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ASTRO/164: Mit Pulsaren auf der Jagd nach Gravitationswellen (Spektrum der Wissenschaft)


Spektrum der Wissenschaft 7/11 - Juli 2011

Mit Pulsaren auf der Jagd nach Gravitationswellen

Von Michael Kramer und Norbert Wex


Bestimmte Neutronensterne lassen sich als äußerst genaue kosmische Uhren nutzen. Mit ihrer Hilfe wollen Astronomen nun die Existenz von Gravitationswellen direkt nachweisen. So genannte Pulsar Timing Arrays werden es sogar erlauben, die Signale supermassereicher Schwarzer Löcher aufzufangen, die gerade miteinander verschmelzen.


AUF EINEN BLICK

Die Vermessung der Raumzeit

1. Pulsare sind schnell rotierende Neutronensterne, die äußerst regelmäßige Radiosignale aussenden. Ist die Regelmäßigkeit gestört, deutet dies auf Gravitationswellen hin.

2. Der indirekte Nachweis solcher wellenförmiger Erschütterungen der Raumzeit ist mit Pulsaren bereits gelungen. Auch Tests der allgemeinen Relativitätstheorie in starken Gravitationsfeldern wurden so möglich.

3. Nun wollen Pulsarforscher die Existenz von Gravitationswellen endlich auch direkt nachweisen. Doch weltweit sind weitere Detektoren in Betrieb. Wer am Ende das Rennen macht, ist offen.


Der Raum ist die unverrückbare Bühne, auf der das Weltgeschehen spielt, und die Zeit fließt absolut gleichmäßig dahin - so stellte sich zumindest Isaac Newton die Welt vor. Doch mit Albert Einsteins Relativitätstheorie haben wir uns von dieser statischen Sichtweise verabschiedet. Heute wissen wir, dass sich der Raum stauchen und dehnen lässt und auch die Zeit mal schneller und mal langsamer vergeht. Diese Erkenntnis eröffnet uns nun ein neues Fenster zum Universum. Astronomen hoffen, dass sie die energiereichsten Ereignisse im Kosmos bald studieren können, indem sie Gravitationswellen untersuchen: wellenförmige Verzerrungen der Raumzeit, die von beschleunigten Massen herrühren und sich mit Lichtgeschwindigkeit durchs All bewegen.

In Newtons Theorie wirkte die Schwerkraft noch augenblicklich über beliebige Entfernungen hinweg. Es war undenkbar, dass sich Störungen der Gravitation wellenförmig und mit endlicher Geschwindigkeit ausbreiten könnten - wie Wasserwellen, die ein in einen See geworfener Stein auslöst. Doch bereits Anfang des 20. Jahrhunderts spekulierten Physiker über solche Ideen. Henri Poincaré (1854-1912) wollte mit Hilfe von »Wellen der Beschleunigung« den bis dahin unerklärten Anteil in der Periheldrehung des Merkurs verstehen. Bei dieser dreht sich die Bahn des Planeten innerhalb der Bahnebene. Aber erst Einstein gelang es im Rahmen seiner 1915 veröffentlichten allgemeinen Relativitätstheorie, Gravitationswellen korrekt zu beschreiben. (Dass sie nichts mit der Periheldrehung zu tun haben, fand ebenfalls Einstein heraus. Diese ist vielmehr eine Folge der starken Raumzeitkrümmung in der Nähe der Sonne.)

Seither betrachten wir die Gravitation als Eigenschaft der Raumzeit. Raum und Zeit sind dynamische Größen, deren metrische Verhältnisse durch die Materieverteilung bestimmt werden - und die im Gegenzug festlegen, wie sich die Materie bewegt. Mittels eines Näherungsverfahrens wies Einstein im Juni 1916 erstmals nach, dass seiner Theorie zufolge wellenförmige Schwingungen der Raumzeit tatsächlich existieren und sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten müssen. Als er berechnete, wie viel Energie ein System von Körpern durch Gravitationswellen abstrahlt, unterlief ihm zwar zunächst ein Fehler. Doch in seiner Arbeit »Über Gravitationswellen« von 1918 korrigierte er ihn und leitete - bis auf einen fehlenden Faktor 2 - die so genannte Quadrupolformel her.

Noch heute besitzt diese Formel zentrale Bedeutung in der Gravitationsphysik. Jede Masse, die beschleunigt wird, verliert durch die Ausstrahlung von Gravitationswellen Energie - gleichgültig ob ein Auto, die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne oder zwei einander umkreisende Sterne. Die Größe dieses Energieverlusts lässt sich mit der Quadrupolformel in erster Näherung berechnen. Allerdings galten Einsteins Überlegungen nur für Systeme wie schwingende Stahlplatten oder rotierende Hanteln, in denen die Massen durch mechanische Kräfte beschleunigt werden. Erst mehr als ein halbes Jahrhundert später ließ sich einwandfrei nachweisen, dass die Quadrupolformel auch dann gilt, wenn sich Massen durch ihre gravitative Wechselwirkung beschleunigen wie im Fall der einander umkreisenden Sterne.

Einstein hatte auch gezeigt, dass es sich bei Gravitationswellen um so genannte transversale Wellen handelt (kleine Abbildungen rechts): Demnach dehnt und staucht eine Gravitationswelle den Raum senkrecht zu ihrer Ausbreitungsrichtung. Rollt sie beispielsweise über zwei im Raum frei schwebende Massen hinweg, verändert sich der Abstand l zwischen diesen Massen um den Betrag Δl. Die Amplitude h der Gravitationswelle, sozusagen ihre Stärke, lässt sich dann als h = Δl/l berechnen.

