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REZEPTUR/099: Abführdrogen - scharfe Kräuter oder sanfte Chemie? (SB)


PULVER, PASTEN UND PASTILLEN - EINFACH ANGERÜHRT

Was tun, wenn's klemmt?


Gerade die schönste aller Jahreszeiten bringt es mit ihrer ungewohnten Häufung an Feierlichkeiten - angefangen mit den Probierhäppchen während des Plätzchenbackens, dem Adventskaffee bei der Nachbarin, über die verschiedenen hochprozentigen und nahrungsmittelintensiven Jahresabschluß- oder Weihnachtsfeiern bis einschließlich der genuß- und kalorienreichen Fest- und Feiertage - mit sich, daß manche Geschäfte in dieser Saison nicht mehr so glatt laufen wie man es gewöhnt ist. Da kommt dann gutgemeinter Rat oft teuer zu stehen, wenn auch das harmlose Glas mit kaltem Wasser, kurz vor dem Frühstück runtergestürzt - ansonsten ein Selbstgänger per se - keine Bewegung in das innere Geschehen bringt und Nachhilfe in Form eines wärmstens als wirksames Hausmittel empfohlenen Kräutersuds als gewissermaßen letzte Spülung angezeigt scheint...

Denn nicht alles ist auch sanft, natürlich und gesund, was sich "Heilkraut" nennt. Mit abführenden Kräutertees oder Abführmitteln, die auf der Basis natürlicher "Pfanzeninhaltstoffe" hergestellt werden, nutzen Pharmahersteller die positive Grundhaltung von "Gesundheitsbewußten" aus, um ihre Geschäfte mit dem "großen Geschäft" zu machen.

Nun hat der Verkauf von medizinischen Wunderwässern mit unübersehbarer und meist erleichternder Wirkung eine sehr lange Tradition, die bis zu den wandernden Quacksalbern des frühen Mittelalters zurückgeht, die ihrer Kundschaft mit ihren auf Sennesblättern und Bittersalz basierenden Heilwässerchen die Linderung jedweden Leidens versprachen, was die Geprellten, die mit der sich spontan einstellenden Wirkung zunächst ganz zufrieden waren, erst merkten, wenn der Heiler schon über alle Berge war.

Gerade wegen dieser langen Tradition der abführenden Kräutertränke und Einläufe ist es aber erstaunlich, daß man erst so spät erkannte, daß es sich bei dem, was der Verdauung dabei auf die Sprünge hilft, um eine höchst brisante Stoffgruppe handelt: "Anthrachinone".

Diese Substanz, die in abführenden Kräutern in verschiedenen Varianten vorkommt, reizt den Darm so sehr, daß er sich heftig dagegen wehrt, was bei diesem peristalitischen Organ der Einleitung einer heftigen Ausscheidungsmechanik gleichkommt. Antrachinon wirkt hauptsächlich im Dickdarm, d.h. im unteren Darmabschnitt, indem es dort kurzfristig die sogenannte Darmperistaltik anregt und gleichzeitig Mineralstoffe ins Darminnere zieht. Dadurch wird mehr Wasser als gewöhnlich im Darm festgehalten, was den Druck im Darm erhöht und gleichzeitig die zügige Ausscheidung fördert.

Für denjenigen, der unter einer akuten Verstopfung leidet, hört sich das noch sehr gut an und für einen einmaligen "Notfall" bieten anthrachinonhaltige Kräuter auch eine schnelle Hilfe. Doch ebenso wie scharfe Rohrreiniger (wie "Abflußfrei"...) nicht für den Dauergebrauch bestimmt sind (wenn der Abfluß "mal" verstopft ist...) können Anthrachinone auf Dauer zu schweren Beeinträchtigungen der Darmorgane führen sowie die komplexen Abläufe während der Verdauung durcheinander bringen. Durch die oben beschriebene Entsalzung im letzten "Rohrabschnitt" werden dem Körper wichtige Mineralien (vor allem Kalium und Magnesium) entzogen, durch die ständige Reizung erlahmt die natürliche Darmperistaltik, Nerven und selbst der Herzmuskel können am Ende dieser Reaktionskette dauerhaft geschädigt werden. Kurzum: Alles gerät aus dem Häuschen...

