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UMWELTLABOR/183: Das Märchen von der biologisch abbaubaren Waschlauge


Was weg ist, ist noch lange nicht weg

Selbst Ökowaschmittel halten nicht, was sie versprechen


Ein französisches Verbraucherinstitut brachte an den Tag, was viele schon lange ahnen. Das Prädikat "biologisch abbaubar", mit dem Umweltschützer bei dem Gebrauch von Haushaltschemikalien und Waschmitteln ihr Gewissen beruhigen, ist genaugenommen eine Farce. Laut eines Berichts im Deutschlandfunk vom 31. Oktober konnten die französischen Wissenschaftler nun bestätigen, daß sich kein Waschmittel schnell genug "abbaut", um Kleinstlebewesen in der Natur nicht mehr zu schaden.

Schalentiere und Algen, die der vermeintlich umweltfreundlichen Waschlauge in verschiedenen Verdünnungsstufen ausgesetzt wurden, starben oder konnten sich nicht mehr fortpflanzen. Selbst ausgesprochene Ökoprodukte wurden als schädlich für das Ökosystem bewertet. Mitfinanziert wurde die aufwendige Studie von den sechs Wassergesellschaften im Land. Denn allein drei Prozent des jährlichen Wasserverbrauchs in den privaten Haushalten geht für Wäschewaschen drauf. Das daraus resultierende Laugenwasser stellt demgegenüber 33 Prozent der in den Kläranlagen zu reinigenden Abwässer.

Wörtlich hieß es im Deutschlandfunk:

Mögen auch heutige Waschmittel viel unschädlicher sein für die Natur als ihre Vorgänger: was im Detail in den Weißmachern und Buntpflegern an Inhaltsstoffen steckt, bleibt das Geheimnis jedes Herstellers. Im Schnitt besteht ein Waschmittel aus 15 bis 25 unterschiedlichen chemischen Komponenten. Und wenn der Fabrikant angibt, seine Ware sei umweltschonend, dann legt er Labortests vor, die die Chemie der einzelnen Inhaltsstoffe je für sich untersuchen.
(DLF, Umwelt und Verbraucher 31.10.2006, 11:35 Uhr)

Dabei wird dann meist vergessen, daß der gesamte chemische Cocktail aus Enzymen, Tensiden, Weichmachern und Weißmachern, wenn er bei 30, 40 oder 60 Grad für eine bestimmte Zeitspanne in der Waschtrommel gut verrührt und durchgeschüttelt wird, geradezu ideale Voraussetzungen für chemische Reaktionen vorfindet, so daß die Vorgänge in der Waschlauge genaugenommen wie chemische Bedingungen in einem Reaktor betrachtet werden müßten. D.h. abgesehen davon, daß sich die einzelnen Stoffe und ihre Abbauprodukte gegenseitig synergistisch beeinflussen oder gar verstärken können, müßten sich streng genommen in der Abwasserlauge sogar noch unbekannte Endprodukte finden lassen, die ebenfalls ihren Einfluß auf Umwelt und Ökosysteme haben.

Die Herangehensweise der französischen Forscher, das reale Abwasser zu untersuchen, wie es nach dem Waschvorgang in die Umwelt entlassen wird, ist daher schon etwas aussagestärker als chemische Einzelprüfungen, auch wenn die Studie selbst über die konkrete Wirkung der stattfindenden chemischen oder biochemischen Reaktionen auf Lebewesen und Umwelt nichts aussagt.

Anhand von toxischen Untersuchungen mit sogenannten Bioindikatoren, denn dafür müssen Algen und Schalentiere meist herhalten, lassen sich bestenfalls etwas realistischere Aussagen über den normalen Alltag treffen. Nämlich ob so eine typische Waschlauge (und damit das Zusammenwirken aller vorkommenden Inhaltsstoffe) die Umweltbelastung erhöht oder nicht. Darüber, wie diese Umweltbelastung im einzelnen aussieht, hielten sich die Forscher allerdings bedeckt. Es ist anzunehmen, daß der Bioindikatorentest, wie er gewöhnlich auch in Kläranlagen durchgeführt wird, um eine Aussage über die Toxizität des vermeintlich ausreichend geklärten Wassers zu erhalten, tatsächlich die einzige umweltrelevante Aussage dieser Studie war, die sich dann in etwa auf die recht belanglose Aussage reduziert: Je mehr Fische sterben, um so "fischtoxischer" ist das Wasser.

