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RATGEBER/273: Kalte Muttermilch verliert an Nährwert (SB)


Kalte Muttermilch verliert an Nährwert


Es ist eine gängige Praxis im Zeitalter von Mikrowelle und Kühlschranktechnik, daß stillende, berufstätige Mütter ihre Milch mit einer speziellen Milchpumpe absaugen, in Babyfläschchen abfüllen und im Kühlschrank aufbewahren. So kann der Säugling dann per Flasche trotzdem mit der weitaus gesünderen Muttermilch durch eine andere Person gefüttert werden. Das klingt durchaus praktisch, wenn man allein von Nährwerten und Inhaltsstoffen ausgeht und den sozialen Bezugspunkt des täglichen Rituals und mütterliche Zuwendung bei der Entwicklung des Kindes als nicht weiter relevant ansieht. Doch inzwischen weiß man, daß selbst die so vorbereitete, durch die Kälte des Kühlschranks vor Mikroorganismenwachstum geschützte, konservierte Milch qualitativ nicht mehr so gut ist wie die Frischabfüllung.

Wie Forscher in der Zeitschrift "The Archives of Childhood Disease" schon vor einigen Jahren berichteten, sind die in der Muttermilch enthaltenen Antioxidantien, die im Kühlschrank aufbewahrt wurden, weniger wirksam als die in frischer Muttermilch.

Chemisch ist daran zunächst nichts auszusetzen. Nach dem Prinzip der Kühlung laufen chemische Reaktionen, also auch Stoffwechsel und Vergärungsprozesse, in der Kälte langsamer ab. Daher werden auch die natürlichen Antioxidantien, die die Milch vor dem Ranzigwerden der darin enthaltenen Fette schützen, in der Kälte weniger schnell reagieren. Das macht nichts, weil die Oxidationsprozesse ebenfalls entsprechend langsam ablaufen. Milch, die eingefroren gewesen sei, soll sogar noch weniger chemische Aktivität entfalten.

Ein Paradox zum chemischen Konzept der Reaktions- und Aktivierungswärme ist jedoch, daß die geringere Aktivität der Antioxidantien offenbar in diesem Fall nicht durch Wärme rückgängig gemacht werden kann. Allerdings betonen die Forscher auch, daß ihre Ergebnisse noch nicht allgemeingültig wären und einige Unklarheiten aufweisen würden.

Vielleicht mag man aber auch einfach nicht den Tatsachen ins Auge blicken, daß hier schon wieder einmal ein scheinbar ehernes Gesetz ins Wanken geraten ist. Auf die Frage, was also tun, wußten die an der Studie beteiligten Forscher allerdings auch keine Antwort und rieten, nach dem Motto "Was soll's?", zunächst alles beim alten zu belassen:

"The important thing is, 'So what?'" said the lead author, Dr. Thomas Hegyi of the Robert Wood Johnson Medical School in New Brunswick, N.J. Dr. Hegyi said that mothers should continue to breast-feed if they could, and that they should go ahead and refrigerate or freeze the milk. ["Das Wichtige ist, 'was soll's' sagte der leitende Autor, Dr. Thomas Hegyi, der Robert Wood Johnson Medical School in New Brunswick, New Jersey. Dr. Hegyi meinte, daß Mütter weiter die Brust geben sollten, falls sie es könnten und daß sie auch weiter abgepumpte Milch im Kühlschrank aufbewahren oder einfrieren sollten. Übersetzung SB-Redaktion.]
(NewYorkTimes, 26. Oktober 2004)

Bestenfalls würde die Studie einräumen, daß die Lagerung von Muttermilch bei niedriger Temperatur auf wenige Tage eingeschränkt werden müsse.

Genaugenommen sind weniger aktive Antioxidantien in der Nahrung auch von geringerer Bedeutung, würde nicht die Mär von den Radikalenfängern, mit denen Antioxidantien gleichgesetzt werden, immer noch in den werbungsindoktrinierten Gemütern herumspuken. Danach werden viele Krankheiten, einschließlich Krebs und Alzheimer von radikalen, d.h. atomarem aggressivem Sauerstoff ausgelöst, der aus Luftsauerstoff bei Sonneneinstrahlung entstehen kann.

Da Oxidationsmittel diese aggressive Sauerstoffvariante unschädlich machen sollen, gelten sie als Radikalenfänger und Unterstützung der körpereigenen Abwehr.

Nun ist aber schon der Begriff Radikal eine vor langer Zeit eingeführte Erfindung der Chemiker, um bestimmte unerklärliche photochemische Reaktionen zu erklären.

Wenn es also gar keine Radikale gibt, die per Definition so kurzlebig sind, daß man sie nicht nachweisen kann, dann wirken die sogenannten Radikalenfänger einfach nur als Antioxidantien.

Doch selbst wenn sich Antioxidantien oder Radikalenfänger als irrelevant für die Gesundheit des Säuglings erweisen, lassen sich unabhängig davon im durch die ozonausgedünnte Atmosphäre dringenden, wesentlich aggressiveren Sonnenlicht Prozesse denken, bei denen schädliche unbekannte Stoffwechselgifte die Folge sind. Und ebenso läßt sich denken, daß der kühlschrankgelagerten Milch wichtige Faktoren verloren gehen, wie auch immer sie genannt werden mögen. In jedem Fall konnten die Analytiker gewisse biochemische Unterschiede zwischen gekühlter und frischer Muttermilch dokumentieren.

Die Erkenntnisse beruhen auf einer Untersuchung von 16 Milchproben, die von verschiedenen Müttern innerhalb von 24 Stunden gespendet wurden. Nachdem die Aktivität der vermeintlichen Antioxidantien überprüft worden war, wurde ein Teil der Proben im Kühlschrank aufbewahrt und der Rest eingefroren.

Dann wurde die Aktivität erneut alle zwei Tagen und schließlich nach sieben Tagen bestimmt. Die Aktivität der fraglichen Stoffe nahm im Laufe dieser Zeit kontinuierlich ab.

Erstveröffentlichung 28. Oktober 2004
Neue überarbeitete Fassung

20. Januar 2009