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RATGEBER/275: Kinderfragen (26) Warum Knäckebrot gesund ist (SB)


KINDERFRAGEN 26

Warum ist Knäckebrot eigentlich gesund?


Aus ganz besonderem Schrot und Korn scheint Knäckebrot gemacht zu sein. Denn es gilt nicht nur als ausgesprochen gesund, sondern ist auch noch extrem lange haltbar. Sein Anspruch, auch noch ein Schlankheitsmittel zu sein, ist allerdings eine Frage des Standpunkts. Dieser insgesamt gute Ruf gründet sich letztlich auf der von offizieller Seite geförderten Ernährungstheorie, daß der Mensch neben verdaulichen Nährstoffen auch eine Reihe unverdaulicher Ballaststoffe zu sich nehmen sollte, die die Verdauung fördern, indem sie den Darminhalt aufquellen lassen, ohne sich selbst am Stoffwechsel zu beteiligen. Kurz gesagt: Knäcke macht schlank! Allerdings nur, wenn man von der knusprig-leichten Beigabe nicht wesentlich mehr Scheiben verspeist als von gewöhnlichem Brot. Und hier geht die Rechnung meist nicht auf, weil man sehr viel mehr Knäckebrot essen kann als normales Brot, ehe sich auch nur eine Spur der Sättigung zeigt.

100 Gramm der meist sehr schmackhaften Trockenscheiben können bis zu 19,1 Gramm Ballaststoffe liefern. Damit ist Knäckebrot im Ballaststoffgehalt sogar dem Vollkornbrot überlegen, bei gleichzeitig geringerem Nährwert.

Ballaststoffe sollen aber noch mehr können als eine positive Wirkung auf den Stoffwechsel auszuüben, also für den Darm überflüssiger und unverdaulicher Müll zu sein. Es handelt sich vielmehr um unverdauliche Pflanzenfasern, die durch Kitzeln der Darmhaut die Darmtätigkeit passiv anregen, die Durchblutung fördern, wesentlich zu einer gesunden Darmflora beitragen und schließlich sogar durch die Möglichkeit, Fette zu binden, den Cholesterinspiegel im Blut senken sollen.

Angeblich sollen Ballaststoffe auch zu einem schnellen Sättigungsgefühl beitragen, so daß man weniger ißt, weil man sich schneller satt fühlt. Angesichts der Mengen an Knäckebrot, die ein hungriger Mensch vertilgen kann, läßt sich dies aber bezweifeln.

Warum nun ist aber das Knäckebrot wirklich gesund?

Die Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn empfiehlt eine tägliche Zufuhr von 30 Gramm Ballaststoffen. Ungefähr die Hälfte davon sollte aus Obst und Gemüse stammen, die andere Hälfte aus Getreide. Da alles, was die Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, hierzulande als gesund gilt, und Knäckebrot von den zur Verfügung stehenden Backwaren am schnellsten zu den geforderten Werten verhilft, ist es kurzum auch das Gesündeste:

Um auf die Ballaststoffmenge von 15 Gramm zu kommen, genügen etwa 100 Gramm Knäckebrot oder 200 Gramm Vollkornbrot. Von Mischbrot müssen schon 300 bis 400 Gramm verzehrt werden und von Weißbrot oder Semmeln noch einmal das Doppelte.

Weniger beachtet, aber nicht unbedeutend als Gesundheitsaspekt ist die besondere Haltbarkeit des Trockenbrotes, das weniger anfällig für Schimmel und andere zersetzende Mikroorganismen ist und auch keine ranzig werdenden Fette enthält. Auf diese Weise finden sich kaum die aus dem Schimmel stammenden, krebserregenden Aflatoxine oder andere schädliche Folgeprodukte des Verfalls.

Die Skandinavier haben mit dem Knäckebrot vor etwa 500 Jahren eine Art Lager- oder Vorratsbrot erfunden. Der Name Knäckebrot leitet sich aus dem schwedischen Wort "knäcka" (krachen) ab.

