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ASTRO/118: Das Universum im Computer (idw)


Heidelberger Institut für Theoretische Studien gGmbH - 25.05.2010

Das Universum im Computer

Der Astrophysiker Volker Springel leitet eine neue Forschungsgruppe am Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) - Berufung an die Universität Heidelberg - Computersimulationen sollen erklären, wie sich das Weltall entwickelt hat, und wollen die "Dunkle Materie ans Licht bringen"


Er befasst sich mit einem Thema, das im Experiment nicht zu untersuchen ist: Die Entwicklung des Universums seit dem Urknall. Der Astrophysiker Volker Springel hat deshalb Computersimulationen erstellt, mit denen er ein künstliches Universum erzeugt, um die Entstehung von Galaxien und Sternen zu verfolgen. Sein "Labor" steht im Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS), dem Forschungsinstitut der Klaus Tschira Stiftung. Dort baut Volker Springel seit März dieses Jahres die neu gegründete Forschungsgruppe 'Theoretical Astrophysics' auf. Die Stelle ist verbunden mit einer Professur für Astrophysik an der Universität Heidelberg, Dienstsitz ist das HITS. Die Berufung des renommierten Astrophysikers dokumentiert damit auch die gute und intensive Zusammenarbeit zwischen dem HITS und der Universität Heidelberg.

"Mit Volker Springel konnten wir einen exzellenten Wissenschaftler für diese neue Gruppe gewinnen", freut sich Stifter und HITS-Geschäftsführer Klaus Tschira. "Sein Themengebiet passt hervorragend in das Konzept des HITS, in seinen Forschungsfeldern große Datenmengen zu verarbeiten und zu strukturieren."

Volker Springel studierte Physik in Tübingen und Berkeley und promovierte im Jahr 2000 an der Ludwig-Maximilians-Universität München und dem Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA). Nach einer Postdoc-Tätigkeit am Harvard Center for Astrophysics kehrte er ans MPA zurück und leitete dort seit 2005 eine Forschungsgruppe über Numerische Kosmologie. Schon als junger Forscher wurde der Stipendiat der Studienstiftung mit Preisen wie der Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft oder dem Heinz-Maier-Leibnitz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet. Im November 2009 erhielt der Astrophysiker den mit 100.000 Euro dotierten Klung-Wilhelmy-Weberbank-Preis für Physik, eine der angesehensten Auszeichnungen für Nachwuchswissenschaftler in Deutschland.

Zu den Forschungsinteressen des 39-Jährigen gehören die Bildung von Sternsystemen und Schwarzen Löchern sowie die Numerische Kosmologie. Mit Simulationen, die gewaltige Datenmengen verarbeiten, geht er insbesondere der Frage nach der geheimnisvollen Dunklen Materie nach. Darunter versteht man Materie, die weder Stern noch Gaswolke ist, sondern aus noch unbekannten Elementarteilchen besteht. Sie gilt als kosmischer Kitt, der die Galaxien stabilisiert. Obwohl nach neuesten Schätzungen mehr als achtzig Prozent der Masse im All aus Dunkler Materie besteht, konnte ihre Existenz bislang noch nicht bewiesen werden.

"Mit unseren Simulationen wollen wir die Dunkle Materie quasi ans Licht bringen", so Volker Springel. Ein erster Schritt hin zu diesem Ziel gelang ihm in der sogenannten "Millenniums-Simulation": Er konstruierte gemeinsam mit Kollegen am MPI in Garching ein künstliches Universum und berechnete, wie sich das Weltall nach dem Urknall entwickelt, wenn es tatsächlich zum größten Teil aus Dunkler Materie besteht. Das Ergebnis verblüffte: Denn die beobachtete Verteilung der sichtbaren Materie stimmte relativ gut mit der Voraussage der Simulation überein.

In diesem Jahr startet Volker Springel ein neues Simulationsprojekt, das als "Millennium XXL" insgesamt 300 Milliarden Teilchen berechnet, dreißigmal so viel wie in der "Millenniums-Simulation". Initiiert und getragen wird das Projekt vom Virgo Consortium, einer internationalen Vereinigung von Astrophysikern, die sich kosmologische Simulationen mit Supercomputern auf die Fahnen geschrieben hat. Der Supercomputer für "Millennium XXL" steht in Jülich. In Heidelberg erarbeitet Volker Springel die Simulationssoftware dazu und wird im Sommer eine neue Version seines Simulationscodes "Gadget 3" veröffentlichen. Im September wird dann die "Theoretical Astrophysics"-Gruppe am HITS mit mehreren Postdoc-Mitarbeitern verstärkt, und mit dem Stanford-Professor Tom Abel hat sich auch der erste Gastwissenschaftler angekündigt.


Das Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS gGmbH) ist ein privates, gemeinnütziges Forschungsinstitut. Es ging am 01.01.2010 durch Namensänderung aus der EML Research gGmbH hervor und setzt deren Forschungsaktivitäten auf einer breiteren Grundlage fort. Als Forschungseinrichtung der Klaus Tschira Stiftung (www.klaus-tschira-stiftung.de) betreibt HITS Grundlagenforschung in verschiedenen Bereichen der Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik. Der methodische Schwerpunkt liegt bei der Theorie- und Modellbildung, wobei rechnergestützte Simulation und Datenerschließung eine zentrale Rolle spielen. HITS ist auf insgesamt ca. zehn Forschungsgruppen ausgelegt, die sich mit so verschiedenen Gebieten wie theoretischer Biochemie, molekularer Biomechanik, wissenschaftlichen Datenbanken, Computerlinguistik, theoretischer Astrophysik, medizinischer Statistik, Informatik u.ä. befassen sollen. Geschäftsführer der HITS gGmbH sind Dr. h.c. Klaus Tschira und Prof. Dr.-Ing. Andreas Reuter.

Weitere Informationen unter:
http://www.h-its.org/deutsch/presse/pressemitteilungen.php?we_objectID=694
HITS-Pressemitteilung
http://www.h-its.org/english/research/tap/index.php
Seite der Forschungsgruppe Theoretical Astrophysics (TAP)am HITS

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http://idw-online.de/pages/de/image116567
Computer statt Labor: Volker Springel an seinem Arbeitsplatz im HITS.

http://idw-online.de/pages/de/image116568
Ausschnitt aus der "Millennium"-Simulation. Der im Maßstab angezeigte Bereich umfasst mehr als 500 Millionen Lichtjahre.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution802


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Heidelberger Institut für Theoretische Studien gGmbH,
Dr. Peter Saueressig, 25.05.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2010