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ASTRO/153: Supernovae und kosmische Gammablitze - Teil 1 (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 3/11 - März 2011
Zeitschrift für Astronomie

Supernovae und kosmische Gammablitze
Teil 1: Neue Vielfalt der Erscheinungen

Von Hans-Thomas Janka, Sylvio Klose und Friedrich Röpke


Supernovae sind die apokalyptischen finalen Explosionen, mit denen Sterne ihre viele Millionen Jahre andauernde ruhige Entwicklung beenden. Im Zuge systematischer Suchkampagnen entdecken beobachtende Astronomen immer neue, von den Theoretikern seit Langem vermutete Ereignistypen. Doch unerwartete Funde stellen die theoretischen Modelle vor immer neue Herausforderungen.


In Kürze
Immer mehr Sterntypen erweisen sich als Vorläufer von Supernovae. Daraus ergeben sich vertiefte Einsichten in die zugrunde liegenden Mechanismen.
Zwei Energiequellen stehen für die Explosionen zur Verfügung: Die Gravitationsenergie aus dem Kollaps massereicher Vorläufer und die thermonukleare Energie aus der nahezu instantanen Verschmelzung der Atomkerne.
Die aktuelle theoretische Forschung untersucht, wie genau die Explosionen im Sterninneren ablaufen und wie die freigesetzte Energie an die Umgebung abgegeben wird.

Ohne Supernovae gäbe es weder Gesteinsplaneten wie unsere Erde noch die bekannten Wirbeltiere oder gar den Menschen. Die hellsten und energiereichsten Explosionen im Universum seit dem Urknall wirken als gewaltige Materieschleudern, die schwere chemische Elemente im All verteilen. Sie sind es, die das interstellare Gas mit den während der Sternentwicklung erbrüteten Elementen Kohlenstoff, Sauerstoff und Silizium anreichern; und sie erzeugen das Eisen, dessen Oxidation in unseren roten Blutkörperchen den Transport von lebensnotwendigem Sauerstoff aus der Lunge in alle Organe bewerkstelligt.

Supernovae sind so hell, dass sie ihre gesamte Heimatgalaxie überstrahlen können - und diese besteht immerhin aus einigen hundert Milliarden Sternen. Aus astronomischen Beobachtungen weiß man, dass die kinetische Energie der Explosionswolke etwa 1044 Joule beträgt. In seltenen Fällen ist die Explosionsenergie sogar zehn- bis hundertmal so hoch, bisweilen begleitet von einem enorm leuchtkräftigen Blitz, der allein schon die gesamte Energie einer gewöhnlichen Supernova enthalten kann. Solche Gammablitz-Supernovae spielen eine besondere Rolle, daher werden wir ihnen einen zweiten Teil unseres Artikels widmen. Supernovae und Gammablitze setzen innerhalb weniger Sekunden so viel Energie frei wie die Sonne in den rund fünf Milliarden Jahren ihrer bisherigen Existenz. Woher kommt diese gewaltige Energiemenge?


Energie aus stärkerer Bindung

Grundsätzlich stehen für die gewaltsame Zerstörung eines Sterns nur zwei hinreichend ergiebige Energiequellen zur Verfügung - seine gravitative und seine nukleare Bindungsenergie. Und in der Tat macht sich die Natur bei Sternexplosionen beide Quellen zunutze. Dementsprechend unterscheiden die Theoretiker zwischen Gravitationskollaps-Supernovae und thermonuklearen Supernovae. Um Gravitationsenergie freizusetzen, muss der Stern stärker gebunden werden: Es wird umso mehr Bindungsenergie freigesetzt, je stärker der Radius des Sterns schrumpft. Der Extremfall ist ein Kollaps zu einem kompakten Objekt, zum Beispiel zu einem Neutronenstern oder Schwarzen Loch. Die dabei freigesetzte Energie von 1046 Joule und mehr reicht bei Weitem aus, um eine Supernova-Explosion auszulösen, und wird in der Tat mit vielen Arten dieser Ereignisse in Verbindung gebracht. Um einen Gravitationskollaps zu erleiden, muss ein Stern aber mindestens acht bis neun Sonnenmassen in sich vereinen. Für so massereiche Sterne läuft die Entwicklung von der Sternentstehung bis zur Supernova sehr schnell ab. Deshalb kommen Gravitationskollaps-Supernovae nur in Ansammlungen von jungen Sternen vor.

Es muss jedoch auch noch einen grundsätzlich anderen Mechanismus geben, der nicht in der Erzeugung eines kompakten Objekts endet: Einerseits findet man in den Überresten einiger historischer Supernovae in unserer Galaxis keinerlei Hinweise auf ein kompaktes Relikt - die 1572 von Tycho Brahe beobachtete Supernova im Sternbild Cassiopeia (auch als B Cas bezeichnet, und nicht mit Cas A zu verwechseln!) ist hierfür das prominenteste Beispiel; ein weiteres ist eine Supernova, die um das Jahr 1600 in der Großen Magellanschen Wolke explodierte (siehe SuW 2/2011, S. 12). Andererseits tritt diese Art Supernovae als einzige auch in alten Sternpopulationen auf. Wie wir genauer erläutern werden, legen diese Tatsache und die Zusammensetzung ihrer herausgeschleuderten Gase nahe, dass solche - Typ Ia genannte - Supernovae thermonukleare Explosionen Weißer Zwerge, der alten Relikte masseärmerer Sterne, sind. Dabei entsteht die Energie aus der nuklearen Verbrennung eines Kohlenstoff-Sauerstoff-Gemisches, indem Atomkerne zu stärker gebundenen schwereren Kernen verschmelzen.


Klassifizierung von Supernovae

Anders als die theoretischen Astrophysiker klassifizieren die beobachtenden Astronomen Supernovae nicht nach der zugrunde liegenden Energiequelle, sondern anhand beobachteter Eigenschaften. Sehr weit entfernte Supernovae sind so lichtschwach, dass an ihnen nur fotometrische Messungen möglich sind. In diesem Fall gibt den Astronomen einzig der zeitliche Verlauf ihrer Helligkeit, also ihre Lichtkurve, Hinweise auf den Ereignistyp. Dabei werden Leuchtkraft und Form der Lichtkurve von zwei Faktoren bestimmt:

• Wie viel von der Stoßwelle aufgeheizte Materie wird bei der Explosion ausgeschleudert und mit welcher kinetischen Energie?

• Welche Menge radioaktiven Nickels wurde in der Frühphase der Explosion erzeugt und hat dann durch ihren radioaktiven Zerfall über viele Monate und Jahre hinweg die Wolke des ausgeworfenen Materials erhitzt?

