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ASTRO/200: Superhelle Supernovae (Spektrum der Wissenschaft)


Spektrum der Wissenschaft 8/12 - August 2012

Astrophysik
Superhelle Supernovae

Von Avishay Gal-Yam



Kürzlich entdeckten Astronomen explodierende Sterne, die ungeahnte Energiemengen freisetzen. Ein Spektakel, das es in sich hat - denn offenbar entstehen aus Photonen enorme Mengen von Materie und Antimaterie.


AUF EINEN BLICK

Wie Hyperriesen enden

1. Einige Supernovae setzen ungeahnt viel Energie frei und leuchten besonders lange.

2. Archivaufnahmen zufolge müssen ihre Vorläufersterne 100-mal mehr Masse als die Sonne gehabt haben - doch nach der gängigen Theorie dürften so große Sterne gar nicht explodieren!

3. An manchen Supernovae ist offenbar die spontane Bildung vieler Teilchen und Antiteilchen beteiligt. Solche Vorgänge spielten vor allem bei der Explosion der ersten Sternriesen im frühen Universum eine Rolle.


Mit über 4000 Metern ist der Mauna Kea der höchste Berggipfel auf Hawaii. Auf ihm befinden sich mehrere internationale Observatorien - zusammengenommen die größte Sternwarte der Welt. Zu ihnen gehört das Keck-Observatorium mit seinen zwei riesigen Zehn-Meter-Spiegelteleskopen. Eines der beiden erhielt Mitte 2005 eine so genannte adaptive Optik, mit der das Instrument automatisch die störenden Turbulenzen der Lufthülle kompensiert und nun ebenso scharfe Bilder liefert wie das Hubble-Weltraumteleskop. Der Astrophysiker Shrinivas Kulkarni vom California Institute of Technology (kurz Caltech) in Pasadena drängte mich und andere junge Forscher seines Instituts, uns schleunigst um Beobachtungszeit zu bewerben. Denn wenn in der Fachwelt erst einmal bekannt wäre, wie großartig das Teleskop jetzt funktioniere, würden wir darum kämpfen müssen.

Also konzipierte ich zusammen mit meinen damaligen Postdoc-Kollegen Derek Fox und Doug Leonard eine Untersuchung, die zuvor praktisch nur mit dem Hubble-Teleskop möglich gewesen war: Wir jagten nach Supernova-Vorläufern. Das heißt, wir wollten wissen, wie Sterne aussehen, die gleich explodieren werden.

Theoretiker können schon seit Jahrzehnten vorhersagen, welche Himmelskörper sich in Supernovae verwandeln werden. Zum Beispiel wissen sie, dass helle blaue Sterne kurz vor der Explosion stehen. Allerdings versteht ein Astronom unter »kurz« rund eine Million Jahre. Gewiss würden wir den Ablauf besser verstehen, wenn wir seine gesamte Entwicklung beobachten könnten, aber geduldiges Betrachten einzelner Sterne kommt dafür nicht in Frage.

Im November 2005 gewährte uns das Keck-Observatorium eine einzige Nacht Beobachtungszeit. Aufgeregt flog ich zur Hauptinsel von Hawaii und hoffte auf gute Sichtverhältnisse, denn wir hatten nur diese eine Chance. Zum Glück spielte das Wetter mit - und in jener Nacht begann für mich ein Forschungsabenteuer, das seitdem die gängige Ansicht über die maximale Größe von Sternen und deren Ende völlig verändert hat.

Damals glaubten die Experten, dass sehr große Sterne nicht explodieren, sondern allmählich schrumpfen und in Form von Sternenwind Masse verlieren. Die meisten Astrophysiker meinten sogar, wegen dieser starken Winde könnten die Sterne im gegenwärtigen Universum von vornherein nicht allzu sehr wachsen - höchstens bis auf rund 100 Sonnenmassen. Doch wie wir auf Grund unseres Hawaii-Abenteuers herausfanden, gibt es in unserem Universum Sterne von mindestens 200 Sonnenmassen, die ihr Dasein mit den energiereichsten Explosionen überhaupt beenden. Ebenso überraschte uns die Entdeckung, dass einige dieser Sterne auf völlig unerwartete Weise explodieren, wobei in ihrem Zentrum Antimaterie entsteht.

