Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → CHEMIE

UMWELTLABOR/244: Zigarettenkatalysator - die neue Rauchergeneration saugt am Röhrchen (SB)


Gibt es den Katalysator gegen Zigarettenqualm?

Die neue Rauchergeneration saugt am Röhrchen


Laut jüngster Verlautbarung der Weltgesundheitsbehörde (WHO) stirbt jeder Dritte durch das Rauchen. Alle sechs Sekunden, hieß es dazu in einer Veröffentlichung der Vereinigung "lungenaerzte-im-netz.de" weiter, würde ein Mensch an den Folgen des Rauchens zugrunde gehen. Dabei behielten sich die Herausgeber dieser Meldung weitere Einzelheiten vor, welche Bestandteile des Tabakrauches bzw. welche Folgekrankheiten den Tod der angeblich am Rauchen Verstorbenen verursachen. Daß Rauchen gesundheitsschädlich bzw. tödlich ist, wird gewissermaßen schon als bekannte Tatsache vorausgesetzt. Jetzt geht es nurmehr darum festzustellen, daß dort, wo viel geraucht, auch besonders viel gestorben wird. Und hier sind es wieder einmal die in letzter Zeit so häufig in Zusammenhang mit Umweltsünden und unverantwortlichen Schadstoffemissionen gebrachten "Chinesen", die die Statistik anführen:

Besonders heftig betroffen ist China: Wenn dort weiter so stark geraucht werde wie bisher, rechnen Forscher mit 100 Millionen Chinesen, die bis zur Mitte des Jahrhunderts an den Folgen des Tabakkonsums sterben werden. Das geht aus einem Bericht der WHO hervor, der im Fachjournal CVD Prevention and Control (Online- Vorabausgabe am 21.01.2009) veröffentlicht worden ist. Demnach werde jeder dritte junge chinesische Mann einmal an einer Krankheit sterben, die mit dem Rauchen zusammenhängt. Spätestens im Jahr 2030 werde der Tabakkonsum für ein Drittel aller Todesfälle bei chinesischen Männern verantwortlich sein, wenn der Tabakkonsum nicht in großem Umfang zurückgehe.
(www.lungenaerzte-im-netz.de, 18. Februar 2009)

Tatsächlich ist der Zigarettenkonsum in China von 500 Milliarden Stück im Jahr 1978 auf mehr als 2000 Milliarden Stück im Jahr 2006 stark gestiegen. Das berichten Forscher von der Universität Oxford im British Medical Journal (2009, Band 338, Seite b302). Mit ihren Untersuchungen wollen sie belegen, daß beispielsweise schon 1990 etwa 12 Prozent aller Todesfälle bei Männern in der Altersgruppe der 35- bis 69jährigen in China durch Tabak verursacht worden waren. Nicht erwähnt wird allerdings, daß das Rauchen in China traditionell schon immer weit verbreitet war und sich allein die Zigarette als Rauchware erst durch zunehmende westliche Einflüsse, allen voran die amerikanische Werbung, überhaupt durchsetzen konnte. Es ist also weniger das Rauchen an sich als der Zigarettenkonsum, der hier als Veränderung festgehalten werden muß.

Nun erwarten die Wissenschaftler eine ähnliche Entwicklung wie in den USA, wo in derselben Altersgruppe der Anteil tabakbezogener Krankheiten unter den Todesfällen von 12 Prozent im Jahr 1950 auf 33 Prozent im Jahr 1990 angestiegen sei, nachdem der Tabakkonsum bzw. Zigarettenkonsum in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts stark angestiegen war.