Das nur langsam abklingende Nickelheizen ist der Grund für die enorme Strahlkraft der auseinander stiebenden Sterntrümmer noch lange nach der explosiven Zerstörung des Sterns. Durch Vergleich der gemessenen Lichtkurve mit theoretischen Modellen können die Astrophysiker noch wesentlich mehr erfahren als den Typ einer Supernova: Sie können die Masse des zerstörten Sterns einschränken, die Energie der Explosion abschätzen, und aus dem Verlauf der Helligkeit nach deren Maximum auf die Menge an zerfallendem Nickel und auf die Prozesse schließen, die bei der Explosion des Sterns eine Rolle spielten.

Bei nahen Supernovae dienen charakteristische Linien in ihren Spektren zur sicheren Klassifizierung. Zeigt das Spektrum Wasserstofflinien, so wird die Supernova als Typ II bezeichnet; die Untertypen II-L und II-P zeigen ein lineares (L) beziehungsweise ein plateauartiges (P) Abklingen der Lichtkurve nach dem Helligkeitsmaximum. Fehlen dagegen Linien von Wasserstoff und Helium, sind aber um den Zeitpunkt der maximalen Helligkeit starke Siliziumlinien vorhanden, so handelt es sich um ein Ereignis vom Typ Ia, weil Silizium bei der explosiven Verbrennung von Sauerstoff und Kohlenstoff entsteht. Fehlen Linien von Wasserstoff und Silizium, dann ordnen die Astronomen das Ereignis dem Typ Ib oder Ic zu, je nachdem, ob das Spektrum Heliumlinien aufweist oder nicht. Im Gegensatz zu den Explosionen Weißer Zwerge hat die Oberflächenstruktur eines explodierenden massereichen Sterns erheblichen Einfluss auf die sichtbare Erscheinung der Supernova. Nur wenn der Stern eine ausgedehnte Wasserstoffhülle besitzt, treten starke Wasserstofflinien im Spektrum auf; hat er seine äußeren Schichten dagegen durch kräftige stellare Winde oder durch die Wechselwirkung mit einem nahen Doppelsternbegleiter verloren, so fehlen in den Spektren die »Fingerabdrücke« von Wasserstoff und eventuell auch von Helium. Die Klassifikation ist in der Grafik rechts oben zusammengefasst.


Neue Arten im Supernova-Zoo

Allerdings musste diese klassische Einteilung in Supernovatypen in den vergangenen Jahren aufgrund neuer Entdeckungen erheblich erweitert werden. Bessere Beobachtungen und vor allem systematische Suchkampagnen fördern immer mehr Ereignisse zutage, deren Besonderheiten die Astronomen zur Einführung neuer Typen veranlassen. So fanden sich Supernovae, deren Vorläufersterne offenbar nur einen Teil ihrer Wasserstoffhülle abgestreift haben. Da bei ihnen nur kurzzeitig Wasserstofflinien sichtbar sind, bevor in ihren Spektren Heliumlinien auftauchen, stellen sie einen Übergang von Typ-II- zu Typ-Ib-Ereignissen dar und werden als Typ IIb bezeichnet. Andere Supernovae weisen extrem schmale Spektrallinien auf, die vermutlich bei der Wechselwirkung der Supernova-Strahlung mit dichtem, langsam bewegtem Gas in der Umgebung entstehen. Für diese Fälle wurden die neuen Klassen IIn und Ibn (n wie englisch narrow = schmal) definiert. Dagegen finden sich bei Ereignissen vom Typ Ib/c pec auffällig breite Spektrallinien, die sich durch sehr hohe Expansionsgeschwindigkeiten des herausgeschleuderten Gases erklären lassen. Dies erfordert zehn- bis fünfzigfach höhere Explosionsenergien als bei normalen Supernovae. Solche »Hypernovae« wurden in einigen Fällen in Verbindung mit Gammablitzen gesichtet; pec steht für das englische Wort peculiar = sonderbar.

Andererseits gingen den SupernovaFahndern »optische Transienten« ins Netz, die den Supernovae zwar ähneln, aber nicht recht in das bisher bekannte Schema passen - sie sind sie entweder ungewöhnlich hell oder extrem lichtschwach, oder zeigen in ihrem Spektrum Linien sonst kaum auffälliger chemischer Elemente. Unter den hellsten bislang gesichteten Ereignissen könnten sich die lange vermuteten, aber wegen ihrer Seltenheit vorher nicht entdeckten Paarinstabilitäts-Supernovae befinden. Sie werden erwartet, wenn Sterne mit etwa 150 bis 250 Sonnenmassen gravitativ instabil werden: In ihrem Inneren bricht der Strahlungsdruck zusammen, weil sich die Gammaquanten in Elektron-Positron-Paare umwandeln. Zum Zeitpunkt ihres Kollapses enthalten solche Sterne in ihrem Zentrum noch große Mengen an Kohlenstoff und Sauerstoff, die durch die Kompression thermonuklear zünden und so den Stern mit der 50- bis 100-fachen Energie einer normalen Supernova-Explosion zerstören. Dabei können mehrere zehn Sonnenmassen Nickel ausgeschleudert werden. Allerdings gibt es für die enorme Helligkeit der beob achteten Sonderlinge auch andere, kaum weniger spektakuläre Erklärungen.

Der ständig wachsende »Supernova-Zoo« gewinnt eine für die Astronomen überraschende Vielfalt. Er zeugt nicht nur von größeren Unterschieden als erwartet bei den Sternen, die durch Supernovae ihr Leben beenden, es scheint auch ganz unterschiedliche physikalische Vorgänge zu geben, die zur Explosion der Sterne führen. Trotz aller »zoologischen Detailarbeit« der Forscher sind längst noch nicht alle Zusammenhänge verstanden.


Supernovaklassifikationen

Verschiedene Typen von Supernova-Explosionen unterscheiden sich in ihrer absoluten Helligkeit und in der Form ihrer Lichtkurven. Nach einem Wochen bis Monate dauernden Helligkeitsmaximum folgt ein langsames Abklingen. In dieser Phase wird die Leuchtkraft durch den Zerfall des bei der Explosion erzeugten radioaktiven Nickels bestimmt. Die »Jahrhundert-Supernova« SN 1987A war als Explosion eines blauen Riesensterns relativ leuchtschwach. Besonders hell sind die energiereichen Hypernova-Explosionen, die wesentlich mehr Nickel als gewöhnliche Supernovae produzieren. Die Supernova SN 2006gy gilt als Kandidatin für eine Paarinstabilitäts-Supernova, die mehr als 20 Sonnenmassen Nickel in den Weltraum geschleudert haben könnte.