Derart riesige Himmelskörper - und wahrscheinlich sogar noch größere - waren auch die ersten, die sich in der Frühgeschichte des Universums aus Gas bildeten. Daher erfahren wir aus der Art ihrer Explosion, wie sich die dabei erzeugten chemischen Elemente durch den Kosmos ausbreiteten und letztlich zu den Keimen heutiger Sonnen, Planeten und Menschen wurden.


Ein unwahrscheinlicher Anfang

Während unserer knappen Zeit am Teleskop planten Fox, Leonard und ich, eine aktive Supernova zu beobachten. Dann wollten wir durch Vergleiche mit Archivaufnahmen des Hubble-Teleskops ein Bild des Sterns vor seiner Explosion finden. Natürlich ist es schwierig, auf einem Hubble-Foto zu erkennen, welcher Lichtpunkt unter den Milliarden Sternen einer Galaxie ein Supernova-Vorläufer ist. Dafür gilt es erst einmal, den Ort der Supernova sehr präzise zu vermessen. Vor der Installierung der adaptiven Optik im Keck-Observatorium war das wiederum nur mit dem Hubble-Teleskop möglich gewesen - und selbst damit hatten die Astronomen bis dahin nur drei Vorläufersterne zu identifizieren vermocht.

Unter den zur Beobachtungszeit aktiven Supernovae wählten wir eine namens SN 2005gl aus. Andere Teams hätten das für eine schlechte Wahl gehalten, und zwar aus gutem Grund: Üblicherweise suchen die Forscher nach Supernova-Vorläufern in einem Umkreis von rund 60 Millionen Lichtjahren, doch unser Kandidat lag mit 200 Millionen Lichtjahren mehr als dreimal so weit von der Erde entfernt. Damit wir den Vorläufer von SN 2005gl auf Hubble-Bildern finden konnten, musste er zu den leuchtkräftigsten je beobachteten Sternen gehören. Mit der Annahme, es könne so extrem stark leuchtende und somit massereiche Supernova-Vorläufer geben, gingen wir ein hohes Risiko ein.

Und wir hatten Glück. Nachdem wir die Position von SN 2005gl anhand der Keck-Daten vermessen hatten, fanden wir tatsächlich auf einem Hubble-Bild genau am richtigen Ort etwas, das einem Stern ähnlich sah. Falls es sich um einen einzigen Himmelskörper handelte, war er in der Tat extrem leuchtkräftig: eine Million Mal heller als die Sonne und somit mindestens 100-mal so schwer. Doch da ein solcher Koloss nach herrschender Auffassung gar nicht explodieren durfte, hätten die meisten Astronomen den Lichtfleck auf dem Hubble-Foto eher für einen Cluster aus kleineren und schwächeren Sternen gehalten, die zusammen die beobachtete Helligkeit erzeugten. Mit unseren Daten ließ sich diese Möglichkeit zunächst nicht ausschließen.

Obwohl unser Resultat nicht beweiskräftig war, suchte ich weiter nach Indizien für das Schicksal extrem massereicher Sterne. 2006 kam mir erneut der Zufall zu Hilfe. Wieder saß ich eines Nachts im Keck-Observatorium, doch diesmal herrschte scheußliches Wetter. Stundenlang wartete ich am Steuerungscomputer und begann mich gerade zu fragen, ob die umständliche Anreise umsonst gewesen war, als endlich die Wolken aufrissen und ein paar Sterne preisgaben. Ich nahm eine Supernova-Explosion namens SN 2006gy ins Visier. Robert Quimby, damals Doktorand an der University of Texas in Austin, hatte sie erst acht Tage zuvor mit einem Teleskop entdeckt, das 20-mal kleiner war als die riesigen Keck-Spiegel. Aber schon nach einer Viertelstunde bildete sich wieder eine geschlossene Wolkendecke. Scheinbar war die Nacht ein kompletter Fehlschlag.


Noch eine unmögliche Explosion

Doch dann analysierte ein Team um den Caltech-Kollegen Eran Ofek meine Daten, und SN 2006gy entpuppte sich als die leuchtkräftigste bis dahin entdeckte Supernova-Explosion. Zum gleichen Ergebnis kam Nathan Smith an der University of California in Berkeley. Das stellte uns vor ein Rätsel, denn keiner der damals bekannten Supernova-Typen vermag so viel Strahlung zu erzeugen. Da SN 2006gy in einer noch nicht von Hubble fotografierten Galaxie lag, konnten wir den Vorläuferstern nicht detailliert untersuchen; doch angesichts der Heftigkeit seiner Explosion musste er mindestens 100 Sonnenmassen haben.