Doch das ist noch nicht einmal alles: Ein bestimmtes Anthrachinon, "Danthron", steht bereits im Verdacht, Krebs auszulösen und erbgutschädigend zu wirken. Es existiert bereits ein Forschungsansatz, der mit einer statistischen Erhebung beweisen will, daß Patienten mit Darmtumoren auffällig häufig und lange Abführmittel genommen haben sollen. Diese Studie ist allerdings schon vom Ansatz her in Frage zu stellen, da schon die Auswahl des hierfür untersuchten Personenkreises, nämlich Tumorpatienten, nahe legt, daß diese im Verlauf ihrer Vorgeschichte fraglos mit Verdauungsproblemen zu tun hatten, ohne daß in diesen Fällen ein Verzicht auf Abführmittel an dem weiteren Krankheitsverlauf etwas geändert hätte.

Wenn sich gewisse Probleme allerdings häufen und chronisch werden, sollte ein Betroffener diese Warnzeichen nutzen, um etwas Grundsätzliches zu ändern, ehe er zu derart "scharfen" Kräutchen greift, wie

1. Aloe,
2. Sennesblätter,
3. Sennesfrüchte (-schoten) und Cascararinde (Cascara Sagrada),
4. Faulbaumrinde, Rhababerwurzel und Kreuzdornbeeren.

Die hier gewählte Reihenfolge steht auch für die Vehemenz der abführenden Wirkung und ihrer begleitenden Nebenwirkungen (wie Bauchschmerzen, "Darmgrimmen"), die etwa sechs bis acht Stunden nach Eintreffen der Wirkstoffe im Dickdarm einsetzen sollen und vielleicht namensgebend für den Ort des Geschehens, einem gewissen Donnerbalken waren...

Bei aloehaltigen Präparaten - den wirkungsstärksten Vertretern dieser Gruppe - wurden auch schon Nierenblutungen als schwere Nebenwirkung festgestellt, ein doch sehr hoher Preis für den meist nur kurzfristig erleichternden Effekt.

Natürlich gilt diese Warnung auch für synthetische Präparate, die auf der Basis von Diphenolen (z.B. Bisacodyl, Natriumpicosulfat, Phenolphtalein) in den lahmgelegten Stoffwechsel eingreifen. Auch wenn dabei kein Verdacht auf eine cancerogene Wirkung besteht, schaden diese Produkte doch dem Verdauungstrakt, führen bei wiederholter Anwendung zu einem Erlahmen der natürlichen Abläufe und somit zu einer gewissen Abhängigkeit für diesen chemischen Anstoß. Davon abgesehen können sie bei empfindlichen Personen häufig das Auftreten allergischer Reaktionen fördern.


Gibt es überhaupt sanfte Alternativen?

Ja es gibt sie. Von dem bereits erwähnten Glas kalten Wassers oder einer Portion "Halbgefrorenes" (Eiscreme nach Wunsch) einmal abgesehen, kann es bei beginnenden Härtefällen schon reichen, wenn der Geplagte sein träges Organ mit einer leichten oberflächlichen Mechanik, sprich: einfache Freiübungen wie Kniebeugen oder Radfahren (oder auf dem Rücken liegend mit den Füßen paddeln), wieder in Schwung bringt. Aber selbst aufgeklärte Gesundheitsfantatiker und Bewegungsförderer schwören zumindest auf milde Kräutertees ohne antrachinonhaltige Pflanzen als alternativ-passiven Anstoß. So könnte eine bewährte und relativ "sanfte" Rezeptur beispielsweise folgendermaßen aussehen:

je 10 Teile Süßholzwurzel, Malvenblüten, Fenchel- und Anissamen, und 20 Teile Holunderblüten.

Von dieser Mischung nimmt man dann pro Tasse einen Teelöffel, gießt sie mit kochend heißem Wasser auf und läßt das Ganze 10 Minuten lang ziehen. Es handelt sich dabei um verschiedene magenberuhigende, leicht abführende und gleichzeitig entkrampfende, blähungswidrige und antibakterielle Komponenten. Doch der wirksamste Anteil daran ist die zusätzliche Flüssigkeit, die einem "Festsetzen und Festwerden" des Darminhalts entgegenwirken soll. Kurzum, man kann sich auch jedes andere Heiß- oder Kaltgetränk zu Gemüte führen. Hauptsache ist nur, das recht viel Wasser in Magen und Darm gelangt...