Entsprechend dem Schema rechts definieren Beobachter eine wachsende Vielzahl von Supernova-Typen anhand der in den Spektren auftretenden Linien des Wasserstoffs (H), Heliums (He) und Siliziums (Si) sowie der Form der Lichtkurven. Theoretiker unterscheiden die Supernovae nach den Energiequellen der Explosionen in thermonukleare Explosionen, Kernkollaps-Ereignisse (von denen Hypernovae eine besonders energiereiche Variante sind) und die im abgebildeten Schema nicht genannten Paarinstabilitäts-Supernovae, die ihre Explosionsenergie aus thermonuklearen Fusionsprozessen beziehen.


Thermonukleare Explosionen Weißer Zwergsterne

Wegen ihrer Assoziation mit alten Stern populationen und der Charakteristika ihrer Spektren lassen sich Supernovae vom Typ Ia durch die Freisetzung von Kernenergie in relativ massearmen Sternen erklären. Prinzipiell lässt sich Kernenergie durch Fusion leichter Elemente zu schwereren (bis hin zu Eisen und Nickel) gewinnen. Das kann sehr langsam geschehen, wie zum Beispiel beim Wasserstoffbrennen in unserer Sonne, aber auch sehr schnell, als thermonukleare Explosion.

Um abzuschätzen, ob ein solches Ereignis eine Supernova vom Typ Ia erklären kann, muss bekannt sein, welche Masse der explodierende Stern hatte, und woraus er bestand. Hier stoßen wir auf die größte Schwierigkeit der physikalischen Modellierung von Supernovae vom Typ Ia: Die Vorläufersterne dieser kosmischen Explosionen sind unbekannt und wurden bisher noch nie direkt gesichtet - ganz im Gegensatz zu den Gravitationskollaps-Supernovae, deren massereiche Vorläufer recht genau bekannt sind. Etliche von ihnen ließen sich vor der Explosion in astronomischen Archiven identifizieren.

Allerdings liefern uns astronomische Beobachtungen auch Hinweise auf die Sterne, die als Supernovae vom Typ Ia explodieren. Allein die Tatsache, dass sich noch keiner dieser Vorläufer identifizieren ließ, deutet auf ein relativ lichtschwaches Objekt hin. Darüber hinaus muss der Stern, wie wir bereits festgestellt haben, relativ massearm sein. Ein weiterer Anhaltspunkt ergibt sich aus der astronomischen Klassifizierung von Supernovae. Dass man in den Spektren vom Typ Ia keine Wasserstoff- und Heliumlinien findet, ist für astronomische Objekte sehr ungewöhnlich. Immerhin besteht der bei weitem überwiegende Anteil der sichtbaren Materie im Universum aus diesen beiden Elementen. Eigentlich gibt es nur eine Klasse von Sternen, die weitgehend wasserstoffund heliumfrei sind und trotzdem häufig genug vorkommen, um Supernovae vom Typ Ia erklären zu können. Das sind »Weiße Kohlenstoff-Sauerstoff-Zwerge«. Als Endstadien der Entwicklung von Sternen geringer und mittlerer Masse erfüllen sie auch die Forderung nach massearmen Vorläufern für Supernovae vom Typ Ia. Zudem sind Weiße Zwerge relativ lichtschwache Objekte.


Stellare Fusionsbomben

Identifizieren wir nun Supernovae vom Typ Ia mit thermonuklearen Explosionen von Weißen Kohlenstoff-Sauerstoff-Zwergen, so kennen wir den Brennstoff. Weiße Zwergsterne sind extrem dichte Objekte. Deshalb vollzieht sich thermonukleares Brennen in ihnen so weit wie nur energetisch möglich: Bei den für den größten Teil ihrer Masse herrschenden hohen Dichten entstehen Elemente der Eisengruppe. Insbesondere wird das Isotop 56Ni in großen Mengen synthetisiert. Bei der thermonuklearen Verbrennung von Kohlenstoff-Sauerstoff-Material zu 56Ni werden etwa 1011 Joule pro Gramm Brennstoff freigesetzt. Das ergibt sich aus der Differenz der Bindungsenergie der beteiligten Kerne.

Damit lässt sich leicht errechnen, wie viel Energie bei einer thermonuklearen Supernova-Explosion zur Verfügung steht - wenn die Masse des explodierenden Weißen Zwergs bekannt ist; das ist aber leider nicht der Fall. Allerdings gibt es für die Masse Weißer Zwerge eine sehr genau bestimmte obere Grenze von rund 1,4 Sonnenmassen, die sich aus fundamentalen physikalischen Prinzipien ergibt. Diese Grenze wurde erstmals 1931 von Subrahmanyan Chandrasekhar berechnet und ist nach ihm benannt (siehe Kasten). Bei der thermonuklearen Verbrennung von 1,4 Sonnenmassen eines Gemischs aus Kohlenstoff und Sauerstoff zu Nickel entstehen 2 x 1044 Joule an Energie - ausreichend für eine Supernova-Explosion.


Die Chandrasekharsche Grenzmasse

In ausgekühlten, akkretierenden Weißen Zwergen verhindert der quantenmechanische Entartungsdruck der Elektronen in ihrem Inneren den Kollaps unter der Last der äußeren Schichten. Der Entartungsdruck ist Folge des Paulischen Ausschlussprinzips, das die mehrfache Besetzung der quantenmechanischen Zustände in einem Teilchen-Ensemble verbietet. Ist das Innere des Weißen Zwergs im Sinne des Pauli-Prinzips »dicht besetzt«, so bezeichnet man die eingeschlossene Materie als »entartet«, eine weitere Verdichtung unter der Last der akkretierten Massen ist nicht möglich. Allerdings kann der Entartungsdruck den Kollaps nur bis zu einer oberen Grenzmasse verhindern. Wird diese »Chandrasekharsche Grenzmasse« durch Akkretion überschritten, so kollabiert der Weiße Zwerg zu einem Neutronenstern.


Das entstehende 56Ni hat einen wichtigen Effekt: Es macht die Supernova hell und verleiht der Lichtkurve einen charakteristischen Verlauf. Die thermische Emission des heißen Materials während der Explosion kann dies nicht leisten, denn wegen ihrer gewaltigen kinetischen Energie dehnt sich die Explosionswolke rasch aus und kühlt dabei ab. Damit sollte die Helligkeit der Supernovae schnell abfallen - was aber nicht beobachtet wird. Ihre Helligkeit bleibt für einige Tage hoch und fällt erst über mehrere Wochen und Monate langsam ab. Mit großen Teleskopen lassen sich die Supernovae noch nach Jahren beobachten. Deshalb muss ein anderer Mechanismus als thermische Emission am Werk sein. Die Lichtkurve lässt sich mit dem erzeugten 56Ni erklären, weil dieses Isotop instabil ist: Es zerfällt mit einer Halbwertszeit von 6,1 Tagen zu 56Co, das wiederum mit einer Halbwertszeit von 77,2 Tagen zu 56Fe zerfällt (siehe das Zerfallsschema unten). Der größte Anteil an Eisen im Universum ist auf diese Weise entstanden - auch das Eisen auf der Erde und in unserem Blut. Bei diesem Zerfallsprozess werden Gammastrahlung und Positronen freigesetzt, die aber nicht einfach aus der Explosionswolke entkommen können. Durch Streuung an den Atomen in der Wolke werden sie in optische Strahlung umgewandelt, und das führt zur extremen Helligkeit der Supernovae vom Typ Ia.


