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ENERGIE/1276: Organische Solarzellen und Hybridsolarzellen (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum - Universität Bayreuth
10. Jahrgang · Ausgabe 2 · November 2014

Organische Solarzellen und Hybridsolarzellen
Polymerforschung für die Umwandlung von Solarenergie

Von Mukundan Thelakkat



Wenn es um die effiziente und kostengünstige Erzeugung von Solarstrom geht, gibt es heute vielversprechende Alternativen zu klassischen Siliziumzellen: Organische Solarzellen aus Kunststoff und Hybridsolarzellen, die im großflächigen Format mit so genannten "Roll to Roll"-Druckverfahren (R2R) hergestellt werden können. Unter Hybridsolarzellen versteht man die Verwendung einer Kombination von anorganischen und organischen Halbleitermaterialien. An diesen zukunftsweisenden Technologien war und ist die Universität Bayreuth mit mehreren Projekten beteiligt.


LARGECELLS - ein europäisch-indisches Projekt

Organische Photovoltaikzellen (OPV), die aus Kunststoff bestehen, eignen sich ideal für die Anwendung auf Textilien oder im Bauwesen, da sie sehr leicht, flexibel und großflächig einsetzbar sind. Damit diese OPV-Zellen wettbewerbsfähiger werden, müssen sie eine noch höhere Energieeffizienz und Lebensdauer aufweisen. Zudem ist es erforderlich, dass großflächige Module mittels optimierter "Roll to Roll"-Druckverfahren hergestellt werden, um die Produktionskosten zu senken.

Diesen Herausforderungen stellt sich das Projekt LARGECELLS, das im September 2010 an den Start ging. Im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms der Europäischen Union wurde das gemeinsame Projekt mit Indien über vier Jahre mit 1,64 Mio. Euro gefördert. An dem von Prof. Dr. Mukundan Thelakkat geleiteten Konsortium der EU waren zusammen mit der Universität Bayreuth auch die TU Eindhoven (Niederlande), Dänemarks Technische Universität (DTU) und die Ben-Gurion Universität (Israel) beteiligt. Das indische Konsortium hingegen wurde separat vom Department of Science and Technology - einer Abteilung im indischen Wissenschaftsministerium - gefördert. Insgesamt nahmen fünf hochkarätige wissenschaftliche Institutionen aus Indien teil, die bei der Erforschung neuer Materialien für Solarzellen und bei deren Erprobung im Freien sehr eng mit ihren EU-Partnern kooperierten. Darüber hinaus entwickelte sich ein lebhafter Austausch sowohl von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern als auch auf der Ebene der Studierenden. Einige Studierende aus Indien bzw. der EU haben Forschungsaufenthalte von bis zu drei Monaten an den jeweiligen Partnerinstitutionen absolviert. So entstanden innovative Ideen, tragfähige neue Konzepte und Forschungskooperationen, die von Synergie-Effekten erheblich profitierten.

Um die Energieeffizienz der OPV-Zellen zu erhöhen, haben die an LARGECELLS beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neue, für Solarzellen besonders geeignete polymere Funktionsmaterialien hergestellt. Vor allem durch die Synthese lichtabsorbierender Donormaterialien ist es gelungen, eine höhere Effizienz in der Energieumwandlung zu erreichen. Der Wirkungsgrad der Solarzellen, d.h. das in Prozent dargestellte Verhältnis von erzeugter elektrischer Energie zur einfallenden Lichtenergie, konnte so bedeutend gesteigert werden.