Selbst auf astronomischen Skalen erzeugen nur wenige Prozesse Gravitationswellen nennenswerter Amplitude. Die Erde in ihrer Bewegung um die Sonne verliert lediglich 200 Watt in Form von Gravitationswellen - das ist unmessbar wenig. Hingegen strahlen zwei Schwarze Löcher mit je zehn Sonnenmassen, die einander mit rund 20 Prozent der Lichtgeschwindigkeit umkreisen und kurz vor dem Verschmelzen stehen, in einer millionstel Sekunde etwa so viel Energie ab wie unsere Sonne im Verlauf von 100 Millionen Jahren im elektromagnetischen Spektrum.

Zwar werden die von ihnen ausgehenden Gravitationswellen schnell schwächer - ihre Stärke sinkt umgekehrt proportional zu ihrer Entfernung von der Quelle -, so dass sie in einigen tausend Lichtjahren nur noch eine Amplitude von h = 10-16 besitzen. Eine Strecke von 100 Metern wird dadurch gerade einmal um den Durchmesser eines Eisenatomkerns verkürzt beziehungsweise verlängert. Doch selbst ein solches Ereignis könnten moderne Gravitationswellendetektoren noch leicht nachweisen. Das größere Problem besteht für die Forscher jedoch darin, dass in der Milchstraße nur sehr selten zwei Schwarze Löcher miteinander verschmelzen. Selbst die viel häufigeren Explosionen massereicher Sterne, so genannte Supernovae - eine weitere Quelle von Gravitationswellen -, kommen in unserer Galaxis lediglich einmal pro Jahrhundert vor. Damit Detektoren eine realistische Chance haben, ein solches Ereignis tatsächlich zu beobachten, sollen sie daher mindestens in der Lage sein, die Gravitationswellen von Supernovae auch im rund 50 Millionen Lichtjahre entfernten Virgo-Galaxienhaufen registrieren zu können.

Doch die Chancen auf eine Detektion wachsen derzeit schnell. Schon in den nächsten Jahren wird es so weit sein: Dann gelingt den Wissenschaftlern wohl erstmals der direkte Nachweis von Gravitationswellen. Sie werden uns insbesondere helfen, die Gültigkeit der allgemeinen Relativitätstheorie auch in extrem starken Gravitationsfeldern zu überprüfen. Denn noch ist nicht klar: Treffen die Voraussagen der Theorie auch dort zu? Oder müssen alternative Gravitationstheorien entwickelt werden (siehe Kasten unten)?


Alternative Gravitationstheorien

Theoretiker haben zur einsteinschen Gravitationstheorie eine ganze Reihe Alternativen entwickelt. Denn noch lässt sich die Gravitation nicht mit den anderen drei Fundamentalkräften in einem gemeinsamen Theoriegebäude darstellen, in einer »Theorie für Alles«.

Das Verhalten physikalischer Objekte wird in solchen Theorien durch Felder beschrieben, zum Beispiel durch elektromagnetische oder Gravitationsfelder. Felder wiederum lassen sich durch mathematische Objekte wie Skalare, Vektoren und Tensoren darstellen. In einem Skalarfeld ist jedem Ort im Raum eine Zahl (und eine Einheit) zugeordnet, etwa eine Temperatur oder ein elektrisches Potenzial. Vektorfelder weisen hingegen jedem Ort einen Vektor zu. Eine Kraft etwa hat an diesem Ort nicht nur eine gewisse Stärke, sondern weist auch in eine bestimmte Richtung. Ein Tensor ist schließlich, grob gesagt, die Erweiterung eines Vektors zu einer mehrdimensionalen Matrix.

Das Gravitationsfeld der einsteinschen Theorie wird durch genau einen Tensor beschrieben. Alternative Theorien führen in der Regel zusätzliche Felder ein. Mal geschieht dies aus theoretischen Gründen, mal sind sie durch überraschende Beobachtungen motiviert. Beispielsweise gehen Forscher davon aus, dass sich die Geschwindigkeitsverteilung von Sternen in Galaxien nur durch die zusätzliche Schwerkraft so genannter Dunkler Materie erklären lässt. Möglicherweise lässt sich das Problem aber auch durch Einführung neuer Felder lösen. Die beschleunigte Expansion des Universums, die durch Dunkle Energie hervorgerufen wird, versuchen Forscher ebenfalls mittels neuer Felder in die Theorie zu integrieren.

Während in der allgemeinen Relativitätstheorie allein das Tensorfeld die metrischen Eigenschaften der Raumzeit beschreibt, werden in Tensor-Skalar-Theorien - den wohl am besten untersuchten alternativen Gravitationstheorien - räumliche und zeitliche Abstände von einem Tensorfeld und zusätzlichen Skalarfeldern bestimmt. Gravitationswellen besitzen darin im allgemeinen auch zusätzliche Polarisationseigenschaften, beispielsweise eine Mode, die den Raum in alle Richtungen streckt. In vielen alternativen Theorien gilt auch nicht mehr die Quadrupolformel. Stattdessen findet ein wesentlicher Teil der Emission eines Doppelsternsystems dann in Form so genannter Dipolstrahlung statt. Damit haben die Astronomen ein wichtiges Kriterium an der Hand, um ihre Theorien zu testen. Denn in vielen Fällen ist mit der Dipolstrahlung ein deutlich höherer Energieverlust verbunden als mit der Quadrupolstrahlung der allgemeinen Relativitätstheorie.

Die Vermessung und Charakterisierung von Gravitationswellen werden künftig besonders aufschlussreiche Tests der Relativitätstheorie und ihrer Alternativen, vor allem für den Fall sehr starker Gravitationsfelder, erlauben. Wann immer ein neues Experiment mit den Vorhersagen der Relativitätstheorie übereinstimmt, lassen sich alternative Theorien ausschließen oder zumindest in ihrem möglichen Geltungsbereich einschränken.


