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ENERGIE/1633: Photovoltaik wird zum Game Changer im globalen Energiesystem (idw)


Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE - 03.06.2019

Photovoltaik wird zum Game Changer im globalen Energiesystem


Dramatische Kostensenkungen und der rasante Ausbau der Produktionskapazitäten machen die Photovoltaik zu einem Game Changer des globalen Energiesystems. Nicht nur der Stromsektor, sondern auch Verkehr, Wärme, Industrie und Chemieprozesse werden in Zukunft maßgeblich durch Solarstrom versorgt. Darin liegen Chancen, aber auch Herausforderungen - auf der Ebene des Energiesystems ebenso wie für Forschung und Industrie. Die Eckpunkte der zukünftigen Entwicklungen beschreiben führende internationale Photovoltaik-Forscher rund um die Global Alliance for Solar Energy Research Institutes in einem Artikel, der am 31. Mai im Journal »Science« erschien.

Die Global Alliance for Solar Energy Research Institutes GA-SERI besteht aus dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, dem National Institute of Advanced Industrial Science and Technology AIST (Japan) und dem National Renewable Energy Laboratory NREL (USA). Seit 2016 diskutiert dieser internationale Expertenkreis, erweitert um Forscher aus weiteren Gruppen und Ländern, regelmäßig über die Herausforderungen für den Einsatz der Photovoltaik zur Realisierung der weltweiten Klimaziele.

Das Wachstum der PV-Branche zu einem Multi-Terawatt-Markt verlaufe schneller als erwartet, so die Experten. Während Ende 2018 500 Gigawatt Photovoltaikleistung weltweit installiert waren, wird für 2030 mit 10 Terawatt und für 2050 mit 30 bis 70 Terawatt gerechnet. »Die Kosten für PV- Module sind in den letzten 40 Jahren um zwei Größenordnungen gesunken, Ende 2018 lagen sie unter 25 Dollarcent pro Watt. Dadurch sanken die Stromgestehungskosten für Solarstrom - im Gegensatz zu konventionellen Energiequellen - und in weiten Teilen der Welt ist er absolut wettbewerbsfähig«, so Dr. Andreas Bett, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE.

Der steigende Anteil von PV-Strom am Strommix zieht Änderungen im Stromerzeugungs- und Übertragungssystem, in den Betriebsführungsstrategien und bei den PV-Systemen selbst nach sich, so die Autoren. »Der fundamentale Wandel in unserem Energiesystem stellt uns vor die Herausforderung, ergänzende Technologien wie Speicher zu entwickeln und die Sektorenkopplung voranzutreiben«, so Andreas Bett weiter. Fünf Handlungsfelder identifizieren die Wissenschaftler:

Netze und Leistungselektronik

Die Harmonisierung von Verbrauch und Erzeugung auch über größere Entfernungen, Speicher sowie verbesserte Solarprognosen helfen, Schwankungen im Solarstromangebot auszugleichen. Mit einem wachsenden PV-Strom-Anteil im Stromnetz werden Solaranlagen zunehmend netzdienliche Leistungen wie Spannungsregulierung und Frequenzsteuerung übernehmen, wofür eine neue Generation PV-Wechselrichter entwickelt wurde. Bei einem sehr hohen PV-Anteil werden neue Technologien wie virtuelle Schwingungsregler zum Einsatz kommen, und die Kopplung mit Batteriesystemen schafft widerstandsfähige, zuverlässige Systeme.

Speicher

Die Preise für Lithium-Ionen-Batterien sind in den letzten acht Jahren um 80 Prozent gesunken, und weitere Senkungen sind durch steigende Produktionskapazitäten und Technologieentwicklung zu erwarten. Darüber hinaus arbeiten Forschung und Industrie an neuen, kostengünstigen Materialien mit einer höheren Energiedichte als Alternative zu Lithium-Ionen - Batterien. Eine weitere Möglichkeit sind Pumpspeicherkraftwerke, für die weltweit ein erhebliches technisches Potenzial besteht.

Sektorenkopplung

Die Elektrifizierung des Transportsektors, der für 39 Prozent des fossilen Gesamtenergieverbrauchs zuständig ist, sowie der Gebäudeheizung (17 Prozent der fossilen Energieträger) werden die Nutzung erneuerbarer Energien dramatisch erhöhen. Wärmepumpen als die führende Heizungsform der Zukunft werden die Energieeffizienz von Gebäude deutlich verbessern. Industrien wie die Stahl-, Eisen - und Düngemittelherstellung können mit kostengünstig solar erzeugtem Wasserstoff und Ammoniak die Treibhausgasemissionen ihrer Prozesse reduzieren.

Power to X/Gas

Kostengünstiger Wind- und Solarstrom kann zur Erzeugung von Wasserstoff, Methan und anderen Kohlenwasserstoffverbindungen genutzt werden, die als synthetische Kraft- und Brennstoffe, Prozesschemikalien oder als Ausgangsstoffe für die chemische Industrie zum Einsatz kommen. Mit Power-to-Gas oder Power-to-X -Technologien können große viele Terawatt Wind- und Solarleistung aufgenommen und über lange Zeiträume chemisch gespeichert werden. Die Forscher sehen hier noch viel Potenzial für Effizienzsteigerung und Kostensenkung.

Forschung und Produktion

Die »Lernkurve« der Photovoltaik, die in den letzten 40 Jahren eine Senkung der Modulkosten von 23 Prozent pro Verdopplung der installierten Kapazität gezeigt hat, wird sich nach Ansicht der Wissenschaftler fortsetzen. In der Silicium-Photovoltaik, die 95 Prozent des Weltmarktes ausmacht, geht der Trend zu kostengünstigen Solarzellen mit passivierten Kontakten, die höhere Wirkungsgrade ermöglichen. Technologische Fortschritte im Bereich der Dünnschicht- und neuartigen Technologien haben hier die Wirkungsgrade über die 20%-Marke gehoben, bei Mehrfachsolarzellen auf Basis von Silicium sind es bereits über 35%.

Auch die erhöhten Produktionsvolumina bedingen neue Forschungs- und Entwicklungsaufgaben: Fragen von Materialversorgung (vor allem bei seltenen Elementen wie Silber), Nachhaltigkeit und Recycling rücken bei einer Produktion im Terawatt-Bereich stärker in den Mittelpunkt.


Die Veröffentlichung der Global Alliance - mit dem Titel »Terawatt-scale photovoltaics: Transform global energy - Improving costs and scale reflect looming opportunities« erschien am 31. Mai 2019 in Science
https://science.sciencemag.org/content/364/6443/836.

Originalpublikation:
10.1126/science.aaw1845

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution273

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, 03.06.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2019

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