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INNOVATIONEN/93: Titanoxid macht Textilien UV-resistent


Titanoxid macht Textilien UV-resistent


Es ist inzwischen ein offenes Geheimnis, daß es im Grunde keinen wirklich neutralen und ungefährlichen Schutz gegen die immer härtere und aggressivere, nachweislich krebserregende, UV-Strahlung gibt. In der notwendig hohen Dosierung sind die in Cremes und Lotionen üblichen UV-Filter selbst krebserregende Agentien, die zudem Allergien verursachen können.

Metalloxidhaltige Pigmentpasten, die ebenfalls einen starken Schutz versprechen, weil sie sämtliche Strahlung reflektieren, nehmen der Haut darunter die Möglichkeit zu atmen und lassen sie schwitzen. Der einzige wirklich wirksame und gesundheitlich verträgliche Schutz ohne Risiko ist, sich nicht der Sonne auszusetzen, und das wollen immer noch die wenigsten.

Während viele den braunen Hautton, den die Haut bei einem längeren Aufenthalt in der Sonne entwickelt, für besonders attraktiv halten, haben andere gar keine Alternative, weil es ihr Beruf und die vom Gesetzgeber vorbestimmte Arbeitszeit mit sich bringen. Straßenbauarbeiten wären nachts für alle Beteiligten verträglicher, aber nicht erlaubt.

Da das Sonnenlicht und vor allem die schädliche Strahlung inzwischen auch die normale Arbeits- oder Schutzkleidung durchdringt, wird schon seit einiger Zeit mit Lichtschutztextilien experimentiert, bei denen auf die Faser sonnenlichtreflektierendes Titanoxid aufgezogen oder als Nanopartikel in die Kunstfasern einemulgiert wird. Derartig permanent mit UV-Absorbentien ausgerüstete Kleidung soll derzeit den besten Schutz vor Sonnenlicht bieten.

Man kann sich allerdings denken, daß Titanoxid (wie auch beim Beispiel Salbe) in alle Richtungen gleichzeitig reflektiert und damit die Eigenschaften einer Textilie oder einer Faser entscheidend verändern kann. So wird u.a. die Wärme in einem titanbeschichteten Stoff nicht so leicht nach außen transportiert, was Einfluß auf die Körperfunktionen des Trägers nehmen kann, oder auf andere Weise die Trageeigenschaften und den Komfort der Bekleidung verändert. Hierzu schrieb der Informationsdienst Wissenschaft (idw) in einer Pressemitteilung für die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen "Otto von Guericke" e.V. (AiF), am 23. August 2005:

Mit Unterstützung der AiF haben Wissenschaftler der Hohensteiner Institute, des Sächsischen Textilforschungsinstituts in Chemnitz und des Deutschen Textilforschungszentrums Nord-West in Krefeld die Hautverträglichkeit einer solchen Nano-Beschichtung, ihre Farbschutzwirkung, ihre Beständigkeit im Gewebe und ihre Wechselwirkungen mit anderen Textilveredlungen wie Knitterarmut und Hydrophobierung untersucht.

In die UV-absorbierenden Nanoschichten haben die Forscher Pigmente aus Titandioxid als UV-Absorber implementiert.
(idw, 23. August 2005)

Die geringe Größe der Pigmentpartikel von rund 20 Nanometern sorge für ein großes Absorptionspotenzial bei gleichzeitig geringer Lichtstreuung, so daß die Partikelschicht transparent und der Sonnenschutz unsichtbar ist.

Diese Eigenschaft des ansonsten als sehr hautverträglich geltenden Titandioxids mache sich die Kosmetikindustrie bei Sonnenschutzcremes schon seit längerem zu Nutze. Die permanente Haftung der Nanopigmente wird durch ihre Einbettung in einen ultradünnen Polymerfilm oder in organisch modifizierte Keramikschichten gewährleistet.

Das Urteil ist bisher eindeutig positiv, da die industrielle Forschungsvereinigung vor allem die Vorteile eines solchen Schutzes für das jeweilige Industrieprodukt sieht.

So soll die Nanopartikelschicht nicht nur die menschliche Haut vor der Strahlung schützen, sondern auch Schutz vor allen möglichen Photoreaktionen bieten, die im Zusammenwirken von UV-Strahlung mit Feuchtigkeit, Temperatur, Luftsauerstoff und Luftverunreinigungen entstehen, wie beispielsweise das Ausbleichen oder Vergilben von Textilien.

Neben Bekleidung käme dieser zusätzliche Schutz im technischen Einsatz bei Automobilen (Sitzbezügen), im Bau (Zeltdächern, Geotextilien), Filter- und Schutztextilien beim Lagern, sowie Heimtextilien (Gardinen, Teppiche) zugute.

Getestet wurden auch mögliche Wechselwirkungen bei der chemischen und mechanischen Weiterverarbeitung der Textilien. Auch hier scheinen die Forscher begeistert:

Sowohl die Ausrüstung von Textilien mit Weichmachern, optischen Aufhellern und ihre Hydrophobierung als auch die wiederholte Wäsche (mehr als 90 Waschzyklen) der Textilien beeinflussen die Beschichtung kaum."
(idw, 23. August 2005)

Von den Ergebnissen sollen in erster Linie die kleinen und mittleren Unternehmen aus dem Kreis der Textilhilfsmittelhersteller und Textilveredler profitieren, die sich damit national und international einen neuen Markt erschließen können.

Über dem allgemeinen Jubel über solche technischen Möglichkeiten, hat man allerdings Trageeigenschaften und Komfort für die als Sonnenschutzkleidung eingeführte Textilie als auch seine Umweltverträglichkeit vollkommen vergessen. Zwar sind Titanoxidpartikel im allgemeinen tatsächlich nachweislich unschädlich für die Haut, doch läßt sich das nicht eins zu eins auf Nanostrukturen übertragen. So gilt auch Kohlenstoff als unbedenklich, in Form von C-60 Clustern, sogenannten Bucky-Balls erweist sich der harmlose Kohlenstoff dann aber zumindest Fischen gegenüber als tödliches Gift. Bei Titandioxid wird sich die Wirkung des Nanopulvers auf Umwelt und Organismen vermutlich erst in der Praxis offenbaren. Es ist ein bekanntes Problem bei auf Nanogröße zertrümmerten Werkstoffen, daß man über ihr Verhalten aus den Erfahrungen mit dem Ausgangsstoff leider keine Prognosen treffen kann.

24. Oktober 2005