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RATGEBER/300: Umweltschutz ohne Grenzen - Ein Kühlschrank aus Arsen (SB)


VON APFELESSIG BIS ZITRONE

Bewährte Alltagschemie einfach erklärt


... ein Kühlschrank aus Arsen

Eigentlich sind Kühlschränke, die nach dem alten Kompressionsprinzip arbeiten, längst überholt. Im Vergleich zum technischen Fortschritt auf anderem Gebiet sind sie die alten Dinosaurier unserer Küchen, verschlingen Unmengen an Strom, irritieren durch lautstarke, unvermittelt einsetzende Urwaldgeräusche und enthalten in den meisten Fällen untragbare Ozonschichtkiller (FCKWs, Fluorchlorkohlenwasserstoffe) als komprimierbare Kühlflüssigkeit, die - einmal freigesetzt - viele Jahre ihr Unwesen in der oberen Stratosphäre treiben. Die Folgen der erst vor etwa 50 bis 60 Jahren begonnenen FCKW-Technik lassen sich inzwischen schon nicht mehr aufhalten.

Rein kältetechnisch ist das alte Prinzip allerdings optimal: Als flüchtiges Kühlmittel wird ein Fluorchlorkohlenwasserstoffgas an der Außenseite des Eisschranks komprimiert und verflüssigt. Durch ein Ventil strömt es in einen Bereich mit niedrigerem Druck, wo es wieder verdampft. Dabei verbraucht es Wärme, die dem Inneren des Gerätes entzogen wird. Diese Wärmeenergie gibt es außerhalb wieder ab, wenn es erneut verflüssigt wird und der Kreislauf von vorn beginnt. Daß dabei auch noch eine Menge Wärmeenergie nutzlos verloren geht, ist ein weiterer Kritikpunkt dieser Kühltechnik.

Ob aber ein anderes Verfahren, das vor einigen Jahren schon mal diskutiert wurde, sich aber bis heute noch nicht durchsetzen konnte, tatsächlich in der Lage wäre, sämtliche Unannehmlichkeiten und Probleme des alten Kühlschranks mit einem Schlag zu lösen, ist eine ganz andere Frage. Erst einmal hat es - zumindest für Forscher und wissenschaftlich Interessierte - den Reiz des Neuen:

Magnete sollen künftig leise und effizient den Rauminhalt der neuen Kühlschränke kühlen. Die neue Technik ist ein Abfallprodukt der Supraleitungsforschung.

Bisher funktionierte das Verfahren nur bei sehr tiefen Temperaturen, doch schon 2002 wurde in dem Wissenschaftsmagazin Nature eine neue Legierung beschrieben, mit der die magnetische Kühlung auch schon bei Raumtemperatur machbar werden sollte (Band 415, Seite 150, 2002).

Bei der magnetischen Kühlung sollen die Atome des Kühlmittels die Energie in ihrer magnetischen Ausrichtung speichern. In einem starken Magnetfeld ordnen sich die magnetischen Momente der Atome angeblich in eine Richtung. Schaltet man das Magnetfeld ab, dann kommen sie wieder durcheinander. Dabei entziehen sie der Umgebung Wärme, und die Temperatur sinkt. Im Grunde handelt es sich dabei um ein ähnliches Prinzip, von dem auch bei der Kompressortechnik ausgegangen wird, denn auch das dort erzeugte Gas versteht man gewöhnlich als den ungeordnetsten Aggregatzustand eines Stoffes, bei dem Wärmeenergie verbraucht wird. Ordnung dagegen wird als energiearmer Zustand verstanden, bei dem Wärme frei wird (höhere Ordnung, d.h. mehr Druck erzeugt Hitze).

Daß Wissenschaftler dem Einzug des Verfahrens in den Alltag eher skeptisch gegenüberstehen, hängt mit dem Aufwand zusammen, den diese Technik bis vor kurzem noch mit sich brachte: Man benutzte die Kältetechnik, um in Labors Proben nahe dem absoluten Nullpunkt (= -273,15°C) zu halten. Die dazu nötigen starken Magnetfelder mußten durch riesige supraleitende Magnete erzeugt werden, die ebenfalls nur bei Temperaturen arbeiten, die mehrere hundert Grad unter Null liegen. Das erforderte einen riesigen Apparatepark.

Auch das von US-Ingenieuren des Ames Laboratory in Iowa entwickelte erste magnetische Kühlsystem, das bei etwa 25 Grad Celsius Umgebungstemperatur und einem simplen Dauermagneten arbeitet und bis auf 5 Grad kühlt, konnte noch nicht überzeugen.

Durch das Feld des Dauermagneten soll sich hier nämlich ein Ring mit einem magnetischen Kühlmittel drehen, das hauptsächlich aus dem seltenen und deshalb sehr teuren Metall Gadolinium besteht. Beim Passieren des Feldes erhitzt sich der Stoff und wird mit Wasser gekühlt. Nach Verlassen des Feldes entmagnetisiert er sich und kühlt weiter ab. Wasser leitet diesen Kühleffekt in den betreffenden isolierten Bereich.

