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FORSCHUNG/740: Ingolf Steffan-Dewenter - biologische Vielfalt im Fokus (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Robert Emmerich, 16.11.2010

Ingolf Steffan-Dewenter: Biologische Vielfalt im Fokus


Der weltweite Klimawandel, die immer intensivere Landnutzung durch den Menschen, die Zerstörung natürlicher Lebensräume - welche Folgen hat all das für die biologische Vielfalt und für die Stabilität von Ökosystemen? Diese Frage zieht sich wie ein roter Faden durch die Forschung von Professor Ingolf Steffan-Dewenter (46). Er hat am 1. März die Leitung des Lehrstuhls für Zoologie III (Tierökologie und Tropenbiologie) an der Universität Würzburg übernommen.

Die Biologie-Studierenden in Würzburg können sich freuen - der neue Professor bringt in der Forschung eine ebenso große Bandbreite mit, wie sie schon unter seinem Vorgänger etabliert war. Mit einem Schwerpunkt auf der experimentellen Tierökologie beschäftigt sich Ingolf Steffan-Dewenter mit Populationsdynamik, Artenvielfalt und Artenzusammensetzung bei Insekten, mit den Wechselbeziehungen zwischen Pflanzen, Pflanzenfressern, Bestäubern und Gegenspielern sowie mit der Bedeutung von Insekten für terrestrische Ökosysteme. Arbeiten über die Auswirkungen menschlicher Einflüsse auf diese Ökosysteme kommen dazu.

Dabei kombiniert der Wissenschaftler Freiland- und Laborexperimente, die zu gleichen Teilen in den Tropen und in gemäßigten Breiten durchgeführt werden. Er fragt zum Beispiel nach dem Einfluss des Klimawandels und der Landnutzung auf die Ökosysteme und die biologische Vielfalt in Asien und Afrika, in den bayerischen Alpen und in Mittelgebirgen. In der Fränkischen Schweiz ist er ebenfalls tätig; Feldforschungen plant er auch in der Umgebung von Würzburg.


Artenvielfalt und Landnutzung

Insekten sind die artenreichste Gruppe in terrestrischen Lebensräumen - und trotzdem weiß man erstaunlich wenig über ihre funktionelle Bedeutung. "Mich interessiert, welche Auswirkungen der Verlust von Biodiversität auf Ökosystemfunktionen wie Bestäubung, Zersetzung und biologische Schädlingskontrolle hat", erklärt der Ökologe. Er untersucht unter anderem den Einfluss der Landschaftsstruktur auf Bienen, die für die Bestäubung von Kulturpflanzen und damit für die Ernährung des Menschen wichtig sind.

Solche Forschungen können handfeste Ergebnisse bringen. In Indonesien hat das Team des Tierökologen nachgewiesen: Je größer in einem Kaffee-Anbaugebiet die Vielfalt der bestäubenden Tiere ist, desto höher fallen die Kaffee-Erträge aus. "Die Erforschung der Biodiversität macht auch ökonomisch Sinn, sie ist kein rein ethisch-moralisches Unterfangen."


Globaler Wandel und Biodiversität

Gesellschaftlich relevant sei die Erforschung der Biodiversität ebenso, "für die Bewältigung der gravierenden globalen Umweltprobleme ist sie unverzichtbar", so Steffan-Dewenter. Und sie gewinne weiter an Bedeutung - unter anderem wegen des weltweiten Klimawandels, der fortschreitenden Zerstörung natürlicher Lebensräume, der Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft, der Einschleppung fremder Arten oder der übermäßigen Nutzung biologischer Ressourcen.

"Ich will untersuchen, wie sich diese Faktoren einzeln und in Kombination auf die Vielfalt und Zusammensetzung von Arten und auf die Wechselbeziehungen zwischen Arten auswirken." Um die Folgen des Klimawandels für Ökosysteme besser zu verstehen, verspricht nach Ansicht des Professors eine Kombination verschiedener Methoden Erfolg: Freilanderhebungen entlang von klimatischen Gefällen, die experimentelle Manipulation einzelner Faktoren in Klimakammer- und Freilandversuchen sowie der Vergleich mit historischen Datensätzen.


Afrika: Ökosysteme des Kilimandscharo im Wandel

Wie sich Klimawandel und Landnutzung auf Biodiversität und Ökosysteme auswirken, untersucht Ingolf Steffan-Dewenter auch am höchsten Berg Afrikas, dem fast 6.000 Meter hohen Kilimandscharo in Tansania. Er ist Sprecher der internationalen Forschergruppe "Kilimanjaro ecosystems under global change: Linking biodiversity, biotic interactions and ecosystem functioning", die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird.

Die DFG hat das Projekt im Frühjahr 2010 bewilligt. Derzeit bauen die Wissenschaftler am Kilimanjaro zwei neue Forschungsstationen auf und etablieren 60 Langzeit-Untersuchungsflächen. Neben tansanischen Universitäten forschen die Universitäten Bayreuth, Mainz, Marburg, Oldenburg, Potsdam, Ulm, Würzburg und Bern (Schweiz) mit; außerdem das Forschungszentrum Karlsruhe und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung.


Deutschland: Exploratorien zur Biodiversität

Ebenfalls von der DFG gefördert wird ein Großprojekt mit dem Namen Biodiversitäts-Exploratorien. "Darin ist die gesamte deutsche Ökologen-Community versammelt, an die 300 Wissenschaftler", sagt Steffan-Dewenter.

Es geht um die Frage, wie sich unterschiedlich intensiv genutzte Grünland- und Waldflächen in ihrer Biodiversität und bei den Wechselbeziehungen zwischen den dort lebenden Arten unterscheiden. Das ergründen die Wissenschaftler auf 300 Flächen im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin nordöstlich von Berlin, im Nationalpark Hainich und Umgebung in Thüringen sowie im Biosphärengebiet Schwäbische Alb.


Ingolf Steffan-Dewenters Lebenslauf

Den Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie im Biozentrum der Uni Würzburg hat Ingolf Steffan-Dewenter seit 1. März 2010 inne. An der Uni Bayreuth war er zuvor vier Jahre lang Professor für Populationsökologie der Tiere.

Davor forschte und lehrte er 13 Jahre an der Uni Göttingen. In deren Abteilung für Agrarökologie schrieb er seine Doktorarbeit und habilitierte sich 2002 für das Fachgebiet Ökologie. Nach dem Abitur absolvierte Ingolf Steffan-Dewenter zunächst eine Ausbildung als Imker, bevor er 1987 in Karlsruhe sein Biologie-Studium begann.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution99


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Robert Emmerich, 16.11.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2010