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MELDUNG/316: Anthropozän - Das Zeitalter des Menschen (idw)


Universität Wien - 26.04.2017

Anthropozän: Das Zeitalter des Menschen

WissenschafterInnen reagieren auf Kritik an einer neuen geologischen Zeiteinheit


Müllberge, Ölbohrungen, CO2-Anstieg - der Mensch hinterlässt gravierende Spuren auf unserem Planeten. In Wissenschaftskreisen ist eine Diskussion darüber entbrannt, ein neues Erdzeitalter auszurufen: das "Anthropozän". Die Anthropozän-Arbeitsgruppe der Internationalen Stratigraphischen Kommission, an der auch Erdwissenschafter Michael Wagreich von der Universität Wien beteiligt ist, hat in einem kürzlich erschienenen Fachartikel auf die Kritik am Vorschlag zur Einführung einer neuen geologischen Epoche reagiert.


Copyright: Michael Wagreich, Universität Wien

Die ForscherInnen bei einer Auflagerung anthropogener Ablagerungen des Anthropozäns auf Kreidesedimenten in der Nordwest-Türkei.
Copyright: Michael Wagreich, Universität Wien

Der Begriff des Anthropozäns - mit der Idee, dass der Mensch geologische Prozesse beeinflusst und verändert, geht auf den Nobelpreisträger Paul Crutzen aus dem Jahr 2000 zurück. Erst kürzlich haben die Mitglieder der internationalen Anthropocene Working Group, an der auch Michael Wagreich vom Department für Geodynamik und Sedimentologie der Universität Wien beteiligt ist, einen neuerlichen Vorstoß unternommen, das durch den Menschen beeinflusste Zeitalter im wissenschaftlichen Diskurs zu etablieren. Dabei weisen die AutorInnen erneut auf die unumkehrbaren Veränderungen auf der Erde hin, die sich nicht nur auf gesellschaftliche Trends beschränken.

"Das Konzept des Anthropozäns als geologische Einheit ist so neu und verblüffend, dass seitens der Geowissenschaften zunächst sehr viel Kritik geübt wurde, ob eine geologisch gesehen so kurze Zeitspanne eine solche Bedeutung zugemessen werden soll", erklärt Michael Wagreich. "Unsere Untersuchungen und viele andere Arbeiten anderer AutorInnen zeigen aber die naturwissenschaftliche Basis für das Konzept des Anthropozäns und bieten auf rein wissenschaftlichen Fakten beruhende Argumente für die neue Epoche."

Eines der wichtigsten Argumente: Das Anthropozän ist in den geologischen Ablagerungen angekommen und ist damit auch abseits der Human- und Sozialwissenschaften nachhaltig erkennbar. Anthropozäne Schichten sind eindeutig von jenen der erdgeschichtlichen Zeitaltern zuvor unterscheidbar und beinhalten deutliche Zeichen, wie etwa nicht natürlich vorkommende Materialien und Elemente, zum Beispiel Radionuklide, Plastik, Flugasche sowie Metalle wie Aluminium, Pestizide und Beton.

Das Konzept des neuen Erdzeitalters hat aber nicht nur in den Naturwissenschaften Anklang gefunden, sondern sich auch schnell in den Geisteswissenschaften verbreitet. Die Anerkennung als Einheit der geologischen Zeitskala würde einen bedeutenden Schritt in der globalen Anerkennung des Anthropozäns als durch den Menschen geprägtes Zeitalter und seiner globalen Veränderungen bedeuten.

"Unsere Arbeiten und Antworten auf die Kritiken bedeuten nicht, dass das Anthropozän sofort eingeführt wird. Dazu sind noch weitere wissenschaftliche Untersuchungen notwendig, die in einen formalen Vorschlag münden werden. Dieses muss einen 'Golden Spike' beinhalten, also einen Referenzpunkt in einer geologischen Schichtabfolge der den Beginn dieser neuen Zeiteinheit definiert", so Wagreich abschließend.


Publikation in "Newsletters on Stratigraphy":
Zalasiewicz, Jan; Waters, Colin N.; Wolfe, Alexander P.; Barnosky, Anthony D.; Cearreta, Alejandro; Edgeworth, Matt; Ellis, Erle C.; Fairchild, Ian J.; Gradstein, Felix M.; Grinevald, Jacques; Haff, Peter; Head, Martin J.; Ivar do Sul, Juliana A.; Jeandel, Catherine; Leinfelder, Reinhold; McNeill, John R.; Oreskes, Naomi; Poirier, Clément; Revkin, Andrew; Richter, Daniel deB.; Steffen, Will; Summerhayes, Colin; Syvitski, James P.M.; Vidas, Davor; Wagreich, Michael; Wing, Scott; Williams, Mark. Making the case for a formal Anthropocene Epoch: an analysis of ongoing critiques. In: Newsletters on Stratigraphy, Volume 50, Number 2, April 2017, pp. 205-226(22)
https://doi.org/10.1127/nos/2017/0385

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution84

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Wien, Stephan Brodicky, 26.04.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2017

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