Derzeit rauchen Chinesen, die etwa ein Fünftel der Erdbevölkerung ausmachen, ungefähr 30 Prozent der Zigaretten weltweit. Von diesen sterben den Angaben zufolge jährlich etwa eine Million an den Folgen des Tabakkonsums - dies sei mehr als in jedem anderen Land. Wegen der starken Zunahme des Rauchens zwischen 1950 und 1990 sowie seit 1999 werde das Risiko weiter stark steigen.
(www.lungenaerzte-im-netz.de, 18. Februar 2009)

Dafür, daß die steigenden Sterbestatistiken nicht allein der wachsende Zigarettenkonsum verursacht haben kann, spricht allerdings, daß im Unterschied zu anderen Ländern in den 1990er Jahren die Hälfte der vermeintlich tabakbedingten Todesfälle in China direkt mit der Lunge und zwar mit Emphysemen (chronische Lungenüberblähung) zusammenhängen sollen, nicht aber mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Anders gesagt, können die hier vermerkten mit dem zunehmenden Rauchen in Zusammenhang gebrachten Todesfälle nicht von der verstärkten Nikotinaufnahme herrühren, der man einen negativen Einfluß auf die Verengung von Herzkranzgefäßen nachsagt. Doch an die akute Wirkung des Nikotingiftes, d.h. die zentral stimulierenden Effekte, den feinen bis schwereren Tremor in den Händen und die erhöhte Atemfrequenz kann sich ein Freund des Blauen Dunstes durchaus gewöhnen. Darüber hinaus haben Chinesen nachweislich einen ethnisch bedingten Enzymmangel für den Abbau des Nikotins, sind somit ohnehin an höhere Blutspiegel des Giftes gewöhnt:

Laut einer Ausgabe der Fachzeitschrift "Journal of the National Cancer Institute, Bd.94, S.108, 2002" hatten US-Forscher herausgefunden, daß bei Amerikanern chinesischer Abstammung der Stoffwechsel das Nikotin deutlich langsamer abbaue als bei solchen angelsächsischer oder lateinamerikanischer Abstammung. Das wird unter anderem mit dem wesentlich geringeren täglichen Zigarettenkonsum begründet, mit dem Chinesen ihren Nicotinspiegel im Blut aufrecht zu erhalten vermögen.

Die hier erwähnten tödlichen Lungenerkrankungen können hingegen durchaus auch bei einer starken Belastung mit Luftschadstoffen und Feinstäuben beobachtet werden, von denen China durch die zunehmende Industrialisierung ebenfalls betroffen ist.

Allerdings wissen wir inzwischen, daß auch der Zigarettenrauch selbst, d.h. die Abgase oder Emissionen einer Zigarette, mit diesen lungenschädlichen Umweltschadstoffen sehr stark belastet ist. So hieß es in einer Mitteilung des Informationsdienstes Wissenschaft über Untersuchungen der Fachhochschule Düsseldorf zu diesem Thema:

Die Untersuchungen wurden mit schnellen optischen Messgeräten durchgeführt, die es ermöglichen, Feinstaubpartikel in den Größen PM10, PM2.5 und PM1 gleichzeitig zu bestimmen. Die Messungen ergaben bei den untersuchten fahrenden Autos ohne eingeschaltete Lüftung Spitzenkonzentrationen bei PM10 Partikeln von über 2000 µg/m3 nach kurzer Zeit durch den Abbrand einer Zigarette.

Bei eingeschalteter Lüftung ergaben sich je nach Betrieb - volle bis schwache Leistung - des Lüftungsgebläses eine Maximalkonzentrationen von PM10 zwischen etwa 400 und 900 µg/m3. Dabei erreichten die feineren lungengängigen Partikel PM2.5 und PM1 fast die gleichen Konzentrationen.
(idw, 22. Februar 2007)

Und Feinstaub kann alles sein, was eine bestimmte Partikelgröße nicht überschreitet: Angefangen mit den sogenannten PAKs (polycyclisch aromatische Kohlenwasserstoffe), die sich aus aromatischen Kohlenstoffen (z.B. Pflanzenschutzmitteln im Tabak) bei unzureichender Verbrennung in der Zigarette bilden können und die als krebserregend gelten, kann man die Feinstaubanteile des Zigarettenrauchs unter folgenden Kategorien zusammenfassen:

