbeitete Genom von Nasonia steht jetzt zur Verfügung", freut sich PD Dr. Reinhard Predel von der Friedrich-Schiller-Universität.

Nasonia ist seit langem als "Nützling" bekannt. Für die Wissenschaft wurden die Wespen-Arten unter anderem deshalb interessant, weil ihre Zellen oft eigene "parasitische" "Wolbachia"-Bakterien enthalten. Das internationale Forscherteam - unter der Leitung des US-Amerikaners Prof. Dr. John H. Werren - hat u. a. ermittelt, dass diese Bakterien einen ungewöhnlich ausgeprägten lateralen Gentransfer mit den Wirtszellen durchführen. Dadurch finden sich Gene der Bakterien auch in dem Genom der Wespe, was die Analyse des Erbgutsatzes "erheblich erschwert", wie Reinhard Predel erlebt hat. Erst eine komplette Beseitigung der Bakterien mittels Antibiotika hat die Befunde zum Gentransfer absichern können.

Der Jenaer Zoologe und seine Kollegin Dr. Susanne Neupert waren nicht an der Entschlüsselung der Gensequenzen selber beteiligt. Ihr eigentliches Verdienst - nachdem sie dank zahlreicher Vorarbeiten überhaupt in das internationale Team eingeladen worden waren - liegt in der Überprüfung der Annahmen der Genetiker. Wenn die Erbgutforscher z. B. eine Prognose gemacht haben, ein bestimmtes Gen sei für die Produktion von Hormonen zuständig, dann hatten die Jenaer Neuropeptid-Experten die schwierige experimentelle Aufgabe, jene Aussagen zu bestätigen oder zu verwerfen.

"Wir schauen in die Tiere hinein, ob die vorausgesagten Endprodukte existieren", vereinfacht Predel einen langwierigen Prozess, zu dem neben wissenschaftlicher Expertise auch handwerkliches Geschick gehört. "Die Konzentration von Hormonen und Transmittern im Tier ist sehr gering", erläutert Susanne Neupert. Um die entsprechenden massenspektrometrischen Untersuchungen durchführen zu können, mussten die Jenaer Wissenschaftler dem Gehirn der winzigen Wespen hormonproduzierende Zellgruppen entnehmen - eine Präparation zwischen Herzschlägen, denn "die Miniaturisierung ist extrem", bestätigt Predel. Trotz mancher frustrierender Momente - "wir haben das Tier nicht wirklich geliebt", gibt Predel zu - gelang es im Laufe eines Jahres. Und so wurden zur Freude der beiden Zoologen hervorragende Massenspektren erstellt. Dank der Jenaer Analysen konnten zahlreiche Neuropeptide identifiziert und mögliche Funktionen für die Verhaltenssteuerung postuliert werden.

"Mit dieser Arbeit sind die Genome der ersten parasitischen Insekten bestimmt worden", freut sich Reinhard Predel über diese Pionierleistung. Nasonia gehört zu über 100.000 parasitischen Wespenarten, die für die menschliche Gesellschaft von potenziellem Nutzen sein könnten. Um jedoch den kleinen Schädlingsbekämpfer gentechnisch zu optimieren und die Biologie von Nasonia besser verstehen zu können, "müssen sicher noch einige verwandte Arten sequenziert werden", weist Predel auf die zukünftigen Aufgaben hin. Dabei gilt es herauszufinden, welche Gene für die parasitische Lebensweise besonders wichtig sind. Der Anfang ist gemacht, wie der aktuelle Science-Beitrag und die ihn begleitenden detaillierten Publikationen beweisen.

Originalpublikation:
"Functional and Evolutionary Insights from the Genomes of Three Parasitoid Nasonia Species", Science, 15.1.2010

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-jena.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter der WWW-Adresse:
http://idw-online.de/pages/de/image107231
PD Dr. Reinhard Predel und Dr. Susanne Neupert vor dem stark vergrößerten Bild von Nasonia (kleineres Insekt, links oben) und Drosophila.

http://idw-online.de/pages/de/image107232
Susanne Neupert bei der aufwendigen Präparation der winzigen Wespe.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution23


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster, Dr. Christina Heimken,
15.01.2010 und
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Axel Burchardt, 14.01.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Januar 2010