Indirekte Belege für die Existenz von Gravitationswellen haben die Forscher indessen längst gefunden. Der erste Nachweis gelang vor mehr als 30 Jahren und beruhte auf einer Entdeckung aus dem Jahr 1967. Damals waren Jocelyn Bell Burnell und Anthony Hewish an der englischen University of Cambridge auf eine neue Art von Radioquellen gestoßen, so genannte Pulsare. Diese senden Pulse von Radiostrahlen mit einer Regelmäßigkeit zur Erde, die man bis dahin nur von Atomuhren kannte. Schnell erwies sich, dass es sich bei den Objekten um rotierende Neutronensterne mit extrem starken Magnetfeldern handelt. An ihren magnetischen Polen werden geladene Teilchen auf höchste Geschwindigkeiten beschleunigt und gebündelt in Richtung der magnetischen Achse abgestrahlt. Liegt die Erde zufällig im Kegel des abgestrahlten Radiolichts, können Astronomen das Signal registrieren. Wegen seiner Rotation erscheint der Pulsar dann als kosmischer Leuchtturm, dessen »Licht« in regelmäßigen Abständen über die Erde streicht.


Gewaltiger Energieausstoß

In Pulsaren ist eine gewaltige Rotationsenergie gespeichert. Denn die extrem dichten und typischerweise rund 20 Kilometer durchmessenden Objekte entstehen, wenn im Verlauf einer Supernova der Kern des explodierenden Sterns kollabiert und Gravitationsenergie der in sich zusammenfallenden Masse dabei in Rotationsenergie umgewandelt wird. Aus dem gemächlich rotierenden Vorgängerstern wird so ein Neutronenstern mit extrem hoher Umdrehungsgeschwindigkeit. Ein typischer Pulsar mit einer Periode von 0,5 Sekunden, der sich also zweimal pro Sekunde um sich selbst dreht, besitzt eine Rotationsenergie von etwa 1040 Joule. Noch etwa 200mal mehr Energie speichert der mit einer Periode von nur 33 Millisekunden rotierende Krebs-Pulsar im Krebsnebel, dem Überrest einer im Jahr 1054 beobachteten Supernova.

Mit der Zeit nimmt die Rotationsfrequenz der Pulsare ab, da sie einen Teil ihrer Energie als elektromagnetische Strahlung abgeben. Die Pulsperiode des noch jungen Krebs-Pulsars verlängert sich darum jeden Tag um 37 Nanosekunden (bei älteren Pulsaren wächst die Pulsperiode viel weniger schnell). Dabei strahlt das Objekt in einer Sekunde eine Energie von 5 · 1031 Joule ab, hauptsächlich als niederfrequente magnetische Dipolstrahlung und als Teilchenfluss. Dies würde ausreichen, um den heutigen Energiebedarf der Menschen mehr als zehn Milliarden Jahre lang zu decken!

Auf Grund seines hohen Energieverlusts rotiert der Krebs-Pulsar aber nicht besonders gleichmäßig. Pulsare, die ein schwächeres Magnetfeld besitzen und deshalb auch schwächer abbremsen, sind für astronomische Experimente daher geeigneter, insbesondere Exemplare mit Rotationsperioden im Bereich weniger tausendstel Sekunden. Der schnellste, den wir kennen, dreht sich 716-mal pro Sekunde um sich selbst und besitzt damit eine Rotationsperiode von nur 1,4 Millisekunden, bei einer täglichen Abbremsrate von weniger als 10-14 Sekunden. Solche so genannten Millisekundenpulsare gleichen massiven Schwungrädern, die nur schwer aus dem Tritt zu bringen sind. So lassen sie sich als äußerst präzise kosmische Uhren nutzen, die es sogar mit Atomuhren aufnehmen können. Entscheidend ist dabei das so genannte Pulsar-Timing, mit dem wir die auf der Erde gemessenen Zeiten in das Zeitsystem des Pulsars überführen.

Zunächst einmal müssen wir dafür die Drehung der Erde um den Massenschwerpunkt des Sonnensystems aus den Daten herausrechnen. Schließlich bewegt sie sich dadurch mal auf den Pulsar zu, mal von ihm weg. Auch relativistische Effekte im Sonnensystem, welche die Radiowellen beeinflussen, müssen wir berücksichtigen. Zudem verzögert sich die Ankunft der Pulse abhängig von der Elektronendichte entlang der Sichtlinie zum Pulsar. Durch Beobachtungen bei mehreren Frequenzen können wir diesen Dispersionseffekt aber ermitteln. Die eigentliche Unsicherheit ist das »interstellare Wetter«, also die zeitliche Veränderung der Dispersion. Das macht regelmäßige Messungen nötig.

Findet man einen Pulsar, der sich im Schwerefeld eines anderen Körpers bewegt - in der Regel in einem Doppelsternsystem -, lässt er sich für hochpräzise Messungen zum Test von Gravitationstheorien verwenden. Den ersten Pulsar mit einem Begleiter entdeckten die US-Astrophysiker Russell A. Hulse und Joseph H. Taylor 1974. Der Neutronenstern PSR B1913+16 (so benannt nach seinen Himmelskoordinaten) ist ein Pulsar mit einer Periode von 59 Millisekunden, und sein (unsichtbarer) Partner stellte sich ebenfalls als Neutronenstern heraus. Bereits kurz nach der Entdeckung war klar, dass Hulse und Taylor auf ein einzigartiges Testsystem für die Relativitätstheorie gestoßen waren. Während der Pulsar um den Schwerpunkt des Systems kreist, verändert sich die Laufzeit seiner Pulse zur Erde. In jahrelangen Untersuchungen konnten Taylor und Kollegen die Raumzeit des Systems daher genau ausmessen und entdeckten schließlich, dass sich die Bahn des Pulsars langsam, aber stetig verengt. Dies entsprach einem Verlust an Bahnenergie, der perfekt mit den Voraussagen der Quadrupolformel übereinstimmte (siehe auch Diagramm unten). Somit war den Forschern, die dafür 1993 den Nobelpreis erhielten, der erste Beleg für die Existenz von Gravitationswellen gelungen (siehe »Pulsar PSR1913+16 sendet Gravitationswellen« von Joseph H. Taylor et al., SdW 12/1981, S. 52).


