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ENERGIE/683: Adieu, Batterie! Willkommen, Bakterium! (Freiburger Uni-Magazin)


Freiburger Uni-Magazin - 5/Oktober 2009

Adieu, Batterie! Willkommen, Bakterium!
Wissenschaftler im IMTEK wollen Energie aus Bakterien, Vibration
und Bewegung gewinnen - und werden dafür mit Millionen gefördert.

Von Benjamin Klaußner


Weg von Akku und Ölheizung, hin zu Mikroenergie-Ernte und Bakterien-Brennstoffzellen: Forscherinnen und Forscher des Instituts für Mikrosystemtechnik (IMTEK) und des Instituts für Mikrobiologie wollen mit ungewöhnlichen Methoden Energie gewinnen. In naher Zukunft könnten zum Beispiel Mobiltelefone auf dem Fahrrad aufgeladen werden und ganze Haushalte würden ihren Strom von einer kühlschrankgroßen Bakteriensiedlung beziehen.


Der kleine silberne Kompressor mit den schwarzen Füßen vibriert kaum wahrnehmbar. Aber diese minimale Bewegung genügt schon, um einen Temperatursensor mit Strom zu versorgen: 35.1 Grad sind es im IMTEK-Besprechungsraum an diesem Sommertag. Die Temperatur bringt Prof. Peter Woias, Sprecher des Graduiertenkollegs "Micro Energy Harvesting" (auf deutsch etwa: Ernte von Mikroenergie), nicht ins Schwitzen. Dann schon eher der Gedanke an all die Energie, die verschleudert wird: in Form von Bewegung bei Autos oder Maschinen, in Form von Druck oder Reibung, zum Beispiel bei Schaltern, oder in Form von Temperaturunterschieden. Zehn Professoren und 22 Promovierende arbeiten im Graduiertenkolleg "Micro Energy Harvesting" daran, geringe Mengen von Energie nutzbar zu machen. Dafür stellen ihnen die Deutsche Forschungsgemeinschaft und fünf Unternehmen bis Mitte 2011 fast drei Millionen Euro zur Verfügung. Der kleine Kompressor im IMTEK-Besprechungsraum demonstriert, wie ungenutzte Energie sinnvoll verwendet werden kann: Die Vibration wird in Strom umgewandelt, der einen Sensor, das Thermometer, antreibt.

Das geschieht über Piezokristalle, die Spannung abgeben, wenn sie belastet oder bewegt werden. Fabriken, Autos, Tunnels oder die Landwirtschaft verwenden äußerst viele Sensoren. Sie messen die Temperatur oder die Luftfeuchtigkeit - und werden notgedrungen mit Batterien betrieben.


Lichtschalter? Einfach hinkleben!

Vielleicht werden bald deutlich weniger Batterien gebraucht, denn die Forschung ist in diesem Bereich schon weit fortgeschritten. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzen überschüssige Energie immer konsequenter: Die Münchner Firma Enocean hat bereits tausende Lichtschalter mit der Piezokristall-Technik verkauft. Sie funktionieren durch menschliche Kraft: Durch den Druck auf den Schalter entsteht genug Energie, damit ein Funksignal an die Lampe geschickt werden kann - es werde Licht. Dadurch spart man nicht nur Strom, sondern auch die komplette Verkabelung. "Wenn Sie irgendwo einen Schalter wollen, kleben Sie ihn einfach hin", erklärt "Energy Harvesting"-Sprecher Peter Woias. Er und seine Kolleginnen und Kollegen denken bei ihrer Arbeit weniger an Lichtschalter, aber auch sie wollen überschüssige Energie nutzbar machen, beispielsweise um damit Sensoren in Fertigungsstraßen und Verkehrstunnels anzutreiben. Auch ein Reifendruckmesser, der seine Energie aus der Bewegung des Autos bezieht, ist geplant. Bei diesen Messgeräten ist es besonders praktisch, wenn sie keine Batterien brauchen: Sie sind an schwer zugänglichen Stellen angebracht, der Reifendrucksensor etwa sitzt zwischen Felge und Reifen.


