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ORNITHOLOGIE/412: Albatrosse, Pinguine und vieles mehr - Neuseelands Subantarktische Inseln (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter - Januar 2018

Albatrosse, Pinguine und vieles mehr: Neuseelands Subantarktische Inseln

von Stefan Pfützke


Die von der UNESCO als Weltnaturerbe ausgewiesenen Subantarktischen Inseln südlich Neuseelands gehören zu den letzten noch weitgehend ursprünglichen Regionen überhaupt auf der Erde. Sie bestehen aus fünf Inselgruppen und bilden mit der zu Australien gehörenden Macquarie Island, ebenfalls ein UNESCO Weltnaturerbe, eine zusammenhängende Gruppe von Inseln im Bereich zwischen 40° und 50° südlicher Breite südlich von Neuseeland. Aufgrund ihrer Abgelegenheit und der herausfordernden Witterungsbedingungen mit extrem starken Winden, entsprechendem Wellengang, geringen Temperaturen und hohen Niederschlagsmengen blieben sie lange komplett von menschlichen Einflüssen verschont. Allerdings nicht dauerhaft.

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Entdeckt wurden die Eilande von Europäern, zunächst die Inseln der Bountygruppe, erstmalig 1788 von dem berühmt-berüchtigten Kapitän Bligh, der diese Inselgruppe nach dem Namen seines Schiffes benannte. Nach und nach wurden auch die anderen Inseln von Europäern entdeckt. Zuvor hatten allerdings schon Maoris mindestens zwei Inselgruppen betreten, nämlich Snares und Auckland. Mit dem Einsetzen der Robbenjagd, in deren Verlauf alle auf den Inseln vorkommenden Robbenarten an den Rand der Ausrottung gebracht wurden, siedelten sich vor allem im 19. Jahrhundert auf den zugänglicheren Inseln für einen mehr oder weniger kurzen Zeitraum Menschen an. Erst als die Robben- und später die Pinguin- und die Waljagd nicht mehr lohnten oder verboten wurden, sind die meisten Inselgruppen wieder verlassen worden. Heute verfügen einige der Eilande noch über mehr oder weniger regelmäßig besetzte Forschungsstationen. Die Populationen der Robben und Pinguine haben sich wieder erholt, doch die eingeschleppten Tiere wie Ratten, Mäuse, Katzen und Kaninchen, aber auch invasive Pflanzen, machen vielen heimischen Tier- und Pflanzenarten bis heute zu schaffen. Groß angelegte und teure Ausrottungsversuche sollen die eingeschleppten Tiere wieder komplett von den Inseln verbannen. Kürzlich soll es nach Angaben des Parks & Wildlife Services von Tasmanien auch tatsächlich gelungen sein, dieses Ziel auf der vergleichsweise großen Insel Macquarie umzusetzen, vorher gelang dies beispielsweise auch schon auf Campbell Island. Von daher bleibt zu hoffen, dass die großen Fehler der Vergangenheit tatsächlich revidiert werden können und sich die Tierwelt dieser einzigartigen Region in Zukunft zumindest unabhängig von direkten menschlichen Einflüssen vor Ort entwickeln kann. Hierzu soll auch die Reglementierung der Zahl der Besucher und die der erlaubten Kreuzfahrten durch das zuständige neuseeländische "Department of Conservation" beitragen. Die Behörde regelt unter anderem, welche Inseln überhaupt kurzfristig betreten werden dürfen. So ist beispielsweise eine Anlandung auf der Inselgruppe der Snares überhaupt nicht gestattet, auf anderen Inseln ist sie schon alleine aufgrund der natürlichen Gegebenheiten mit schroff aus dem Meer ragenden Felsen und der meistens sehr rauen See gar nicht möglich.

Formenreichste Flora und Fauna im Südmeer

Trotzdem ist der Wunsch vieler Ornithologen, diese Region einmal bereisen zu können, aus nachvollziehbaren Gründen sehr ausgeprägt. Ausschlaggebend hierfür sind sicher neben der atemberaubenden Landschaft die schier endlos erscheinenden Massen an Vögeln und die Tatsache, dass viele Vogelarten der Subantarktischen Inseln dort entweder endemisch sind oder in der Region den größten oder zumindest einen wichtigen Teil ihrer Weltpopulationen haben. Die kalten, nahrungsreichen Meeresströme begünstigen eine fast unvergleichliche Vielfalt und Menge an marinen Lebensformen, wobei vor allem die Vogelwelt und die Meeressäuger zu nennen sind. Keine andere Inselgruppe im Südmeer beherbergt eine solch formenreiche Flora und Fauna.

