Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → PHYSIK

BERICHT/071: 100 Jahre Institut für Angewandte Photophysik (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 15 vom 30. September 2008

Am Anfang stand die Fotografie
Das Institut für Angewandte Photophysik blickt auf eine 100-jährige Geschichte zurück

Von K. Mauersberger, Kustodie


Das Institut für Angewandte Photophysik, eines der renommierten Institute unserer Universität, feiert dieser Tage sein 100-jähriges Jubiläum. Unter dem Kürzel IAPP figuriert es freilich erst seit 1991, denn hervorgegangen ist es aus dem namhaften Wissenschaftlich-Photographischen Institut (WPI), an dessen wechselvoller Geschichte das Jubiläum erinnern möchte. Die 1908 vollzogene Gründung des WPI stand in einem engen Zusammenhang mit dem Aufstieg der Dresdner Fotoindustrie, die um 1900 zu einer Großindustrie heranwuchs. Unternehmer wie Heinrich Ernemann setzten in jener Zeit auf den Faktor Wissenschaft und schlossen sich angesichts eines angespannten internationalen Wettbewerbsklimas zu einer starken Interessengemeinschaft in Sachen wissenschaftliche Fotografie zusammen. Daraus gingen 1908 die erste "Stiftungsprofessur" an der TH Dresden und der finanziell geförderte Aufbau des WPI hervor. Absicht war es, mit dieser Anschubfinanzierung einer breiten Grundlagenforschung Vorschub zu geben, neue Wege des Wissenstransfers zu beschreiten und Erzeugnisse der Fotoindustrie einer fundierten Erprobung zu unterziehen.

Zum ersten Professor für dieses neue Fachgebiet und Direktor des Instituts wurde der Chemiker und Ostwald-Schüler Robert Luther berufen, der schon bald neue Wege der wissenschaftlichen Durchdringung fotografischer Prozesse wies und eine fruchtbare Wissenschaftskooperation mit der Ernemann AG, der ICA AG und seit 1925 mit dem Zeiss Ikon-Konzern aufbaute. Als "Stammvater" des Instituts gilt freilich Hermann Krone. Der angesehene Pionier der Fotografie wurde zeitlebens nicht müde, zur Anwendung des neuen Mediums in Naturwissenschaft und Technik aufzurufen. Sein wissenschaftliches Erbe, das "Historische Lehrmuseum für Photographie" (zahlreiche Lehrtafeln und Daguerreotypie-Tableaus) sowie die "Photographischen Urmethoden", eine ausführliche Beschreibung der wichtigsten Verfahren aus der Frühzeit der Fotografie, stiftete er dem WPI, wo sie heute noch als "Hermann Krone Sammlung" bewahrt und gepflegt werden. Doch auch die Anfänge der Elektronenphysik, vor allem die Beschäftigung mit lichtelektrischen Phänomenen, zählt zu den wissenschaftlichen Wurzeln der heutigen Photophysik - genannt seien die Physiker Wilhelm Hallwachs und Harry Dember.

Einer Phase erfolgreicher Lehre, Forschung und Wissenschaftskooperation in der Weimarer Republik folgte im nationalsozialistischen Deutschland die starke Einbindung in Projekte der Rüstungsforschung, wobei das sogenannte "Vorhaben Peenemünde", Wissenschaftler des WPI waren an der Erprobung der A4-Rakete ("V2") beteiligt, herausragt. Der expansive Griff nach Ressourcen, begleitet von Selbstmobilisierung, leitete eine schleichende Verstrickung in die Machtmechanismen des totalitären NS-Systems ein. Am Ende des Zweiten Weltkrieges sehen wir ein "Wehrforschungsinstitut", das wegen seiner Kriegswichtigkeit sogar noch ausgelagert werden sollte. Doch die Kriegsmaschinerie hatte sich indessen auch gegen Dresden gekehrt, die alliierten Luftangriffe im Februar 1945 fügten den 1913 bezogenen Institutsräumen im heutigen Beyer-Bau erheblichen Schaden zu.

1945 folgte ein schwieriger Neubeginn mit Aufräumungsarbeiten, Demontagen durch die sowjetischen Besatzer und dem erzwungenen Aufenthalt des Institutsdirektors Hellmut Frieser in der UdSSR. Mit den Professoren Rudolf Reuther und Peter Süptitz wurde, das Institut war seit der 3. Hochschulreform der DDR als Wissenschaftsbereich eingestuft, der Profilwandel zur Photophysik und die feste Einbindung in die damalige Fachrichtung Physik (seit 1968 Sektion Physik) vollzogen. Nunmehr standen Themen wie Mikrolithografie, elektronische Bildaufzeichnungsverfahren, Farbstoffaufdampfschichten u.a. neben der herkömmlichen Silberhalogenidfotografie auf dem Plan. Mit der Gründung des "Industrielabors für Wissenschaftliche Photographie" im Jahr 1983 konnten unter der Leitung von Horst Böttcher die Industriekooperation mit dem Fotochemischen Kombinat ausgeweitet und die vorhandenen Forschungskapazitäten weiter aufgestockt werden.

Im Zuge der Hochschulerneuerung nach 1989 kamen auf die Mitarbeiter des Wissenschaftsbereiches Photophysik tiefe Einschnitte zu. Zudem stempelte der Vormarsch der elektronischen Digitalfotografie die traditionellen Verfahren zum Auslaufmodell. Mit der Neubesetzung der Professur für Optoelektronik durch Karl Leo im Jahr 1993 erhielt das Institut für Angewandte Photophysik einen innovativen Leiter, der Lehre und Forschung wieder in ruhige und sichere Fahrwasser führte. Seither widmeten sich die Mitarbeiter des Instituts vorrangig Themen der Halbleiterphysik, Optoelektronik und Rastermikroskopie und konnten vor allem auf dem Gebiet der organischen Leuchtdioden und Solarzellen mit teils Aufsehen erregenden Neuerungen aufwarten. Die exzellente Forschungsarbeit am IAPP wird auch durch ein hohes Drittmittelaufkommen getragen; mehrere Firmenausgründungen sprechen für eine engagierte Anwendungsorientierung. Noch immer wird die Institutskultur von ihren historischen Mustern geprägt, so dass am IAPP Tradition und Innovation in einem gedeihlichen Spannungsfeld zusammenwachsen konnten.

Dies kam sinnfällig in der am 2. September im Hörsaalzentrum ausgerichteten Festveranstaltung zum 100-jährigen Institutsjubiläum zum Ausdruck. Im Beisein des Rektors wurden historische Rückblicke durch eine visionäre Vorausschau des Institutsdirektors ergänzt.

Auch konnte eine vom IAPP in Zusammenarbeit mit der Kustodie herausgegebene Institutsgeschichte mit dem Titel "Von der Photographie zur Photophysik. 100 Jahre Wissenschaftlich-Photographisches Institut" sowie eine begleitende CD-ROM aus dem Bildfundus des Instituts vorgelegt werden. Zugleich eröffnete Prof. Leo die "7th International Conference on Electroluminescence of Molecular Materials and Related Phenomena". Das Institut war damit wieder in der gegenwärtigen wissenschaftlichen Lebenswelt angekommen, die auf weitere wissenschaftliche Erfolge hoffen lässt.

Weitere Informationen: http://www.iapp.de/iapp/


*


Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 19. Jg., Nr. 15 vom 30.09.2008, S. 3
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
Nöthnitzer Str. 43, 01187 Dresden
Telefon: 0351/463-328 82
Telefax: 0351/463-371 65
E-Mail: uj@tu-dresden.de
Internet: www.tu-dresden.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Oktober 2008