Das äußerst Unwahrscheinliche war eingetreten

30 Jahre lang blieb das Labor B1913+16 das Nonplusultra für Tests der allgemeinen Relativitätstheorie in starken Gravitationsfeldern, auch wenn es 23.000 Lichtjahre entfernt liegt. Gleichwohl hofften die Forscher auf ein näher liegendes System, das sich noch präziser würde vermessen lassen. Und tatsächlich: Im Frühjahr 2003 stellte ein neuer Fund den Hulse-Taylor-Pulsar in den Schatten. In diesem System bewegt sich ein 23-Millisekunden-Pulsar in nur 147 Minuten - gegenüber fast acht Stunden im Fall von PSR B1913+16 - zusammen mit einem Begleiter um einen gemeinsamen Schwerpunkt. Die eigentliche Sensation folgte indessen einige Monate später. Man fand nämlich ein weiteres, mit einer Frequenz von 2,8 Hertz pulsierendes Radiosignal in den Daten. Das äußerst Unwahrscheinliche war eingetreten: Die Astronomen hatten das erste Doppelsternsystem entdeckt, in dem beide Sterne aktive Radiopulsare sind. Der offizielle Name dieses einzigartigen Paars, das Fachleute einfach als den Doppelpulsar bezeichnen, lautet PSR J0737-3039A (für den 23-Millisekunden-Pulsar) und PSR J0737-3039B (für seinen langsamer rotierenden Begleiter).


Einzigartiges Testlabor

2003 entdeckte ein internationales Astronomenteam, darunter einer der Autoren, Michael Kramer, das erste System, in dem zwei aktive Radiopulsare einander umkreisen. Dieser Doppelpulsar bietet die bislang besten Möglichkeiten, die allgemeine Relativitätstheorie in starken Gravitationsfeldern zu testen. Die schematische Darstellung zeigt die beiden Pulsare (lila) und ihre Bahnen (lila und gelb). Die extrem kompakten Objekte krümmen die Raumzeit (als zweidimensionales Gitternetz angedeutet) in ihrer Umgebung millionenfach stärker, als dies die Sonne im Sonnensystem tut.

(Abbildungen der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht.)


Die für die allgemeine Relativitätstheorie typischen Phänomene fallen beim Doppelpulsar stärker aus als bei jedem anderen bekannten Pulsar in einem Doppelsternsystem. Denn die beiden Objekte bewegen sich mit einer Geschwindigkeit von rund einer Million Kilometer pro Stunde entlang ihrer Bahnen. Auf den ersten relativistischen Effekt stießen die Forscher daher schon am zweiten Tag nach ihrer Entdeckung. Die Präzession der Bahnhalbachsen erfolgt beim Doppelpulsar mit einer Rate von 17 Grad pro Jahr, so dass nach gerade einmal 21 Jahren eine komplette Umdrehung abgeschlossen ist. Zum Vergleich: Die Bahn des Merkurs benötigt für diese Drehbewegung rund drei Millionen Jahre.

Auch mit seiner »Gravitationswellen-Leuchtkraft« stellt der Doppelpulsar alles Bekannte in den Schatten. Die Annäherung der beiden Pulsare um rund sieben Millimeter pro Tag ließ sich schon nach nur sieben Jahren mit einer Genauigkeit von 0,1 Prozent messen - deutlich genauer, als es die Hulse-Taylor-Daten selbst nach 30 Jahren zulassen. Weil der Pulsar zudem nur 3500 Lichtjahre entfernt ist, kann man das galaktische Schwerefeld, das ihn relativ zu unserem Sonnensystem beschleunigt, praktisch vernachlässigen. Das ist hilfreich, weil sich dieser Effekt in den Messdaten nicht von Änderungen der Bahnperiode trennen lässt. Mit seiner Eigenbewegung von nur zehn Kilometer pro Sekunde steht das System zudem nahezu still. Durch seine Bewegung relativ zu seiner galaktischen Umgebung treten daher kaum störende Effekte auf.

Eines Tages werden wir mit dem Doppelpulsar vielleicht sogar die Gravitationswellenabstrahlung jenseits der Quadrupolformel testen. Zwar erklärt diese Näherung schon 99,9986 Prozent der vom Doppelpulsar abgestrahlten Energie. Können wir die Messgenauigkeit für dieses System jedoch noch um etwa den Faktor 70 steigern, würden wir die zu Grunde liegende Physik noch genauer verstehen können - vielleicht schon in den nächsten fünf bis zehn Jahren.

Manche Fragen bleiben dennoch offen. Aus einigen alternativen Gravitationstheorien folgen Effekte, die sich von den Voraussagen der allgemeinen Relativitätstheorie zwar unterscheiden, in Systemen aus zwei Sternen vergleichbarer Dichte wie dem Doppelpulsar jedoch nur sehr schwach ausgeprägt sind. Auch besitzen viele alternative Gravitationstheorien frei wählbare Parameter, die man häufig so anpassen kann, dass die Theorien auch die Messungen am Doppelpulsar erklären. In diesen Fällen bleibt weiterhin unklar, ob die Theorien zutreffen oder nicht.


Aufschlussreiche Kombination eines Pulsars mit einem Weißen Zwerg

Wir brauchen also weitere Untersuchungsobjekte. Hier kommt eine zweite Klasse von Binärpulsaren ins Spiel: Pulsare, die von einem massearmen Stern in seinem Endstadium begleitet werden, nämlich einem Weißen Zwerg. Anders als im Fall des Hulse-Taylor- und des Doppelpulsars besitzen die beiden Komponenten des Systems höchst unterschiedliche Dichte. Das bedeutet vor allem für Alternativtheorien mit Skalarfeldern (siehe Kasten S. 50), dass der extrem kompakte Pulsar eine deutlich höhere skalare Ladung aufweisen sollte als der weniger kompakte Weiße Zwerg. Dies würde dazu führen, dass das System durch gravitative Dipolstrahlung wesentlich mehr Energie verliert, als es die allgemeine Relativitätstheorie vorhersagt.

