Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → FAKTEN

BERICHT/108: Entscheidende Grundlagen moderner Farbmessung (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 3 vom 17. Februar 2009

Entscheidende Grundlagen moderner Farbmessung
Wissenschaftler als Namensgeber in der Geschichte der TU Dresden (30)

Von Eckhard Bendin


Eine der Hauptaufgaben der Farbenlehre besteht darin, die Farbenwelt durch Maß und Zahl zu ordnen. Hierbei ist jedoch auf den Unterschied zwischen Farbreiz und Farbempfindung zu achten. Während wir unter "Farbreiz" die physiologische Wirkung der Strahlung des sichtbaren Spektralbereiches in einem "normierten Auge" verstehen, nennen wir das, was uns sehend bewusst wird, "Farbempfindung". Während die Farbempfindung eine psychologische Größe ist, die sich aufgrund ihrer subjektiven Varianz und Dynamik exakter Messbarkeit weitgehend entzieht, setzt die Erfassung eindeutiger Kennzahlen für einen Farbreiz die Annahme eines definierten "Normalbeobachters" voraus. Tatsächlich sind deshalb bis heute fast ausschließlich Maß- und Kennzahlen für den Farbreiz in Gebrauch, die rein aus gegebenen meßtechnischen und theoretischen Bedingungen abgeleitet wurden. Daraus darf man jedoch nicht den Schluss ziehen, die gesamte Farbmessung und -kennzeichnung sei willkürlich, weil die Einschränkungen nicht den dynamischen Bedingungen des wirklichen Farbensehens entsprächen.

Das Messen von Farbreizen unter definierten Bedingungen hat trotzdem zu vernünftigen Ergebnissen geführt, weil die eigentliche Farbempfindung dem Farbreiz in vielen Fällen parallel erscheint und sich dadurch als brauchbar erwiesen hat. Als in dieser Hinsicht für die Geschichte der Farbmessung bahnbrechend muss man die Jahre 1927 und 1928 hervorheben. Aus Veröffentlichungen in jenen Jahren resultieren grundlegende Erkenntnisse für die Theorie eines neuen Wissenschafts- und Anwendungsbereiches, den man zunächst "Farbreizmetrik", später auch "Farbvalenzmetrik" nannte. In besonderem Maße ist dies der Pionierarbeit des Photochemikers Robert Luther (1868-1945) zu danken, der von 1908 bis 1935 in Dresden als Gründungsdirektor des Wissenschaftlich-Photographischen Instituts an der Technischen Hochschule wirkte und sich insbesondere auch durch die Photographie vor neue Aufgaben der Licht- und Farbmessung gestellt sah.

Luther durchlief vordem eine insbesondere durch die Forscherpersönlichkeit Wilhelm Ostwald(1853-1932) geprägte akademische Laufbahn. Bevor Luther jedoch zu Ostwald an die Universität Leipzig kommt, absolviert der gebürtige Moskauer zunächst an der Universität Dorpat (heute Tartu/Estland) sein Chemiestudium, dem eine erste Assistententätigkeit am Technologischen Institut in St. Petersburg folgt. 1894 bewirbt sich Luther in Leipzig, um bei Wilhelm Ostwald am Institut für Physikalische Chemie zu promovieren. Bereits zwei Jahre später schließt er mit der Arbeit "Electromotrische Kraft und Verteilungsgleichgewicht" seine Promotion ab und wird Privatassistent an Ostwalds Institut. Durch die Entwicklung eines Kapillarelektrometers für Potentialmessungen entdeckt Luther eine Beziehung zwischen den Normalpotentialen von Metallionen unterschiedlicher Wertigkeitsstufen ("Lutherscher Satz").