Für die exzessive Leuchtkraft zogen wir zwei mögliche Erklärungen in Betracht. Erstens: Es handelte sich um Wärmestrahlung einer Stoßwelle, die entstand, als die Explosionsreste der Supernova den langsameren Sternenwind, den der Stern selbst vor seiner Explosion emittiert hatte, einholten und wegfegten. Oder zweitens: Supernovae bringen neue Elemente hervor, und zwar vorwiegend in Form radioaktiver Isotope, die später in stabilere Elemente zerfallen. Vielleicht erzeugte die gewaltige Explosion riesige Mengen radioaktiven Materials, dessen langsamer Zerfall Energie in eine expandierende Wolke aus Sterntrümmern pumpte und sie zur Fluoreszenz brachte? Nur: Wodurch entstand genug radioaktive Substanz zur Erklärung der ungeheuren Leuchtkraft?

Auf der Suche nach einer Antwort stießen wir auf verstaubte theoretische Artikel vom Ende der 1960er Jahre. Drei junge Astrophysiker - Gideon Rakavy, Giora Shaviv und Zalman Barkat - hatten damals ein neuartiges Modell für Sternexplosionen vorgeschlagen.

Sterne leuchten, weil ihr Kern so dicht und heiß ist, dass Wasserstoffatome zu Helium und schwereren Elementen verschmelzen; dabei wird Fusionsenergie frei. Die physikalischen Vorgänge im Kern eines massereichen Sterns und dessen weitere Entwicklung hängen im Wesentlichen von der dortigen Dichte und Temperatur ab. In der Regel wird der Sternkern mit der Zeit dichter und heißer; dabei entstehen durch Fusion sukzessive immer schwerere Elemente - erst Helium, danach Kohlenstoff, später Sauerstoff und so weiter. Dazwischen können Tausende bis Milliarden Jahre vergehen, je nachdem, wie schnell die nuklearen Fusionsprozesse Temperatur und Dichte im Sterninneren verändern.

Rakavy und sein Team hatten berechnet, was geschieht, wenn ein sehr massereicher Stern - hunderte Male so schwer wie die Sonne - ein Stadium erreicht, in dem sein Kern vorwiegend aus Sauerstoff besteht. Bei kleineren Sternen wissen wir, was dann passiert: Der Stern zieht sich unter der eigenen Schwerkraft zusammen, und sein Kern erhitzt sich, bis die Fusion von Sauerstoff zu Silizium möglich wird. Doch der Kern eines Hyperriesen wird den Berechnungen zufolge bei der Kontraktion zwar heiß, aber nicht sehr dicht. An Stelle der Fusion von Sauerstoff tritt so genannte Paarerzeugung auf.

In genügend heißer Materie emittieren Atomkerne und Elektronen sehr energiereiche Photonen im Gammastrahlungsbereich. Da Masse und Energie nach Albert Einsteins berühmter Gleichung E = mc² austauschbar sind, können sich zwei energiereiche Photonen beim Zusammenstoß spontan in ein Partikelpaar verwandeln - insbesondere in ein Elektron und sein Antiteilchen, ein Positron. Auf diese Weise wird die Energie der Photonen größtenteils in Form von Materie quasi eingefroren. Die Elektronen und Positronen üben aber viel weniger Druck aus als die Photonen, aus denen sie hervorgegangen sind. Während Letztere mit ihrem Strahlungsdruck den Kollaps des Sterns unter seinem eigenen Gewicht aufgehalten haben, wird der Kern nun instabil und beginnt, sich rasch zusammenzuziehen.


Die grellsten Explosionen

Die vom Autor und seinen Mitarbeitern untersuchten Supernovae erwiesen sich als die energiereichsten Sternexplosionen, die je beobachtet wurden. Ein Rekordereignis begann 2006 (rot) und wurde 2009 von einem anderen überboten (orange). Beide dauerten relativ kurz. Eine weitere Supernova im Jahr 2007 erreichte zwar nicht den höchsten Spitzenwert, setzte aber die größte Gesamtenergie frei (gelb). Sie war das erste Beispiel für einen neuen Supernova-Typ, der offenbar von sehr massereichen Sternen ausgeht (siehe Kasten auf den folgenden Seiten).
Grafik der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht.


