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ENERGIE/1271: Die Natur als Vorbild - Licht sammeln und verwerten (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum - Universität Bayreuth
10. Jahrgang · Ausgabe 2 · November 2014

Die Natur als Vorbild: Licht sammeln und verwerten
Grundlagenforschung für neue Wege der Energieerzeugung

Von Jürgen Köhler



Die Energiemenge, die während einer Stunde von der Sonne auf die Erde einstrahlt, entspricht in etwa der Energiemenge, die von der gesamten Menschheit im Verlauf eines Jahres verbraucht wird. Wenn man sich dies vor Augen führt, dann wundert es nicht, dass beim Umbau der Energiewirtschaft Solarzellen eine wichtige Rolle spielen. Jedoch sind die heute üblichen Photovoltaikanlagen, die aus hochreinen Halbleitermaterialien bestehen, sehr rohstoff- und energieintensiv in der Herstellung. Daher sind sie gerade für Entwicklungsländer, in denen oft sehr viel Sonnenlicht zur Verfügung stehen würde, unerschwinglich.

"Können wir von der Natur lernen, Energie aus Licht zu gewinnen?"

Große Hoffnungen setzt man deshalb auf Solarzellen der nächsten Generation, die aus organischen Materialien aufgebaut sind. Dass organische Materie zu diesem Zweck durchaus geeignet ist, macht uns die Natur seit Jahrmilliarden mit der Photosynthese sehr erfolgreich vor. Pflanzen, Algen und einige Bakteriengruppen sind in der Lage, Sonnenstrahlung unter den unterschiedlichsten Lebensbedingungen einzufangen und umzusetzen.

Wenn ein Molekül eines für Solarzellen geeigneten organischen Materials ein Lichtteilchen (Photon) absorbiert, übernimmt es die Energie des Photons. Dadurch gerät es in einen angeregten Zustand. Leider findet ein solcher Absorptionsvorgang unter normaler Sonneneinstrahlung nur ca. 1-mal pro Sekunde pro Molekül statt - viel zu selten, um eine effiziente Energieversorgung zu gewährleisten. Die Zahl der Photonen, die von der Sonne zur Erde gelangen, ist zwar unvorstellbar groß, doch sind die Moleküle auch unvorstellbar klein, so dass sich beide Effekte kompensieren.

"Lichternte" in der Natur

Bei der Photosynthese hat die Natur dieses Problem gelöst, indem sie Light Harvesting (Lichternte) betreibt und das Licht in speziellen Strukturen sammelt. Eine Schlüsselfunktion haben dabei Proteine, die als "Licht-Antennen" fungieren; sie werden daher auch als Antennenproteine bezeichnet. Jedes dieser Proteine enthält eine Vielzahl von Farbstoffmolekülen (Pigmenten). Die Farbstoffmoleküle nehmen Lichtenergie auf und übertragen diese mit extrem hoher Geschwindigkeit auf benachbarte Farbstoffmoleküle: zunächst auf Moleküle innerhalb desselben Antennenproteins, dann auf Moleküle in einem angrenzenden Antennenprotein. So durchläuft die absorbierte Lichtenergie eine Kette mehrerer Antennenproteine, bis sie schließlich in einem Reaktionszentrum ankommt. Hier werden die Prozesse der Photosynthese in Gang gesetzt, die aus der Lichtenergie chemische Energie erzeugen.

Mit dieser Arbeitsteilung zwischen den "Licht-Antennen" und einem Reaktionszentrum gelingt es Pflanzen und einigen Bakterienarten, die Energie des Sonnenlichts, dem sie in der Natur ausgesetzt sind, in chemische Energie zu verwandeln. Gegenstand aktueller Forschung ist die Frage, ob die Prozesse der Sammlung und Verwertung von Licht, wie sie in Pflanzen und Bakterien ablaufen, als Blaupause für neue Formen der Energiegewinnung dienen können.

Experimentell kann man solche Vorgänge mit den verschiedensten Methoden der Laserspektroskopie untersuchen. Dazu muss man wissen, dass die oben beschriebenen Energie- und Ladungstransferprozesse auf einer ultraschnellen Zeitskala von einigen Pikosekunden ablaufen. Daher kommen hier spezielle Laser zum Einsatz, die ultrakurze Impulse aussenden können. Eine Pikosekunde ist eine Billionstel Sekunde (10-12 s). In dieser Zeit legt ein Lichtstrahl eine Strecke von nur 0,3 mm zurück. Zum Vergleich: Vom Mond bis zur Erde benötigt ein Lichtstrahl nur unwesentlich länger als eine Sekunde.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Forschung zur Solarenergie

An der Universität Bayreuth werden aber nicht nur biologische Systeme untersucht, um aus pflanzlichen Lichtsammelprozessen neue Erkenntnisse für den Bau organischer Solarzellen abzuleiten. Es werden ebenso auch Lichtsammelprozesse in chemisch synthetisierten Systemen erforscht und daraufhin getestet, ob man aus ihnen einfache und zugleich kostengünstige Solarzellen bauen kann. Dabei kann es sehr aufwändig sein, Moleküle mit den geforderten Eigenschaften im Labor herzustellen und anschließend zu erproben. Eine alternative Vorgehensweise besteht darin, gewisse Eigenschaften von Molekülgruppen theoretisch - sozusagen am Reißbrett - zu untersuchen und dann gezielt Voraussagen über deren Eignung zu treffen.

Daher berühren sich Forschungsarbeiten zum Light Harvesting, das in Pflanzen und Bakterien abläuft, mit neuen Projekten in der Polymerwissenschaft, die auf die Konzeption hocheffizienter Solarzellen abzielen.[1] Insgesamt sind an der Universität Bayreuth verschiedene Arbeitsgruppen aus der Physik und der Chemie mit Lichtsammelprozessen befasst. Einige sind dabei eher in der Grundlagenforschung angesiedelt, andere interessieren sich stärker für konkrete technische Anwendungen. Das gemeinsame Ziel ist es, möglichst genau zu verstehen, welche Vorgänge in Lichtsammelstrukturen ablaufen und wie diese von den Eigenschaften der verwendeten Moleküle abhängen.


Autor
Prof. Dr. Jürgen Köhler ist Inhaber des Lehrstuhls für Experimentalphysik IV und Sprecher des Graduiertenkollegs 1640 "Photophysik synthetischer und biologischer multichromophorer Systeme" an der Universität Bayreuth.


Anmerkung

[1] Im folgenden Beitrag von Prof. Dr. Mukundan Thelakkat werden einige dieser Forschungsarbeiten an der Universität Bayreuth vorgestellt.

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Grundlagenforschung für Solarzellen der Zukunft:
ein DFG-gefördertes Graduiertenkolleg

In einer gemeinsamen Initiative, dem Graduiertenkolleg 1640, arbeiten seit Oktober 2010 zahlreiche Bayreuther Forschungsgruppen aus der Bioinformatik, der Chemie und der Physik zum Thema "Photophysik synthetischer und biologischer multichromophorer Systeme". Als Chromophore bezeichnet man Moleküle, die in Wechselwirkung mit Licht treten können - also genau solche Moleküle, wie sie für die Entwicklung von Solarzellen der nächsten Generation relevant sind. Der Weg hin zur Entwicklung von Solarmodulen aus organischen Materialien ist noch sehr weit. Es bedarf der interdisziplinären Grundlagenforschung, wie sie in Bayreuth betrieben wird, um das komplexe Zusammenspiel der zugrunde liegenden Prozesse zu entschlüsseln.

Diese Initiative wurde bisher von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit rund 3,1 Mio. Euro gefördert. Eingebettet in die hervorragende Forschungsinfrastruktur an der Universität Bayreuth, bietet sie derzeit 25 jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein interdisziplinäres Ausbildungsprogramm und vermittelt Schlüsselqualifikationen jenseits des naturwissenschaftlichen Fachwissens. Bislang sind rund 70 Publikationen in renommierten, international begutachteten Fachzeitschriften daraus hervorgegangen.

www.multichromophores.uni-bayreuth.de

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Neue Einsichten in den Energietransport

Dr. Richard Hildner, der heute an der Universität Bayreuth forscht, hat während seiner Zeit als Postdoktorand am Institute for Photonic Sciences (ICFO) in Casteldefels (Spanien) überraschende Entdeckungen gemacht:

• Wenn Lichtenergie ihren Weg durch die Antennenmoleküle bis zum Reaktionszentrum nimmt, arbeiten die Farbstoffmoleküle in einem gleichmäßigen Takt: ein Phänomen, das die Physik als quantenmechanisch kohärenten Transport bezeichnet. Auf diese Weise kann sich die Energie wie eine Welle ungehindert durch ein Antennenprotein bewegen.

• Die Lichtenergie durchläuft keineswegs immer die gleichen Ketten von Farbstoffmolekülen auf ihrem Weg durch die Antennenproteine. Die Transportwege ändern sich ständig.

Variabilität der Transportwege und Kohärenz - diese Kombination ist für den Energietransport in Pflanzen und Bakterien charakteristisch.

Wie sich bei diesen Forschungsarbeiten herausstellte, erfüllt diese Kombination einen biologischen Zweck: Die Energie findet immer den jeweils günstigsten Pfad durch ein Antennenprotein. Dies trägt wesentlich dazu bei, dass der Transport der Lichtenergie auch dann effizient verläuft, wenn sich bestimmte Voraussetzungen ändern - sei es, dass die Temperatur schwankt; sei es, dass sich die innere Struktur der Antennenproteine ändert.


Dr. Richard Hildner ist für seine herausragenden Forschungsarbeiten mit dem Wissenschaftspreis 2014 des Universitätsvereins Bayreuth ausgezeichnet worden. 2013 erhielt er den Sturge Prize, eine bedeutende Auszeichnung für den wissenschaftlichen Nachwuchs auf dem Gebiet der Physik.

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Internationale Konferenzreihe: "Lichternte" auf Kloster Banz

Forschung auf dem Gebiet des Light Harvesting lebt von der Zusammenarbeit von Fachleuten aus unterschiedlichen Disziplinen, insbesondere der Biologie, Chemie und Physik, und vom wechselseitigen Austausch neuer Forschungsideen und -konzepte. Zu diesem Zweck veranstalten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an der Universität Bayreuth zu Fragen der Energiegewinnung aus Licht arbeiten, regelmäßig eine internationale Konferenz. Sie findet seit 2007 im Zweijahresrhythmus unter dem Leitthema "Light-Harvesting Processes (LHP)" auf Kloster Banz statt. Mehr als hundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen Kontinenten nehmen jedesmal daran teil.

• Termin für das nächste Treffen: 8. bis 12. März 2015
• Weitere Informationen: www.lhp-bayreuth.de

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 10:
Wie lässt sich die Energie des Sonnenlichts möglichst effizient in elektrische oder chemische Energie umwandeln und verwerten? Pflanzen und Bakterien liefern dafür wertvolle Anhaltspunkte (sst).

Abb. 1 und 2: Gleichartige Probleme, gleichartige Lösungen. Links: Parabolspiegel (Antenne) zur Sammlung von Sonnenstrahlung für die Erwärmung von Wasser. Rechts: Mutmaßliche Anordnung von Pigment-Protein-Komplexen (Antennenproteinen) in der Membran von photosynthetischen Bakterien. Die grün markierten Strukturen enthalten zahlreiche Pigmente, die die Funktion haben, Licht zu absorbieren. Die aufgenommene Energie wird in die Mitte zur rot markierten Struktur geleitet, wo eine Ladungstrennung ausgelöst wird.

Abb. 3: Laserspektroskopie in einem Physiklabor der Universität Bayreuth.


Sie finden das Magazin als PDF-Datei mit Abbildungen unter:
http://www.uni-bayreuth.de/presse/spektrum/spektrum-pdf/ausgabe_02_14.pdf

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Quelle:
spektrum - Magazin der Universität Bayreuth
Ausgabe 2, November 2014, S. 10 - 13
Herausgeber: Universität Bayreuth
Stabsstelle Presse, Marketing und Kommunikation
95440 Bayreuth
Telefon: 0921/55-53 56, -53 24, Fax: 0921/55-53 25
E-Mail: pressestelle@uni-bayreuth.de
Internet: www.uni-bayreuth.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2015


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