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INNOVATIONEN/94: Neue Synthese für alten Kristallglanz - Mullit


Neue Synthese für alten Kristallglanz - Mullit


Was so edel in den Vitrinen funkelt oder auch die Glasur von Porzellan und Steingut zum Strahlen bringt, oder was die Schamottsteine im Kamin so wertvoll metallisch glitzern läßt, ist ein bestimmtes Mineral mit dem Namen Mullit. Alle mit dem Suffix "-it" versehenen Chemikalien gehören gewöhnlich zu der Familie der Mineralien, kommen natürlich im Gestein vor und werden im Tagebau gefördert. Bei Mullit, das für die Herstellung von Glas und Porzellan essentiell wichtig ist, ist das etwas anderes. Es kommt in der Natur so selten vor, daß es synthetisch hergestellt werden muß. Seinen Namen leitet sich von der schottischen "Isle of Mull" ab, der einzigen ergiebigen Lagerstätte für das Mineral. Dort wird es immer noch abgebaut und zu Pulver vermahlen.

Allein in Deutschland sollen laut einer Pressemitteilung vom Informationsdienst Wissenschaft jährlich unzählige Tonnen dieses feuerfesten Werkstoffes gebraucht und verarbeitet werden. Aber zuerst einmal muß das Pulver aufwendig und entsprechend kostspielig hergestellt werden.

Da es nicht ausreichend Mullit auf der Isle of Mull gibt, wird das Siliciumaluminiumoxid synthetisch durch Vermengen von Aluminiumoxidpulver mit Siliciumoxidpulver und anschließendem Sintern bei mindestens 1.650 Grad Celsius hergestellt. Das sogenannte Sintern entspricht dem Brennen von Ton, nur ist der Ausgangsstoff ein anderer. Es entsteht ein großer, fester Klumpen Mullit, der dann wieder in einem Mahlvorgang pulverisiert wird. Denn Mullit wird nur in Pulverform weiterverwendet.

Dieses Verfahren soll künftig einfacher, kostengünstiger, umweltverträglich und qualitativ besser werden. Mit ihrer Idee zu einem neuen Herstellungsverfahren hätten Wissenschaftler aus dem Fachgebiet Ceramics im Fachbereich Produktionstechnik an der Universität Bremen die Fachleute von der innnoWi GmbH überzeugt. Das Gemeinschaftsunternehmen der Bremer Investitions-Gesellschaft mbH (BIG) und der Bremer Hochschulen kümmere sich um innovative Ideen und deren Vermarktung. Inzwischen habe sie das Patent angemeldet und sucht nach Kunden in der Industrie.

Wie der idw berichtete, war es kein eigenes Forschungsprojekt und es wurde auch nicht gezielt danach gesucht. Per Zufall kam Martina Kühn auf den zündenden Gedanken, der ihr bereits im vergangenen Jahr den ersten Platz beim Campus-Ideen-Wettbewerb einbrachte. Seit Jahren befaßt sich die Chemisch-Technische Assistentin im Ceramics-Labor mit Sol-Gel-Verfahren, eine der heute üblichen Herstellungsmethoden für Keramik. Dabei werden - ganz nach dem 'Prinzip Wackelpudding' - Flüssigkeit und Pulver miteinander zu einem sogenannten Sol vermischt und ergeben nach dem Kochen ein Gel. Der Unterschied zwischen Sol und Gel ist letztlich nur der Grad der Festigkeit, wobei Sol flüssig und Gel relativ fest ist.

Offensichtlich läßt sich auch aus konventionellen Sol-Gel- Verfahren Mullit kristallisieren, wobei verschiedene chemische Ausgangssubstanzen mehrere Reaktionsschritte hinter sich bringen müssen. Diese Verfahren sind allerdings nicht weniger aufwendig, als das oben beschriebenen Sinterverfahren. Zudem sind die notwendigen chemischen Zusätze meist umweltschädlich.

Martina Kühn setzt dagegen auf ein Sol-Gel-Verfahren mit Wasser und einem unbedenklichen Zusatz statt umweltschädlicher Chemikalien sowie auf ein anschließendes Gefriergranulieren: Das Sol wird durch feine Düsen in einen kalten Raum gesprüht, wo die Tröpfchen dann sofort gefrieren. Bei dem anschließenden Sintern genügt dann nur noch eine Temperatur von nur 1.100 Grad Celsius. Dabei entsteht direkt ein hochfeines, sehr reines Mullit-Pulver. Ein zusätzlicher Mahlvorgang sei nicht mehr erforderlich.

"So sparen wir Energie und schonen die Umwelt", sagt Kühn. "Außerdem wird das Verfahren vereinfacht und die Qualität des Produktes ist besser." Was in ihren Laborversuchen bislang erfolgreich lief, soll nun in die industrielle Praxis umgesetzt werden. Daher hat sich die innoWi GmbH dieser Entwicklung angenommen. Dort betreut Angela Stemmler das Projekt.
(idw, 5. Oktober 2005)

Die Diplom-Biologin schätzt, daß das Verfahren in zwei bis drei Jahren zur Marktreife gebracht werden könne.

Eigentlich sei die Idee zur Mullit-Pulver-Herstellung durch Gefriergranulieren nur eine Art Abfallprodukt, das während der wissenschaftlichen Arbeit in den Laboren nebenher entstanden ist. Fraglich bleibt nur, ob der Gefriertrocknungs- und Granulationsvorgang, der ebenfalls Energie verschlingt wie auch umweltschädliche Chemikalien in seinem Gefriersystem zirkulieren läßt, tatsächlich das oben gegebene Versprechen der besseren Umweltverträglichkeit und Sparsamkeit erfüllt.

10. Januar 2006