In Systemen mit kurzen Umlaufperioden wäre so etwas besonders deutlich zu beobachten. Zwei Pulsare eignen sich für entsprechende Untersuchungen besonders, zumal Forscher sie auch schon lange beobachten: PSR J1141-6545, ein 394-Millisekunden-Pulsar, der sich in nur 4,7 Stunden um einen Weißen Zwerg mit etwa der Masse der Sonne bewegt, und PSR J1738+0333, ein 5,9-Millisekunden-Pulsar, dessen Umlaufperiode 8,5 Stunden beträgt und dessen Begleiter 0,18 Sonnenmassen besitzt. Im letzteren Fall ist der Weiße Zwerg sogar hell genug, dass sich seine Bewegung über die Dopplerverschiebung der Spektrallinien vermessen lässt und man so wertvolle Zusatzinformationen über das System erhält.

Mittlerweile haben Forscher belegt, dass sich beide Pul­ sare gemäß den Vorhersagen der allgemeinen Relativitätstheorie bewegen. Außerdem haben sie gezeigt, dass ein Neutronenstern - wenn überhaupt - nur eine sehr kleine skalare Ladung besitzen kann. Diese Erkenntnis schränkt Theorien stark ein, in denen skalare Felder eine große Rolle spielen. Sie widerspricht auch einer Theorie des israelischen Physikers Jacob Bekenstein, die zwar in Teilen der Forschergemeinde Rückhalt findet, aber stark umstritten ist. Sie versucht die Rotationskurven von Galaxien zu erklären, ohne von der Existenz Dunkler Materie auszugehen.

Der direkte Nachweis von Gravitationswellen steht indessen weiterhin aus. Selbst der Doppelpulsar bringt uns nicht weiter. Die Frequenz der von ihm ausgesandten Wellen beträgt gerade einmal 0,2 Millihertz - das liegt für unsere Messinstrumente bislang außer Reichweite.

Der erste Versuch, die Wellen zu detektieren, hatte sogar noch vor der Entdeckung des Hulse-Taylor-Pulsars stattgefunden. Um 1960 begann Joseph Weber an der University of Maryland in den USA mit dem Bau eines so genannten Zylinderdetektors, eines Aluminiumzylinders mit zwei Meter Länge und einem Meter Durchmesser. Vergeblich hoffte Weber, dass die Resonanzfrequenz des Instruments durch Gravitationswellen angeregt würde und er die Schwingungen mit piezoelektrischen Sensoren registrieren könnte.

Heute setzen Forscher vor allem auf die Laserinterferometrie. Dabei wird Laserlicht zwischen frei hängenden Spiegeln hin- und herreflektiert und anschließend überlagert. Ändern sich die Abstände zwischen den Spiegeln durch hindurchlaufende Gravitationswellen, ändern sich die bei der Überlagerung entstehenden Interferenzmuster. Dieses Prinzip liegt etwa dem vom Albert-Einstein-Institut in der Nähe von Hannover betriebenen Interferometer GEO600 zu Grunde. Hier werden zentrale technische Komponenten für die Detektoren weltweit entwickelt. Die Arme des Instruments, an deren Enden die Spiegel angebracht sind, sind 600 Meter lang. LIGO I und II in den US-Bundesstaaten Washington und Louisiana sowie Virgo in der Toskana (in Italien) besitzen sogar bis zu vier Kilometer lange Arme. Auf Grund ihres Designs und ihrer Isolation gegenüber seismischen Störungen können diese Laserinterferometer den gesamten Frequenzbereich von etwa zehn bis einige tausend Hertz »sehen«.


Auffällige Signale kurz vor dem Verschmelzen

Theoretische Physiker gehen davon aus, dass irdische Gravitationswellendetektoren zunächst wohl vor allem die Signale miteinander verschmelzender Neutronensterne und Schwarzer Löcher registrieren werden. Die LIGO-Detektoren, die derzeit technisch aufgerüstet werden und als Advanced LIGO voraussichtlich 2015 wieder in Betrieb gehen werden, dürften dann pro Jahr mehrere Ereignisse dieser Art beobachten. Wie Abschätzungen auf Basis der zehn bekannten Doppelneutronensternsysteme vermuten lassen, kommt es in einer Galaxie etwa alle 10.000 Jahre vor, dass die Mitglieder eines solchen Systems miteinander verschmelzen. Diese Ereignisse finden damit zwar 100-mal seltener statt als eine Supernova, lassen sich aber noch in deutlich größeren Entfernungen registrieren. Letzteres hängt auch damit zusammen, dass Astronomen sie inzwischen mittels mathematischer Näherungsverfahren sehr genau beschreiben können. Von dem Zeitpunkt, ab dem die Frequenz des Gravitationswellensignals auf zehn Hertz angewachsen und somit für ein typisches Laserinterferometer sichtbar geworden ist, umkreisen sich die beiden Neutronensterne noch etwa 10.000-mal, bevor sie nach wenigen Minuten miteinander verschmelzen. Die typischen Signale sollten sich bei entsprechender Amplitude eindeutig in den Daten nachweisen lassen.

Dennoch leiden irdische Gravitationswellendetektoren unter Einschränkungen. Sie lassen sich nicht völlig von seismischen Schwingungen entkoppeln und sind daher auf die Messung von Frequenzen oberhalb von etwa zehn Hertz begrenzt. Damit liegen aber viele Quellen von Gravitationswellen »außer Sicht« - neben dem Doppelpulsar auch supermassereiche Schwarze Löcher mit mehreren Millionen Sonnenmassen, wie sie im Zentrum vieler Galaxien und auch der Milchstraße zu finden sind. Verschmelzen sie miteinander, weil ihre Muttergalaxien fusionieren, entstehen Gravitationswellen mit Frequenzen von höchstens wenigen Millihertz.

