Deutscher Wetterdienst - Pressemitteilung vom 27.04.2010
Pressekonferenz zum Klimawandel in Deutschland
Geschichte des Klimawandels ist nicht neu zu schreiben
Berlin, 27. April 2010 - "Die Geschichte des Klimawandels muss nicht neu geschrieben werden. Der Klimazug hat trotz seiner abwechslungsreichen Reise nach wie vor ein klares Fahrtziel. Er fährt bergauf." Dies sagte Wolfgang Kusch, Präsident des Deutschen Wetterdienstes (DWD), auf der jährlichen Klima-Pressekonferenz des nationalen Wetterdienstes in Berlin. Ein Jahr oder mehrere ohne neue Wärmerekorde seien kein Beleg für ein Ende des Trends zu höheren Temperaturen. "Wir müssen deshalb nach wie vor alle Kraft in die Verringerung der Treibhausgasemissionen stecken und uns heute schon auf die Folgen des Klimawandels einstellen." Angesichts dieser Fakten bedauert Kusch, dass die zum Teil berechtigte Kritik an einzelnen Aussagen des Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC auch dazu genutzt werde, die nach wie vor zutreffende wissenschaftliche Gesamtschau des Klimawandels in Frage zu stellen. "Hier muss man die Kirche im Dorf lassen. Jeder Fehler ist einer zu viel, muss korrigiert werden. Aber die Bilanz des letzten IPCC-Berichts gilt unverändert: Wir müssen handeln!"
Der Deutsche Wetterdienst wird seinen Beitrag zur Beobachtung und
Erforschung des Klimawandels ausbauen. Da man in der alltäglichen
Praxis nicht in Jahrhunderten, sondern in überschaubaren
Planungszeiträumen denke, wird der DWD mit anderen
Forschungseinrichtungen ein Klimavorhersagesystem für die kommenden
zehn Jahre entwickeln. Die Bundesbehörde nimmt außerdem 2010 ein
Klimarechenzentrum in Betrieb, um ein regionales Klimamodell für
Deutschland zu rechnen. Dies zeige: "Der Deutsche Wetterdienst ist die
einzige Institution in Deutschland, die einen vollständigen
Klima-Service von der Beobachtung bis zur Beratung anbieten kann." Ein
Eckpfeiler sei das 2009 eingerichtete Klimadatenzentrum (CDC) mit
seinen rund 100 Milliarden Klimadaten. Die Daten werden Forschern und
interessierten Institutionen online bereitgestellt. Vor wenigen Tagen
hat der DWD zudem den "Klimaatlas Deutschland" ins Internet gestellt.
Dieses in Deutschland einzigartige Angebot verknüpft aktuelle
Klimadaten mit den Mittelwerten der Vergangenheit und den Projektionen
der Klimaforschung bis zum Jahr 2100. Der "Klimaatlas Deutschland" ist
unter www.dwd.de/klimaatlas aufrufbar und wird ständig erweitert.
Klimawandel verändert die Landwirtschaft
Eine wichtige Zielgruppe der Klimaberatung ist die Landwirtschaft. Nach Einschätzung des DWD werden die deutschen Landwirte im Verlauf dieses Jahrhunderts aufgrund steigender Temperaturen zunehmend Wärme liebende Pflanzen einsetzen. Auf die zu erwartenden milden Winter kann mit der Umstellung auf Getreidesorten reagiert werden, die nicht so stark auf einen Kältereiz angewiesen sind. Außerdem sei künftig mit neuen Pflanzenarten wie Hirse oder Sudan-Gras auf den Feldern in Deutschland zu rechnen. Da auch die Winter milder werden, wird der Bodenfrost nicht mehr so tief in den Boden eindringen. Dadurch geht dessen den Boden auflockernde Wirkung zurück. Das senkt die Erträge.
Hier zeigt sich laut DWD die Ambivalenz des Klimawandels. Mehr
Kohlendioxid in der Atmosphäre und höhere Temperaturen bringen
Vorteile beim Wachstum und durch Mehrfachernten in Regionen mit guten
Böden und genug Wasser. Der Klimawandel könnte aber zugleich regional
auch zu geringeren Erträgen führen. Alle Landwirte müssen künftig auch
damit rechnen, dass mildere Winter die Gefahr von Schädlingsbefall
erhöhen - eine Herausforderung, auf die sich der Pflanzenschutz
vorbereiten muss. Ziemlich sicher könne man laut DWD heute schon
sagen, dass die nordeuropäische Landwirtschaft zu den Profiteuren des
Klimawandels gehören wird. Der Temperaturanstieg wird dort die
Anbaumöglichkeiten stark erweitern. Die südeuropäischen und vermutlich
auch die südosteuropäischen Bauern werden dagegen mit weniger
Niederschlägen auskommen müssen.
Der Wald in Deutschland wird anders aussehen
Bedrohlich für den deutschen Wald könnten höhere Temperaturen und
mildere Winter mit dann mehr Schädlingen wie Borkenkäfern oder Pilzen
sein. Der DWD rechnet damit, dass sich Waldbesitzer gegen kritische
Witterungseinflüsse und den Klimawandel schützen, indem sie Fichten
durch robustere Douglasien und Roteichen sowie für Schädlinge
besonders anfällig Monokulturen durch widerstandsfähigeren Mischwald
ersetzen. Das habe Folgen: "Der Anblick unserer Wälder wird sich in
diesem Jahrhundert deutlich verändern."
Das Klima in Deutschland im Jahr 2009
Das Jahr 2009 entsprach laut DWD ganz den Vorstellungen vom Klimawandel: Es war wieder zu warm - in Deutschland, in Europa und weltweit. Hierzulande erreichte das vergangene Jahr eine Durchschnittstemperatur von 9,2 Grad Celsius. Damit lag die Jahresmitteltemperatur um 0,9 Grad über dem Wert der internationalen klimatologischen Referenzperiode 1961-90. Das vergangene Jahr war das 13. wärmste seit 1881. In den anderen europäischen Staaten war 2009 ebenfalls wieder wärmer als im statistischen Durchschnitt. Dabei lag der Schwerpunkt der Erwärmung wie im Vorjahr im Osten und Norden Europas. Weltweit lag 2009 auf Rang 5. Zusammengefasst bedeutet das: 2009 brachte zwar keine neuen Rekorde - hat den Erwärmungstrend der vergangenen Jahrzehnte aber klar bestätigt.
Ein Blick in das 130 Jahre zurückreichende Klimaarchiv des DWD zeige, dass die Jahresdurchschnittstemperatur in Deutschland seit 1881 um 1,1 Grad gestiegen ist und das Jahrzehnt 2000 bis 2009 in Deutschland - und auch weltweit - die wärmste Dekade seit Beginn flächendeckender Messungen war. Das Archiv des DWD belege auch regionale Unterschiede innerhalb Deutschlands. So zeigt sich seit 1881 eine deutlich stärkere Temperaturzunahme im Westen im Vergleich zum Nordosten. Die Jahresniederschläge nahmen deutschlandweit um elf Prozent zu. In westlichen Ländern waren es bis zu 17 Prozent. In Ostdeutschland wurden nur einstellige Zuwächse beobachtet - in Sachsen sogar ein Rückgang von gut vier Prozent.
© DWD 1996-2010
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Quelle:
Pressemitteilung vom 27. April 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2010
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