Die Chandrasekharsche Grenzmasse

Die absolute Helligkeit der Supernovae vom Typ Ia und ihr zeitlicher Verlauf variieren nur in engen Grenzen. Deshalb eignen sie sich besonders als »Standardkerzen« zur Bestimmung fotometrischer Entfernungen und zur Ableitung kosmologischer Parameter. Entfernungsmessungen anhand dieser Supernovae belegten in den späten 1990er Jahren erstmals die beschleunigte Expansion des Universums, aus der auf die Existenz der geheimnisvollen »Dunklen Energie« geschlossen wird, die heute die kosmische Entwicklung dominiert. Lange Zeit galt diese Homogenität der beobachteten Supernovae vom Typ Ia als Hinweis darauf, dass für die Explosion stets gleich viel Brennstoff zur Verfügung steht. Mit anderen Worten: Die Vorläufersterne haben stets die gleiche Masse.

Bei der Modellierung der Supernovae vom Typ Ia liegt es daher nahe, für den Vorläuferstern von der Chandrasekhar-Masse auszugehen, welche die Grenze der Stabilität Weißer Zwerge markiert. Allerdings ist die Masse Weißer Zwerge bei deren Entstehung weit geringer. Deshalb dürfte das Vorläufersystem ein Doppelstern sein, dessen eine Komponente der Weiße Zwerg ist, auf den von der anderen Komponente Materie übertragen wird. (siehe Bild unten). Bei der Annährung an die Chandrasekharsche Grenzmasse steigt die Dichte im Zentrum des Sterns stark an, und nukleare Fusionsreaktionen können zünden. Zunächst aber kommt es nur zu einem »Köcheln« - konvektiv gekühltes Kohlenstoffbrennen setzt ein. Diese Phase ist theoretisch noch kaum verstanden, weil starke Turbulenz auftritt, die sich schwer modellieren lässt. Nach etwa einem Jahrhundert zündet an einem oder mehreren Zündpunkten nahe dem Zentrum des Weißen Zwergs eine thermonukleare Flamme. Sie verbrennt den Stern innerhalb von nur etwa zwei Sekunden vollständig in der eigentlichen Supernova-Explosion. Die thermonuklere Flamme ist im Vergleich zu den Ausmaßen des Sterns extrem dünn. Für die Ausbreitung solcher »Brennfronten« gibt es zwei Möglichkeiten. Sie können sich entweder mit Unterschallgeschwindigkeit durch Wärmeleitung, oder schneller als der Schall durch Stoßwellen fortpflanzen. Im ersten Fall nennt man sie Deflagrationen, im zweiten Detonationen.

Um in einem Weißen Zwerg, der die Chandrasekharsche Grenzmasse erreicht hat, eine Explosion herbeizuführen, deren Verlauf mit den Eigenschaften der Supernovae vom Typ Ia übereinstimmt, muss die Flamme zunächst als Deflagration zünden. Diese brennt vom Zentrum des Sterns aus in Richtung Oberfläche, und das führt zu einer inversen Dichteschichtung im Gravitationsfeld des Weißen Zwergs mit kaltem und dichtem Brennstoff über leichter und heißer nuklearer Asche. Dadurch kommt es zu Auftriebsinstabilitäten. Pilzförmige Blasen aus brennendem Material steigen in das unverbrannte Kohlenstoff-SauerstoffGemisch auf. An den Grenzflächen führen Scherinstabilitäten zu starker Verwirbelung. Die entstehende Turbulenz wechselwirkt mit der Flamme, die nun von großen und kleinen Wirbeln verformt wird. Dadurch vergrößert sich die Flammenoberfläche und die Brennrate steigt - ähnlich wie bei der Verbrennung von Treibstoff in einem Automotor - stark an (siehe Bild).

Diesen für die erfolgreiche Explosion des Sterns fundamentalen Effekt richtig zu simulieren, stellt höchste Ansprüche an die numerischen Verfahren und an die Rechenkapazität. In der Arbeitsgruppe »Supernovae vom Typ Ia« am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching (MPA) haben wir einen Computercode entwickelt, der die turbulente Brennphase konsistent darstellt. Die damit vorhergesagten thermonuklearen Explosionen kommen zwar aber zu leuchtschwach und zu energiearm, um normale Explosionen vom TypIa zu erklären. Ein Ausweg, den wir derzeit untersuchen, besteht darin, dass die Flamme in einer späten Brennphase von der anfänglichen Unterschall-Deflagration in eine Überschall-Detonation übergeht (siehe Bild auf S. 36-37 oben). Damit kann mehr Material bei hohen Dichten verbrannt werden, und es ergibt sich eine hellere und energiereichere Explosion.


Explodieren auch Weiße Zwerge mit anderen Massen?

Diese »verzögerten Detonationsmodelle« sind eine vielversprechende Möglichkeit zur Erklärung normaler Supernovae vom Typ Ia. Trotzdem decken sie keinesfalls die Vielfalt der beobachteten Helligkeiten und Explosionsstärken ab. Wie einleitend erwähnt, werden bei aufwendigen Himmelsdurchmusterungen immer neue Ereignisse entdeckt, die entweder viel heller oder viel schwächer als normale Supernovae vom Typ Ia sind, während sich andere Objekte grundsätzlich in ihren spektralen Eigenschaften abheben. Diese Beobachtungen deuten darauf hin, dass Supernovae vom Typ Ia viel inhomogener sind als bisher angenommen und mehrere Unterklassen enthalten. Sie alle im Rahmen des Chandrasekharschen Massenparadigmas zu erklären scheint schwierig. Deshalb untersuchen wir am MPA verstärkt Szenarien, in denen der explodierende Weiße Zwerg eine andere Masse besitzt.