Um auch diese zu messen, soll um das Jahr 2020 das europäisch geführte Laserinterferometer LISA ins All starten. Es wird aus drei Satelliten bestehen, die ein Dreieck mit etwa fünf Millionen Kilometer Seitenlänge bilden und den Frequenzbereich von 0,1 Millihertz bis 0,1 Hertz abdecken. Unterhalb von einem Millihertz wird LISA voraussichtlich sogar so viele Quellen sehen, dass der Detektor sie nicht mehr einzeln auflösen kann. Stattdessen wird das Instrument nur noch einen stochastischen Gravitationswellenhintergrund wahrnehmen.

Die stärksten Quellen, die es sehen wird, dürften verschmelzende Schwarze Löcher mit 10.000 bis 10 Millionen Sonnenmassen sein. Diese kann LISA in die Zeit bis rund 300 Millionen Jahre nach dem Urknall zurückverfolgen und damit auch jene Epoche untersuchen, in der die ersten Galaxien entstanden.

Im Universum scheinen zudem Schwarze Löcher zu existieren, die selbst LISA nicht entdecken wird. So fanden Forscher im Zentrum großer Galaxien deutliche Hinweise auf Objekte mit einer Milliarde und mehr Sonnenmassen. Die elliptische Galaxie Mkönnte ein Schwarzes Loch mit sieben Milliarden Sonnenmassen beherbergen, dessen so genannter Schwarzschildradius grob den Ausdehnungen unseres gesamten Sonnensystems entspricht. Verschmelzen derart große Schwarze Löcher, entstehen dabei Gravitationswellen mit Frequenzen im Nanohertz-Bereich (10-9 Hertz). Welchen Detektor müsste man bauen, um Signale mit so niedrigen Frequenzen zu registrieren?

Zum Glück hat uns die Natur ein derartiges Instrument bereits zur Verfügung gestellt. Das Grundprinzip der Messung ist einfach: Pulsare senden Radiopulse mit extrem konstanter Frequenz aus. Variieren nun die Ankunftszeiten dieser Signale, weil sie einen von Gravitationswellen deformierten Raumbereich durchqueren mussten, lassen sich aus diesen Daten Informationen über diese Gravitationswellen gewinnen. Das Verfahren ist ähnlich dem, wie es bei GEO600 oder LIGO zum Einsatz kommt. Auch hier wird geprüft, ob sich die Lichtlaufzeit auf einer bestimmten Strecke durch eine durchlaufende Welle verändert. Nutzt man Pulsare als Lichtquellen, ist der Arm des »Instruments« allerdings mehrere tausend Lichtjahre lang.

In einem einfachen (wenn auch nicht ganz korrekten) Bild kann man sich vorstellen, dass sich die Distanz der Erde zu den Pulsaren durch eine Gravitationswelle verändert. Infolge der erwarteten Polarisationseigenschaften (siehe Bild S. 49) variieren die Pulsankunftszeiten von zwei Quellen, deren Verbindungslinien zur Erde senkrecht aufeinanderstehen, gegenläufig. Die einen Pulse treffen also verzögert ein, die anderen früher. So sind die Schwankungen der Ankunftszeiten also mit der Position der Quellen am Himmel korreliert. Indem wir die genauesten dieser Pulsare, das sind derzeit rund 30 Exemplare, regelmäßig mit den größten Radiotele­ skopen der Welt beobachten, können wir die Schwankungen detektieren und daraus auf die sie verursachenden Gravitationswellen zurückschließen.

Die Empfindlichkeit eines solchen Pulsar-Timing-Arrays (PTA) aus mehreren Pulsaren wächst mit der Länge des Beobachtungszeitraums. Gleichzeitig erweitert sich dadurch das Spektrum der beobachtbaren Frequenzen. Mit unserem PTA, so lassen Simulationen unserer Kollegen vom Standort Potsdam-Golm des Albert-Einstein-Instituts erwarten, werden wir innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre Gravitationswellen sehen - entweder als dominierendes Signal einer einzelnen Quelle oder, was wahrscheinlicher ist, als Gravitationswellenhintergrund aus einer Reihe weniger starker Quellen.

Bei all diesen Überlegungen darf man nicht aus den Augen verlieren, dass auch Pulsare ihre Signale nicht in absolut regelmäßigen Abständen aussenden. Die Frage ist, welche von ihnen überhaupt genau genug »ticken«, dass wir sie für Experimente nutzen können. In der Tat lassen insbesondere junge Pulsare ein gewisses Eigenrauschen erkennen. Bislang wurde dieses Phänomen als zufällige Variation gedeutet. Kürzlich konnten Pulsarforscher jedoch zeigen, dass sie sich auf physikalische Prozesse in der Magnetosphäre des Pulsars zurückführen lassen. Dabei treten Variationen des aus der Magnetosphäre strömenden Teilchenflusses auf (siehe Grafik S. 51). Dies führt zu kleinen Schwankungen in den Abbremsraten, die sich auch auf die Pulsformen der Radiosignale auswirken. Durch Messungen der Pulsformen können wir nun die Abbremsrate genauer bestimmen und so unsere Uhren noch präziser kalibrieren.

Um die Genauigkeit des Timings weiter zu erhöhen, suchen die Forscher auch nach stärkeren Pulsaren, unter anderem mit dem berühmten Effelsberger 100-Meter-Radioteleskop. Außerdem nutzen sie die weltweit größten Instrumente, die im Radiobereich arbeiten. In den USA gehört dazu das 100-Meter-Green-Bank-Teleskop, auf Puerto Rico das 300-Meter-Arecibo-Instrument und in Australien das 64-Meter-Parkes-Teleskop. Zudem arbeiten sie mit vier europäischen Geräten: neben dem Effelsberger Instrument mit dem Westerbork-Synthesis-Radioteleskop in den Niederlanden (dessen Leistung äquivalent der einer 94 Meter durchmessenden Radio-»Schüssel« ist), dem englischen 76-Meter-Lovell-Teleskop in England und dem Transit-Teleskop im französischen Nançay, das äquivalent einem 100-Meter-Instrument ist. Bald wird ein neues 64-Meter-Teleskop auf Sardinien hinzukommen. Obwohl die Gesamtfläche der europäischen Teleskope schon jetzt ihresgleichen in der Welt sucht, werden wir die Instrumente bald sogar zum Large European Array for Pulsars (LEAP) zusammenfassen. Dann verfügen wir über ein virtuelles Instrument, dessen Leistungsfähigkeit der einer 200-Meter-Schüssel entspricht.