Insbesondere wurde im Rahmen von LARGECELLS ein Polymer auf der Basis eines Diketopyrrolopyrrols entwickelt. Es handelt sich hierbei um den Farbstoff, dem Ferraris ihre rote Farbe verdanken. Im Labor konnte damit ein Wirkungsgrad von 7,4 Prozent erzielt werden. Durch die Realisierung von übergeordneten Solarzellen, die zwei oder mehr Solarzellen aus verschiedenen Materialien enthalten, ließ sich der Wirkungsgrad auf 8,9 Prozent (bei Tandem-Zellen) bzw. auf 9,6 Prozent (bei Triple-Zellen) steigern. Außerdem erreichte das Projekt einen Wirkungsgrad von rund 4 Prozent bei R2R-gedruckten großflächigen flexiblen Solarzellen, die ohne das relativ teure Indiumzinnoxid (indium tin oxide, ITO) auskommen.

Die Steigerung der Energieeffizienz war aber nur ein Aspekt von LARGECELLS. Die Forschungsarbeiten zielten zugleich darauf ab, die Lebensdauer der Solarmodule zu erhöhen. Um die Langzeitstabilität der neuen OPV-Zellen zu testen, wurden diese Module verschiedenen Testszenarien unterzogen - nicht nur im Labor, sondern auch im Freien, wo zu Testzwecken eine künstliche beschleunigte Alterung der OPV-Zellen herbeigeführt wurde. Insgesamt wurden die neuen OPV-Solarmodule 9.000 Stunden lang in Outdoor-Anlagen getestet. Die Ergebnisse dieser Tests werden die weitere Entwicklung optimierter Trägermaterialien unterstützen.


UMWELTnanoTECH - ein Bayerischer Projektverbund

Unter dem Dach des Bayerischen Projektverbunds "Umweltverträgliche Anwendungen der Nanotechnologie" (UMWELTnanoTECH) - arbeiten Hochschulen und Forschungsinstitute bayernweit an Projekten zum verantwortungsbewussten Einsatz der Nanotechnologie. Gemeinsam wollen sie umweltschonende Anwendungen entwickeln, und zwar in den drei Schwerpunkten "Organische Photovoltaik", "Energiespeicher" und "Thermoelektrizität". Im Rahmen dieses Projektverbunds, den der Freistaat Bayern mit knapp drei Millionen Euro finanziert, starteten zehn Einzelprojekte im Jahr 2013.

Eines dieser Projekte ist an der Universität Bayreuth angesiedelt.[1] Es zielt darauf ab, die Verträglichkeit von Komponenten für die organische Photovoltaik zu verbessern. Es befasst sich insbesondere mit leicht verfügbaren und unbedenklichen Stoffen, die es ermöglichen, auf den großflächigen Einsatz ressourcen- und energieintensiver Materialien zu verzichten. Zu diesem Zweck sollen Nanostrukturen in organischen Solarzellen und Hybridsolarzellen kontrolliert und damit deren Wirkungsgrad und Langzeitstabilität erhöht werden. Von besonderem Interesse ist dabei die umweltverträgliche Verarbeitung aus nicht-chlorierten Lösungsmitteln.


SolTech - ein Verbund bayerischer Universitäten

Im Projekt "Solar Technologies go Hybrid" (SolTech), das 2012 an den Start ging, kooperieren fünf bayerische Universitäten: die Universität Bayreuth, die FAU Erlangen-Nürnberg, die LMU München, die TU München und die Universität Würzburg. Gemeinsam und interdisziplinär wollen sie die Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Umwandlung von Solaranergie in elektrischen Strom oder in transportable und lagerbare Brennstoffe vorantreiben. Mit diesem Ziel haben sich die Projektpartner in fünf "Key Labs" organisiert, die auf die Expertise der einzelnen Universitäten spezialisiert sind:

• Bayreuth: Makromolekulare Materialien
• Erlangen: Kohlenstoffreiche Hybride
• LMU München: Anorganische und hybride Nanosysteme
• TU München: Hybridsysteme mit Nanomaterialien
• Würzburg: Supramolekulare Materialien für Photovoltaik und Photokatalyse

Die Forschung des am Bayreuther Institut für Makromolekülforschung (BIMF) angesiedelten Key Labs "Makromolekulare Materialien" umfasst:

1) das Design und die Synthese von Funktionsmaterialien/Polymeren
2) grundlegende physikalische Untersuchungen zur Photophysik sowie zum Energie- und Ladungstransport
3) die theoretische Behandlung dieser Prozesse in Modellen und realen Systemen
4) die Herstellung von Bauelementen und deren Charakterisierung

Am Bayreuther Keylab sind sechs Arbeitsgruppen der Universität Bayreuth beteiligt.[2] Zusätzlich wurde hier eine Juniorprofessur (Prof. Dr. Sven Hüttner) im Rahmen des Verbundprojekts SolTech neu eingerichtet.

