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ORNITHOLOGIE/163: Geheimnis der Orientierung von Vögeln gelüftet (Uni Oldenburg)


Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - 28. Oktober 2009

Geheimnis der Orientierung von Vögeln gelüftet

Wissenschaftler weisen nach, dass Vögel das Magnetfeld der Erde sehen können


Oldenburg. Millionen von Zugvögeln machen sich in jedem Jahr auf den Weg in wärmere oder kältere Gebiete der Erde. Ihr Navigationssystem funktioniert äußerst präzise. Die Orientierung am Magnetfeld der Erde spielt dabei die entscheidende Rolle. Zu den großen Mysterien der Biologie gehörte bisher die Frage, welche sensorischen Mechanismen den Vögeln erlauben, das Magnetfeld wahrzunehmen. Manuela Zapka und neun weitere Mitglieder der Arbeitsgruppe "Neurosensorik - Animal Navigation" unter Leitung des Oldenburger Biologen und Lichtenberg-Professors Prof. Dr. Henrik Mouritsen hat dieses Geheimnis nun gelüftet. Die Arbeitsgruppe, die von der VolkswagenStiftung und der DFG gefördert wird, konnte nachweisen, dass sich die Vögel nicht nur am Magnetfeld orientieren, sondern seine Ausrichtung regelrecht "sehen" können. Verantwortlich dafür ist eine als "Cluster N" bezeichnete Hirnregion, die ein Teilbereich des Sehzentrums ist. Der magnetische Kompass der Vögel befindet sich demnach im Bereich der Augen. Ihre richtungsweisenden Forschungsergebnisse stellt die Arbeitsgruppe gemeinsam mit Prof. Martin Wild (University of Auckland, New Zealand) in der heute erscheinenden Ausgabe des Wissenschaftsjournals NATURE (Volume 461, 29. Oktober 2009) vor.

Bereits 2004 vermuteten die Arbeitsgruppen von Mouritsen und seinem Kollegen Prof. Dr. Erich Jarvis von der Duke University (USA), dass sie mit dem "Cluster N" die Hirnregion identifiziert hatten, die für die Orientierung am Magnetfeld eine besondere Bedeutung haben könnte. Mit den jüngsten Untersuchungen konnten die WissenschaftlerInnen jetzt nachweisen, dass Deaktivierungen des Clusters dazu führen, dass die Vögel ihren magnetischen Kompass zur Orientierung nicht mehr nutzen können. Die Fähigkeit, sich an der Sonne oder den Sternen zu orientieren, bleibt allerdings unbeeinträchtigt. Das "Cluster N" ist also empirisch nachweisbar in die Verarbeitung magnetischer Feldinformationen involviert.

Die Studie untersuchte auch andere mögliche Formen der Magnetfeldwahrnehmung. So konnten die WissenschaftlerInnen zeigen, dass die als Magnetsensoren in Verdacht stehenden Eisenmineral-Kristalle in der oberen Schnabelhaut keine entscheidende Rolle für den Magnetkompass spielen. Obwohl die ForscherInnen den Trigeminus-Nerv, die einzige Nervenverbindung zwischen den Eisenmineralkristallen im Schnabel und dem Gehirn, inaktivierten, konnten die Vögel immer noch problemlos ihren magnetischen Kompass nutzen.

Die jetzt vorgelegten Ergebnisse sind ein wichtiger Meilenstein in der sensorischen Biologie, da die Mechanismen der Magnetfeldwahrnehmung bisher als unerklärbar galten. "Unsere Erkenntnisse können genutzt werden, um Zugvögel und andere seltene Tierarten besser schützen zu können", sagte Mouritsen. Oft bemühen sich Tierschützer darum, seltene Vögel in neue Brutgebiete umzusiedeln oder ihre Zugrouten zu ändern, um damit auf Gefahren und Veränderungen im natürlichen Habitat der Tiere zu reagieren. Dabei ergaben sich in der Praxis oft große Schwierigkeiten. Die meisten umgesiedelten Vögel flogen zu ihren angestammten Winter- und Brutquartieren zurück. Nur durch ein umfassendes Verständnis der Orientierungsmechanismen von Vögeln könne es künftig eine Chance geben, gefährdete Populationen erfolgreich umzusiedeln, betonte Mouritsen.

Auch für den Menschen, der Tag für Tag großen Mengen elektromagnetischer Strahlung ausgesetzt ist - z.B. durch Mobiltelefone, Radiowellen oder magnetbasierte Bildgebungsverfahren im klinischen Kontext - könnten die neuen Erkenntnisse wertvoll sein. Die Identifikation der neuronalen Bahnen bei Vögeln, die durch Magnetfelder beeinflusst werden, könne, so Mouritsen, ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einem präziseren Verständnis der Veränderungen sein, die Magnetfelder in Molekülen, Proteinen und Zellen in Organismen hervorrufen können.

Infos: http://www.neurosensorik.uni-oldenburg.de/


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Quelle:
Pressedienst der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
470/09, 28. Oktober 2009
Presse & Kommunikation
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Oktober 2009