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FORSCHUNG/772: Röntgenlaser durchleuchtet biologische Nanostrukturen (MPG)


Max-Planck-Gesellschaft - 3. Februar 2011

Röntgenlaser durchleuchtet biologische Nanostrukturen

Mit dem weltweit ersten Röntgen-Freie-Elektronen-Laser lassen sich Proteine und Viren analysieren


Der Wissenschaft bietet sich künftig eine neue Sicht auf die biologische Nanowelt. Zwei Teams, an denen Max-Planck-Forscher der Advanced Study Group stark beteiligt waren, haben zum ersten Mal Strukturen biologischer Proben mit dem Röntgen-Freie-Elektronen-Laser "LINAC Coherent Light Source" am SLAC National Accelerator Laboratory in Stanford untersucht. Darüber berichten sie im Fachmagazin Nature. Zum einen haben sie Nanokristalle eines Proteins durchleuchtet, das an der Fotosynthese beteiligt ist, zum anderen einzelne Viren, die Amöben infizieren. Mit den beiden Studien belegen sie, dass sich der extrem energiereiche und intensive Röntgenlaser prinzipiell eignet, um biologische Strukturen aufzuklären, die sich mit den herkömmlichen Methoden nicht entschlüsseln lassen.

Bilder des Röntgenlasers: Die Lichtblitze erzeugen Reflexmuster, wenn sie die Proteinkristalle durchdringen. Daraus berechnen die Forscher Größe und Form der Kristalle. - © Nature Publishing Group

Bilder des Röntgenlasers: Die Lichtblitze erzeugen diese Reflexmuster, wenn sie die Proteinkristalle durchdringen. Daraus berechnen die Forscher die Größe und Form der Kristalle (eingeklinkte Bilder), sowie die Orientierung der Kristallachsen (Pfeile). Aus weiteren Daten ermitteln sie die Struktur des Proteins.
© Nature Publishing Group

In dem Wissen, das Forscher von den biochemischen Prozessen im menschlichen Körper gesammelt haben, klaffen noch große Lücken. Vor allem von Membranproteinen, die rund 60 Prozent der Angriffspunkte für Medikamente bilden, kennen sie nur wenige. Damit fehlt ihnen eine wichtige Voraussetzung, um deren biochemische Rolle etwa bei der Entstehung von Krankheiten zu verstehen und neue Arzneimittel zu entwickeln. Das könnte sich nun ändern. In zwei Untersuchungen mit der LINAC Coherent Light Source (LCLS), dem weltweit ersten Röntgen-Freie-Elektronen-Laser (Röntgen-FEL) schaffen Wissenschaftler nämlich neue Möglichkeiten, um die Struktur von Proteinen und anderen biologischen Proben zu bestimmen, die sich herkömmlichen Strukturanalysen entziehen. Um solche Studien zu ermöglichen, haben Mitglieder der Advanced Study Group (ASG), in der sich Wissenschaftler von acht Max-Planck-Instituten zusammengeschlossen haben, neuartige Instrumente entwickelt.

Unter Leitung von Henry Chapman, der am Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) am DESY in Hamburg forscht, sowie von Petra Fromme und John Spence von der Arizona State University haben die Forscher erstmals die Struktur eines Proteins anhand von Kristallen bestimmt, die zwischen 200 Nanometer und zwei Mikrometer groß sind. Für die herkömmliche Strukturanalyse verwenden Forscher in der Regel Kristalle von mehreren hundert Mikrometern Kantenlänge, die sie aber oft nur unter jahrelangen Mühen züchten können - wenn überhaupt.

Die Größe der Proben ist deshalb entscheidend, weil die Strukturanalyse von Proteinen einer einfachen Rechnung folgt: Aus großen Kristallen lassen sich auch mit der Röntgenstrahlung herkömmlicher Quellen Strukturinformationen gewinnen. Um aus nanoskopischen Kristallen die gleiche Information herauszukitzeln, benötigen die Forscher Röntgenlicht, das milliardenfach intensiver ist als die Strahlung herkömmlicher Quellen. Genau die gibt es jetzt mit dem Röntgen-FEL.

"Unsere Experimente mit dem Röntgen-FEL bereiten den Weg zur Nano-Kristallografie und werden es in absehbarer Zeit erlauben, auch routinemäßig Mikro-Kristalle zu untersuchen, die zwar zuhauf auftreten, sich aber, wenn überhaupt, nur sehr schwer analysieren lassen ", sagt Ilme Schlichting, Direktorin am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg. "Die Studien zeigen vor allem, dass bei den verwendeten Laserpulsen noch brauchbare Signale entstehen, bevor es zum globalen Strahlenschaden an den Proben kommt." Die Pulse des Röntgenlasers blitzen nämlich so intensiv auf, dass sie nicht nur aus winzigen Proben Strukturinformationen herauskitzeln. Sie zerstören die Probe gleichzeitig auch.


Originalveröffentlichung
Henry N. Chapman et al.
Femtosecond X-ray protein nanocrystallography
Nature, 3. Februar 2011 (doi:10.1038/nature09750)

M. Marvin Seibert et al.
Single mimivirus particles intercepted and imaged with an X-ray laser
Nature, 3. Februar 2011 (doi:10.1038/nature09748)

Ansprechpartner

Prof. Dr. Ilme Schlichting
Direktorin Abteilung Biomolekulare Mechanismen
Max-Planck-Institut für medizinische Forschung, Heidelberg
E-Mail: ilme.schlichting@mpimf-heidelberg.mpg.de
Ansprechpartner

Prof. Dr. Joachim Ullrich
Direktor Abteilung Quantendynamik
Max-Planck-Institut für Kernphysik, Heidelberg
E-Mail: joachim.ullrich@mpi-hd.mpg.de


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Quelle:
MPG - Presseinformation vom 3. Februar 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2011