Wie aber kann man einen Weißen Zwerg unterhalb der Chandrasekhar-Masse zur Explosion bringen? In diesem Fall ist die Dichte in seinem Zentrum zu gering, um spontan nukleares Brennen zu zünden. Deshalb muss eine externe Kompression auf den Stern wirken. Diese kann zum Beispiel dadurch erzeugt werden, dass von einem Begleitstern Helium auf der Oberfläche des Weißen Zwergs angelagert wird. Wenn die Heliumschale eine bestimmte Masse erreicht, wird an ihrem Boden der Druck groß genug, um eine Detonation zu zünden, und die Heliumschale verbrennt. Dies allein reicht noch nicht für eine Supernova-Explosion aus. Die Detonation in der Schale aber treibt eine Druckwelle in den Kohlenstoff-Sauerstoff-Kern hinein. Dort komprimiert sie das Material so weit, dass eine zweite Detonation zündet. Diese verbrennt nun den Kern des Sterns und führt zu einer Explosion. Damit ist eine thermonukleare Supernova möglich, bevor der Weiße Zwerg die Chandrasekhar-Masse erreicht hat. Bisher von uns durchgeführte Rechnungen deuten darauf hin, dass derartige Modelle ebenfalls einen großen Teil der Supernovae vom Typ Ia erklären könnten.

Ist es möglich, ein Objekt zur Explosion zu bringen, dessen Masse oberhalb der Chandrasekhar-Grenze liegt? Auch solche Szenarien wurden vorgeschlagen, etwa um ungewöhnlich helle Supernovae zu erklären. Dabei wird angenommen, dass es im Universum recht häufig zur Verschmelzung zweier Weißer Zwerge kommt. Obwohl deren Massen einzeln unterhalb der Chandrasekhar-Masse liegen, kann die Masse des in der Verschmelzung gebildeten Objekts diese Grenze leicht überschreiten. Vor Kurzem haben wir am MPA den Fall untersucht, in dem zwei Weiße Zwerge gleicher Masse miteinander verschmelzen (siehe die Bildsequenz unten): Dann verläuft die Verschmelzung besonders heftig. Ein Teil des Materials wird zu so hoher Dichte und Temperatur komprimiert, dass eine Zündung möglich wird, und eine Detonation führt zur thermonuklearen Explosion. Doch trotz der hohen Gesamtmasse des Objekts muss daraus nicht zwangsläufig ein sehr helles Ereignis resultieren. Die Helligkeit hängt im Wesentlichen von der Menge des erzeugten 56Ni ab, und diese wiederum ergibt sich aus der Dichte des Brennstoffs. Bei der Verschmelzung zweier Weißer Zwerge mit 0,9 Sonnenmassen entsteht beispielsweise nur so wenig 56Ni, dass die vorhergesagten Beobachtungsgrößen zwar zu einer besonders lichtschwachen Unterklasse von Typ-Ia-Supernovae gut passen, aber normale und »superhelle« Objekte können sie nicht erklären.


Gravitationskollaps-Supernovae

Obwohl kein Zweifel daran besteht, dass das Leben von Sternen mit mehr als der acht- bis neunfachen Sonnenmasse in einem Gravitationskollaps endet, ist unser Wissen über den genauen Ablauf solcher Ereignisse und den Zusammenhang von Supernova- und Sterneigenschaften nach wie vor lückenhaft. Das liegt einerseits daran, dass nur von wenigen Vorläufersternen Beobachtungsdaten vorliegen, und dass sich charakteristische Sterngrößen, wie Geburtsmasse, Rotation, Massenverlust und Metallgehalt, über den Vergleich von Farbe und Helligkeit dieser Sterne mit theoretischen Entwicklungsrechnungen nur schwierig und unsicher bestimmen lassen. Ähnlich verhält es sich mit den Explosionseigenschaften (Energie, Masse des entstehenden Nickels und der Ejekta, Asymmetrie). Auch sie ließen sich bislang nur für wenige Supernovae genau analysieren, vorwiegend über den Abgleich der gemessenen Spektren und Lichtkurven mit stark vereinfachten und in vielen Aspekten durch parametrisierte Annahmen beschriebenen Explosionsmodellen.

Die selbstkonsistente Modellierung von Kollaps und Explosion massereicher Sterne stellt physikalisch wie numerisch eine gewaltige Herausforderung dar. Sie ist aber notwendig, um der Antwort auf die grundlegende Frage näher zu kommen, warum und mit welcher Energie ein Stern explodiert. Neben der Bewegung des stellaren Plasmas in einer, zwei oder drei Dimensionen (entsprechend Kugel- oder Axialsymmetrie beziehungsweise ohne eine vereinfachende Symmetrieannahme) müssen die komplizierten Eigenschaften des Sterngases von Bedingungen wie auf der Sonnenoberfläche bis zu exotischen Materiezuständen bei zehnfacher Atomkerndichte im Zentrum von Neutronensternen beschrieben werden.

Nukleares Brennen spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Erzeugung von Neutrinos, fast masselosen Elementarteilchen, die bei den gewaltigen Dichten und Temperaturen in den Kernbereichen sterbender Sterne in riesigen Mengen (mehr als 1058) erzeugt werden. Die Beschreibung der Neutrinoeffekte im Sterninnern ist für das Verständnis der Abläufe beim Sternentod wesentlich, bringt aber selbst die größten vorhandenen Superrechner an ihre Grenzen. Zudem müssen für viele Fragen die Effekte der allgemeinen Relativitätstheorie und von Magnetfeldern berücksichtigt werden. Wegen der Komplexität dieses Gesamtproblems gibt es trotz mehrerer Jahrzehnte der Entwicklungsarbeit an immer besseren Methoden und nach vielen Generationen von Computermodellen noch immer keine in allen Aspekten rigorose Berechnung von Sternkollaps und -explosion. Dennoch gab es bedeutende Fortschritte, und neuerdings bringen immer besser gewordene mehrdimensionale Rechnungen Ergebnisse, aus denen sich allmählich ein interessantes Bild herauskristallisiert.


Am Ende steht der Kollaps

In einer Abfolge nuklearer Fusionsreaktionen, die ausgehend vom Wasserstoffbrennen erst Helium, dann Kohlenstoff, Sauerstoff, Neon, Magnesium und Silizium bei immer höheren Temperaturen und Dichten erzeugen, entwickeln massereiche Sterne eine zwiebelartige Struktur: In ihrem Innern entsteht ein Kern aus Eisen, umgeben von der in Kugelschalen angeordneten »Asche« vergangener Brennphasen (siehe Kasten »Kernkollapsphasen« auf der nächsten Seite).