Ein Highlight aus diesem Keylab ist die rasante Entwicklung von hocheffizienten Hybrid-Perowskitsolarzellen. In der Regel besteht eine Perowskit-Solarzelle aus einem bleihaltigen anorganischen Halbleitersalz (Perowskit: CH3NH3PbI3) und einem organischen Lochleiter (Spiro-OMeTAD) im Schichtaufbau (Abb. 4). Auf diesem Gebiet wurden in den letzten zwei Jahren bedeutsame Fortschritte bezüglich der Effizienz erzielt. Der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Mukundan Thelakkat gelang es im Jahr 2014, einen Wirkungsgrad von rund 15 Prozent zu erreichen. Ein wichtiges Ziel der Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet ist es zudem, das toxische Element Blei durch nichttoxische Substanzen zu ersetzen und die Lebensdauer der neuen Hybrid-Perowskitsolarzellen zu erhöhen. Anknüpfend an die vielversprechenden Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet, startete 2014 ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Forschungsprojekt, das sich mit technologierelevanten Fragen in Bezug auf Hybrid-Perowskitsolarzellen befassen wird. Eine Forschungsgruppe an der Universität Bayreuth[3] ist in dieses - vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg koordinierte - Vorhaben eingebunden.


Weitere Projekte

Zusätzlich zu den genannten Solarzell-Forschungsvorhaben arbeiten mehrere Arbeitsgruppen aus der Chemie und der Physik an der Universität Bayreuth in grundlagenorientierten Verbundprojekten. So ist das Graduiertenkolleg 1640 "Photophysik synthetischer und biologischer multichromophorer Systeme" auf die Photophysik von Ladungstransfer und -transport in unterschiedlichen Materialien spezialisiert. Die plasmonische Lichteinkopplung in Hybridsolarzellen ist wiederum eine wichtige Frage des DFG-Sonderforschungsbereichs 840 "Von partikulären Nanosystemen zur Mesotechnologie" auf dem Gebiet der Solarenergieforschung.

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Blick ins Innere einer organischen Solarzelle

Im Gegensatz zu anorganischen Halbleitern werden in organischen Halbleitermaterialien unter Beleuchtung keine freien Ladungsträger erzeugt, sondern Elektronen-Loch-Paare. Ein solches Paar besteht aus einem Elektron, das sich aufgrund der Absorption von Energie in einem angeregten Zustand befindet, und einer Elektronenfehlstelle (Loch). Die Elektronen-Loch-Paare - sie werden in der Forschung als Exzitonen bezeichnet - müssen getrennt und ihre Bestandteile zu den Elektroden der Solarzellen abtransportiert werden. Nur dann können organische Solarzellen effizient arbeiten.

Damit die Exzitonen getrennt werden, müssen sie innerhalb der Solarzelle auf eine Grenzfläche treffen, die aus zwei Materialkomponenten besteht: einem elektronenreichen Donormaterial (D) und einem elektronenarmen Akzeptormaterial (A). In der Regel wird ein langkettiges Halbleiterpolymer als Donor und ein Fulleren-Derivat als Akzeptor verwendet. Aber das Fulleren-Derivat kann auch beliebig mit anorganischen Halbleitermaterialien ersetzt werden; in diesem Fall spricht man von einer Hybridsolarzelle.