Instabil durch Paarerzeugung

Ebenso schlagartig steigt die Dichte, und das setzt die Sauerstofffusion in Gang. Da dies nicht in einem stabilen, sondern in einem kollabierenden Kern geschieht, läuft die Zündung explosiv ab: Die von der Fusion freigesetzte Energie heizt das Material weiter auf, und das wiederum beschleunigt die Fusion durch positive Rückkopplung. Der Stern kann in Minutenschnelle so viel Sauerstoff verbrennen, dass die dadurch erzeugte Energie die gesamte Gravitationsenergie des Sterns übersteigt. Darum vernichtet sich der Himmelskörper bei diesem Explosionstyp praktisch restlos, während typische Supernovae einen Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch hinterlassen. Zurück bleibt lediglich eine rasch expandierende Wolke, die größtenteils aus den bei der Explosion gebildeten Elementen besteht.

Die Theoretiker sagten voraus, diese so genannte Paarinstabilitätssupernova würde neben anderen relativ schweren Elementen eine riesige Menge Nickel-56 bilden. Das Isotop Ni-56 ist radioaktiv und wird letztlich zu nichtradioaktivem Eisen. Dann könnte unserer Ansicht nach der Zerfall von Ni-56 die starke Leuchtkraft von SN 2006gy erklären.

Gegen das theoretisch durchaus plausible Szenario sprach nur, dass es nach damals gängiger Meinung in der Natur nicht wirklich vorkam. Derart massereiche Sterne, hieß es, dürften sich gar nicht bilden, zumindest nicht im gegenwärtigen Universum. Und selbst wenn sie entstünden, würden sie so starke Sternenwinde erzeugen, dass sie rasch den größten Teil ihrer Masse verlören und niemals genügend massereiche Kerne bilden könnten, um die Paarinstabilität zu erreichen. Bestenfalls knapp eine Milliarde Jahre nach dem Urknall wären die ersten Sterne schwer genug gewesen, um als Paarinstabilitätssupernovae zu explodieren - vielleicht.

Unterdessen wurden viele Astronomen auf die spektakuläre neue Supernova SN 2006gy aufmerksam und begannen sie eifrig zu erforschen. Obwohl dabei das Paarinstabilitätsmodell eine Renaissance erlebte, schien es ausgerechnet auf SN 2006gy nicht zuzutreffen: Die Lichtkurve - das Abnehmen der Strahlung mit der Zeit - passte nicht zur Nickelradioaktivität. Bei Paarinstabilität sollte das meiste Licht nicht von der Explosion selbst stammen, sondern von Ni-56 und den anderen dabei erzeugten Isotopen. Doch SN 2006gy leuchtete erst viele Monate und verschwand dann plötzlich - viel zu schnell für einen durch Radioaktivität angetriebenen Vorgang. Wahrscheinlich handelte es sich gar nicht um eine Paarinstabilitätssupernova, und unsere Alternativerklärung, die ungewöhnliche Helligkeit stamme von einer Stoßwelle, gewann die Oberhand. Doch nun suchte ich erst recht nach Paarinstabilitätsereignissen.


Endlich ein Volltreffer?

Einige Monate nach dem Zufallstreffer trotz Wolken über Hawaii machte ich Urlaub in Colorado. Dort erreichte mich eine E-Mail von Peter Nugent vom Lawrence Berkeley National Laboratory. Wir beide hatten gerade mit dem Probelauf für eine große Supernova-Suche begonnen. Jetzt mailte er mir das höchst seltsame Spektrum einer Supernova. So etwas hatte ich noch nie gesehen.

Da die Atome jedes Elements Licht ganz bestimmter Wellenlängen absorbieren und aussenden, liefert das Spektrum einer astronomischen Quelle Informationen über ihre chemischen Bestandteile. Demnach musste Nugents Supernova namens SN 2007bi ungewöhnlich zusammengesetzt und Als extrem heiß sein.

Nach meiner Rückkehr zum Caltech verfolgte ich die weitere Entwicklung von SN 2007bi. Das Objekt emittierte rund zehnmal mehr Strahlung als eine typische Supernova, und die Lichtmenge nahm sehr langsam ab. Diese Quelle leuchtete einfach immer weiter - tage-, wochen-, monatelang. Allmählich war ich überzeugt, wir hätten endlich eine Paarinstabilitätssupernova gefunden. Es dauerte über ein Jahr, bis sie schließlich verschwand. Aber ich brauchte mehr Daten, um sicher zu sein.