Batteriewechsel im Körper

Noch schwieriger ist der Zugang zur Elektronik, wenn sie als Implantat in den menschlichen Körper eingebaut ist. Eine Forschergruppe um den Verfahrens- und Umwelttechniker Sven Kerzenmacher arbeitet daran, Körperenergie etwa zur Versorgung eines Herzschrittmachers zu nutzen. "Wir wollen den Blutzucker als Energiequelle dafür nutzen, Implantate energieautark zu machen", erklärt Kerzenmacher das Projekt. Bisher müssten Schrittmacher-Patienten mindestens alle zehn Jahre operiert werden, um mit einer neuen Batterie ausgestattet zu werden.

Die Mikroenergie-Ernte lässt viel Spielraum für neue Ideen: Denkbar ist in den nächsten Jahren die Entwicklung eines Turnschuhs, der aus der Bewegung Strom für einen Schritt- oder Pulsmesser liefert. "Auch eine Handy-Ladestation auf dem Fahrrad ist möglich", sagt Peter Woias. Bis zum MP3-Player, der seine Energie aus menschlicher Bewegung bezieht, müssten aber noch viele technische Hürden überwunden werden.


Energie gewinnen im grossen Stil: Die Bakterien-Brennstoffzelle

Der Nachwuchsforscher Sven Kerzenmacher arbeitet für das IMTEK nicht nur an der Mikroenergienutzung: Der 33-Jährige entwickelt gemeinsam mit dem 32-jährigen Biologen Dr. Johannes Gescher eine Bakterien-Brennstoffzelle. Sie soll effizient umweltschonenden und günstigen Strom produzieren. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert das gerade angelaufene Projekt mit über einer Million Euro.

Die Erfolgsidee funktioniert folgendermaßen: Eine normale Brennstoffzelle erzeugt Strom durch die Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff an zwei räumlich getrennten Elektroden. Ein ähnlicher Vorgang spielt sich in der mikrobiellen Brennstoffzelle ab, wobei die Kraft des Bakterienstoffwechsels genutzt wird. "Man kann sich das so vorstellen", erklärt Kerzenmacher: "Man hat zwei Gläser, eins gefüllt mit den Bakterien und ihrer Nahrung, das andere mit Wasser. Dazwischen ist ein Leiter, über den sich die elektrische Energie nutzen lässt." Die Bakterien sind eine Art Katalysator, die die Reaktion und dadurch die Stromproduktion ermöglichen.


Bakteriennahrung zu Schleuderpreisen

Zur Energieherstellung brauchen die Bakterien dann nur noch Nahrung: Zucker etwa oder Glycerin, das bei der Biodieselherstellung als Abfallprodukt entsteht. Klingt einfach, aber die Wissenschaftler müssen noch viele Details erforschen und verbessern. Ein optimales Bakterium zu finden ist schwierig, denn die kleinen Lebewesen produzieren selten gleichmäßig Energie. "Es gibt natürliche Bakterien, die im Boden vorkommen und die geforderten Eigenschaften besitzen", sagt Gescher. "Wir wollen aber ein besseres züchten, das auch die Nahrung effektiver verwerten kann."

Wenn alles klappt, soll am Ende der Förderzeit 2014 ein Prototyp gebaut werden, der die Energie optimal nutzt und möglichst viel Leistung bringt. Etwa vier Billionen Bakterien wollen die Nachwuchsforscher auf einem Quadratmeter Brennstoffzelle unterbringen. Mit etwa 200 Quadratmetern Fläche könnten dann bis zu drei Kilowatt Strom erzeugt werden - genug, um einen Haushalt zu versorgen. Geschickt aufeinander gestapelt, würden die 200 Quadratmeter in einen kühlschrankgroßen Behälter passen. Der Strom würde abgasfrei erzeugt - und erheblich billiger als heute. Die mikrobielle Brennstoffzelle ist zwar weniger effizient, kostet dafür aber auch nur einen Bruchteil einer herkömmlichen Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzelle.

Kein Wunder, dass sich schon zahlreiche Interessenten gemeldet haben, von der Schreinerwerkstatt bis zum Ferienhausbesitzer. Sie werden sich noch eine Weile gedulden müssen - aber die Energierevolution ist möglich.


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Quelle:
Freiburger Uni-Magazin Nr. 5/Oktober 2009, Seite 15-16
Herausgeber: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg,
der Rektor, Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer
Redaktion: Eva Opitz (verantwortlich)
Kommunikation und Presse
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. November 2009