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RATGEBER/222: Schluß mit dem Gerücht - Zink kuriere die Grippe (SB)


SCHLUSS MIT DEM GERÜCHT ...

daß Zink bei Erkältungskrankheiten und gegen Grippe hilft

- und weshalb dennoch ein Zinkmangel vorherrscht


Die Behauptung, Zink könne eine Erkältung bekämpfen [amerikanischer Titel: "Claim: Zinc Can Help You Beat a Cold"] stellte vor kurzem Anahad O'Connor den Lesern der New York Times zur Diskussion.

Anläßlich der kalten Jahreszeit und dem herbstlichen Grippe- oder Erkältungswetter, greifen nämlich Jahr für Jahr viele Amerikaner und auch hierzulande viele Menschen zu Zinkpräparaten, die angeblich die Symptome der Beschwerden abklingen lassen sollen. Immer wieder scheint sich aber die bekannte These für alle Grippemedikamente zu bestätigen: "Eine Erkältung dauert mit Medikamenten eine Woche und ohne sie acht Tage." Anders gesagt, ganz gleich, was man auch dagegen einnimmt, man hat einfach eine gewisse Zeit unter den Unannehmlichkeiten und Beschwerden zu leiden. Doch lassen sich diese mit Zink vielleicht ein wenig erleichtern?

Laut New York Times (NYT) gab es in den vergangenen 20 Jahren über 100 Studien zu diesem Thema, die keine eindeutige Lösung finden konnten. Manche schienen schon den Beweis erbracht zu haben, doch eine weitere Überprüfung unter etwas anderen Voraussetzungen bewies dann wieder das genaue Gegenteil.

So wurde in einem Menschenversuch mit 500 Probanden, denen man Zinkpastillen verabreichte, letztlich nur herausgefunden, daß möglicherweise die andere Komponente der Zinkverbindung einen Einfluß auf die Wirkung zu haben scheint:

One of the most extensive studies appeared in the journal Clinical and Infectious Diseases in 2000. In it, scientists randomly assigned more than 500 people -- about half with natural colds, and the other half deliberately infected -- to receive placebo or zinc lozenges in various doses. After secluding the subjects in hotel rooms and examining them for five days, the researchers concluded that zinc gluconate lozenges produced "modest" benefit, while zinc acetate lozenges did nothing.
(NYT, 6. November 2007)

Doch auch die nachweisbare Wirkung von Zinkgluconat war hiernach nur "bescheiden". Dazu kommt, und das wird in dem NYT-Artikel nicht erwähnt, daß zahlreiche Mineralien oder Metalle sowie bestimmte Nahrungsmittel die Aufnahme von Zink in den Organismus stören oder sogar ganz verhindern können, und wer kann schon sagen, welch hohe Mengen Calcium, Magnesium, Kupfer oder Eisen in Bohnen und Getreide der Betroffene ebenfalls geschluckt hat, die die Resorption von Zink im Darm behindern, so daß das Präparat wirkungslos bleibt.

In einer neueren Auswertung von älteren Studien in diesem Jahr wurde von Forschern der Stanford Medical School die Behauptung unterstrichen, daß für Zinkpastillen immer noch ein Wirkungsnachweis ausstehe, hingegen für die Wirkung von Nasengelen mit Zink ein gewisser Anhaltspunkt gegeben sei.

Die Hersteller der Zinkprodukte pochen darauf, daß allein der Einnahmezeitpunkt entscheidend sei. Wirkt das Produkt nicht wie gewünscht, dann hat der Patient es offensichtlich zu spät eingesetzt, denn es bewährt sich nur dann optimal, wenn es innerhalb der ersten 24 Stunden nach Erscheinen des ersten Symptoms eingenommen wurde. Und dieser Zeitpunkt ist eine reine Auslegungssache. Wer kann schon sagen, ob er wirklich das erste Erkältungssymptom als solches auch wahrgenommen hat?

Kurzum, Zink ist weder als Vorbeugemittel gegen Erkältung zu gebrauchen, noch das ultimative Grippemittel der Wahl. Dennoch braucht der Mensch Zink in einem größerem Ausmaß als je zuvor.

Darüber berichteten wir schon vor mehreren Jahren in dem Schattenblick Artikel "RATGEBER/098: Metall im Körper (7) - Zink - Hypochonders Leckerbissen". Darin hieß es

Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) warnt vor einer Unterversorgung mit dem Spurenelement Zink. Gründe sollen angeblich die Angst vor BSE und der Trend zu rindfleischarmer Ernährung sein. Aber auch die Auslaugung der Böden infolge intensivierter Landwirtschaft wird als weitere mögliche Ursache genannt, die viel gravierender wäre, als es zunächst klingt. Darüber hinaus verbrauche der Mensch von heute mit zunehmendem Streß und bei bestimmten Erkrankungen mehr Zink, was das Risiko eines Mangels erhöhe.
(Schattenblick 2002)

Normalerweise sollte die Ernährung ausreichen, um den Menschen mit Zink zu versorgen. Zinkquellen sind beispielsweise Rind- und Lammfleisch sowie Austern, Heringe und die meisten Käsesorten. Strenge Vegetarier können ihre Dosis Zink aus Sonnenblumen- und Kürbiskernen, Bierhefe, Ahornsirup oder Kleie beziehen.