Exzitone haben eine äußerst kurze Lebensdauer. Deshalb wäre es vorteilhaft, wenn sie bis zur D-A-Grenzfläche einen möglichst kurzen Weg zurücklegen müssen. Der Weg ist umso kürzer, je dünner die Absorptionsschicht der Solarzelle ist. Doch damit die Solarzelle viel Lichtenergie absorbieren kann, muss die Absorptionsschicht umgekehrt möglichst dick sein. Um dieses Dilemma zu lösen, wurden neuartige Solarzellen entwickelt, die auf der Nanostrukturierung der D-A-Absorptionsschicht beruhen: die Multischichtsolarzelle und die Polymerblendsolarzelle: Letzere erhält man durch die Mischung des Donormaterials (D) und des Akzeptormaterials (A). Um die Polymerblendsolarzelle optimal weiterzuentwickeln, müssen stabile Nanostrukturen - wie z.B. in einem D-A-Blockcopolymer (Abb. 4) - vertikal ausgerichtet werden.

Alle diese Solarzellentypen können im großflächigen Format mittels "Roll to Roll"-Druckverfahren hergestellt werden. Die Arbeitsgruppe "Angewandte Funktionspolymere" an der Universität Bayreuth widmet sich unterschiedlichen Aspekten dieser zukunftsweisenden Technologie. Dabei werden neue Materialien synthetisiert, völlig neue Konzepte zu Donor-Akzeptor-Solarzellen entwickelt und die Nanostrukturbildung und -stabilisierung in diesen Systemen erforscht.


Abbildungen der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht.

Abb 4: Verschiedene Architekturen der photoaktiven Schicht dienen der Erzeugung von D-A-Grenzflächen für die Ladungstrennung.

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Autor

Prof. Dr. Mukundan Thelakkat leitet die Arbeitsgruppe "Angewandte Funktionspolymere" am Lehrstuhl Makromolekulare Chemie I (Leitung: Prof. Dr. Hans-Werner Schmidt).


Anmerkungen

1. Die Leitung liegt bei Prof. Dr. Mukundan Thelakkat.

2. Diese Arbeitsgruppen werden geleitet von Prof. Dr. Anna Köhler, Prof. Dr. Jürgen Köhler, Prof. Dr. Stefan Kümmel, Prof. Dr. Hans-Werner Schmidt, Prof. Dr. Peter Strohriegl und Prof. Dr. Mukundan Thelakkat.

3. Auch dieses Projekt wird von Prof. Dr. Mukundan Thelakkat geleitet.


Linktipps


• www.largecells.eu
• www.soltech-go-hybrid.de

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 14:
Organische Photovoltaikzellen auf bedruckten Folien werden im Rahmen des europäischen Projekts LARGECELLS im Freien getestet.

Abb.1 S. 15 oben:
Auch im indischen Bangalore wurden Module gedruckter organischer Photovoltaikzellen getestet. Hier: Aufbau eines Experiments.

Abb.2 S. 15 unten:

Mit organischen Photovoltaikzellen bedruckte Folie.

Abb.3 S. 16:
Chemische Synthese und Reinigung von Materialien in einem Labor der Universität Bayreuth.

Abb.5 S. 17:
Schematischer Aufbau einer Hybrid-Perowskitsolarzelle (links) und Querschnitt einer solchen Solarzelle in einer rasterelektronenmikroskopischen Aufnahme (rechts).


Sie finden das Magazin als PDF-Datei mit Abbildungen unter:
http://www.uni-bayreuth.de/presse/spektrum/spektrum-pdf/ausgabe_02_14.pdf

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Quelle:
spektrum - Magazin der Universität Bayreuth
Ausgabe 2, November 2014, S. 14 - 17
Herausgeber: Universität Bayreuth
Stabsstelle Presse, Marketing und Kommunikation
95440 Bayreuth
Telefon: 0921/55-53 56, -53 24, Fax: 0921/55-53 25
E-Mail: pressestelle@uni-bayreuth.de
Internet: www.uni-bayreuth.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2015


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