So brüten hier alleine acht Pinguinarten, von denen einige, wie der Snaresinselpinguin Eudyptes robustus und der Sclaterpinguin Eudyptes sclateri, endemisch sind. Aber auch der weltweit nur noch in 6.000 Exemplaren vorkommende und stark im Bestand abnehmende Gelbaugenpinguin Megadyptes antipodes, von dem es auch noch Restbestände am neuseeländischen Festland gibt, hat auf den Subantarktischen Inseln sein wichtigstes Rückzugsgebiet. Macquarie Island spielt für Pinguine eine herausragende Rolle, da es hier weltweit das einzige Brutvorkommen des Haubenpinguins Eudyptes schlegeli (circa 850.000 Paare) gibt und zudem ein nicht unerheblicher Anteil der Gesamtpopulation des Königspinguins Aptenodytes patagonicus mit über 150.000 Paaren siedelt.

Der häufigste Brutvogel ist der Dunkle Sturmtaucher Puffinus griseus mit einem Schwerpunkt auf den Snares Inseln. Noch in den 1970er Jahren sollen alleine hier 2,75 Millionen Paare gebrütet haben. Leider ist der Bestand mittlerweile allerdings auf etwa eine Million Paare geschrumpft, und das, obwohl die Snares Inseln nie von eingeschleppten Tieren heimgesucht wurden. Verantwortlich sollen hierfür vor allem Temperaturänderungen an der Meeresoberfläche und die damit zusammenhängende Nahrungsverfügbarkeit sein. Aber diese Art hat auch stark unter dem Aderlass als Beifang bei der Langleinenfischerei gelitten. Schätzungen gehen davon aus, dass alleine zwischen 1978 und 1991 einige Millionen von ihnen auf diese Weise ums Leben kamen.

Es gibt aber auch Arten, die vom Fischfang profitieren. Studien zur Nahrung des Bulleralbatrosses Thalassarche bulleri zeigten auf, dass diese zu einem nicht unerheblichen Anteil aus Fischarten besteht, die aufgrund ihrer vertikalen Verteilung im Meer für den Albatros normalerweise gar nicht verfügbar sind und den Vögeln nur als Beifang der Fischereiwirtschaft zugänglich gemacht werden. Im Zuge der verbesserten Nahrungsverfügbarkeit ist der Bestand dieser Albatrosart in dem untersuchten 20-Jahreszeitraum um annähernd 80% angestiegen.

Sicherlich stellen die Albatrosse für viele ornithologische Besucher ein absolutes Highlight der Region dar. Insgesamt brüten gleich dreizehn Taxa dieser hervorragend an die rauen Bedingungen angepassten Vögel auf den Subantarktischen Inseln. Der Campbell-Albatros Thalassarche impavida hat von allen das kleinste Verbreitungsgebiet und brütet, wie der Name schon vermuten lässt, ausschließlich auf Campbell. Die Population des sehr nahe verwandten Schwarzbrauenalbatrosses Thalassarche melanophris, von dem ein Vertreter ja seit nunmehr vier Jahren regelmäßig den Inseln Helgoland und Sylt Besuche abstattet, beträgt etwa 24.000 Paare. Außerdem brüten noch fünf weitere Albatrosarten auf Campbell, was die Inselgruppe nach Crozet im südlichen Indischen Ozean zur weltweit zweit-artenreichsten Albatrosherberge macht.

Der Graumantel-Rußalbatros Phoebetria palpebrata sticht ein wenig aus der Albatrosgruppe heraus. Er gehört eher zu den kleineren Vertretern seiner Familie und fällt durch seine graubraune Grundfärbung mit abgesetzt dunklem Kopf und seine sehr schlanke Figur auf. Paarflüge entlang der Brutfelsen werden mitunter stundenlang im Synchronflug vorgetragen.

Besonders beeindruckend sind natürlich die ganz großen Vertreter der Albatrosfamilie. So brüten hier der Königsalbatros Diomedea (epomophora) sanfordi, der Südliche Königsalbatros Diomedea (e). epomophora und der Wanderalbatros Diomedea exulans. Der selbst bei stärksten Stürmen elegante Flug dieser mit einer Flügelspannweite von über drei Metern ausgestatteten Vögel ist schlichtweg unvergleichlich. Für alle spielen die Subantarktischen Inseln eine wichtige Rolle. So brütet beispielsweise fast die gesamte, vergleichsweise kleine Population des Südlichen Königsalbatrosses von nur 8.200 bis 8.600 Paaren auf Campbell Island und fast alle der weltweit circa 26 Vögel des Antipoden Wanderalbatrosses Diomedea (e.) antipodensis auf der für sie namensgebenden Inselgruppe, während die anderen Taxa weiter verbreitet, aber auch alles andere als häufig sind.

