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ASTRO/165: Kosmische Kollisionen schmieden Gold (MPG)


Max-Planck-Gesellschaft - 8. September 2011

Kosmische Kollisionen schmieden Gold

Die schwersten Elemente wie Gold oder Blei entstehen, wenn Neutronensterne zusammenstoßen


Der Ort, an dem die schwersten chemischen Elemente im Universum wie Blei oder Gold entstehen, dürfte nun gefunden sein: In einer heftigen Kollision verschmelzende Neutronensterne sind die idealen Produktionsstätten. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching und dem Exzellenzcluster Universe sowie an der Freien Universität Brüssel haben mit detaillierten numerischen Simulationen bestätigt, dass die relevanten Atomkernreaktionen tatsächlich dort ablaufen und dabei die schwersten Elemente in den beobachteten Häufigkeiten erzeugt werden.

Das Foto zeigt riesige Goldklumpen. Neue theoretische Modelle bestätigen die Vermutung, daß es bei Kollisionen zwischen zwei Neutronensternen 'geschmiedet' werden könnte. - Foto: © Natural History Museum, London

Wo ist Gold entstanden? Lange war der kosmische Ursprungsort dieses
seltenen Edelmetalls - hier natürliche Goldklumpen aus Kalifornien und
Australien - und anderer sehr schwerer chemischer Elemente unbekannt.
Nun bestätigen neue theoretische Modelle die Vermutung, es könnte bei
Kollisionen zwischen zwei Neutronensternen "geschmiedet" werden.
Foto: © Natural History Museum, London

Viele schwere chemische Elemente entstehen durch das nukleare Brennen in Sternen. So fusioniert auch im Inneren unserer Sonne ständig Wasserstoff zu Helium und setzt dabei Energie frei. Massereichere Sterne als die Sonne schmieden danach aus Helium schwerere Elemente. Dieser Prozess funktioniert aber nur bis hin zum Eisen. Weil weiterer Energiegewinn in Fusionsreaktionen nicht möglich ist, können noch schwerere Atomkerne so nicht erzeugt werden. Sie bilden sich durch Einfang von ungeladenen Neutronen auf mittelschwere Saatkerne.

Zwei Prozesse spielen hierbei eine besondere Rolle: der langsame und der schnelle Neutroneneinfang. Der langsame Neutroneneinfang oder s-Prozess (vom englischen slow für langsam) läuft bei niedrigen Neutronendichten im Inneren von Sternen in deren späten Entwicklungsstadien ab. Der schnelle r-Prozess (vom englischen rapid für schnell) benötigt sehr hohe Neutronendichten. Die Physiker wissen, dass dieser r-Prozess für die Entstehung eines großen Teils der schwersten Elemente (mit Kernmassenzahlen A > 80) verantwortlich ist, darunter Platin, Gold, Thorium und Plutonium. Allerdings standen die Wissenschaftler vor der Frage, in welchen astrophysikalischen Objekten dieser Prozess ablaufen kann.

"Die Herkunft von etwa der Hälfte der schweren Elemente im Universum war bisher ein ungelöstes Rätsel", sagt Hans-Thomas Janka, leitender Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik und Mitarbeiter im Exzellenzcluster Universe. "Lange dachte man, dass sie in Supernova-Explosionen produziert werden könnten, neuere Modelle gehen aber von dieser Theorie weg."

Ein anderes mögliches Szenario bieten Neutronensterne (siehe Hintergrund: Neutronensterne), die in einem Doppelsystem am Ende einer Jahrmillionen dauernden Entwicklung in einer gigantischen Kollision miteinander verschmelzen. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik haben nun zum ersten Mal zusammen mit einem Kollegen von der Freien Universität Brüssel die Vorgänge, die bei einer derartigen Verschmelzung ablaufen, in allen Schritten im Detail mit Computermodellen berechnet. Sie kombinierten dabei relativistische, hydrodynamische Simulationen des kosmischen Zusammenstoßes mit Berechnungen der Kernreaktionen von über 5000 Atomkernarten (chemische Elemente und deren Isotope (siehe Hintergrund: Isotope)) in der bei der Sternkollision gewaltsam ausgeschleuderten Materie.

Originalveröffentlichung
Stephane Goriely, Andreas Bauswein und Hans-Thomas Janka
r-process nucleosynthesis in dynamically ejected matter of neutron star mergers
The Astrophysical Journal, 10. September 2011; doi:10.1088/2041-8205/738/2/L32

Ansprechpartner

Dr. Hans-Thomas Janka
Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching
E-Mail: thj@mpa-garching.mpg.de

Andreas Bauswein
Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching
E-Mail: abauswein@mpa-garching.mpg.de

Dr. Hannelore Hämmerle
Pressesprecherin MPI für Astrophysik und MPI für extraterrestrische Physik
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching
E-Mail: hannelore.haemmerle@mpe.mpg.de


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Quelle:
MPG - Presseinformation vom 8. September 2011
Herausgeber:
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2011