Schattenblick → INFOPOOL → NATURWISSENSCHAFTEN → GEOWISSENSCHAFTEN


MELDUNG/270: Paläontologie - Schwermetall-Vergiftungen führten zu Massenaussterben (idw)


Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg - 25.08.2015

Schwermetall-Vergiftungen führten zu Massenaussterben


Nicht nur die Dinosaurier sind einst ausgestorben: Die Erdgeschichte hält noch weitaus dramatischere Ereignisse parat, in deren Folge stattliche Anzahlen von Arten für immer verschwanden. Die Gründe dafür sind nach wie vor weitgehend unbekannt. Doch nun haben Forscher der Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) eine bislang unbekannte Ursache für Massenaussterben entdeckt: Hohe natürlich verursachte Schwermetall-Belastungen im Vorfeld eines Aussterbeereignisses führten bei bestimmten Organismen zu einer Zunahme von Fehlbildungen, die somit als Vorboten der Katastrophe gelten können. Diese wegweisenden Ergebnisse sind jetzt in der renommierten Zeitschrift Nature Communications erschienen.*


Ob die Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren aufgrund eines Meteoriteneinschlags oder in der Folge von Klimaveränderungen ausgestorben sind, wird noch immer diskutiert, genauso wie die Frage, welche Rolle Meeresspiegeländerungen dabei gespielt haben. Gesichert ist jedoch, dass Massenaussterben in der Erdgeschichte immer wieder aufgetreten sind.

Blättert man im Tagebuch der Erde sehr weit zurück, zum Beispiel in das Erdaltertum (Paläozoikum), findet sich ein Superlativ: Vor rund 450 Millionen Jahren fand das zweitgrößte Massenaussterben der Erdgeschichte statt, bei dem mehr als die Hälfte aller Arten für immer von der Erde verschwanden. Daneben kam es im Erdaltertum auch zu zahlreichen kleineren Aussterbeereignissen, die in ihrem Muster jedoch dem zweitgrößten sehr ähneln und somit Rückschlüsse auf dessen Ursachen erlauben.


Vergiftete Fossilien

Nun bringen Forschungen des Paläontologen Prof. Dr. Axel Munnecke und des Paläobiologen Wolfgang Kießling vom GeoZentrum Nordbayern der FAU Licht ins Dunkel des Erdaltertums. In Kooperation mit Forschern aus Frankreich und den USA haben die FAU-Wissenschaftler circa 420 Millionen Jahre alte Ablagerungen libyscher Herkunft aus dem Zeitalter des Silur geochemisch untersucht und festgestellt: "Die im Bohrkern enthaltenen Mikrofossilien, die am Beginn eines Aussterbeereignisses abgelagert wurden, weisen nicht nur eine sehr hohe Anzahl von fehlgebildeten Organismen auf, sondern die Fossilien zeigen auch deutlich erhöhte Konzentrationen an zum Teil toxischen Elementen wie Arsen, Blei und Mangan", sagt Prof. Axel Munnecke. Wie es zu den Vergiftungen kam, weiß Munnecke ebenfalls zu erklären: "Vermutlich wurden toxische Verbindungen durch sogenannte ozeanische anoxische Ereignisse aus Tiefsee-Sedimenten freigesetzt und durch eine Ausbreitung dieser sauerstofffreien Wässer bis hin zu den flachen Schelfen transportiert, wo sie bei den dort lebenden Organismen zu gehäuften Fehlbildungen führten."


Fehlbildungen als Vorboten der Katastrophe

Für Organismen wie nur ein Zehntel Millimeter winzigen untersuchten Zooplankton-Vertreter Chitinozoen hatten die Schwermetall-Vergiftungen gravierende Folgen: Sie entwickelten zahlreiche Fehlbildungen. Damit schließen die FAU-Forscher den Kreis, "denn eine der Ähnlichkeiten bei den Massenaussterben im Erdaltertum ist es, dass zu deren Beginn oft weltweit ein gehäuftes Auftreten missgebildeter Organismen beobachtet wird", sagt Prof. Axel Munnecke. Dies gilt auch für das bereits erwähnte zweitstärkste Massenaussterben.

Die Wissenschaftler gehen daher noch einen Schritt weiter. Sie vermuten, dass auch andere Massenaussterben durch natürliche Schwermetallvergiftungen initiiert worden sein könnten. Das bedeutet nicht, dass die Organismen unmittelbar durch die Schwermetall-Vergiftungen getötet wurden, sondern dass die Metallanreicherungen im Ozeanwasser eine komplexe Verkettung von noch nicht vollständig verstandenen Ereignissen nach sich zogen, die letztlich zu den Massenaussterbeereignissen geführt haben. "Dann wären die Fehlbildungen die Vorboten der Katastrophe oder anders gesagt: die 'Kanarienvögel in den Kohleminen'."

(*) DOI: http://dx.doi.org/10.1038/ncomms8966



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution18

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg,
Dr. Susanne Langer, 25.08.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang