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THEORIE/030: Auf der Schwelle zur neuen Physik (mundo - Universität Dortmund)


mundo - Das Magazin der Universität Dortmund, Nr. 7/07

Auf der Schwelle zur neuen Physik
Die Fahndung nach Elementarteilchen, die aus der Reihe tanzen

Von Karsten Mark


Die Fragen sind so fundamental, dass sie sich niemand unmittelbar stellt: Warum gibt es überhaupt Materie im Universum? Und warum besitzt diese Materie eine Masse? Für die Zukunft der modernen Physik gehören sie zu den entscheidenden Fragen. Bereits seit den 1960er-Jahren beschäftigen sich Elementarteilchen-Theoretiker konkret mit den Ursachen für das Vorhandensein von Materie und Masse. Ihre Modelle haben sie seither immer weiter ausgefeilt, die Möglichkeiten für experimentelle Nachweise aber schienen jahrzehntelang kaum greifbar. Mit dem Aufbau des weltweit bislang leistungsfähigsten Teilchenbeschleunigers, dem Large Hadron Collider (LHC) am Europäischen Forschungszentrum CERN bei Genf, bereiten sich nun rund 4.000 Physikerinnen und Physiker aus aller Welt auf den Eintritt in eine neue Ära der Elementarteilchenphysik vor - unter ihnen auch zwei Gruppen aus Dortmund. Ein Team um Prof. Claus Gößling vom Lehrstuhl für Experimentelle Physik IV trägt die Verantwortung für die Entwicklung und den Bau der Siliziumsensoren im Herzstück des größten Forschungsgeräts am LHC, dem Pixel-Detektor im Inneren der "Atlas"-Maschine.

Der Lehrstuhl für Experimentelle Physik V von Prof. Bernhard Spaan ist am Aufbau und der Durchführung des etwas kleineren Experiments LHCb (Large Hadron Collider beauty) beteiligt. Während sich das "Atlas"-Team auf die Suche nach neuen Teilchen im bisher unerreichten Hochenergie-Bereich macht, untersucht die LHCb-Gruppe das Phänomen der CP-Verletzung, welche dafür verantwortlich ist, dass aus dem Urknall vor 13,5 bis 14 Milliarden Jahren mehr Materie als Antimaterie hervorgegangen ist.

Insgesamt werden bis Anfang 2008 vier LHC-Großexperimente in Betrieb gehen, mit denen die Forscher Bedingungen, wie sie eine billionstel Sekunde nach dem Urknall geherrscht haben müssen, im kleinen Maßstab nachstellen können. Vor allem Protonen, also Kerne von Wasserstoffatomen, werden im 27 Kilometern umfassenden, unterirdischen Beschleunigerring erst auf Beinahe-Lichtgeschwindigkeit und dann zu Frontalzusammenstößen gebracht. An jenen Stellen, an denen die nur knapp zwei billionstel Millimeter messenden Teilchen in kleinen Bündeln aufeinander treffen und ein wahres Inferno im Mikrokosmos auslösen, haben die Physiker in riesigen Kavernen ihre Detektoren aufgebaut. Der größte der vier Detektoren ist nicht zufällig nach einem Titanen der griechischen Mythologie benannt: "Atlas". Mit 45 Metern Länge, einem Durchmesser von 22 Metern und rund 7000 Tonnen Gewicht hat die zylindrische Maschine die Ausmaße einer Kathedrale und wiegt mehr als der Eiffelturm. "Atlas" verfügt über vier unterschiedliche Detektorsysteme, um die 300 bis 400 Teilchen-Bruchstücke pro Hochenergie-Kollisionen zu erfassen. Wie Zwiebelschalen sind die Sensoren rund um das Strahlrohr, den Ausgangspunkt des Mikro-Infernos, angeordnet. Die ersten Nachweisgeräte, auf die die Trümmer der schnellen Protonen treffen, sind wesentlich in Dortmund entwickelt und gebaut worden: die Sensoren des Pixeldetektors, des innersten Detektors von "Atlas", nur gut fünf Zentimeter vom Ort der Kollisionen entfernt und mit Abstand am leistungsfähigsten in der Auflösung.

Bereits 1995 übernahmen Prof. Claus Gößling und Dr. Renate Wunstorf mit ihrem Team vom Lehrstuhl für Experimentelle Physik IV die Gesamtverantwortung für die Entwicklung und den Bau der rund 1.600 Pixel-Sensoren, die über eine Auflösung von jeweils 40.000 Bildpunkten verfügen. Der innerste Detektor muss deshalb so fein auflösen, weil die interessanten Teilchen extrem kurzlebig sind und kaum Weg zurücklegen können, bevor sie schon wieder in andere leichtere Teilchen zerfallen. Das Top-Quark, das bislang schwerste und 1995 als letztes nachgewiesene Elementarteilchen ist solch ein Kandidat. Ungefähr so massiv wie ein ganzes Goldatom "lebt" das Top-Quark im Schnitt nur unvorstellbar kurze 10[hoch]24 Sekunden, bevor es wieder zerfällt. Die Dortmunder "Atlas"-Gruppe will die Produktion und die verschiedenen Zerfallsmöglichkeiten dieses schwersten Quarks untersuchen.

Die Teilchen, nach denen das LHCb Ausschau hält, elektrisch neutrale B-Mesonen, werden demgegenüber mit einer billionstel (10[hoch]12) Sekunde regelrecht alt. Das Ziel des LHCb-Experiments ist, seltene Unregelmäßigkeiten beim Zerfall der B-Mesonen aufzuspüren. B-Mesonen enthalten das zweitschwerste, das Beauty-Quark, das dem Experiment seinen Namen gibt. Der Mechanismus hinter den Ausreißern seines Zerfalls, den die Physiker "CP-Verletzung" nennen, ist zwar schon 1964 erstmals beobachtet worden, aber bis heute in großen Teilen rätselhaft geblieben.

Die Dortmunder LHCb-Gruppe ist für wesentliche Teile der Ausleseelektronik am Detektor verantwortlich. Denn nicht nur das Aufspüren von Teilchen mittels Sensoren ist eine immense technische Herausforderung, sondern auch die Bewältigung des enormen Datenflusses, den diese Sensoren liefern. Pro Sekunde erfasst der LHCb-Detektor etwa eine Million "Ereignisse" in seinen Spurkammern. Die Ausleseelektronik, die mit modernsten programmierbaren FPGA-Chips arbeitet, führt diese Daten aus mehreren Tausend Kanälen zusammen, untersucht sie auf Fehler und bündelt sie in einer Hochleistungscomputerfarm.

Letztlich halten beide Dortmunder Gruppen nach Phänomenen Ausschau, bei denen die Physiker davon sprechen, dass "Symmetrien gebrochen" werden.

Die Natur mag es offenbar symmetrisch. Ein anschauliches Indiz dafür liefert jede Schneeflocke. Wie man sie auch dreht und wendet, alle 60 Winkelgrade, sieht sie wieder exakt so aus wie vorher. Und selbst unser eigenes Spiegelbild steckt voller Symmetrien: Augen und Ohren, Arme und Beine - alles findet sich paarweise entlang einer Symmetrieachse angeordnet, die ungefähr von unserer Wirbelsäule gebildet wird. Wer allerdings auch nur ein bisschen genauer hinschaut, wird schnell feststellen, dass es die Natur bei uns nicht so genau genommen hat wie bei den Eiskristallen. Arme, Beine und Gesichtshälften sind bei näherer Betrachtung alles andere als gleich. Und nicht nur bei der Evolution des Menschen war die Natur ein wenig lax in der Auslegung ihrer eigenen Regeln: Ob Blätter oder Schmetterlinge, bei allem ist die Symmetrie zwar augenfällig, aber nie perfekt.

Das Prinzip ist so weit reichend, dass es über die Grenzen der Biologie hinaus geht und selbst für die kleinsten Bausteine der Materie gilt. Für sie haben die Physiker im vergangenen Jahrhundert ein ausgeklügeltes System voller Symmetrien entwickelt, das die exakte Einteilung der bisher beobachteten Elementarteilchen in ein gut überschaubares Modell erlaubt - das so genannte Standardmodell.

Zwei leichte Materieteilchen wie das Elektron und das Neutrino sowie zwei schwere Teilchen, auch Quarks genannt, bilden eine "Generation". Neben dieser ersten "Generation", in der sich bereits sämtliche Bausteine der Materie, so wie sie im heutigen, abgekühlten Universum vorkommt, wieder finden, enthalten die zweite und dritte "Generation" prinzipiell gleichartige Teilchen, die jedoch von "Generation" zu "Generation" wesentlich schwerer und kurzlebiger werden. Zu jedem dieser "normalen" Materie-Teilchen kommt noch ein Antiteilchen hinzu, das sich gemeinsam mit seinem Pendant zu reiner Energie vernichten kann, außerdem so genannte Austauschteilchen, welche die vier physikalischen Fundamentalkräfte, die starke und die schwache Kernkraft, die elektromagnetische und die Gravitationskraft vermitteln.

Den Physikern gelten solche symmetriebasierten Modelle als besonders elegant - wobei der Symmetriebegriff in der Physik über rein geometrische Erscheinungen hinausgeht. Als "symmetrische Transformation" gilt zum Beispiel auch die Umkehr der elektrischen Ladung von Plus nach Minus und umgekehrt. Würden sich die Ladungen mit einem Schlag überall im Universum umkehren, könnten wir es nicht einmal merken, weil sich eine absolute Qualität der Ladung gar nicht beobachten lässt. Allein den Umstand, dass sich gleichartige Ladungen abstoßen und verschiedenartige anziehen, können wir feststellen. Bei einer plötzlichen "globalen", also überall gültigen Umkehr der Ladungen würde sich daran nichts ändern.

Erfolg versprechender für eine physikalische Theorie sind allerdings weniger solche globalen als vielmehr "lokale" Symmetrien. Bei der Vereinigung elektrischer und magnetischer Kräfte zur elektromagnetischen Wechselwirkung ist es den Physikern gelungen, eine solche lokale Symmetrie zu finden, indem sie beide Phänomene zu zwei Seiten einer, in einem genau beschriebenen Mechanismus verbundenen Medaille erklärten. Auch die Allgemeine Relativitätstheorie hat dieses Kunststück vollbracht. Raum, Zeit und Gravitation sind so geschickt in einem mathematischen Formalismus in Beziehung gesetzt, dass die fundamentalen Gesetze der Physik auch dann noch gelten, wenn die einzelnen Größen lokalen Schwankungen unterworfen sind.

Die hohe Kunst der theoretischen Physik besteht darin, die Schwankungen in einem symmetrischen mathematischen System so zu kompensieren, dass die fundamentalen Gesetze der Physik dabei unverändert - "invariant" - bleiben, Eich-Invarianzen und Eich-Symmetrien sind Begriffe, die der Physiker Hermann Weyl prägte, als er 1920 versuchte, Elektrodynamik und Allgemeine Relativitätstheorie unter einen Hut zu bringen. Dazu musste er die Veränderungen von Raum und Zeit durch die Schwerkraft, wie sie Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie voraussagt, in die Beschreibung elektromagnetischer Felder einbauen. Damit die Gesetze der Elektrodynamik in der gekrümmten Raumzeit gültig, also "invariant", blieben, führte er lokale gedehnte oder gestauchte Maßstäbe zum Ausgleich ein - Eichmaße, wie Weyl sie nannte.

Lokale Eich-Symmetrien waren oft der Weg zur eleganten Theorie mit zutreffenden Voraussagen. Die spannendsten Effekte aber finden sich genauso oft dort, wo die Symmetrie an ihre Grenzen stößt oder - wie der berühmte Physiker Werner Heisenberg als fachsprachliche Wendung prägte - "spontan gebrochen" wird. Schon in den 1960er-Jahren beschäftigten sich die Physiker mit zwei besonders interessanten Symmetriebrechungen, die bis heute noch nicht völlig geklärt sind.

Bei der CP-Verletzung, nach deren genauem Mechanismus am LHCb geforscht wird, geht es um die selten auftretende Verletzung der CP-Invarianz, wobei C für "charge" (engl. Ladung) und F für "parity" (engl. Parität/Gleichheit) steht. Normalerweise laufen Prozesse im Mikrokosmos identisch ab, wenn sämtliche Teilchen durch ihre - entgegengesetzt geladenen - Antiteilchen ersetzt und sämtliche Raumkoordinaten gespiegelt werden. Sobald schwere Quarks wie etwa das kurzlebige Beauty-Quark beteiligt sind, scheint diese Invarianz aber nicht mehr unbedingt zu gelten. Mit der CP-Verletzung lässt sich erklären, warum beim Urknall offenbar mehr Materie als Antimaterie entstanden ist. Wäre dies nicht der Fall, müssten irgendwo im Universum Materie und Antimaterie zwangsläufig aufeinander treffen. An einer solchen Grenze gäbe es gewaltige Explosionen, in denen sich beide Arten von Materie in gewaltigen Explosionen zu reiner Energie zerstrahlen würden. Da solche Explosionen aber nirgendwo im Universum zu beobachten sind, gibt es auch keinerlei Hinweise auf die Existenz größerer Mengen Antimaterie. Der Hintergrund der CP-Verletzung ist bis heute rätselhaft. Obwohl es den Theoretikern gelungen ist, das Phänomen prinzipiell in ihr Standardmodell zu integrieren, können sie es damit immer noch nicht hinreichend erklären. Um einen typischen "spontanen" Symmetriebruch, wie er an verschiedenen Stellen des Modells eine wichtige Rolle spielt, handelt es sich offenbar nicht. Mittlerweile werten die Theoretiker dies als Hinweis darauf, dass es noch eine "neue Physik" hinter dem Standardmodell geben muss - eine Physik umfassenderer Symmetrien mit neuen, bislang unentdeckten Teilchen.

Die Vereinheitlichung der Fundamentalkräfte zu immer größeren Symmetrien ist ein ständiges übergeordnetes Ziel der Teilchentheoretiker. Immerhin zwei der vier Kräfte, die elektromagnetische und die schwache Kraft, konnten bereits in einem aussagekräftigen Modell der elektroschwachen Wechselwirkung vereinigt werden. Also sind die elektromagnetische Kraft, die für alle elektrischen und magnetischen Phänomene einschließlich der elektromagnetischen Wellen wie Licht verantwortlich ist, und die so genannte schwache Kraft, die bei der Kernfusion (etwa in der Sonne) und bei bestimmten radioaktiven Zerfällen von Atomkernen eine Rolle spielt, nur zwei Ausprägungen einer gemeinsamen Urkraft. Der Bruch der Symmetrie, die diese Urkraft zusammenhielt, erfolgte beim Abkühlen des Universums. Unterhalb eines enorm hohen Energieniveaus bildeten sich schon eine billionstel Sekunde nach dem Urknall die beiden verschiedenen Kräfte heraus, wie wir sie kennen.

Die Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung bereitete ihren Vätern viel Kopfzerbrechen, weil ihre Konsequenzen und Voraussagen überaus exotisch erschienen. So etwa mussten die Austauschteilchen, die die schwache Kraft über extrem kurze Distanzen (unterhalb eines Atomkernradius) vermitteln, extrem große Massen haben - etwa das 80-fache bis 90-fach eines Protons. Die elektromagnetische Kraft wird hingegen durch völlig masselose Photonen und über prinzipiell unbegrenzte Entfernung hinweg vermittelt.

Auf der Suche nach einer vereinigenden mathematischen Symmetrie für diese ungleichen Partner bissen sich die Theoretiker an physikalisch sinnlosen, unendlichen Wahrscheinlichkeiten eine Zeit lang die Zähne aus. Als Pragmatiker schlug der berühmte amerikanische Nobelpreisträger Richard Feynman 1963 schließlich vor, einfach die Existenz eines "Geist"-Teilchens anzunehmen, dessen Existenz-Wahrscheinlichkeit zum Ausgleich bei Null läge - ein scheinbar rein formaler mathematischer Kniff, um das Modell zu retten. Feynmans britischer Kollege Peter Higgs aber hauchte dem Geist schon bald darauf ein ebenso unerwartetes wie mysteriös anmutendes Leben ein. Higgs hatte zunächst selbst nicht an seine eigene Hypothese geglaubt. Er habe da "etwas völlig Unnützes" entdeckt, erzählte er seinen Kollegen. Die aber staunten nicht schlecht. Das Higgs-Boson wäre dieser - mittlerweile zur anerkannten Theorie entwickelten - Hypothese zufolge das Austauschteilchen eines omnipräsenten Hintergrundfeldes, welches sich andere Teilchen einverleiben, um dadurch überhaupt erst die Eigenschaft der Masse zu erlangen. Ohne das Higgs-Boson gäbe es also auch keine Masse.

Es ist das letzte Teilchen des Standardmodells, das noch nicht experimentell nachgewiesen wurde. Sollten die Voraussagen der Theorie allerdings zutreffen, müsste das Higgs-Teilchen mit ziemlicher Sicherheit am LHC zu produzieren sein. Mit seinem Nachweis wäre die Suche im Mikrokosmos aber immer noch keineswegs abgeschlossen. Möglicherweise gibt es sogar eine ganze Reihe von unterschiedlichen Higgs-Bosonen, die es zu finden gilt - ein Multiplett wie die Physiker sagen. Wäre dies der Fall, könnte das Higgs-Teilchen das bisherige Standardmodell der Teilchenphysik gleichzeitig vervollständigen wie sprengen. Bereits jetzt wird über die Möglichkeiten einer "Beyond Standard Model"-Physik eifrig diskutiert. Vor allem seitdem sich die Hinweise auf die Existenz Dunkler Materie im Universum mehren. Diese lässt sich zwar nicht direkt beobachten, weil sie offenbar keine elektromagnetischen Signale wie Licht oder Radiowellen aussendet, aber die Auswirkungen ihrer Schwerkraft sind für Astronomen unübersehbar. Kosmologischen Berechnungen zufolge besteht das Universum sogar überwiegend aus einer noch ebenso geheimnisvollen Dunklen Energie und der Dunklen Materie. Beides spräche für ein erweitertes physikalisches Weltbild einer Supersymmetrie. In einem entsprechenden Teilchenmodell könnten zu den bislang bekannten Elementarteilchen noch einmal genau so viele "supersymmetrische" Teilchen (SUSY-Teilchen) hinzukommen.

Hinweise auf SUSY-Teilchen hofft man durch Präzisionsmessungen an den B-Mesonen bei LHCb oder in der direkten Produktion bei "Atlas" zu finden. Zehn bis 15 Jahre lang soll der LHC-Beschleuniger laufen und Daten sammeln. Während der Versuche treffen 40 Millionen Protonen-Bündel pro Sekunde aufeinander. Am Ende werden auf diese Weise allein bei "Atlas" an die acht Billiarden Bytes an Daten zusammenkommen, bei LHCb sieht es ähnlich aus. Um diese enorme Datenflut bewältigen und analysieren zu können, müssen gewaltige Speicher- und Rechenkapazitäten zur Verfügung stehen. Die Physiker beschreiten hier neue Wege und setzten erstmalig im großen Stil das Grid-Computing ein. Die Daten werden dabei auf zahlreiche Rechenzentren weltweit verteilt und stehen dennoch in ausgeklügelter Weise als Ganzes für die Analyse zur Verfügung.

Als die Physiker sich in den 1990er-Jahren daran machten, die LHC-Experimente zu konzipieren, mussten sie einfach auf den ungebremsten technischen Fortschritt vertrauen. Die Computer jener Zeit wären solchen Anforderungen in keiner Weise gewachsen gewesen.


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Prof. Dr. Bernhard Spaan wurde 1960 geboren und studierte nach dem Abitur in Witten an der Universität Dortmund Physik, wo er auch über experimentelle Teilchenphysik promovierte und zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter arbeitete. 1989 erhielt er den Benno-Orenstein-Preis für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Hochenergiephysik.

Von 1993 bis 1995 war er Senior Research Associate an der McGill University im kanadischen Montreal, bevor er 1996 als Professor an die technische Universität Dresden berufen wurde. Seit dem 1. Oktober 2004 ist Bernhard Spaan Professor an der Universität Dortmund.

Neben dem LHCb am CERN ist er auch noch am BaBar-Experiment beteiligt, das seit 1999 am Stanford Linear Accelerator Center (SLAC) in Betrieb ist. Dort erforscht er ebenfalls B-Mesonen sowie Mesonen mit Charm-Quarks.


Prof. Dr. Claus Gößling wurde 1951 geboren und studierte an der Universität Hamburg und dem Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY, wo er sich bereits in seiner Diplomarbeit mit der Teilchenphysik auseinandersetzte.

Er promovierte über ein Experiment am europäischen Forschungszentrum CERN bei Genf und arbeitete im Anschluss dort sechs Jahre lang an dem Proton-Antiproton-Kollider. 1989 wurde er zum Professor für Experimentalphysik an der Universität Dortmund berufen. Prof. Gößling erforschte das Charm-Quark und war an der Entdeckung des W+- und Z0-Bosons beteiligt. Er suchte nach schweren Neutrinos und beschäftigt sich jetzt mit der Top-Quark-Physik.


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Quelle:
mundo - das Magazin der Universität Dortmund, Nr. 7/07, Seite 14-19
Herausgeber: Referat für Öffentlichkeitsarbeit
Universität Dortmund, 44221 Dortmund,
Redaktion: Angelika Willers (Chefredakteurin)
E-Mail: redaktion.mundo@uni-dortmund.de

mundo erscheint zwei Mal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2007