1899 folgt seine Habilitation auf dem Gebiet der Photochemie durch die Arbeit "Die Verschiebung des Gleichgewichts zwischen den Halogenverbindungen des Silbers und dem freien Halogen durch das Licht". Luthers Hinwendung zu neuen Meßmethoden findet 1901 auch ihren Niederschlag in dem zusammen mit Ostwald herausgegebenen "Hand- und Hülfsbuch zur Ausführung Physiko-Chemischer Messungen". 1901 durch Ostwald bereits zum Subdirektor des Institutes ernannt, wird Luther 1904 außerordentlicher Professor für physikalische Chemie und schließlich 1906 auch mit der Leitung der photochemischen Abteilung betraut. 1908 folgte dann Luthers Berufung an die Technische Hochschule in Dresden als ordentlicher Professor und Gründungsdirektor des Wissenschaftlich-Photographischen Instituts, dem er bis zu seiner Emeritierung 1935 vorstand.

In Dresden arbeitete Luther vor allem zur Theorie des latenten Bildes, auf den Gebieten der Sensitometrie und der Farbenfotografie, befasste sich mit der Anwendung der physiologischen Optik auf Lichttechnik und Fotografie sowie Untersuchungen zur Empfindlichkeitsmessung fotografischer Materialien. Besondere Verdienste erwarb er sich beispielsweise im Zusammenhang mit der Ausarbeitung des deutschen Normverfahrens für die Bestimmung der Empfindlichkeit fotografischer Schichten. Als Schüler und Mitarbeiter Ostwalds war Luther auch früh mit Fragen der Ostwald'schen Farbenlehre in Berührung gekommen und hatte sich mit den Theorien seines Lehrers z. T. auch kritisch auseinandergesetzt. Neben Versuchen zur Farbenfotografie unter der Nutzung des Silberfarbbleichverfahrens beschäftigten Luther auch farbenphysiologische und farbenpsychologische Fragestellungen. In diesem Zusammenhang begründete Luthers Schrift "Aus dem Gebiet der Farbreiz-Metrik" von 1927 (in Z. techn. Physik 8, 540-555) gewissermaßen ein neues Kapitel, dessen Charakteristika sicher eng mit seinem Namen verbunden bleiben. Heute kennt beispielsweise jeder Wissenschaftler, der mit Farbmischung und -messung zu tun hat, auch die "Luther-Bedingung", die festlegt, wie Filter durch einen bestimmten Verlauf der spektralen Durchlässigkeitskurve, die jeweils an die Normspektralwertkurven x(lambda), y(lambda) bzw. z(lambda) angepasst ist, für eine trichromatische Farbanalyse bzw. -messung beschaffen sein müssen.

Luther baute auch die Theorie der sogenannten "Optimalfarben" aus. Er stützte sich dabei u.a. auf Ostwalds Definition der "Vollfarben" als optimale Körperfarben (1917) sowie Schrödingers "Theorie der Pigmente von größter Leuchtkraft" (1920). Unter Optimalfarbe versteht Luther die hellstmögliche und zudem gesättigtste Körperfarbe einer Farbart, die er durch die Maßzahlen M1, M2 und A ermittelt. Aus den beiden Farbmomenten M1 und M2 lässt sich ein Buntmoment bilden, das ein Maß für die Buntheit einer Körperfarbe darstellt, der Hellbezugswert A definiert zudem die Helligkeit. Aus jenen "Luther-Maßzahlen" resultiert auch Luthers Farbenkörper als dreidimensionale Darstellung der Summe aller Linienzüge gleicher Optimalfarben-Hellbezugswerte. Da praktisch gleichzeitig und unabhängig voneinander Robert Luther und N.D. Nyberg diese Körperform 1927/28 gefunden hatten, bezeichnete man sie fortan als "Luther-Nyberg-Farbkörper". Die gefundene Körpergestalt - ein Parallelepipedon mit gewölbten Kanten und Ecken - resultiert aus einer rechnerisch gestützten Konstruktion im idealen Farbraum.

Literaturhinweise
Manfred Richter: Einführung in die Farbmetrik. 2. Aufl. , Berlin. New York: de Gruyter 1980,
Klaus Mauersberger: Von der Photographie zur Photophysik. Dresden 2008


*


Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 20. Jg., Nr. 3 vom 17.02.2009, S. 8
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
Nöthnitzer Str. 43, 01187 Dresden
Telefon: 0351/463-328 82
Telefax: 0351/463-371 65
E-Mail: uj@tu-dresden.de
Internet: www.tu-dresden.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Februar 2009