Im Zentrum des Sterns bedeutet die Verbrennung von Silizium zu Eisen das Ende des Fusionsprozesses. Da die Elemente der Eisengruppe die höchste nukleare Bindungsenergie pro Nukleon haben, ist ein weiterer Energiegewinn durch Kernfusion nicht möglich. Eine gewisse Weile kann sich der wachsende Eisenkern auch ohne innere Energiequelle durch den quantenmechanischen Druck extrem dicht gepackter (»entarteter«) Elektronen gegen die eigene Schwerkraft halten (siehe Kasten auf S. 32). Nähert sich die Masse des Eisens jedoch der Chandrasekhar-Grenze (aus verschiedenen Gründen liegt das exakte Stabilitätslimit leicht darüber oder darunter), so führen Teilchenreaktionen im stellaren Plasma zu einer Abschwächung des Druckanstiegs. Damit wird der Kollaps des stellaren Kerns unausweichlich. Er führt zur Bildung eines Neutronensterns oder eines Schwarzen Lochs im Zentrum des sterbenden Sterns, dessen innere Schichten nach und nach auf das kompakte Objekt herabstürzen.

Wie kommt es dann zur Supernova-Explosion, die einen großen Teil der Sterngase mit Geschwindigkeiten bis zu mehreren 10.000 Kilometern pro Sekunde auseinander treibt? Wie lassen sich die bei der Bildung des kompakten Überrests freiwerdenden gewaltigen Mengen gravitativer Bindungsenergie für die Explosion nutzbringend anzapfen? Welcher physikalische Mechanismus schafft es, den fortschreitenden Kollaps des Sterns aufzuhalten und umzukehren? Für dieses oft als Supernova-Rätsel bezeichnete Problem wurden seit den 1960er Jahren verschiedene Lösungsvorschläge untersucht.


Kernkollapsphasen

Wenn ein massereicher Stern das Ende seiner Entwicklung erreicht, besteht er aus den schalenartig geschichteten Endprodukten abgelaufener Kernfusionsreaktionen (1). Jetzt wird der innerste, stellare Eisenkern gravitationsinstabil und kollabiert zu einem Neutronenstern (2). Sobald im Zentrum die Dichte der Kernmaterie erreicht ist, prallt das nachfolgende Material zurück (3). Nach kurzer Expansionsphase stagniert der Supernovastoß durch Energieverluste (4), anschließend setzt die Expansion durch starkes Heizen der aus dem entstehenden Neutronenstern in hohen Flüssen abströmenden Neutrinos wieder ein (5). Die Energiezufuhr durch diese Neutrinos führt zum Einsetzen der eigentlichen Supernova-Explosion; dabei wirken konvektive und andere hydrodynamische Instabilitäten unterstützend und machen die Explosion asphärisch (6). Bei fortschreitender Supernova-Explosion kommt es durch die Fusion von Silizium zu dem bei der Explosion erzeugten radioaktiven 56Ni (7).

(Grafiken der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht.)


Wege zur Explosion

Wenn der zentrale Bereich des kollabierenden stellaren Kerns beim Erreichen der Dichte von Atomkernen durch die plötzliche Inkompressibilität abrupt abstoppt und dem nachfallenden Gas entgegen schwingt, entsteht eine Stoßfront. Die ursprüngliche Hoffnung, diese Stoßwelle könnte in einem rein hydrodynamischen Rückprallmechanismus direkt die Explosion verursachen, ließ sich auch durch immer bessere Computersimulationen nicht bestätigen. Der Stoß erweist sich als zu schwach, um die Energieverluste auf dem langen Weg aus dem dichten Sternkern wegzustecken, und verliert schon nach 100 bis 200 Kilometern seinen Schwung. Was könnte ihm neue Energie zuführen und seine Expansion wieder antreiben? Neutrinos oder starke Magnetfelder wurden vorgeschlagen, jüngst auch kräftige Schallwellen von einem mit großer Amplitude vibrierenden Neutronenstern, oder eine zweite Stoßwelle von dem unvermittelten Zusammensacken des Neutronensterns zu einem noch kompakteren Zustand aus Quarkmaterie.

Während die letzten beiden Vorschläge eher spekulativ sind und ganz besondere, umstrittene Voraussetzungen erfordern, besteht kein Zweifel, dass die ersten beiden Effekte in sterbenden Sternen eine Rolle spielen können. Magnetfelder verhalten sich in stellaren Plasmen ähnlich wie Gummibänder, entlang derer sich das Plasma frei bewegen kann, die aber von senkrecht dazu orientierten Strömungen mitgeschleppt werden. Daher wird das Feld beim stellaren Kollaps durch die Kompression gewaltig (etwa 1000-fach) verstärkt. Für spektakuläre Folgen reicht das allein aber nicht aus, es sei denn, im stellaren Eisenkern existieren bereits vor dem Kollaps unerwartet starke Magnetfelder, wie sonst nur auf vielhundertfach kompakteren Neutronensternen.

Anders verhält es sich, wenn der Eisenkern schnell rotiert: Dann werden die Felder nicht nur durch die Verdichtung beim Kollaps verstärkt, sondern zusätzlich durch die Rotation aufgewickelt. Dies kann zu gigantischen Feldstärken führen, 1015 mal so gewaltig wie das Feld an der Erdoberfläche und tausend Mal so stark wie bei typischen Neutronensternen. Die von der differenziellen Rotation verstärkten Magnetfelder zapfen die kinetische Energie der Rotation an und können durch ihren magnetischen Druck Materie explosiv beschleunigen. Auf diesen magnetohydrodynamischen Explosionsmechanismus werden wir später zurückkommen.


Der Neutrinomechanismus

Sternentwicklungsrechnungen sagen allerdings - in Übereinstimmung mit Beobachtungen an Weißen Zwergen und jungen Neutronensternen - voraus, dass stellare Kerne vor ihrem Gravitationskollaps meist sehr langsam rotieren. Deshalb konzentrieren wir uns auf die Neutrinos. Obwohl die Neutrinos nur mittels der schwachen Kernkraft (nach der Gravitation ist sie die zweitschwächste Kraft) mit anderen Teilchen in Wechselwirkung treten und sich deshalb im Labor nur schwer nachweisen lassen, hält sie die unvorstellbar dichte Neutronensternmaterie zunächst gefangen. Sie kollidieren dort ständig mit Neutronen und Protonen und schaffen es so erst nach Hunderttausenden von Streuprozessen, das Sterninnere zu verlassen. Dennoch sind sie immer noch viel beweglicher als die um Größenordnungen fester ans Medium gebundenen Photonen. Daher sind es die Neutrinos, die den Energietransport im stellaren Kern beherrschen und die gravitative Bindungsenergie des kompakten Überrests forttragen.

Da die so transportierte Energie die Explosionsenergie einer Supernova hundertfach übersteigt, entstand bereits Mitte der 1960er Jahre die Idee, dass der intensive Neutrinostrom aus dem heißen, gerade geborenen Neutronenstern eine neutrinogetriebene Explosion auslösen könnte. In den 1980er Jahren wurde diese Vorstellung dann als verzögerter Neutrinoheizmechanismus verfeinert und präzisiert. Das grundsätzliche Bild hat bis heute Bestand: Wenige Prozent der Neutrinos werden in den Schichten um den Neutronenstern absorbiert und heizen dort das Sternplasma auf. Ist dieser Energieübertrag hinreichend stark, so erhält die Supernova-Stoßwelle neuen Schwung, und es kommt zur Supernova-Explosion.