Es wird besonders kurz und heiß gebacken und anschließend gut getrocknet. Dann enthält es fast kein Wasser mehr und ist bei trockener Lagerung ausgesprochen lange haltbar.

Im Zuge des vermeintlichen Acrylamidskandals, der sich jedoch als die größte Farce aller Zeiten entpuppte, stand auch das über 170 °C gebackene Knäckebrot auf dem Index.

Acrylamid kann sich während der sogenannten Maillardreaktion aus Zucker und Aminosäuren in den braunen Krusten der Backwaren bilden. Die Substanz selbst steht im bisher noch nicht erwiesenen und unbestätigten Verdacht, Krebs auslösen zu können. Nur wesentlich höhere als im Brot vorkommende Mengen des Stoffes konnten eine erhöhte Zellteilung an bestimmten Geweben im Reagenzglas auslösen. Allerdings ist auch bis heute nicht erwiesen, ob die im Knäckebrot nachweisbaren relativ geringen Spuren von Acrylamid nicht ohnehin erst bei der Probenvorbereitung für die Analyse hergestellt werden. Doch das ist wieder ein anderes Thema.

Abgesehen davon, daß die großen Hersteller ihre Produktionsmethoden ohnehin auf geringere Temperaturen umgestellt haben und damit die Acrylamidgehalte im Knäckebrot deutlich senken konnten, wird nach neuesten Erkenntnissen mit der gleichen Maillardreaktion aus Zuckern und Aminosäuren gleichzeitig beim Backen eine Art Antikrebsmittel hergestellt: Melanoidin!

Schon im Juli 2004 wurden in Hamburg die Ergebnisse eines fünfjährigen europäischen Forschungsprojekts über diese sogenannten "Melanoidine" und ihre Bedeutung in der Ernährung und Gesundheit vorgestellt.

Der Name Melanoidin klingt nicht von ungefähr so ähnlich wie der Hautfarbstoff Melanin. Denn es sind, oh Wunder, gerade jene Farbstoffe, die viele Lebensmittel wie Kaffee, Brot oder Bier beim Backen oder Rösten entwickeln und die eine charakteristische braune Farbe besitzen. Sie beeinflußten auch den Geschmack, nehmen Einfluß auf die Lebensmittelqualität und - wegen ihrer physiologischen Wirkungen - auch auf die Gesundheit.

Doch das ist noch nicht alles. Wie man einer Pressemitteilung des Informationsdienst Wissenschaft - idw - für die Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V wörtlich entnehmen kann, stellen diese Stoffe gewissermaßen die Gegenwehr der braunen Krusten gegen möglicherweise krebserregende Substanzen dar. Antikrebsmittel und cancerogene Stoffe müßten sich daher in ihrer Langzeitwirkung auf dem Weg der Krebsentstehung nicht nur gegenseitig neutralisieren, sondern die positive Wirkung soll sogar deutlich überwiegen:

Neben antioxidativen und anderen schützenden Effekten vermögen sie [die Melanoidine] schädliche Stoffe, aber auch wertvolle Spurenelemente zu binden und so unwirksam zu machen. Das Institut für Biochemie und Lebensmittelchemie der Universität Hamburg organisiert in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) die Abschlusskonferenz der European Cooperation in the Field of Scientific and Technical Research (COST) der EU über Melanoidine.
(Informationsdienst Wissenschaft, 23. Juni 2004)

Von dem Mehrverbrauch an Spurenelementen einmal abgesehen, reichen somit die wissenschaftlichen Argumente so aus, um das praktisch nährwertlose, kalorienarme Trockenbrot höchst offiziell für gesund zu erklären. Und deshalb gilt Knäcke als gesund!

Dabei vergißt man allerdings, daß eine Scheibe Knäckebrot im Verhältnis zu ihrem Gewicht eine sehr große Oberfläche besitzt, die ebenfalls oft belegt wird, ohne dabei auf entsprechende Gesundheitsrelevanz zu achten...

Erstveröffentlichung 11. Oktober 2004
Aktualisierte Fassung

23. Januar 2009