Ein Quadratkilometer Sammelfläche für Radiolicht

Bereits jetzt wurde im Rahmen des europäischen Verbunds European Pulsar Timing Array (EPTA) die derzeit beste obere Grenze für den Gravitationswellenhintergrund bestimmt. Das heißt: Wir wissen, dass die Amplitude des Hintergrundsignals eine bestimmte Stärke nicht überschreitet. Das tatsächliche Signal muss also schwächer sein, woraus sich bereits Randbedingungen für das Verschmelzen von Galaxien im frühen Universum ableiten lassen.

Doch selbst im Rahmen der internationalen IPTA-Kooperation (International Pulsar Timing Array), in der EPTA und LEAP mit nordamerikanischen und australischen Forschern zusammenarbeiten, reicht die Empfindlichkeit der derzeitigen Teleskope kaum aus, um mehr als nur den Hintergrund zu detektieren. Aussagen über die physikalischen Eigenschaften der Gravitationswellen sind so aber noch nicht möglich. Dar um arbeiten Astronomen in mehr als 20 Ländern bereits heute an der Errichtung des größten Radioteleskops der Welt.

Die Gesamtfläche des Square Kilometre Array (SKA, ein Nachfolger des LOFAR-Teleskops, siehe »Per Software zu den Sternen«, SdW 7/2008, S. 26), für das tausende kleinerer Antennen elektronisch zusammengeschaltet werden, wird den gigantischen Wert von einem Quadratkilometer besitzen. Das mit SKA gemessene Signal wird rund 100-mal stärker sein als das zufällige Hintergrundrauschen, so dass wir sogar die Polarisationseigenschaften der Gravitationswellen und ihre Ausbreitungsgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Wellenlänge werden messen können. Damit sollten sich spannende Fragen über die fundamentalen Eigenschaften der Gravitation beantworten lassen, insbesondere über das Graviton. Das noch hypothetische Teilchen könnte für die Übertragung der Schwerkraft verantwortlich sein, so wie Photonen die elektromagnetische Wechselwirkung übertragen oder Gluonen die starke Kernkraft.

Mit SKA werden wir auch einzelne Quellen detektieren und nicht nur einen stochastischen Hintergrund. Identifizieren lassen sie sich mit einem Trick: Gravitationswellen rütteln nicht nur an der Erde, sondern - zeitlich versetzt - auch am Pulsar. Kennt man die Entfernung zwischen Pulsar und Erde genau, kann man anhand der Signale die Richtung der Quelle relativ zu Pulsar und Erde mit großer Genauigkeit bestimmen. Aus der Kombination der beiden Richtungen können wir dann die Himmelsposition der Quelle auf Bruchteile eines Grads genau bestimmen und schließlich auch im elektromagnetischen Spektrum nach ihr fahnden.

So beginnt sich mit der Gravitationswellenastronomie ein neues Fenster ins Universum zu öffnen. Was wir entdecken werden, ist noch ungewiss. Aber wir können sicher sein: Pulsare werden bei den kommenden Entdeckungen eine wichtige Rolle spielen.


Die Autoren

Michael Kramer ist Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn und Professor für Astrophysik an der Universität Bonn sowie an der University of Manchester. In seiner Arbeit verbindet er Gravitationsphysik und Kosmologie mit der Erforschung von Pulsaren und ihren Vorgängersternen. Der Radioastronom gehörte dem Team an, das 2003 den Doppelpulsar entdeckte. Norbert Wex ist theoretischer Astrophysiker und leitet am MPIfR die Theoriegruppe in der Abteilung Radioastronomische Fundamentalphysik. Er befasst sich insbesondere mit relativistischen Theorien der Gravitation, mit Gravitationswellen und Schwarzen Löchern sowie den Möglichkeiten des Pulsar-Timings.


Quellen

Bartusiak, M.: Einsteins Vermächtnis. Der Wettlauf um das letzte Rätsel der Relativitätstheorie. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2005

Champion, D. et al.: Measuring the Mass of Solar-System Planets Using Pulsar Timing. In: The Astrophysical Journal Letters 720, S. L201, 2010

Kennefick, D.: Traveling at the Speed of Thought: Einstein and the Quest for Gravitational Waves. Princeton University Press, 2007

Kramer, M., Wex, N.: The Double Pulsar System: A Unique Laboratory for Gravity. In: Classical and Quantum Gravity 26, S. 073001, 2009

Lorimer, D. Kramer, M.: Handbook of Pulsar Astronomy. Cambridge University Press, 2005

Lyne, A. et al.: Switched Magnetospheric Regulation of Pulsar Spin-Down. In: Science 329, S. 408, 23. Juli 2010

Weblink
Den vollständigen Artikel sowie weiterführende Informationen finden Sie im Internet: www.spektrum.de/artikel/1072101


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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 49 oben:
Pulsare (graue Kugeln) senden in Richtung ihrer magnetischen Achse Radiostrahlen (blau-weiß) aus. Weil die Objekte schnell rotieren, erreicht die Strahlung die Erde in Form kurzer, regelmäßiger Pulse. Gravitationswellen verzerren aber den Raum (angedeutet durch ein Gitternetz), so dass die Ankunftszeiten der Signale schwanken. Aus den Variationen ermitteln Physiker Informationen über die Gravitationswellen. Mit einem Netzwerk aus Pulsaren können sie sogar die Raumzeit präzise vermessen (schematische Darstellung).

