Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → CHEMIE

RATGEBER/323: Wie CO2 ermattete Klimaexperten wieder munter macht (SB)


VON APFELESSIG BIS ZITRONE - Alltagschemie einfach erklärt

Kefir, Sekt, Selters und CO2


Wenn dieser Tage im südafrikanischen Durban auf dem 17. UN-Klimagipfel Vertreter aus 183 Staaten bis zum 9. Dezember 2011 über ein Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll verhandeln und über Maßnahmen wie die Senkung von Kohlenstoffdioxid-Emissionen zur Bekämpfung des Klimawandels bzw. die Milderung seiner Folgen debattieren, geht es für Länder wie Afrika beim Kampf gegen den Klimawandel "um Leben und Tod", wie der südafrikanische Präsident Zuma zum Auftakt der Konferenz erklärte...

Beobachter halten allerdings auch diesmal einen Durchbruch für wenig wahrscheinlich. Wie schon der Schattenblick in einer seiner jüngsten Meldungen schrieb, sehen selbst Experten wie der hochdekorierte deutsche Klimaforscher Hans-Joachim Schellnhuber in den Verhandlungen in Durban eher den Versuch, einen vollständigen Kollaps der Klimadiplomatie zu vermeiden und das ist weiter nichts, als die Aufrechterhaltung des Scheins:

Bis spätestens 2020 müsse Schellnhuber zufolge der Scheitelpunkt der globalen Treibhausgasemissionen erreicht werden, um noch eine realistische Aussicht auf Erfolg zu haben. Während sich jedoch nach wie vor um Schuldzuweisungen gestritten wird - nur eine Handvoll von Staaten sei für den Hauptteil des weltweiten Kohlendioxidausstoßes verantwortlich, die zehn schwergewichtigsten Übeltäter in Sachen Kohlendioxidproduktion seien angeführt von China, den USA, Indien, Rußland und Japan, gefolgt von Brasilien, Deutschland, Kanada, Mexiko und dem Iran - wird an anderer Stelle Augenwischerei in Hinsicht auf die hehren Ziele betrieben. Die Ländervertreter überflügeln sich geradezu darin, wie man am geschicktesten das gewünschte Absenken der CO2-Emissionen vortäuscht, ohne weitere konkrete Maßnahmen zu ergreifen. So behauptete Bundesumweltminister Röttgen dieser Tage von Deutschland, es sei auf einem guten Weg, sein anspruchsvolles Klimaziel im Zuge der Energiewende bis 2020 tatsächlich zu erreichen. Mit den bis Juli 2011 beschlossenen Maßnahmen wie Emisionshandel, Gebäudesanierung, Stromeffizienz, Kraft-Wärme-Kopplung und PKW-Standards (und dank gewisser Auslassungen in dem dazugehörigen Rechenexempeln zum Energiebedarf) werden die Emissionen bis 2020 bereits um etwa 35% im Vergleich zu 1990 zurückgehen. Das Ziel einer Reduktion um 40% sei damit angeblich in greifbare Nähe gerückt. Wer's glaubt...

In der Hitze der Debatte greift so manch ermatteter Konferenzteilnehmer zu den bereitgestellten Sekt- oder Seltersflaschen, um sich in der verbrauchten, im wahrsten Sinne des Wortes "kohlenstoffdioxidgeschwängerten" Atmosphäre des Saals vermeintlich prickelnde Erfrischung zu verschaffen.

Nur wenigen ist dabei wohl bewußt, daß sie sich damit genau das zuführen, um das es in dieser Debatte im wesentlichen geht: Kohlenstoffdioxid (CO2) in sprudelnden Bläschen. Die Kohlensäure, die man den Erfrischungsgetränken in reichlichen Mengen zugesteht und die man nur selten mit dem Produkt abgestandener, ungefilterter oder ausgeatmeter Atemluft in Verbindung bringt, zerfällt nämlich in Wasser und den gasförmigen Kohlenstoffdioxid (ihrem Anhydrid). Die aufsteigenden Gasblasen im Glas sind also keineswegs Sauerstoff, wie manche meinen, sondern genau dieses teuflische, klimaerwärmende Treibhausgas, das man zwar nicht in der Atmosphäre, aber offenbar doch im eigenen Magen haben will.

Noch schwerer läßt sich jedoch die biochemische Reaktion nachvollziehen, mit der ausgerechnet dieses Verbrennungsprodukt jedweden organischen Stoffwechsels einen warmblütigen Organismus "munter machen soll", wenn es doch jedem nachweislich in zunehmend CO2-reicher Atmosphäre immer schwerer fällt, die Augen offen zu halten. Übrigens ist Müdigkeit bei der Frage nach den häufigsten Beschwerden neben Kopfschmerzen eines der am meisten genannten Befindlichkeitsstörungen in Deutschland.