Aliphatische Kohlenwasserstoffe 3-5% Aromatische Kohlenwasserstoffe 1% Carbonylverbindungen 8-9% Alkohole (auch Methanol) 5-8% Ester 1% Säuren ca. 10% Basen 1% Nicotin und Nebenalkaloide 6-8% Phenole 1-4% Sterine 0,5-1% Nitrosamine ca 1%
(aus "Kaffee, Käse, Karies ... Biochemie im Alltag, Wiley-VCH 2003, Seite 121)

Der giftigste Bestandteil des Zigarettenrauchs ist nach wie vor ganz einfach Kohlenmonoxid (4,2%), das durch unvollständige Verbrennungsprozesse in der Zigarette entstehen kann.

Darüber hinaus verstecken sich hinter den einzelnen Gruppen manche sogenannte cancerogene Einzelsubstanzen wie Formaldehyd (das bei unvollständigen Verbrennungsprozessen entstehen kann), Nitrosamine (etwa 1µg pro Zigarette), Benzo(a)pyren (polycyclischer Kohlenwasserstoff, entsteht bei unvollständiger Verbrennung von organischen Materialien), radioaktive Isotope (Polonium-210), Schwermetalle (Arsen, Cadmium, Chrom und Vanadium). Alle diese sind zwar nur in Spuren vorhanden, werden aber zum größten Teil vom Raucher selbst direkt inhaliert. Der Filter einer Zigarette reicht schon lange nicht mehr aus, alle diese Stoffe zurückzuhalten.


*


Eine innovative Idee zur Schadensbegrenzung hatte dazu bisher nur der amerikanische Tabakmulti Philip Morris, die sich bislang jedoch nicht durchsetzen konnte, nämlich einen Katalysator, der den Zigarettenrauch vor seinem Austritt in die Umwelt unschädlich macht:

Dabei handelt es sich um einen kleinen, zylindrischen Safe mit dem bezeichnenden Handelsnamen "Accord", in den der Raucher die unangezündete Zigarette vor dem Rauchen verpackt. Zumindest für Passivraucher soll sich dadurch die Gefahr des Mitrauchens angeblich um 90 Prozent verringern. Diese wird dann beim ersten Zug von der Batterie des Gerätes elektronisch entzündet, erlischt jedoch sofort wieder - bis zum nächsten Zug.

Der von der Glut produzierte Qualm wird von einem kleinen Ventilator angesaugt und in einem Katalysator des Zylinders entgiftet, der ganz ähnlich wie der gesetzlich vorgeschriebene Kraftfahrzeugs-"Kat" funktioniert. In die Luft kommt dann also nur noch der vom Raucher ausgeblasene und durch seine Lunge gefilterte Rauch. Ob der Raucher mit einem derartigen Gerät noch zum vollendeten Genuß gelangt, ist allerdings fraglich, die Konsequenz dagegen absehbar: Sollte das Gerät - als Werbegag oder ernstzunehmender Luftfilter - Schule machen, dann wird es wohl nicht mehr lange dauern, bis der "Kat" für Zigaretten auch gesetzlich vorgeschrieben wird.

Der lässige Rauchertypus mit glühendem Glimmstengel im Mundwinkel bekäme zunehmend Museumswert und wandelte sich allmählich zu dem wenig attraktiven Image des intensiv an einem geigerzählerähnlichem Gerät Lutschenden. Der Begriff "Raucher" wäre damit gleichfalls überholt.

Abgesehen davon, daß nach heutigem Kenntnisstand der beste Katalysator einen feinstaubartigen Abrieb der darin verwendeten Schwermetalle produziert, also ein hochreaktives, lungengängiges Potential an die Umwelt abgibt, hat dieses Beispiel innovativen Werbemanagements einen weiteren, kleinen Haken: Es funktioniert nur mit einer von Philip Morris entwickelten Spezialzigarette, die sich leicht entzündet und schneller erstickt wird als herkömmliche Marken. Da fragt man sich doch, ob die dafür entwickelte Chemie auch gleich von dem "Kat" zurückgehalten wird...

19. Februar 2009