Letzteres ist die schützende Hülle, die das Getreidekorn umgibt. Bei der Mehlherstellung wird sie normalerweise entfernt, denn sie besteht im wesentlichen aus unverdaulicher Cellulose. Kleie gilt gemeinhin als verdauungsfördernder Ballaststoff, sie enthält jedoch einen sehr viel höheren Mineralstoffgehalt (Kalium, Magnesium, Calcium, Natrium, Zink, Eisen und Kupfer) als das Mehl selbst. Die Getreidepflanze zieht diese Stoffe aus dem Wasser des Bodens, in dem sich die Mineralstoffe des Bodens lösen, und speichert sie in ihren cellulosereichen Pflanzenteilen ab. Wird nun von "Auslaugung der Böden durch intensive Landwirtschaft" gesprochen, dann sind genau diese Mineralstoffe gemeint, die mit der normalen Kunstdüngung nicht automatisch ergänzt werden, dem Boden jedoch zunehmend verloren gehen. Aber nicht nur eine intensive Landwirtschaft laugt den Boden aus, auch Umweltschadstoffe der Luft, die als saurer Regen herunterkommen, lösen die Mineralien aus und schwemmen sie in tiefere, für Pflanzenwurzeln unerreichbare Schichten ab.

Hinzu kommt, daß nicht nur das Getreide oder auch das Gras immer mehr an Mineralstoffen verarmt (und damit sogar die oben genannten zinkreichen Naturprodukte immer weniger Zink enthalten, selbst Fleisch), sondern auch die Lebensmittelindustrie (durch Mißernten und steigende Preise gezwungen, oder aus reiner Profitgier) ihre Produkte verstärkt mit inhaltsfreien Surrogaten streckt. Mehl, das von Bäckereien in Fertigbackmischungen zu Brot und Brötchen verarbeitet wird, enthält nicht nur von vornherein einen hohen Altbrotanteil, sondern, um nur ein Beispiel zu nennen, Geschmacksträger aus Aluminiumsilicaten oder Zeolithen (mit anderen Worten Sand), die keinerlei Wert für den Organismus haben.

Zwar läßt sich ein Zinkmangel kaum nachweisen, doch kommen für den zivilisierten Menschen noch zahlreiche Faktoren hinzu, die das im Körper vorhandene Zink, abgesehen von Ernährungsmängeln, zusätzlich dezimieren.

So gehören vegetarische Ernährung, Eßstörungen, Diäten, Alkohol- und Drogenkonsum nach diesen Erkenntnissen zu den Risikofaktoren ersten Grades. Aber auch physiologisch kann sich der Zinkbedarf durch Schwangerschaft oder Stillzeit stark erhöhen.

Krankheitsbedingte Gründe können abgesehen von gewöhnlichen Infektionskrankheiten z.B. Chemo- oder Strahlentherapie, Narkose oder anhaltender Streß sein. Die Einnahme bestimmter Medikamente (Cortison, Penicillamin) oder der Antibaby-Pille sollen gleichfalls zu einem akuten Zinkmangel führen können. Darüber hinaus soll die gleichzeitige Aufnahme hoher Mengen Calcium, Magnesium, Kupfer oder Eisen sowie Phytat die Resorption von Zink im Darm verhindern, so daß man z.B. bei der Einnahme von Multivitaminpräparaten, die auch einen hohen Mineralstoffanteil, aber auch Zink enthalten, das Gegenteil von dem erreichen kann, was man damit erreichen wollte.

Da Zink an zahlreichen Funktionen unseres Immunsystems beteiligt sein soll, könnte sich ein Mangel somit durchaus in einer erhöhten Infektanfälligkeit zeigen. Die Regulation des Zinkhaushalts nach erfolgter Infektion hätte somit auch nicht unbedingt einen äußerlich sichtbaren Effekt. Doch scheint es durchaus sinnvoll, damit weiterem Zinkmangel vorzubeugen, der sich durch den verstärkten Verbrauch bei Infektionskrankheiten manifestieren und zu zahlreichen unangenehmen kleineren Folgebeschwerden führen kann.

Zink ist auch Bestandteil von Haut und Haaren bzw. angeblich an ihrer Synthese beteiligt, so daß auch ein verstärkter Haarausfall oder schlechte Haut- und Wundheilung, auch Akne als Unterversorgung mit dem Spurenelement gewertet werden können. Schließlich werden auch weitere Folgen wie Geruchs- oder Geschmacksstörungen, Allergien (sehr häufig in dieser Zeit) oder sexuelle Lustlosigkeit und Impotenz bei Männern bzw. prämenstruelles Syndrom bei Frauen genannt.
(Schattenblick 2002)

12. November 2007