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RATGEBER/295: Schluß mit dem Gerücht, Plastik sei hygienischer (SB)


SCHLUSS MIT DEM GERÜCHT ...

Plastik sei hygienischer als Holz


Die Frage, ob es hygienischer ist, ein Kunststoff- oder Holzbrettchen in der Küche oder zum Frühstücken zu benutzen, beschäftigt nicht nur Hausfrauen, sondern inzwischen auch die Wissenschaft.

Waren früher viele Küchenhelfer und -utensilien wie Kochlöffel, Pfannenschaber, Schneidebrett und dergleichen alternativlos aus einem weichen Holz gedrechselt, greifen Köche heutzutage oftmals aus vermeintlich hygienischen Gründen lieber zur Kunststoffversion. Sie sind der Ansicht, daß Bakterien und Mikroorganismen auf der glatten Oberfläche nicht so schnell Fuß fassen können. Dagegen scheint es logisch, daß in die poröse Oberfläche eines Holzbretts Fett, Saft und mikroskopisch kleine Krümel eindringen können und dort einen idealen Nährboden für Hefen, Pilze und Bakterien bilden.

Laut einem Bericht des Deutschlandfunks vom 2. Mai 2003 wären selbst professionelle Köche inzwischen vielfach der Meinung, daß Holz gegenüber dem Kunststoff hygienisch vor allem deshalb im Nachteil ist, weil es wegen seiner porösen Struktur schlechter zu reinigen ist und umgekehrt Holzabrieb oder -fasern in den Lebensmitteln landen. Dazu wurde Annett Milling von der Biologischen Bundesanstalt (BBA) in Braunschweig gefragt, die verschiedene Holzmaterialien und Kunststoffe auf ihre hygienischen Eigenschaften hin untersucht hat:

Das wird ja immer behauptet, daß Kunststoffoberflächen sehr glatt sind und die Holzoberflächen doch eher wie eine rauhe zerklüftete Kraterlandschaft aussehen, wo sich dann in diesen Nischen die Bakterien und Essensreste einnisten. Aber: wir haben uns Kunststoffoberflächen auch mal elektronenmikroskopisch angesehen und die sind bei weitem nicht wirklich so glatt behandelt wie man immer annimmt. Und auch da gibt es genug Mikronischen für diese Organismen, um sich festzusetzen und vor allem lebensfähig zu bleiben.
(Deutschlandfunk, Forschung aktuell, 2. Mai 2003, 16:35 Uhr)

Zwar sind die meisten Kunststoffbretter spülmaschinenfest und können somit mit kochendheißem Wasser hygienisch abgewaschen werden. Doch schon bei der regelmäßigen Benutzung muß man feststellen, daß auch das relativ harte Plastik immer stärker aufrauht, daß sich Verfärbungen einstellen, die möglicherweise auch auf die Arbeit von Mikroorganismen hinweisen.

Darüber hinaus gibt es bei Kunststoffen immer die Frage der unerwähnten Einschlüsse und Hilfsstoffe zu bedenken. Viele Kunststoffe ließen sich gar nicht in eine stabile harte Form pressen, wenn nicht Glasfasern, Quarz oder andere chemische Hilfsstoffe eingelagert würden, die natürlich auch durch Alterungsprozesse wieder zum Vorschein kommen können.

In Bezug auf die Hygiene sind Holz und Kunststoff nahezu gleichwertig. Kochutensilien aus Kiefern- oder Eichenholz sind dem Kunststoff sogar noch überlegen, weil hier die Keime durch die antimikrobiellen Holzinhaltsstoffe (z.B. Harze) aktiv abgetötet werden.

Um herauszufinden, wie sich die Bakterien in den unterschiedlichen Materialien tatsächlich festsetzen, wurden im Institut für Pflanzenvirologie, Mikrobiologie und biologische Sicherheit verschiedene Holzarten getestet. Aus der Gruppe der Laubhölzer kamen Ahorn, Buche, Eiche und Pappel zum Einsatz. Bei den Nadelgehölzen waren es Lärche, Kiefer und Fichte. Zum Vergleich wurden Schneidebretter aus PVC auf ihre mikrobiellen Aktivitäten hin untersucht. Hierzu hieß es im Deutschlandfunk:

Wenn man also eine Milliarde dieser Keime auf ein Gramm dieser verschiedenen Hölzer bringt, war nach 24 Stunden auf Kiefernholz kein lebensfähiges Bakterium mehr nachweisbar. Im Gegensatz dazu auf Spänen von Buche, Ahorn, Pappel waren sogar nach 14 Tagen noch zahlreiche lebensfähige Keime nachweisbar, und auf Kunststoffspänen bewegte sich das in der gleichen Größenordnung, daß nach 14 Tagen immer noch über eine Million lebensfähiger Keime auf diesen Spänen nachweisbar waren. Wir haben dazwischen natürlich keine Reinigungsmaßnahmen durchgeführt, weil wir erst mal nur das Überleben generell testen wollten.
(Deutschlandfunk, Forschung aktuell, 2. Mai 2003, 16:35 Uhr)

Die Biologischen Bundesanstalt (BBA) faßte folgendes zusammen: Eichen- und Kiefernholz sind durchweg hygienischer als Kunststoff. Spezielle Inhaltsstoffe wie etwa das Harz im Kiefernholz töten die Bakterien ab.