Ob der Energieübertrag durch Neutrinos ausreicht, wird heute intensiv mit immer genaueren Computermodellen untersucht. Das Problem ist enorm komplex, vor allem wegen der aufwendig zu behandelnden, hier wesentlichen Wechselwirkungen der Neutrinos mit dem bewegten Sternplasma. Seit nahezu 20 Jahren weiß man zudem, dass im Zentrum der Supernova heftige konvektive Umwälzströmungen und Turbulenzen vor sich gehen (siehe die Bildsequenzen auf Seite 40-41), die eine mehrdimensionale Beschreibung unverzichtbar machen.


Jüngste Erfolge

Bei Sternen mit acht bis neun Sonnenmassen, den kleinsten Vorläufern, die als Kollaps-Supernovae verglühen, brachten die neuesten Modelle der Arbeitsgruppe am MPA den lang ersehnten Durchbruch. Solche Sterne kollabieren bereits, wenn in ihrem Zentrum ein Kern aus Sauerstoff, Neon und Magnesium entstanden ist (siehe die Grafik unten und die Bildsequenz oben). Der Kern ist nur von dünnen Kohlenstoff- und Heliumschalen umgeben und geht mit einem extrem steilen Dichteabfall in eine ausgedehnte Wasserstoffhülle über. Diese Bedingungen begünstigen die Expansion der Stoßfront der Explosion, so dass das Neutrinoheizen die Energie für die Supernova liefern kann. Die berechneten Modelle liefern eine relativ geringe Explosionsenergie (rund 1043 Joule) und produzieren nur wenige tausendstel Sonnenmassen radioaktiven Nickels, sagen also ein sehr leuchtschwaches Ereignis voraus. Diese Eigenschaften passen ausgezeichnet zur berühmten Supernova des Jahres 1054, welche den Krebsnebel und seinen Pulsar hinterließ. Wegen ihrer geringen Energie und des geringen Gehalts an Kohlenstoff, Sauerstoff und Eisen im Überrest wurde bereits seit Langem vermutet, dass diese Supernova auf den Kollaps eines Sterns mit O-Ne-Mg-Kern zurückgeht. Obwohl Supernovae dieser Art nicht selten sind, lassen sie sich durch ihre geringe Helligkeit nur schwer entdecken. Einige lichtschwache optische Transienten könnten solche Sterntode sein.

Bei massereicheren Sternen ist der Erfolg des Neutrino-Heizmechanismus noch nicht endgültig gesichert. Dort sind die Materieschichten um den Eisenkern erheblich dichter als die dünne Hülle, die O-Ne-Mg-Kerne umgibt, so dass das zum Zentrum herabstürzende Plasma der Expansion des Supernovastoßes erheblich mehr Widerstand entgegensetzt. Anders als bei den leichten Sternen sind hier die turbulenten Materieströmungen um den Neutronenstern nicht nur eine Begleiterscheinung, vielmehr sind sie für das Zustandekommen der Explosion entscheidend. Sie helfen, den Energieübertrag von den Neutrinos auf die Materie hinter der Stoßwelle zu erhöhen. In neuen Simulationen konnte unsere Garchinger Gruppe so Explosionen für Sterne mit 11 und 15 Sonnenmassen finden (siehe zweite Bildsequenz auf der nächsten Seite). Allerdings ist die Modellierung mit der genauesten Neutrinophysik extrem rechenintensiv, und es war daher bislang nur möglich, sie in zwei Dimensionen (axialsymmetrisch) durchzuführen. Da sich so die wilden Materiebewegungen nicht vollständig erfassen lassen, sind noch erheblich teurere dreidimensionale Modelle notwendig, um die Robustheit des Neutrinomechanismus zu testen und Explosionen auch bei anderen Sternen zu verifizieren.


Mehr Energie durch Magnetfelder

Die beobachteten Supernovae vom Typ Ib/c pec, auch Hypernovae genannt (siehe Kasten auf S. 32), lassen sich auf diese Weise jedoch kaum erklären. Ihre Explosionsenergien sind viel zu hoch, um vom Neutrinoheizen zu stammen. Eher scheint es wahrscheinlich, dass sie auf den magnetohydrodynamischen Mechanismus zurückgehen. Möglicherweise kollabiert ein sehr schnell rotierender, sehr massereicher Vorläuferstern zu einem Magnetar, einem Neutronenstern, in dem durch Scherströmungen Magnetfelder effizient auf tausendfach höhere Werte als in gewöhnlichen Neutronensternen verstärkt werden. Diese gigantischen Felder können die Explosion mit enormer Gewalt antreiben, möglicherweise bevorzugt in Richtung der Rotationsachse, wo wesentlich geringere Materiedichten herrschen als am Äquator, in dessen Nähe sich das auf den Magnetar zufallende Plasma wegen der Zentrifugalkräfte anhäuft.

Einen noch viel extremeren Verlauf erwarten die Astrophysiker, wenn beim Zusammenbruch eines schnell rotierenden Sterns ein Schwarzes Loch entsteht. Anfänglich sammelt dieses Schwarze Loch herabstürzendes Gas mit Raten bis zu mehreren Sonnenmassen pro Sekunde auf. Wie in einem gigantischen Strudel wirbelt das nachfallende Sternplasma nahezu mit Lichtgeschwindigkeit um das Schwerkraftzentrum herum. Jeder weitere Umlauf erhöht die vorhandenen Magnetfelder, und das vom unerbittlichen Gravitationssog gefesselte Plasma heizt sich auf viele zehn Milliarden Kelvin auf. Die dadurch erzeugten hohen Neutrinoflüsse und die immer weiter anschwellenden Magnetfelder treiben eng gebündelte Gasströme, so genannte Jets, von den Polregionen des Schwarzen Lochs nach außen. Diese Jets bohren sich entlang der Rotationsachse durch den sterbenden Stern und beschleunigen nach dem Durchbrechen seiner Oberfläche bei geeigneten Bedingungen auf mehr als 99,999 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Man vermutet in ihnen die Ursache für die kosmischen Gammastrahlenblitze, die bei einem halben Dutzend Fällen als Begleiterscheinung von Hypernova-Explosionen gesichtet wurden. Im zweiten Teil unseres Artikels werden wir auf diese Beobachtungen ausführlich eingehen.