Daher setzte ich zusammen mit mehreren Mitarbeitern die Beobachtung von SN 2007bi mit Teleskopen des Palomar-Observatoriums am Caltech fort. Rund ein Jahr nach der Entdeckung dieser Explosion wurde ihre Strahlung schließlich schwächer; nun bat ich meine Caltech-Kollegen Richard Ellis und Kulkarni, sie mit den großen Keck-Teleskopen zu beobachten, und versprach ihnen, ein Durchbruch stehe kurz bevor.

Unterdessen zog ich mit meiner Familie nach Israel um und begann meine gegenwärtige Tätigkeit am Weizmann Institute of Science in Rehovot. Im August 2008 sandten mir Kulkarni und sein Doktorand Mansi Kasliwal das neueste Spektrum von SN 2007bi. Bei einer ersten groben Analyse traute ich meinen Augen nicht: Diese Explosion produzierte eine unglaubliche Menge an Nickel-56, die fünf bis sieben Sonnenmassen gleichkam. Das war zehnmal mehr, als je beobachtet worden war - und genau das, was man von einer Paarinstabilitätssupernova erwarten durfte. Offenbar hatten wir wirklich eine große Entdeckung gemacht.

Ende 2008 reiste ich nach Garching, um mit Paolo Mazzali am Max-Planck-Institut für Astrophysik zu arbeiten. Als Koryphäe für die exakte Analyse von Supernova-Spektren sollte Mazzali meine grobe Schätzung überprüfen. Außerdem besaß er zusätzliche nützliche Daten, die er mit dem Very Large Telescope des European Southern Observatory in Chile gewonnen hatte. Die Resultate stimmten tatsächlich mit meiner früheren Einschätzung überein: mehrere Sonnenmassen von Nickel-56 sowie relative Häufigkeiten anderer Elemente, die zum Paarinstabilitätsmodell passten.

Obwohl ich mir nun ziemlich sicher war, dass wir endlich eine Paarinstabilitätssupernova identifiziert hatten, legte ich die Daten nach meiner Rückkehr nach Israel beiseite und wandte mich wieder der anfangs untersuchten Supernova SN 2005gl zu. Als Fox, Leonard und ich Ende 2005 ihren mutmaßlichen Vorläufer gefunden hatten, konnten wir nicht ganz ausschließen, dass es sich dabei um einen Sternencluster handelte. Nun, drei Jahre später, war die Supernova verschwunden, und das ließ einen simplen Test zu: Falls unser Wunschkandidat nicht der explodierte Stern war, musste er noch immer da sein. Leonard und ich studierten noch einmal Hubble-Aufnahmen.


Wie große Sterne enden

Sterne strahlen durch nukleare Fusion, wobei neue Elemente entstehen. Während ein Stern altert, wird sein Kern heißer und dichter (siehe Diagramm links im Bild) und erzeugt immer schwerere Elemente, die sich wie Zwiebelschalen anordnen (Zeichnung, rechter Bildteil). Ein relativ schwerer Stern mit ungefähr 20 Sonnenmassen (rote Kurve im Diagramm) wird schließlich so dicht, dass er kollabiert und einen Großteil seiner Energie und Masse ausstößt. Doch ein sehr schwerer Stern mit rund 160 Sonnenmassen (gelbe Kurve) vernichtet sich schon viel früher - in einer noch heftigeren Explosion.
Grafiken der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht.


Ein zweiter Anlauf

Gegen Ende 2008 stand fest: Der Stern war verschwunden. Der Vorläufer von SN 2005gl musste wirklich sehr leuchtstark und wahrscheinlich ziemlich massereich gewesen sein - vergleichbar mit Eta Carinae, einem der schwersten blauen Riesen in unserer Galaxis. Damit war die herrschende Theorie für Hyperriesen - wonach sie ihre Masse größtenteils vor der Explosion einbüßen - zumindest in diesem Fall falsch. Es gibt also einige sehr helle und schwere Sterne, die explodieren, bevor sie all ihre Masse verlieren - und vielleicht existieren noch immer einige Hyperriesen, die als Paarinstabilitätssupernovae enden können.