Eine "schnelle Lösung" und Erleichterung wird sich jedoch im bereits "festgefahrenen Zustand" des Problems nicht einstellen, es sei denn, es wären doch wieder sekundäre Pflanzeninhaltstoffe in dem vermeintlich harmlosen Kräutersud verborgen, die den Darm reizen und die Darmperistaltik aktivieren. Auch bestimmte, in Blüten oder Beeren versteckte Zuckeralkohole (Mannit, Sorbit, Xylit) können diese gewünschte schnelle Wirkung auslösen, stellen den Verbraucher aber auf Dauer auch wieder vor das gleiche Problem. Um Trägheiten aber schon im Vorfeld vorzubeugen, ist jedoch die gepriesene Maßnahme "viel Flüssigkeit zu sich zu nehmen" immer sinnvoll, wobei dann auch der eine oder andere Kräutertee zur Abwechslung nicht schadet.

...nein, auch - aber nicht nur - im Winter, wenn es schneit

Daß es aber überhaupt mit der Verdauung stockt, der Darm sich bei Millionen von Menschen oft tagelang nicht rührt, ist eine typische Zivilisationserscheinung. Ärzte und Gesundheitsämter predigen schon lange, daß die Schuld an den Betroffenen selbst liegt, weil sie sich nicht natürlich und faserreich genug ernähren und nicht ausreichend bewegen. Vergessen wird dabei, daß die Qualität der Nahrung insgesamt abnimmt und selbst nährstofffreie Füllstoffe wie Kleie und unverdauliche Späne, die unter das sinkende Nahrungsangebot beigemischt werden, keine ausgewogene Kost ersetzen. Selbst das verdauungsfreundliche Vollkornbrot, das man beim Bäcker erwirbt, besteht heutzutage aus einem aus einer Backmischung generierten Basisteig, der mehr Chemikalien enthält, als sich das der Laie vielleicht ausmalen mag und mit einigen Vertrauen erweckenden Ölsamen (Sonnenblumenkerne, Leinsamen u.ä.) individuell garniert wird. Die "zähen, gummiartigen Ablagerungen", die Ärzte und Therapeuten auf den Darmwänden finden, "die Inkrustierungen und verhärteten Stoffe in den Haustren (Aussackungen der Dickdarmwand) oder sogenannte "Kotsteine", die sie bei Blinddarmoperationen aufspüren, kommen nicht von ungefähr.

Gesundheit ist schon lange zu einem Luxusgut geworden, das sich nicht mehr jeder leisten kann.

Was also tun, wenn's klemmt?

Wer auf die schnelle Notfallhilfe nicht verzichten kann, dem seien im folgenden drei bewährte Maßnahmen empfohlen: Salinische Mittel, natürliche Massebildner (Floh- oder Leinsamen) oder abführende Glycerinzäpfchen, für besonders dringende Fälle.

Salinische Mittel

"Salinisch" kommt von Salus = Salz und das ist es auch. Als Glauber- oder Bittersalz sind sie daher auch gut bekannt. Etwa ein Eßlöffel Salz auf ein Glas Wasser führt innerhalb weniger Stunden zu der gewünschten Wirkung. Die Salze (Glaubersalz = Natriumsulfat, Bittersalz = Magnesiumsulfat) werden nicht vom Körper aufgenommen. Vielmehr mobilisieren sie auf ihrem Weg durch den gesamten Verdauungstrakt weiteres Gewebewasser, das in den Darm einströmt. Dadurch sollen Rückstände einfach nur ausgespült werden, weshalb gerade salinische Anwendungen bei Fastenkuren oder Entschlackungskuren empfohlen werden. Reizen sollen die salinischen Mittel den Darm angeblich nicht. Allerdings wird die Peristaltik über den Druck, der durch das Wasser im Darm entsteht, ausgelöst und das kommt im Grunde einer künstlichen Reizung gleich. Darüber hinaus führt eine Entwässerung des umliegenden Gewebes ebenfalls zu Veränderungen, die möglicherweise die Reizbarkeit der "ausgetrockneten" Darmschleimhäute erhöht. Mit anderen Worten: auch auf diese gewollte "künstliche" Störung im eigenen Betrieb, sollte man nicht häufig zurückgreifen...


