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FORSCHUNG/935: Ist Evolution vorhersagbar? (idw)


Universität Konstanz - 28.10.2014

Ist Evolution vorhersagbar?

Konstanzer Evolutionsbiologen beobachten parallele, wiederholte Evolution von Buntbarschen in Nicaragua



Wenn wir die Zeit zurückdrehen könnten, so dass das Leben auf unserem Planeten nochmals von vorne begänne - würde sich die Evolution dann exakt gleich entwickeln? Dieses berühmte Gedankenexperiment stellte der Evolutionsbiologe Stephen Jay Gould vor 25 Jahren an und kam zu dem Schluss, dass sich die Evolution nicht wiederholen würde: Zu bedeutend sei die Rolle zufälliger Prozesse bei der Entstehung der Artenvielfalt.

Konstanzer Evolutionsbiologen um Prof. Axel Meyer beobachteten nun eine parallele Evolution von zwei eng verwandten, aber geographisch isolierten Populationen von Buntbarschen in nicaraguanischen Kraterseen. Die Beobachtungen legen eine Entwicklung der Evolution per Anpassung im Sinne der Darwin'schen natürlichen Selektion - anstelle einer zufallsbasierten Auseinanderentwicklung der Arten - nahe und sind ein Hinweis auf einen deterministischen Verlauf der Evolution. Die Ergebnisse der Konstanzer Studie sind in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals Nature Communications veröffentlicht.

Die Wiederholbarkeit evolutionärer Entwicklung lässt sich gemeinhin nur schwer untersuchen, da räumlich voneinander isolierte Lebensräume, die von den gleichen Arten bewohnt sind, in der Natur sehr selten vorkommen. "Die jungen und komplett isolierten Kraterseen des mittelamerikanischen Vulkangebiets in Nicaragua boten uns einen idealen Untersuchungsraum zur Erforschung von paralleler Evolution. Mehrere dieser Kraterseen beheimaten Midasbuntbarsche, die sich unabhängig von den Stammpopulationen in den benachbarten großen Seen Mittelamerikas entwickelt haben", erklärt Axel Meyer.

In einer vergleichsweise sehr kurzen Zeitspanne von weniger als 10.000 Jahren entwickelten sich in zweien dieser Kraterseen, Apoyo und Xiloá, unabhängig voneinander neue Arten des Midasbuntbarsches, die jeweils nur in einem der Kraterseen vorkommen. Diese neuen Arten weisen dieselben morphologischen Anpassungen der Stammpopulation aus flachen, trüben Seen an den neuen Lebensraum der tiefen, klaren Kraterseen auf. "In jedem der beiden Kraterseen entwickelte sich eine Variation des Midasbuntbarsches mit pfeilförmig verlängerter Körperform - ein Phänotyp, den es sonst in anderen neotropischen Seen nicht gibt", berichtet Meyer. Sein Forschungsteam nahm eine Untersuchung der morphologischen, ökologischen, genetischen und phylogenetischen Eigenschaften dieser Fische vor. "Wir fanden in diesen Buntbarschen einen starken Beleg für parallele Evolution - aber interessanterweise fand diese auf unterschiedlichen Wegen statt.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass parallele Phänotypen in gleichartigen Lebensräumen entstehen können, dies jedoch nicht zwingend auf parallelen evolutionären Wegen erfolgen muss", erläutert der Konstanzer Evolutionsbiologe. Das ist ein Hinweis darauf, dass parallele Anpassungen an ähnliche Lebensräume zwar durch natürliche Selektion zum gleichen Ergebnis führen, aber auf möglicherweise unterschiedlicher genetischer Basis und durch ein anderes Artentstehungsmuster. "Wir sind dabei, die hierfür verantwortlichen Gene und Mutationen zu suchen", schildert Axel Meyer.

"Unsere Untersuchung zeigt, dass sich in vergleichbaren Lebensräumen komplexe parallele Phänotypen sehr rasch, wiederholt und sogar auf unterschiedlichen evolutionären Bahnen entwickeln können, vermutlich bedingt durch natürliche Selektion. Unsere Ergebnisse stützen somit das Modell einer Evolution durch natürliche Selektion, wonach selbe Merkmale durch selbe Umweltbedingungen und selbe ökologische Nischen ausgebildet werden können. Dies ist ein mikroevolutionäres Beispiel, wie wir Gould die Zeit zurückdrehen lassen und die Evolution dennoch zu sehr ähnlichen Arten führt, allerdings auf unterschiedlichen Entstehungswegen", resümiert Axel Meyer.

Originalpublikation:
Kathryn R. Elmer, Shaohua Fan, Henrik Kusche, Maria Luise Spreitzer, Andreas F. Kautt, Paolo Franchini and Axel Meyer. 2014.
Parallel evolution of Nicaraguan crater lake cichlid fishes via non-parallel routes.
Nature Communications, DOI 10.1038/ncomm6168



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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Konstanz, Julia Wandt, 28.10.2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Oktober 2014