Mit diesem Wissen kehrte ich zu SN 2007bi zurück und suchte intensiv nach Indizien für eine Paarinstabilitätsexplosion. Mein Team und ich analysierten das Spektrum und seine zeitliche Entwicklung; wir verglichen alte und neue Explosionsmodelle. Gegen Ende 2009 wussten wir mit fast unausweichlicher Sicherheit, dass SN 2007bi eine Paarinstabilitätssupernova war. Nach mehr als zwei Forschungsjahren konnten wir endlich unsere Resultate publizieren. Seitdem haben wir drei weitere Ereignisse dieses Typs gesammelt. Alles in allem scheinen sie extrem selten vorzukommen - nur einmal unter 100.000 Supernovae - und setzen einen Stern von 140 bis 200 Sonnenmassen voraus. Sie gleichen riesigen Fabriken zur Elementsynthese und erzeugen die energiereichsten Explosionen, die wir kennen. Damit verdienen sie den Namen Hypernovae.

Besonders faszinierend an dem neuen Supernova-Typ ist, dass er uns einen Blick ins frühe Universum gewährt. Die allerersten Sterne, die einige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall zündeten, hatten 100 bis 1000 Sonnenmassen (siehe SdW 2/2002, S. 26). Manche dieser Giganten explodierten wahrscheinlich durch einen Paarinstabilitätsmechanismus. Somit waren die entfernten Verwandten einiger heutiger Supernovae die ersten, die das Universum mit schwereren Elementen versorgten und so Sterne und Planeten wie unsere Sonne und die Erde ermöglichten.

Unseren Beobachtungen zufolge sind auch im heutigen Universum - entgegen früherer Meinung - Hyperriesen wohl gar nicht so selten. Urtümliche Sterne konnten nur in einem fast reinen Wasserstoff- und Heliummilieu extrem groß werden. Bald bremste die Anreicherung von Produkten nuklearer Fusionsprozesse das Sternwachstum. In Anwesenheit schwererer Elemente kollabieren Sterne schneller und zünden deshalb früher; das umgebende Gas wird weggeblasen, bevor der Stern es sich einverleiben und weiterwachsen kann. Aber offenbar bremsen die schwereren Elemente das Sternwachstum nicht so stark, wie Astrophysiker geglaubt haben.

Die 2007 von Nugent und mir geplante Supernova-Suche ist nun in vollem Gang; sie heißt Palomar Transient Factory (etwa: Palomar-Fabrik für veränderliche Quellen). Im Rahmen des Projekts suchen wir nach weiteren Paarinstabilitätsexplosionen; tatsächlich fanden wir dabei einen Kandidaten, der SN 2007bi ähnelt. Künftige Instrumente wie das James-Webb-Weltraumteleskop der US-Weltraumbehörde Nasa werden wahrscheinlich auch sehr weit entfernte Paarinstabilitätsexplosionen aufspüren können. Vielleicht werden sie eines Tages sogar das spektakuläre Ende der allerersten Sterne enthüllen, die unser Universum hervorgebracht hat.


DER AUTOR
Avishay Gal-Yam promovierte an der Universität Tel Aviv (Israel) in Astrophysik und forschte dann am California Institute of Technology in Pasadena. Jetzt ist er außerdem leitender Wissenschaftler am Weizmann Institute of Science in Rehovot (Israel).


QUELLEN
Gal-Yam, A., Leonard, D.C.: A Massive Hypergiant Star as the Progenitor of the Supernova SN 2005gl. In: Nature 458, S. 865-867, 2009 
Gal-Yam, A. et al.: Supernova 2007bi as a Pair-Instability Explosion. In: Nature 462, S. 624-627, 2009
Hillebrandt, W. et al.: Rätselhafte Supernova-Explosionen. In: Spektrum der Wissenschaft 7/2005, S. 36-45


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Diesen Artikel sowie weiterführende Informationen finden Sie im Internet: www.spektrum.de/artikel/1155294


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Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 42-43:
Aus der Nähe betrachtet wäre eine Supernova ein atemberaubender Anblick. Allerdings würde dabei auf einem Planeten, der den explodierenden Stern umkreist, höchstwahrscheinlich jede Spur von Leben vernichtet.

© 2012 Avishay Gal-Yam, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Spektrum der Wissenschaft 8/12 - August 2012, Seite 42 - 48
Herausgeber: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. September 2012