Eine Fülle neuer Beobachtungen im Rahmen systematischer Himmelsdurchmusterungen treibt die Theorie der Sternexplosionen voran und gibt immer wieder Anlass für neue Explosionsszenarien. Dies hat eine fast galoppierende Entwicklung unseres Forschungsgebiets zur Folge, bei der Beobachter und theoretische Astrophysiker im Zusammenspiel und als gegenseitige Impulsgeber dem Ziel entgegenstreben, die wichtigsten Rätsel sterbender Sterne zu lösen: Was treibt die Explosionen an und wie hängen ihre beobachtbaren Eigenschaften von der Natur der Vorläufersysteme ab? Nur genauere Antworten auf diese Fragen werden die Rolle von Supernovae, Hypernovae und Gammablitzen bei der Entwicklung des Universums und bei der Erforschung seiner beschleunigten Expansion besser verständlich machen.


Hans-Thomas Janka forscht mit seiner Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching auf den Gebieten der Neutrinoastrophysik, der nuklearen Astrophysik und der Modellierung von Supernovae und Gammablitzen.

Sylvio Klose leitet die Gammaburst-Gruppe an der Thüringer Landessternwarte. Die Erforschung der Natur der den Gammabursts unterliegenden Phänomene ist seit mehr als zehn Jahren sein Hauptarbeitsgebiet.

Friedrich Röpke erforscht mit seiner Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe am MPI für Astrophysik in Garching die Supernovae vom Typ Ia und lehrt Astrophysik an der Universität Würzburg.


Literaturhinweise

Gorban, M., Raffelt, G.: Spurensuche in der Welt der Quanten. In: Sterne und Weltraum 10/2010, S. 46-57

Janka, H.-Th.: Supernova-Explosionen und rasende Neutronensterne. In: Sterne und Weltraum 1/2007, S. 44-52

Janka, H.-Th.: Supernovae und kosmische Gammablitze. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2011

Leibundgut, B.: Helle Sterne im dunklen Universum. In: Sterne und Weltraum 5/2005, S. 30-37

Hildebrandt, W., Röpke F.: Supernovae vom Typ Ia. In: Sterne und Weltraum 5/2005, S. 22-28

Oberauer, L., Wurm, M.: Astrophysik mit Neutrinos. Teil 1: SuW 2/2010, S. 30 Teil 2: SuW 3/2010, S. 28-35


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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 31:
Am 4. Februar 2006 wurde in der Spiralgalaxie M 100 die fünfte Supernova seit 1900 entdeckt (Pfeil). Die 60 Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie hat im sichtbaren Licht einen Durchmesser von 120 Lichtjahren - sie ist also etwas größer als unsere Galaxis.

Abb. S. 34 oben:
Das nebenstehende Schema beschreibt den Zerfall des radioaktiven 56Ni (Nickel) über 56Co (Kobalt) zu stabilem 56Fe (Eisen). Durch Elektroneneinfang - und im Fall von 56Co auch durch Positronenemission - geht das Mutternuklid in das Tochternuklid über. Während die entstehenden Neutrinos die Supernova-Auswurfmassen ungehindert verlassen, heizen die erzeugten energiereichen Gammaquanten und vor allem die Positronen die expandierenden Gase auf. Sie lassen die Supernova über viele Monate hell leuchten.

Abb. S. 34 unten:
Ein Weißer Zwerg aus Kohlenstoff und Sauerstoff (C und O) erreicht durch Akkretion von Gas von einem engen Begleitstern die kritische Chandrasekharsche Massengrenze. Durch den Temperaturanstieg aufgrund der einsetzenden Kontraktion zündet in seinem Inneren das thermonukleare Kohlenstoff- und Sauerstoffbrennen und führt zu einer Supernova-Explosion des Typs Ia.

Abb. S. 35:
Was im Inneren eines als Supernova explodierenden Weißen Zwergs geschieht, simulieren Astrophysiker im Computer. Hier breitet sich die thermonukleare Flamme mit Unterschallgeschwindigkeit turbulent aus.

Abb. S. 36-37 oben:
Diese Sequenz zeigt den bergang von der Unterschall-Deflagration (blaue Flächen gleicher Dichte) zur Überschall-Detonation (weiße Flächen gleicher Dichte) in einem verzögerten Detonationsmodell. Die Größe der Scheibe in der Äquatorebene stellt die Ausdehnung des explodierenden Weißen Zwergsterns dar.

Abb. S. 36-37 unten:
Ein aus zwei kompakten Sternen bestehendes System verliert durch Abstrahlung von Gravitationswellen Drehimpuls - die beiden Sterne nähern sich einander auf spiralförmigen Bahnen, um schließlich zu verschmelzen. So können zwei kohlenstoff- und sauerstoffhaltige Weiße Zwerge eine Supernova-Explosion vom Typ Ia auslösen. Hier ist eine Simulation der Verschmelzung zweier Weißer Zwerge mit je 0,9 Sonnenmassen dargestellt. Die abgelaufene Zeit ist in Sekunden angegeben.

Abb. S. 39 unten:
Die berechnete Explosion eines Sterns mit neun Sonnenmassen und einem Kern aus Sauerstoff (O), Neon (Ne) und Magnesium (Mg): Markierte Massenschalen im stellaren Kern veranschaulichen den Kollaps, die Bildung des Neutronensterns und das Einsetzen der Explosion. Die dicke schwarze Linie ist die Stoßfront der Supernova-Explosion, die farbigen Linien markieren die Grenzen der Schalen unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung.

Abb. S. 40-41 oben:
Die Explosion eines Neun-Sonnenmassen-Sterns mit Kern aus Sauerstoff, Neon und Magnesium wird durch den Neutrino-Heizmechanismus ausgelöst. Die Bildfolge zeigt die Entwicklung konvektiver Mischinstabilitäten etwa 0,10, 0,14, 0,19 und 0,26 Sekunden nach der Bildung des Neutronensterns. In jedem Einzelbild ist links die Entropie, rechts das Proton-zu-Nukleon-Verhältnis dargestellt.

Abb. S. 40-41 unten:
Computersimulation der Explosion eines Sterns mit 15 Sonnenmassen. Die heftigen, turbulenten Materieströmungen um den entstehenden Neutronenstern dauern in diesem Fall mehr als eine halbe Sekunde, bevor durch Neutrinoenergieübertrag eine stark asphärische Explosion einsetzt. Die Bilder zeigen Entwicklungsstadien 0,53, 0,61, 0,65 und 0,70 Sekunden nach der Bildung des Neutronensterns. Die aufsteigenden Blasen neutrinogeheizter Materie (rot, orange, gelb) haben zu diesen Zeiten einen maximalen Durchmesser von 300, 600, 800 und 1500 Kilometern.


© 2011 Hans-Thomas Janka, Sylvio Klose, Friedrich Röpke, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
Sterne und Weltraum 3/11 - März 2011, Seite 30 - 41
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2011