Der Nachteil besteht allerdings darin, daß sich Kiefernholzbretter sehr viel schneller abnutzen, da es weicher ist als Buchenholz oder Ahornholz. Doch der Hygiene zuliebe würden Köche und Hobbyköche den höheren Abnutzungsgrad sicher in Kauf nehmen und abgenutzte Teile häufiger ersetzen, wenn man denn Kochlöffel oder Brettchen aus Kiefer oder Eiche überhaupt kaufen könnte.

Doch die Küchenutensilien aus Holz, die derzeit etwa in der Haushaltswarenabteilung eines Kaufhauses angeboten werden, sind bestenfalls aus Buchenholz, seltener Ahorn. Buche und Ahorn sind - hygienisch gesehen - dem Kunststoff durchaus ebenbürtig und damit auch keine schlechtere Wahl, mehr aber auch nicht.

Daß man keine Küchenutensilien aus Kiefer oder Fichte, also bakterizidem und fungizidem Coniferenholz findet, hat aber möglicherweise auch noch einen weiteren Grund, der hier überhaupt nicht angesprochen wurde. Die hochgelobten antimikrobiellen Holzbestandteile sind nämlich letztlich ätherische Öle vom Terpen- oder Phenoltypus, und damit offiziell auch für den Menschen giftig.

Phenole gehören zwar zu den aromatischen Alkoholen, die für alle Mikroorganismen tödlich sind, doch stehen Phenole heutzutage in Verdacht, krebserregend zu sein, so daß sie nur noch oberflächlich als Desinfektionsmittel angewendet werden dürfen.

Terpene sind kleine, organische, flüchtige Moleküle und gehören zu jenen ätherischen Ölen, die Nadelhölzer so aromatisch duften lassen. Gleichzeitig gehören sie zu jenen natürlichen Emissionen, die vor allem in geschlossenen Räumen, gesundheitliche Probleme nach sich ziehen können. So können sich die im Harz enthaltenen Duftstoffe Pinen, Limolen, Caren usw. weiter zu ebenfalls duftenden Aldehyden und Säuren zersetzen, die beispielsweise für Kopfschmerzen, Malerkrätze, geschwollene Schleimhäute, tränende Augen, triefende Nase, kratzenden Hals u.ä. unangenehme Begleiterscheinungen verantwortlich sind.

Auch das häufig empfohlene "natürliche" Holzpflegeöl enthält wieder viele holzähnliche Komponenten wie Terpene und ungesättigte Fettsäuren, die mit der Zeit ranzig werden und langfristig mit anderen flüchtigen Stoffen wie Aldehyden die Luft bzw. hier auch Lebensmittel verunreinigen. Außerdem lassen Öle die Poren des Holzes offen, so daß bei entsprechender Wärme (z.B. beim Rühren mit dem Fichtenholzlöffel im Kochtopf) versteckte Terpene aus den tiefsten Winkeln und Kapillaren herausgetrieben werden und in das Essen geraten.

Allerdings reagieren nicht alle Menschen gleich empfindlich auf diese natürlichen Schadstoffe. Aber die Empfindlichkeit wie auch mögliche Allergien oder Kreuzallergien nehmen durch die ohnehin schon große Belastung mit synthetischen Schadstoffen permanent zu.

Doch Kunststoffe sind in Bezug auf Schadstoffbelastung eine gleichfalls schlechte Wahl. Auch hier werden die Nahrungsmittel zwangsläufig mit Stoffen kontaminiert, die nichts im Essen zu suchen haben. Weichmacher wie Bisphenol A gelten zwar derzeit noch als unbedenklich, haben aber wie hier schon oft diskutiert, nachweislich hormonelle Eigenschaften und werden ebenfalls mit der zunehmenden Alterung des Kunststoffs verstärkt an die Lebensmittel abgegeben. [siehe auch NEWS/755: Weichmacher - Keine Beschränkungen für Bisphenol A (SB)].

Mit den eingangs erwähnten, rein hygienischen Zusammenhängen hat die mögliche Schadstoffbelastung zwar nichts zu tun, sollte jedoch bei der Wahl von Küchengeräten durchaus mit in die Erwägungen über Vor- und Nachteile mit einbezogen werden.

Trotz möglicher toxischer Duftstoffe und anderer Nachteile ist letztlich das natürliche Holz noch immer dem Kunststoff vorzuziehen. Und sei es nur, weil es nach seiner Ausmusterung umweltfreundlich verrottet, Plastik hingegen immer noch nicht.

Erstveröffentlichung 2003
neue, aktualisierte Fassung

25. Juni 2009