Abb. S. 49 unten:
Läuft eine Gravitationswelle durch einen Ring aus frei schwebenden Testteilchen (grau), oszilliert deren Konfiguration senkrecht zur Ausbreitungsrichtung der Welle periodisch von der blauen zur roten Anordnung und zurück. Dabei lassen sich zwei Polarisationsmuster unterscheiden. Jede Gravitationswelle besteht aus einer Überlagerung dieser beiden Polarisationen.

Abb. S. 51 oben:
An den Magnetpolen eines Pulsars werden geladene Teilchen entlang der dort senkrecht zur Sternoberfläche weisenen Magnetfeldlinien (grün) auf höchste Geschwindigkeiten beschleunigt und schließlich als gebündelte Radiostrahlen (gelb) emittiert. Auch ein zusätzlicher Teilchenstrom wird emittiert, der zu Schwankungen in der Rotationsperiode des Sterns führt. Manche Pulsare sind so zur Erde hin ausgerichtet, dass die Radiostrahlen während der Rotation des Pulsars auch die Erde überstreichen. Der Pulsar erscheint Astronomen dann als kosmischer Leuchtturm, dessen Signale in kurzen, extrem regelmäßigen Abständen aufblitzen.

Abb. S. 51 unten:
Der Krebs-Pulsar rotiert mit einer Periode von 33 Millisekunden. Astronomen haben ihn im so genannten Krebsnebel entdeckt (Bild), dem Überrest einer im Jahr 1054 beobachteten Supernova. Weil der Pulsar viel Rotationsenergie verliert, ist seine Drehbewegung nicht sehr gleichmäßig. Für die Präzisionsastronomie geeigneter sind Pulsare, die schwächer abbremsen.

Abb. S. 52 unten:
Überzeugender Beleg
Der erste indirekte Nachweis für die Existenz von Gravitationswellen gelang mit Hilfe des ab 1974 beobachteten Hulse-Taylor-Pulsars. Die Forscher ermitteln jeweils, wann der Pulsar den Punkt seiner Bahn erreicht, wo er seinem Begleiter am nächsten kommt (in der Grafik wird dies als Verschiebung im Periastrondurchgang bezeichnet). Die rote Linie zeigt, welche Werte auf Basis der aus der allgemeinen Relativitätstheorie abgeleiteten Quadrupolformel erwartet wurden. Die schwarzen Punkte sind aktuelle Messdaten, ermittelt von Joseph H. Taylor und seinen Kollegen Joel M. Weisberg und David J. Nice.

Abb. S. 53 unten:
Planeten wiegen mit Pulsaren
Unter der Annahme, dass Pulsare genaue und unabhängige Uhren sind, kann man mit Hilfe des Pulsar-Timings sogar die Planeten des Sonnensystems »wiegen«. Kennt man Position oder Masse eines Planeten nicht genau genug, wird dies direkt in den Auswertungen der Pulsankunftszeiten erkennbar. Lässt man beispielsweise eine falsche Jupitermasse in die Berechnungen einfließen, so schwanken die ermittelten Zeiten mit einer Periode, die genau mit der Bahnperiode des Jupiters übereinstimmt. Die Schwankungen werden umso geringer, je präziser die verwendete Jupitermasse ist. So haben David Champion, Michael Kramer und ein Team internationaler Kollegen die Masse des Systems aus Jupiter und seinen Monden auf 200 billionstel Sonnenmassen genau bestimmt. Eine solche Genauigkeit wurde bislang nur von Messungen mit Raumsonden erreicht.

Abb. S. 54:
Der für 2020 geplante Weltraumdetektor LISA besteht aus drei Satelliten, angeordnet an den je fünf Millionen Kilometer voneinander entfernten Ecken eines gedachten, langsam rotierenden Dreiecks. Während LISA entlang der Erdbahn die Sonne umrundet - als Nachzügler rund 50 Millionen Kilometer »hinter« der Erde -, wird Laserlicht zwischen den Satelliten hin und her geschickt und an frei darin fliegenden Testmassen reflektiert. Aus Variationen der Lichtlaufzeit können die Forscher auf Gravitationswellen schließen.

Abb. S. 55:
Vorstoß zum Hintergrund - mit immer empfindlicheren Detektoren
Voraussichtlich entdecken die Pulsarforscher, anders als ihre Kollegen an Detektoren wie LIGO und VIRGO, zunächst keine einzelnen Signale besonders starker Quellen, sondern stoßen auf ein Hintergrundsignal. Darin überlagern sich die Signale unzähliger Binärsysteme, die aus je zwei miteinander verschmelzenden Schwarzen Löchern oder Neuronensternen bestehen.
Die blauen Linien im Diagramm zeigen, welche Art von Gravitationswellen, gekennzeichnet durch ihre Amplitude und Wellenlänge, die jeweiligen Experimente gerade noch registrieren können. Der Bereich oberhalb der Linien wurde von den Detektoren bereits abgesucht. Der Bereich unterhalb soll in naher Zukunft erschlossen werden. Die Detektion von Wellen noch größerer Wellenlänge ist durch die Vermessung des kosmischen Mikrowellenhintergrunds möglich (nicht dargestellt).

Abb. S. 56:
In Australien oder Südafrika soll bald das Square Kilometre Array (SKA) gebaut werden. Dieses Radioteleskop wird auf seiner Gesamtfläche von rund einem Quadratkilometer auch die Genauigkeit des Pulsar-Timings erheblich verbessern. Dazu werden rund 3000 Parabolantennen mit je 15 Meter Durchmesser zusammengeschaltet. Sie registrieren hohe Frequenzen bis in den Gigahertzbereich hinein. Hinzu kommen ganze Felder von Antennen unterschiedlicher Bauart, die niedrige und mittlere Frequenzbereiche abdecken.


© 2011 Michael Kramer, Norbert Wex, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
Spektrum der Wissenschaft 7/11 - Juli 2011, Seite 48 - 57
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2011