Macht CO2 denn nun müde oder munter oder beides ...?

Grundsätzlich sei das alles nur eine Frage der Dosierung, sagen die Experten, und drücken sich damit vor einer eindeutigen Stellungnahme.

Nehmen wir beispielsweise einmal den Sekt, ein alkoholisches Getränk, für das ebenso wie bei Wein und Bier gilt: Je mehr man davon trinkt, umso müder wird man. Dennoch nimmt der Schaumwein eine Sonderstellung ein. Denn hier sorgt eine zweite Gärung und der Zusatz von Zucker und Reinhefe für eine einzigartige Kombination aus wenig Alkohol und reichlich Kohlenstoffdioxid (CO2) bzw. Kohlensäure.

Die angenehm prickelnden Gasblasen - und das gilt übrigens für alle CO2-haltigen Erfrischungsgetränke wie Cola, Limonaden, Mineralwasser (Selters) oder sogar das Milchprodukt Kefir, in denen sie vorkommen - vergrößern durch ihre Kugelform die Kontaktfläche zwischen Getränk und Mundschleimhaut. Die Kohlensäure bzw. CO2 und bei Sekt auch der Alkohol gelangen dadurch besonders schnell und direkt ins Blut.

Hier soll Kohlenstoffdioxid dann in kleineren Dosen tatsächlich als "Muntermacher" wirksam werden. Das auch bei der Verbrennung von Sauerstoff im eigenen Körper produzierte Abfall-Molekül, das anschließend ausgeatmet wird, täuscht dem Körper einen größeren Verbrauch und damit Sauerstoffmangel vor. Zum Ausgleich erhöht sich reflexartig der Blutfluß zum Gehirn, dessen Leistungsfähigkeit dadurch kurzfristig wieder steigt.

Auch der Alkohol soll angeblich in diesen geringen, angehend homöopathischen Mengen den Kreislauf anregen: Bei seinem Abbau fällt als Zwischenprodukt das sogenannte Acetaldehyd an. Diesem wird eine gefäßverengende Wirkung nachgesagt, so daß der Blutdruck steigt und sich der Konsument des Erfrischungsgetränks reger und wacher fühlt.

Im Nebennierenmark soll Acetaldehyd darüber hinaus die Freisetzung von Streßhormonen (Adrenalin u.a.) bewirken. Auch diese verengen die Gefäße und steigern zusätzlich die Frequenz und das Schlagvolumen des Herzens, aktivieren die Muskulatur, weiten die Bronchien zur freieren Atmung und stellen dem Körper mehr Energie durch Blutzucker bereit. Parallel dazu hemmt Alkohol in den Blutgefäßen diejenigen Sinneszellen, die sogenannten Barorezptoren, die sonst bei steigendem Blutdruck eine ausgleichende Dehnung der Gefäße veranlassen und somit eine Blutdrucksenkung auslösen würden.

Böse Zungen führen auf diesen positiv-aktivierenden Effekt des Alkohol-Metabolismus auch jede vermeintlich positive Wirkung homöopathischer Tropfen zurück, die bei vielen das Wohlempfinden nachweislich fördern.

Das alles sollen also ein oder höchstens zwei kleine Gläser Sekt im menschlichen Organismus bewirken. Und doch trügt der Schein, denn wer schon durch schlechte Luft müde geworden ist, dem nützt es auch nichts mehr, durch Zufuhr von Sekt oder Selters ein Sauerstoffdefizit vorzutäuschen. Zudem ist gerade bei Sekt, der durch seine alkoholische Komponente wirksamer als Selterswasser oder Brause ist, die Frage der Dosis eine schwierige Gradwanderung, wenn man noch einen klaren Kopf behalten will. Sobald man nämlich nur etwas mehr als diese "anregende" Menge zu sich nimmt - und die ist individuell verschieden groß - schlägt der "prickelnde" Effekt sogar ins Gegenteil um... Mit massiven Folgen für die Klimadebatte, die selbst unter CO2-Experten auf dem aktuellen Gipfel zu beobachten und selten zu vertuschen sind.

Als ein viel besserer Wachmacher oder Fitneß-Schub wäre dann doch ein kurzer Gang an die frische Luft angeraten. Dort ist auch der Genuß eines Glases Selterswasser viel effektiver, denn was nützt schon eine höhere Atmungsfrequenz und ein verstärkter Blutstrom, wenn im Gehirn doch kein Sauerstoff ankommt...

Übrigens erklärt sich auch die belebende Wirkung manch nahrhafter Naturprodukte wie Kefir, ein Stoffwechselprodukt, das der sich von Milch ernährende Kefirpilz übrig läßt, aus der darin ebenfalls reichlich vorhandenden Kohlensäure, die bei der Kefirproduktion nebenbei entsteht.

5. Dezember 2011