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UMWELTLABOR/223: Pflanzenwuchs - vom Retter zum Klima-Sündenbock (SB)


Ultraviolette Strahlung macht Pflanzen zu Methanproduzenten

Aufforstung allein ist keine Hilfe gegen die globale Erwärmung


Schon vor wenigen Jahren, als die Unausweichlichkeit der globalen Erwärmung noch nicht öffentlich zugegeben wurde, machte eine Meldung von sich reden, die jedoch schon bald wieder in Vergessenheit geriet: Grünpflanzen emittierten das Treibhausgas Methan.

Nicht nur die Rinder, die in ihrem komplizierten Celluloseverdauungssystem aus Grünfutter Methan produzieren und auch ausstoßen, nun auch die Pflanzen selbst sollten zu Sündenböcken des zunehmenden Treibhauseffekts deklariert und damit die weitverbreitete und hochdekorierte These ins Wanken gebracht werden, man könne dem Klimageschehen durch weltweite Aufforstung Einhalt gebieten.

Tatsächlich sind die mehr als Augenwischerei anzusehenden Konzepte wie die des Greifswalder Umweltchemikers Professor Fritz Scholz, der dafür plädiert, Bäume zu vergraben, um das an ihre Biomasse gebundene CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre zu entfernen, wesentlich populärer und weiter verbreitet, als die erstmals von dem deutschen Geochemiker, Frank Keppler, entwickelte These, Pflanzen förderten den Treibhauseffekt.

Während Scholz im Deutschlandfunk dafür Werbung machte, man könne schon 22 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes (der Jahresproduktion von 32 Gigatonnen) dadurch binden, indem man jeweils nur fünf Prozent der Landfläche der USA, Rußlands und der Europäischen Union, nur fünf Prozent der Flächen von Brasilien, des Kongos und Indonesiens dafür bereitstellen würde, Holz zu produzieren, das anschließend vergraben oder unter Tage gelagert wird, scheint es so, als habe man jetzt auch die wissenschaftliche Bestätigung für den konzeptionellen Gegenzug durch ein internationales Wissenschaftlerteam erhalten: Unter UV-Streß setzen Pflanzen tatsächlich Methan frei und das nicht nur, wenn sie absterben und von Mikroben zersetzt werden, sondern während ihres aktiven Lebens. Es ist nur noch nicht ganz raus, wie viel.

Auch wenn die fragliche Studie bei der Entscheidung zwischen Erhalt oder Rodung von Regenwaldgebieten noch nicht das entscheidende Argument für die ökonomischen Interessen liefern kann, so hat sie doch zumindest schon zu einer größeren Verunsicherung geführt. Denn ob der Mensch überhaupt in der Lage ist, die voranschreitenden Veränderungen noch abzubremsen oder gar umzukehren, scheint ohnehin fraglich. Und auch die Landwirtschaft hat rechtschaffende Gründe für ihre Expansion. Warum also aus ökologischen Gründen auf notwendige Agrarflächen verzichten, die zur Eindämmung des ständig wachsenden Hungers dringend gebraucht werden?

Umweltexperten, die es besser wissen könnten, schweigen sich aus und bauen nach wie vor, um Panik und Endzeitstimmung zu unterdrücken, auf das "Prinzip Hoffnung", d.h. sie unterstützen vor allem Projekte, die eine baldige Lösung des Problems versprechen.

Im Juli 2007 kam ihnen da kurzfristig eine Studie niederländischer Forscher zur Hilfe, mit der scheinbar die Hypothese von der pflanzlichen Methanproduktion widerlegt werden konnte:

In eigenen Experimenten konnten sie keinen nennenswerten Methan- Ausstoß messen. Studienleiter war Tom Dueck, Pflanzenphysiologe in Diensten eines staatlichen Agrarforschungsinstitutes in Wageningen:

"In ihrer Arbeit schrieben Keppler und seine Kollegen: Das Methan wird durch einen physiologischen Prozess gebildet, der in der Pflanze angelegt ist. So wie zum Beispiel die Produktion von Ethylen, eines gasförmigen Pflanzenhormons. Das konnten wir uns aber nur schwer vorstellen! Also haben wir eigene Versuche gemacht - und konnten nichts dergleichen bestätigen."
(DLF, Forschung aktuell 23.05.2008, 16:35 Uhr)

Diese Veröffentlichung gab dann wohl auch den Ausschlag, daß die ganze Fragestellung für längere Zeit in der Versenkung verschwand, denn nach einigem Aufruhr darüber, wer wohl letztlich Recht haben möge, blieb so doch praktischerweise alles beim alten. Man durfte weiter seine Bäume pflanzen und sich einbilden, der Welt damit einen Dienst erwiesen zu haben und gar Nobelpreise dafür erhalten.

