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REZEPTUR/088: Haarspray wie's im Buche steht (SB)


PULVER, PASTEN UND PASTILLEN - EINFACH ANGERÜHRT

Für jede Haushaltschemikalie gibt es auch ein Rezept

Haarspray - Selbstgemachtes klebt wie in den 50ern


Kosmetika heutzutage sind eigentlich hochgestylte HighTech-Produkte. Die Hersteller lassen sich nicht mehr so gerne in ihre Töpfe und Tiegel schauen und selbst die beliebte Sendereihe Hobbythek, die sich seinerzeit zur Aufgabe machte, den Markenartikeln den Rang abzulaufen, indem sie alles preiswerter und qualitativ besser "selber"machen wollte, mußte angesichts der neuen Entwicklungen auf dem Kosmetiksektor passen. Vieles läßt sich zwar selbst nachmachen, doch in den wenigsten Fällen ist das "selbstgerührte" Produkt wirklich besser und billiger oder mit den Markenartikeln zu vergleichen. Doch immerhin erhält man eine Ahnung, um was es sich dabei handelt.

Den meisten "Do-it-yourself"-Anhängern geht es ohnehin ausschließlich um das Prinzip oder auch nur um das reine Vergnügen und die damit einhergehende Bestätigung, alles auch irgendwie selbst herstellen zu können.

Das möchten wir gerne vorwegschicken, wenn wir an dieser Stelle vielleicht auf einige Rezepturen zurückkommen, die nicht unbedingt empfehlenswert sind. Dazu gehört auch das folgende Haarspray, dessen Innenleben sich an dieser Stelle gewissermaßen als reinste Klebrigkeit offenbart.

Zu Großmutters Zeiten wurde etwa der gleiche Effekt, d.h. eine unerschütterliche Frisur, allein mit etwas Zuckerwasser erreicht. D.h. man rührte ein paar Löffel Zucker in einer Tasse Wasser an, die man sich ins Haar strich, ehe man es auf Lockenwickler drehte. Schönste Korkenzieherzuckerlocken waren die Folge, äußerst haltbar aber überhaupt nicht mehr zu kämmen.

Ganz ähnlich kann es einem mit selbstgemachten Haarspray gehen, vor allem dann, wenn man kein klima- und ozonschädigendes Aerosolspray verwendet, sondern eine im Handel für solche Zwecke erhältliche Pumpsprayflasche.

Diese kann im Innern nicht den Druck aufbauen, der nötig wäre, die herausquellende Flüssigkeit in derart ultrafeine Tröpfchen zu versprühen, mit denen sich die allein auf die Verklebung von Haaren zurückzuführende Haltbarkeit der Frisur gewissermaßen verschleiern läßt.

Statt dicke Haarstränen miteinander zu einem Strang zu verbacksen, geschieht bei modernen HighTechsprays genau die gleiche Verklettung im Mikrobereich. Anders gesagt, es werden nur wenige Haare verklebt, so daß die Frisur insgesamt natürlicher aussieht. Die Verklebung ist jedoch letztlich die gleiche. Und in beiden Fällen empfiehlt es sich, das Haar vor dem Auskämmen zu waschen, damit es nicht unter der mechanischen Wirkung des Kammes leidet, zerrissen wird oder bricht, weil die Klebung so gut hält.

Kurz gesagt: Wer sein Haar liebt, sollte es nicht unbedingt, wenn es sich vermeiden läßt, unter Haarspray setzen, ganz gleich, ob es aus möglichst natürlichen Zutaten selbstgemacht oder ein reines HighTech- Kunstprodukt ist.

Denn eins ist sicher, das folgende Rezept mag vielleicht primitiv anmuten, doch im großen und ganzen findet sich genau das gleiche (mit kleinen Varianten an den Geruchsstoffen) auch in den "hairstylenden" Dosen großer Markenarktikel. Die Frage ist nur, läßt sich das auch in der großen "Gesellschaft" oder in der Geschäftswelt durchsetzen, in der zumindest bei Frauen die unbewegliche Haartracht immer noch zum guten Ton gehört?

Nehmen wir beispielsweise unsere Bundeskanzlerin, die, obwohl in der Generation des sogar in Musicals besungenen, frei fliegenden Haares groß geworden, nach wie vor auf den Inhalt der großen Dose setzt. Während sie über Klimasorgen und notwendige CO2-Reduktion spricht, rührt sich bei ihr kein Härchen.

Vielleicht sollte das gesellschaftliche Umdenken an dieser Stelle beginnen, nicht nur die Treibhausgase, sondern auch andere Treibgase und damit vertriebene Klebstoffe aus der Atmosphäre zu verbannen, die sich letztlich nach dem Motto "Kleinvieh macht auch Mist" zu den großen Methan- und CO2-Aufkommen in der Luft addieren und ebenfalls zum Treibhauseffekt beitragen. Anders gesagt, man sollte auf die überflüssigen Klebstoffe im Haar verzichten.

Freies Haar für frischen Wind in der Klimapolitik!

Doch hier das Rezept:

- 5 g fein gemahlener Schellack

- 150 ml Isopropanol (40%) oder
- 150 ml Weingeist (40%)

- 1 ml Glycerin

- 1 g Zucker

- einige Tropfen Duft- oder Parfümöl

Zubereitung:

Zunächst den fein gemahlenen oder zerstoßenen Schellack in Isopropanol oder Weingeist unter gelegentlichem Schütteln auflösen (was wegen der schlechten Löslichkeit des Naturprodukts mehrere Stunden dauern kann). Weingeist ist ein anderes Wort für den chemischen Ausdruck Ethanol (früher Äthanol), unter dem man den Alkohol in der Apotheke beziehen kann. Das Glycerin wird für eine bessere Geschmeidigkeit hinzugegeben, ist aber selbst auch ein wenig klebrig.

Den Zucker gibt man schließlich zur Verbesserung der Haftung dazu. Wenn gewünscht, können noch ein paar Tropfen des persönlichen Lieblingsparfüms hinzugefügt werden. Anschließend alles sorgfältig verrühren, bis sich der Zucker gänzlich aufgelöst hat. Die leicht bräunliche Tönung stammt vom Schellack und hat keinen Einfluß auf die eigene Haarfarbe. Die fertige Mischung füllt man in eine Sprühflasche um.

Statt Schellack, einem natürlichen Polymer, das verhältnismäßig teuer ist, wird in den Produkten der Industrie ein künstliches Polymer, vorzugsweise Acrylamid verwendet. Man kennt Acrylamid als Bestandteil von Acrylfarben und Acrylfasern. Es ist ein hochreiner Kunststoff, der aber auch besonders hautfreundlich und ohne gesundheitsschädliche Nebenwirkungen ist, wie medizinische Hauttests bestätigen konnten.

Der in der Kosmetik verwendete Gelbildner (z.B. PN 73) besteht aus den Komponenten Acrylsäure und Acrylamid.

Als Einzelmoleküle sind diese Stoffe nicht unproblematisch. Wenn sie aber zu Ketten zusammengeführt werden - der Fachmann nennt das polymerisieren -, dann verlieren sie ihre Aggressivität. Die Bereitschaft, sich zu verbinden, haben die Stoffe von Natur aus, so daß die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, daß freie Acrylsäure bzw. freies Acrylamid übrig bleiben. So sollen keine chemischen Reaktionen mit der Haut stattfinden können, weshalb nicht mit Irritationen oder Allergien zu rechnen ist.

3. Dezember 2007