Massebildner

Flohsamen stammen von einer Wegerichpflanze, die heute hauptsächlich in Pakistan und Indien kultiviert wird. Sie besitzen einen bemerkenswert hohen Gehalt an Schleimstoffen (20-30%!!), die sich ausnahmslos in der äußeren Haut der Samenschalen finden. Das meist grob zerkleinerte oder granulierte Produkt wird pharmakologisch als Abführdroge gehandelt, wobei entweder die ganzen Samen oder nur die Samenschalen in Wasser eingeweicht und verzehrt werden. Nach 6 bis 12 Stunden setzt die Wirkung ein, die durch die aufgequollenen Schleimstoffe ausgelöst wird. Leider kommt es bei wenigen Menschen zu Allergien (bis zum anaphylaktischen Schock). Besonders heikel ist dies bei Fertigprodukten wie Cornflakes aus den USA, in denen immer auch ein Anteil Flohsamen als billiger Füllstoff enthalten ist.

Leinsamen wirken auf die gleiche Weise wie Flohsamen. Auch hier sind es vor allem die Quellsubstanzen und die sich aus den Samenschalen bildenden Schleimstoffe (3-10%), die dem Nahrungsbrei im Darm "Beine machen". Darüber hinaus sind in Leinsamen eine Reihe wertvoller Inhaltstoffe wie u.a. Lignane (die Wechseljahrsbeschwerden lindern sollen) oder die derzeit populäre Alpha-Linolensäure, eine essentielle, pflanzliche Omega-3-Fettsäure, der man als vermeintlicher "Radikalenfänger" einen positiven Einfluß auf rheumatische u.a. Beschwerden zuschreibt. Für die Verdauung ist allerdings auch hier nur die Schale des Leinsamens interessant. Als Zierstreuung auf Brot und Backwaren nützten die wertvollen Samen allerdings in dieser Hinsicht nicht, denn dafür müßten sie erst die Möglichkeit zum Quellen und Schleimbilden erhalten.

Zur Regulation einer trägen Verdauung sollte man auf folgendes Hausrezept zurückgreifen: Etwa eine Stunde vor dem Frühstück trinkt man eine Zubereitung aus 1 Tasse lauwarmer Buttermilch, 1/2 Löffel Honig und 1 Eßlöffel Leinsamen (quellen lassen!). Das schmeckt zum schütteln, aber es hilft...

Glycerinzäpfchen

Kommen wir zur eigentlichen Rezeptur, die man allerdings auch bereits fertig in der Apotheke kaufen kann. Zum Selbermachen benötigt man:

Glycerinzäpfchen

* 12 g Kakaobutter (Apotheke)
* 6 g Glycerin

* Wasserbad
* Zäpfchenform

Für einen kleinen Vorrat von etwa 6 Zäpfchen wird die Kakaobutter in einem kleinen Schmelztiegel im Wasserbad bei etwa 40°C geschmolzen. Dann rührt man vorsichtig das Glycerin unter und gießt die noch flüssige Masse in spezielle Zäpfchenformen, die man heute über das Internet beziehen kann. Beim Abkühlen verfestigt sich die Masse und kann im Kühlschrank mehrere Wochen lang aufbewahrt werden.

Im Ernstfall bringt so ein Glycerinzäpfchen schon nach 30 Minuten Erleichterung, das ist wesentlich schneller als alles, was sich durch salinische Mittel, Tabletten oder gar Anthrachinon-Drogen (s.o.) erreichen läßt. Dazu kommt, daß sich dieser Eingriff nur auf den unteren Abschnitt des Dickdarms beschränkt, ohne den gesamten Verdauungsweg zu belasten. Sanft ist es allerdings nicht!

Glycerin ist mit den zuvor erwähnten Xylit, Sorbit und Co verwandt, d.h. es wirkt hygroskopisch (wasseranziehend), bindet also sämtliches Wasser aus der Umgebung und sorgt auf diese Weise für eine Vergrößerung des Darmvolumens, mit entsprechend anstoßender Reizwirkung. Dafür braucht man Wasser. Anders gesagt: Wie bei jedem Abflußproblem scheint auch hier nichts ohne rechte Spülung zu gehen und das nicht nur zur Weihnachtszeit...

Erstveröffentlichung 2001
Neue, überarbeitete Fassung 15. Dezember 2011