Inzwischen stellte sich jedoch heraus - und das konnte die Gruppe um Keppler zusammen mit Kollegen aus den Niederlanden und Nordirland jetzt neuerlich bestätigen -, daß die Experimente von Tom Dueck keine exakten Wiederholungen der Versuche von Keppler waren, sondern daß bei den entscheidenden Versuchsbedingung einfach geschlampt worden war: "Ultraviolettes Licht!" Darüber sprach der Chemiker Ivan Vigano von der Universität Utrecht im Deutschlandfunk:

"Die Gruppe von Tom Dueck hat in ihren Versuchskammern mit Lampen gearbeitet, die kein UV-Licht abstrahlen. Deswegen konnte sie auch keine Effekte messen, die durch ultraviolette Strahlung ausgelöst werden."
(DLF, Forschung aktuell 23.05.2008, 16:35 Uhr)

Auf eine derart einfache Lösung des Widerspruchs wäre man allerdings nicht gekommen, zumal Sonnen- bzw. UV-Licht, wie jeder Pflanzenphysiologe am Beginn seiner Ausbildung lernt, für die Photosynthese und auch alle anderen Stoffwechselvorgänge in der Pflanze, z.B. die Produktion von ätherischen Ölen, angeblich unabdingbar ist. Diesen wichtigen Faktor im Versuchsaufbau zu ignorieren, zeugt davon, daß man bei den obigen Versuchen entweder von einer ganz anderen Fragestellung ausging oder aber die Untersuchungsmethoden im Hinblick auf gewünschte Ergebnisse manipulierte. Man nennt das in der Sprache der Forscher auch "Bias".

Während man vor zwei Jahren noch nicht wußte, wie das Methan in der Pflanze entsteht, sind Vigano, Keppler und ihre Kollegen auch in dieser Frage inzwischen weitergekommen. Ihrer Hypothese nach wird das Treibhausgas aus dem Pektin abgespalten, einer Gerüstsubstanz, die in pflanzlichen Zellwänden vorkommt. Mit Hilfe radioaktiver Markierungen wollen sie das fragliche Methan als Seitengruppe (Methoxygruppe) des Pektinmoleküls identifiziert haben. Starke UV-Strahlung spalte die Sauerstoffverbindung, Methan würde frei.

Da abgesehen von der globalen Erwärmung auch eine zunehmende Ausdünnung der vor kosmischer Strahlung schützenden Ozonschicht beobachtet werden kann, läßt sich vermuten, daß die Öffentlichkeit mit dieser Studie darauf vorbereitet werden soll, daß sich der beschriebene Mechanismus noch verstärken wird.

Inzwischen ist auch der ehemalige Kritiker Tom Dueck auf diesen Kurs umgeschwenkt. Laut Deutschlandfunk spricht er von einer "eleganten Studie", die die Wissenschaftler da vorgelegt hätten. Dueck könne sich nun sogar vorstellen, daß damit eine Erklärung dafür gefunden ist, warum über manchen tropischen Wäldern erhöhte Methan-Konzentrationen auftreten: Die Bäume selbst könnten das Gas emittieren. Dueck im Deutschlandfunk:

"Warum gibt es zum Beispiel eine so starke Methan-Fahne über dem brasilianischen Regenwald? Und warum bloß schwächere - sagen wir - in Indien oder in den Extra-Tropen? Wir dürfen nun annehmen, dass das so ist, weil sich die UV-Einstrahlung und die Menge an pflanzlicher Biomasse unterscheiden."
(DLF, Forschung aktuell 23.05.2008, 16:35 Uhr)

Angesichts solcher Tatsachen müssen sich Umweltorganisationen zwangsläufig fragen, ob der grüne Baum oder das Blatt in ihrem Logo noch tragbar ist oder zumindest mit einer kleinen chemischen Warnhinweisrhombe eingerahmt werden müßte. Das Opfer der für die notwendige Agrarproduktion nötigen Rodungen scheint dadurch erträglicher zu werden (zumal wenn sich die Bäume auch noch dauerhaft als CO2-Senke vergraben lassen). Ökonomischen Interessen Vorschub zu leisten, ist wohl auch die eigentliche Absicht solcher Studien. Nur hat, wer dabei etwas anderes als das "Zubetonieren" der freiwerdenden Flächen im Auge hat, auf jeden Fall zu kurz gedacht. Jede Form von Agrarwirtschaft baut letztlich wieder auf die Stoffwechselprozesse der Vegetation und damit auf potentielle Methanproduzenten.

Ein Hoffnungsschimmer bleibt noch: Ivan Vigano und seine Kollegen haben bisher noch nicht abschätzen können, welche Mengen an Methan wohl der gesamten Landvegetation abgegeben werden. Und obwohl - wie gesagt - keine Zahlen vorliegen, sind sich die Forscher laut Aussage des Deutschlandfunks jedoch in einem schon jetzt ganz sicher:

"Der Mensch beeinflusst das Klima zehn bis hundertmal so stark."
(DLF, Forschung aktuell 23.05.2008, 16:35 Uhr)

Also wieder mal nur ein Sturm im Wasserglas, oder?

27. Mai 2008