Abgesehen von den Kosten und der schwierigen Beschaffung des besonderen Elements lassen sich Kühlschränke, die nicht in dem gewohnten Bereich von plus 40 Grad und minus 5 Grad arbeiten, auch gar nicht verkaufen.

Wie seinerzeit die Süddeutsche Zeitung berichtete, soll ein von dem Holländer Ekkes Brück und Kollegen der Universität van Amsterdam entwickeltes Material aus Mangan, Eisen, Phosphor und Arsen nicht nur bessere Eigenschaften besitzen, sondern auch in der Herstellung günstiger sein. Deshalb glaubte Brück, daß man damit alltagstaugliche Kühlschränke bauen könne, die anderthalbmal effizienter arbeiten als herkömmliche Geräte und das ganz leise.

Im Vergleich zum herkömmlichen "Dampfkühlkasten" stellte sich der neue Magnetkühlschrank für den Verbraucher aber als völlig unattraktiv heraus. Schon der Magnet würde teurer als ein normaler Kühlschrank. Zudem würde die starken Magnetfelder möglicherweise ferromagnetisch gespeicherte Daten in modernen Küchengeräten löschen oder durcheinanderbringen können und somit zu einer neuen Gefahrenzone für Besitzer von Scheckkarten, Handys und Trägern von Herzschrittmachern...

Kritische Stimmen gab es aber auch zum Verfahren selbst. So hält der Kältetechnikexperte Hans Braun von der Universität Bayreuth das neue Material für noch nicht ausgereift:

"In der Tieftemperaturforschung überbrücken wir höchstens ein paar Grad mit diesem Verfahren. Bei größeren Spannen sinkt sein Wirkungsgrad schnell."
(Süddeutsche Zeitung 15. Januar 2002)

Aber auch die in den notwendigen Konzentrationen extrem giftigen Schwermetalle Mangan und Arsen geben selbst dem Erfinder des Konzepts Anlaß zur Sorge. Doch gäbe es dafür bisher keine Alternativen.

Zwar soll Mangan (Mn) mit etwa 12 mg im Körper jedes durchschnittlich schweren Menschen vertreten sein und dort eine Funktion als Spurenelement in Enzymen und Stoffwechselsystemen besitzen. Ein Überangebot von Mangan wirkt jedoch giftig für den menschlichen Organismus, zumal sich das Metall im Fettgewebe anreichert.

Arsen oder Arsenik ist dagegen durch die Jahrhunderte als klassisches Gift bekannt. Seit es allerdings sehr einfache, aber empfindliche chemische Nachweise (z.B. Marsh'sche Probe) gibt und sich das Gift noch auf Jahre in Haaren und Nägeln der Opfer nachweisen läßt, hat das Morden mit Arsen doch stark an Beliebtheit eingebüßt. Trotzdem hat Arsen einen schlechten Ruf und in einem Kühlschrank nichts zu suchen.

Das in der Kühlmittellegierung eingesetzte reine Arsenmetall (As) ist zwar eigentlich ungiftig, geht aber im Körper leicht in das giftige Arsentrioxid (Arsenik) bzw. Arsenat über und kann auch schon von vornherein damit verunreinigt sein.

Arsenat (AsO4)(3-) ähnelt dem Orthophosphat in Struktur und Reaktivität und wird deshalb bei allen möglichen lebensnotwendigen Phosphoryltransfer-Reaktionen wie z.B. der Bildung von ATP (Adenyltriphophat) schlicht mit diesem verwechselt. Der Körper kann auf diese Weise aus Zucker nicht mehr die notwendigen Nährstoffe oder chemische Energie gewinnen.

Auch eine Blockade der Sulfhydrylgruppen an Eiweißen und z.B. Enzymen besteht. Akut stellt man eine Kapillarschädigung fest, die zu Ödemen, Gefäßdilatation (Erweiterung) und starkem Blutdruckabfall führt. Begleiterscheinungen sind Erbrechen, Übelkeit und reiswasserähnliche Durchfälle. Wasser-, Elektrolyt- und Eiweißverlust führen zum Schock. Außer einer starken allgemeinen Austrocknung (so stark, daß abgehobene Hautfalten einfach stehen bleiben) verdickt sich auch das Blut. Nach ein bis drei Tagen in diesem qualvollen Zustand kann der Tod eintreten, wenn er nicht bei höherer Dosis schon nach wenigen Stunden durch zentrale Atemlähmung eintritt.

Darüber hinaus stehen alle Schwermetalle, aber ganz besonders Arsen im Verdacht, cancerogen zu wirken, d.h. die Krebsenstehung zu fördern. Hierzu gibt es noch wenig schlüssiges Beweismaterial, so daß über die genaueren Zusammenhänge nur Vermutungen bestehen.

Man kann sich vorstellen, daß zumindest die Herstellung dieser Technik im großen Maßstab mit einer zunehmenden Kontamination der Umwelt mit diesen Chemikalien einhergehen wird. Doch das schreckt die Gerätebauer weniger.

So sei das deutsche Unternehmen Bosch/Siemens an der neuen Technik sehr interessiert und auch eine amerikanische Firma will arsenhaltige, magnetische Klimaanlagen und Kühlschränke auf den Markt bringen.

Erstveröffentlichung 2002
neue, aktualisierte Fassung

11. August 2009