Röhrennasen, Kormorane und Papageien

Neben dem bereits erwähnten Dunklen Sturmtaucher und den Albatrossen gibt es noch über dreißig weitere Röhrennasenarten, die die Subantarktischen Inseln als Brutgebiet oder zumindest die Gewässer zur Nahrungssuche nutzen. Unter den oftmals schwierigen Beobachtungsbedingungen mit starkem Wind, Wellengang und mitunter ausgeprägten Niederschlägen sind die Vögel nicht leicht zu bestimmen. Das gilt natürlich besonders dann, wenn die Beobachtungen nur kurz sind, und das ist nicht selten der Fall. Keine Bestimmungsprobleme bereiten die kleinen Kapsturmvögel Daption capense, die hier in der Unterart australe vorkommen und als Schiffsfolger besonders häufig anzutreffen sind. Im Bezug auf die Größe stehen dem Kapsturmvogel die beiden im Feld mitunter schwer zu unterscheidenden Arten Riesen-Macronectes giganteus und Hallsturmvogel M. halli gegenüber, die mit einer Spannweite von annähernd zwei Metern an die Maße einiger Albatrosarten heranreichen. Diesen beiden Arten kommt als Aasfressern in den großen Pinguin- und Robbenkolonien als eine Art Gesundheitspolizei eine besondere Bedeutung zu.

Die Gruppe der in Englisch "Prions" bezeichneten fünf relativ kleinen Pachyptila-Arten der Subantarktischen Inseln sind besonders schwierig zu unterscheiden. Oftmals sind gute Fotos für die Identifizierung nötig. Nur der Große Entensturmvogel Pachyptila vittata stellt aufgrund seiner auffälligen Schnabelform, die an die eines Entenschnabels erinnert, in der Hinsicht eine Ausnahme dar und kann daher oft problemlos bestimmt werden.

Nicht unerwähnt bleiben sollen die fünf Kormoranarten der Leucocarbo-Gruppe, die in den meisten Fällen endemisch für ihre Inselgruppe sind und sich durch eine vorwiegend schwarz glänzende Ober- und weiße Unterseite sowie auffällige bunte Augenringe auszeichnen. Weitere ähnlich gezeichnete Kormoranarten (8 bis 14 insgesamt, je nachdem, welchen Autoren man folgt) gibt es auch auf anderen Inselgruppen der antarktischen und subantarktischen Gewässer.

Aber nicht nur Seevögel besiedeln die Subantarktischen Inseln südlich von Neuseeland, sondern unter anderem auch zwei flugunfähige Entenarten, Limikolen (zwei endemische Schnepfenarten und ein Regenpfeifer) eine Unterart des Maorifalkens Falco novaezeelandiae sowie einige Singvögel und, für die klimatisch recht unwirtliche Ecke für den einen oder anderen vielleicht etwas überraschend, fünf Papageientaxa.

Durch die anscheinend erfolgreiche Bekämpfung der eingeschleppten Tierarten, die jedoch noch nicht abgeschlossen ist, der strengen und großräumig ausgelegten Reglementierung der Nutzung der Gewässer um die Inseln und der kompromisslosen Beschränkung der Besucherzahlen sind gute Voraussetzungen geschaffen, dass die reiche Fauna der Subantarktischen Inseln südlich Neuseelands dauerhaft erhalten bleiben kann. Unabhängig davon bleiben aber viele globale Probleme, wie die Verschmutzung, Erwärmung und Überfischung der Meere oder auch der große Aderlass vieler Röhrennasenarten, vor allem Albatrosse, als Beifang der Langleinenfischerei als eine große Herausforderung bei der Umsetzung des Schutzes der zum Teil weltweit gefährdeten Arten. Es bleibt zu hoffen, dass auch dafür Lösungen gefunden werden können.


Stefan Pfützke ist freiberuflicher Diplombiologe mit Schwerpunkt Ornithologie.
http://www.green-lens.de/


Literatur zum Thema:

Heritage Expeditions 2011: Subantarctic Islands of New Zealand & Australia - Antarctic Handbook

Peat N 2003: Subantarctic New Zealand - A Rare Heritage, Published by Department of Conservation. Spectrum, Christchurch

Shiriahi H 2002: A Complete Guide to Antarctic Wildlife. Alula Press, Degerby, Finland

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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 01/2018
65. Jahrgang, Januar 2018, S. 20-25
mit freundlicher Genehmigung des Autors und des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141, Fax: 06766/903 320
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2018

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