Statt einen kritischen Hebel anzusetzen, wurden die Ergebnisse im Deutschlandfunk z.B. von Robert Victoria, Ingenieur beim Verbraucherinstitut INC, im weiteren nur verharmlost:

Bei dem Waschmittel mit den schlimmsten Auswirkungen auf die Natur stellen wir fest, dass dessen Waschlauge 1.800 Mal verdünnt werden müsste, um keinerlei schädliche Wirkung mehr zu haben. Die Produkte, die laut unserem Test die Umwelt in mittlerem Ausmaß belasten, richten, nachdem sie eine Kläranlage durchlaufen haben, normalerweise keinen Schaden mehr an. Denn da werden die Laugen schon 50 Mal verdünnt.
(DLF, Umwelt und Verbraucher 31.10.2006, 11:35 Uhr)

Dabei waren die Ergebnisse des französischen INC-Instituts doch drastisch genug: Laut DLF waren "unter den 35 Waschmitteln fünf Produkte als sehr stark umweltbelastend, 25 als stark belastend und gerade mal fünf als mittelbelastend eingestuft worden. Kein einziges Waschmittel erwies sich als wirklich umweltschonend." Was immer das auch im einzelnen heißen soll. Denn aus den veröffentlichten Prüfergebnissen, kann man nicht einmal ablesen, womit der umweltbewußte Verbraucher denn in Zukunft seine Wäsche waschen sollte:

Getestet wurde auch die Hausmarke eines deutschen Discounters, in Frankreich im Handel. Beim Waschmittel-Vergleich der Stiftung Warentest im Frühjahr 2005 wurde das Mittel mit der Note 2 für seine Waschergebnisse ausgelobt, in der französischen Studie aber taucht es als eines der am schlechtesten biologisch abbaubaren Produkte auf. [...]

Was das Waschen, Sauberkeit und schonende Pflege, angeht, stehen die flüssigen Waschmittel im Großen und Ganzen besser da als Pulver und Tabs. Auch wenn wir uns die biologische Abbaubarkeit anschauen, schneiden sie ein bisschen besser ab.

Die Waschmittel-Produzenten der überprüften Produkte erhielten die Ergebnisse vor der Veröffentlichung. Keiner stellte die Ergebnisse grundsätzlich in Frage. Doch für den Verbraucher bleibt es weiterhin unmöglich, an der Verpackung abzulesen, wie stark die Lauge die Umwelt tatsächlich belastet.

Zwar ist schon seit Oktober 2005 die neue EU-Regelung in Kraft, laut der alle Tenside, komplett biologisch abbaubar sein müssen. Doch abgesehen von den nicht berücksichtigten toxischen Begleitstoffen und den völlig unbekannten chemischen Komponenten, die aus der Wäsche und den Textilien selbst stammen (Appreturen, Farbstoffe) oder in Zukunft aus den zunehmend "intelligenter" werdenden Kleidungsstücken z.B. mit ihren modernen Schweißabwehrfunktionen (Silberionen etc.) zu erwarten sind, was die Waschlauge noch reaktionsfreudiger machen wird, ist auch ein garantiert biologisch abbaubarer Stoff noch lange nicht weg, wenn er analytisch nicht mehr als Ganzes vorhanden ist.

So reicht es z.B. bestimmten Dioxinen, daß nur ein Chloratom von Bakterien abgekaut werden muß, um sie analytisch nicht mehr als solche nachweisen zu können. Nach dem ebenfalls noch toxischen Folgeprodukt wird dann meistens nicht mehr gesucht. Und ein Tensid kann daher als vollständig biologisch abgebaut gelten, während seine Spaltprodukte fröhlich und völlig unkontrollierbar weiterreagieren und Ökosystem und Mikrowelt den Garaus machen.

2. Januar 2007