Universität Hohenheim - 24.01.2020
Science Publikation: Biologen enträtseln inneren Dialog von Samen
Steuerungsmechanismus auf Basis von Peptidhormonen aufgeklärt: internationale Kooperation von Pflanzenbiologen unter Beteiligung der Universität Hohenheim in Stuttgart führt auf neues Forschungsterrain.
Das kleine Wunder, das sich im Inneren von Pflanzensamen abspielt, hält
auch für die Forschung noch etliche Rätsel bereit. Einem davon sind
Pflanzenphysiologen der Universität Hohenheim in Stuttgart, der
Universitäten Genf, Lausanne und federführend der Universität Lyon, nun
gemeinsam auf die Spur gekommen: dem inneren molekularen Dialog des
Samens. Denn tatsächlich verbergen sich unter der Samenhülle zwei
genetisch verschiedene Organismen, die miteinander kommunizieren müssen.
Dies hat mit dem besonderen Fortpflanzungsweg der Blütenpflanzen zu tun.
Die Kommunikation des Embryos und des ihn umgebenden Endosperms basiert
auf Peptidhormonen und funktioniert deshalb grundlegend anders als die
meisten bisher erforschten Steuerungsmechanismen von Pflanzen. Ihre
Ergebnisse präsentieren die beteiligten Wissenschaftler der
internationalen Kooperation in der aktuellen Ausgabe des
Wissenschaftsmagazins Science:
https://science.sciencemag.org/cgi/doi/10.1126/science.aaz4131
Es war eine der entscheidenden Anpassungen im Lauf der Evolution, die es Pflanzen ermöglichte, das Land zu erobern: Die Ausbildung der Cuticula, einer hauchdünnen, wachsähnlichen Schutzschicht mit wasserabweisenden Eigenschaften, die Verdunstung verhindert und somit Blätter und weitere Pflanzenteile vor dem Austrocknen schützt.
Die Cuticula wird bereits im Inneren des Samens ausgebildet und übernimmt hier noch eine weitere Funktion: Sie grenzt den Embryo, aus dem sich später der Keimling entwickelt, von dem ihn umgebenden Nährgewebe ab, dem sogenannten Endosperm.
"Bemerkenswert ist, dass es sich bei dem Embryo und dem Endosperm genetisch um zwei verschiedene Organismen handelt. Dies hat mit dem besonderen Fortpflanzungsweg der Blütenpflanzen zu tun. Anders als bei Tieren findet hierbei nicht nur ein Befruchtungsereignis statt, sondern zwei", erklärt Prof. Dr. Andreas Schaller, Leiter des Fachgebiets Physiologie und Biochemie der Pflanzen an der Universität Hohenheim.
In den vergangenen Jahren fanden Wissenschaftler immer mehr Hinweise darauf, dass die beiden Organismen im Inneren des Samens miteinander kommunizieren müssen, um ihre Entwicklung aufeinander abzustimmen und die Bildung der Cuticula zu steuern. Wie genau dieser molekulare Dialog abläuft und wie der Prozess der Cuticula-Synthese wieder gestoppt wird, konnten Pflanzenbiologen der Universitäten Hohenheim und Lyon nun mit Unterstützung von Forschern der Universitäten Genf und Lausanne entschlüsseln.
"Aus pflanzenbiologischer Sicht besonders interessant ist, dass die Bildung der Cuticula durch ein Peptidhormon gesteuert wird. Peptidhormone unterscheiden sich grundlegend von den klassischen Pflanzenhormonen, die schon lange bekannt sind. Eine wichtige Eigenschaft von Peptidhormonen ist, dass sie als inaktive Vorstufen gebildet werden und daher zuerst durch andere Enzyme aktiviert werden müssen bevor sie ihre Wirkung entfalten können. Erst wenn das Peptid sozusagen passend 'zurechtgeschnitten' ist, passt es auf den zugehörigen Rezeptor und löst somit eine bestimmte Reaktion aus. Erst in den letzten Jahren wurde entdeckt, welche wichtige Rolle Peptidhormone für viele Regelungsprozesse in der Pflanze spielen - von der Befruchtung bis zum Abwurf der Blätter. Unserem Forschungsteam ist es nun gelungen, einen solchen Signalweg vollständig aufzuklären", so die drei Hohenheimer Co-Autoren der aktuellen Science-Publikation: Prof. Dr. Schaller mit Dr. Annick Stintzi und Stefanie Royek.
Konkret wird die Bildung der Cuticula im Samen von Blütenpflanzen wie folgt gesteuert: Der Embryo bildet eine inaktive Vorstufe des Peptidhormons TWS1 aus. Das Enzym ALE1, das notwendig ist, um das Peptidhormon zu aktivieren, wird jedoch im benachbarten Endosperm produziert. Anfangs ist die Schutzschicht des Embryos durchlässig und die inaktiven Peptidhormone können ungehindert ins Endosperm wandern. Dort werden sie aktiviert und kehren anschließend zurück zum Embryo, wo sie an ihre zugehörigen Rezeptoren andocken. Dies löst die Bildung von Cuticula-Bestandteilen aus, welche nach und nach die Löcher in der Schutzschicht des Embryos stopfen und somit die molekulare Barriere immer weiter abdichten.
"Am Ende ist eine Diffusion zwischen Embryo und Endosperm nicht mehr möglich - das heißt also, das Peptid kann nicht mehr zum aktivierenden Enzym gelangen, und schon aktivierte Peptidhormone können nicht mehr zurück zum Embryo. Die Rezeptoren werden also nicht mehr aktiviert und die Cuticula-Synthese stoppt. Der Embryo ist nun geschützt und zur Keimung bereit", sagt Prof. Dr. Schaller.
Text: Leonhardmair
Originalpublikation:
N. M. Doll, S. Royek, S. Fujita, S. Okuda, S. Chamot, A. Stintzi, T.
Widiez, M. Hothorn, A. Schaller, N. Geldner, G. Ingram (2020):
A two-way molecular dialogue between embryo and endosperm required for seed
development
Weitere Informationen unter:
http://science.sciencemag.org/cgi/doi/10.1126/science.aaz4131
- "Science-Publikation"
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution234
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Hohenheim, 24.01.2020
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2020
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